Lost Ark ist beeindruckend, aber eine der wichtigsten Komponenten hat uns noch so gar nicht überzeugt.
Lost Ark: Unser Ersteindruck vom heiß erwarteten Action-MMORPG
Mehr als sechs Jahre ist es her, dass Lost Ark angekündigt wurde. Schon damals gab es einen spektakulären Gameplay-Trailer, der uns in Kombination mit den Versprechungen richtig vom Hocker haute: ein Diablo-esques Hack and Slay mit Spitzengrafik, offener Spielwelt, MMO-Unterbau und das alles auch noch zum Nulltarif? Wo sollen wir unterschreiben? Das war 2014. Nun schreiben wir das Jahr 2021 und Lost Ark ist zwar schon längst erschienen, bloß nicht bei uns. In seiner Heimat Südkorea wird es schon seit Jahren rauf und runter gespielt. Seit 2019 laufen die Server in Russland und vergangenes Jahr durften die Japaner in die Fantasy-Welt eintauchen. Wir im Westen können nur darauf hoffen, dass Lost Ark vielleicht im Verlauf der kommenden Monate endlich auch bei uns an den Start geht. Amazon hat sich die Publishing-Rechte für Nordamerika und Europa gesichert, aber einen Release-Termin gibt es nach wie vor nicht.
Weil wir aber total ungeduldig sind und endlich mal selbst herausfinden wollten, ob Lost Ark wirklich der Heiland für Action-RPG-Fans ist, haben wir uns auf die russischen Server begeben. Das ist nämlich gar nicht so schwierig. Alles, was ihr dafür braucht, ist ein Account bei Mail.ru und ein VPN-Dienst. Denn mit einer deutschen IP könnt ihr Lost Ark zwar herunterladen, aber nicht spielen. Zur Überwindung der Sprachbarriere gibt es eine englische Fan-Übersetzung. Mit diesen Dingen ausgestattet, sind wir in Lost Ark eingetaucht, haben etliche Monster abgeschlachtet, gelevelt, gelootet und viele Quests erfüllt, um herauszufinden, ob sich das lange Warten wirklich lohnt.
Ein Disclaimer gleich zu Beginn
Wir können in dieser Preview nicht auf alle Aspekte des Spiels eingehen und schon gar nicht ein finales Urteil abgeben, ob das Spiel mal in einer lokalisierten Fassung ein Pflichttitel für Genrefans sein wird. Das hat zweierlei Gründe: Zum einen wäre da eben die Sache mit der Sprache. Ja, die Fan-Übersetzung hat uns einen Crashkurs in Russisch und kyrillischer Schrift erspart, aber sie ist eher schlecht als recht und noch dazu lückenhaft. Relativ schnell haben wir es daher aufgegeben, die Geschichte wirklich zu verfolgen, und stattdessen jegliche Dialoge weggeklickt. Abgesehen davon, dass es offensichtlich um den Kampf Gut gegen Böse geht und ihr der auserkorene Held seid, der einem bösen dämonischen Halunken das Handwerk legen soll, haben wir also nichts mitbekommen.
Zum anderen sei gesagt, dass Lost Ark das erste M von MMORPG, also das Wort "Massively", sehr wörtlich nimmt. Das Spiel ist absolut riesig. Die Welt besteht aus mehreren Kontinenten und die Meere dazwischen sind per Schiff erforschbar. Aber so weit, dass wir unseren eigenen Kahn bekommen, sind wir noch gar nicht gekommen. Nach etlichen Stunden sind wir immer noch auf dem Startkontinent zugange und questen uns dort von Zone zu Zone. Vielleicht werden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt noch tiefgehender mit Lost Ark auseinandersetzen (also bevor es hierzulande erscheint), aber wir wollten eben unbedingt jetzt unseren Ersteindruck von dem Spiel vermitteln. Daher konzentrieren wir uns an dieser Stelle auf die Grundlagen, allen voran das Kämpfen und Looten, die wohl wichtigsten Aspekte eines jeden Hack and Slays.
Das nennen wir mal Power Fantasy!
Genau wie in Diablo steht das Monsterschnetzeln in Lost Ark im Vordergrund. Es gibt zwar diverse Quests, in denen ihr einfach nur Items einsammeln oder mit der Umgebung interagieren müsst (was ziemlich langweilig ist, aber zum Glück nie zu lange dauert), aber das Kernelement sind die Kämpfe. Und hier trumpft Lost Ark richtig auf. Das macht sich sogar schon bei der Charaktererstellung bemerkbar, die für ein Hack and Slay mit isometrischer Perspektive sogar ziemlich umfangreich ausfällt. Aber hier wählt ihr nicht nur zwischen etlichen Frisuren, Gesichtern, Tätowierungen und anderem optischen Kram, sondern entscheidet euch auch für eine der fünf Basisklassen.
Es gibt den Krieger, die Assassine, die Magierin, die Kämpferin und den Jäger (und ja, das Geschlecht ist stets fest vorgegeben). Jede Klasse spezialisiert sich auf Stufe 10 nochmal. In der russischen Version sind noch nicht ganz so viele Spezialisierungen verfügbar wie in der koreanischen, aber die Auswahl kann sich trotzdem schon sehen lassen. Und für jede davon gibt es ein Vorschauvideo mit Kampfszenen, das euch zeigt, was euch erwartet. Und noch nie haben wir bei einem Hack and Slay schon bei der Charaktererstellung gedacht: "Verdammt, wir müssen alle Klassen und Spezialisierungen ausprobieren! Jede sieht cool aus!"
Nun haben wir noch nicht jede Klasse gespielt, aber zumindest mit dreien unsere Erfahrungen gemacht. Anfangs fiel unsere Entscheidung auf den Krieger, den wir auf Level 10 zum Berserker machten. Als solcher hantiert er mit einem übertrieben großen Zweihandschwert. Hinter jedem Schlag steckt eine ungeheure Kraft, zumindest fühlt es sich so an. Die Animationen der unterschiedlichen Angriffe, das Trefferfeedback, die Soundeffekte: Lost Ark gelingt es vortrefflich, euch das Gefühl zu geben, ungemein mächtig zu sein – und das schon von Anfang an. In diesem Punkt ist es sogar besser als Diablo 3.
Nach einiger Zeit waren wir dann doch nicht so zufrieden mit unserer Wahl und erstellten eine Assassine, die wir später zu einer dämonischen Nahkämpferin entwickelten, die sich mit zwei Gleven und dunklen Mächten gegen ihre Feinde behauptet und einfach nur unfassbar cool ist. Ihre flotten Angriffe sagten uns nochmal deutlich mehr zu als die langsamen Schwerthiebe unseres Berserkers. Zu guter Letzt testen wir auch mal kurz den Jäger, genauer gesagt dessen Teufelsjäger-Variante, die standardmäßig mit zwei Revolvern kämpft, aber auch zu einer Schrotflinte und einem Scharfschützengewehr wechseln kann. Auch diese Klasse macht verdammt viel Spaß und erinnert an einen Dante aus Devil May Cry, der sein Schwert daheim gelassen hat.
Fernkampf, der keiner Extrataste bedarf
Ein großes Plus von Lost Ark ist auch seine Bedienung. Zwar lässt es sich leider noch nicht vernünftig mit einem Gamepad spielen, unter anderem weil das Interface nicht angepasst wird, wenn ihr zum Controller greift, aber dafür haben die Entwickler bei der Maussteuerung etwas gemacht, das wir so in noch keinem anderen Genrevertreter zuvor gesehen haben: Angreifen und Bewegen liegt nicht beides auf der linken Maustaste.
In Diablo und Co müssen Fernkämpfer stets eine zusätzliche Taste gedrückt halten, wenn sie mit Schusswaffen oder Zauberstäben auf ihre Gegner feuern, damit der eigene Charakter auf der Stelle stehen bleibt und nicht versehentlich Richtung Feind läuft. In Lost Ark erübrigt sich das. Mit der linken Maustaste greift ihr an, mit der rechten bewegt ihr euch. Uns wäre es umgekehrt zwar lieber gewesen (und komischerweise lassen sich ausgerechnet diese beiden Tastenbelegungen in den Optionen nicht verändern, die sind einfach ohne Erklärung gesperrt), aber das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Hauptsache ist doch, dass es gut funktioniert und das ist in Lost Ark definitiv der Fall.
Wenn der Loot nicht motiviert
Was uns jedoch weniger begeistert, ist bislang die Loot-Spirale. So viel Beute wie in anderen Hack and Slays gibt es in Lost Ark nicht. Klar, ihr findet im Spielverlauf immer wieder Ausrüstungsteile oder Waffen, aber eben nicht in den rauen Mengen, wie ihr es aus Diablo, Path of Exile und Konsorten gewohnt seid. Noch dazu ist uns etwas sehr Merkwürdiges aufgefallen: In den meisten Fällen haben wir zwei Arten von Gegenständen erbeutet: Entweder waren sie schlechter als das, was wir bereits trugen oder wir konnten sie erst auf dem nächsthöheren Level tragen. Letzteres steigert natürlich die Motivation, die nächste Stufe zu erreichen, aber irgendwann gingen wir in Dungeons mit dem Wissen hinein: "Alles, was wir gleich erbeuten werden, wird uns zumindest vorerst nichts nützen." Und das ist nicht gerade befriedigend. Hier wird hoffentlich noch ordentlich an der Balance geschraubt.
Viel besser gefällt uns hingegen das Skill-System. Mit jedem Levelaufstieg ab Stufe 10 erhält der eigene Charakter Fähigkeitspunkte, mit denen sich die einzelnen Skills aufwerten lassen. Je höher deren Level ist, desto mehr Punkte kostet ein Upgrade. Obendrein lassen sich für aufgewertete Fähigkeiten Modifizierungen freischalten. Die teilen sich in drei Ränge auf. Die beiden unteren enthalten jeweils drei Stück und stehen euch zur Verfügung, sobald ihr vier beziehungsweise 20 Punkte in den entsprechenden Skill investiert habt. Die dritte Stufe wird bei 48 Punkten freigeschaltet und umfasst nochmal zwei weitere Verbesserungen. Pro Stufe lässt sich eine Modifikation auswählen, ihr könnt aber jederzeit einen Austausch vornehmen. Auf diese Weise verringert ihr etwa die Abklingzeiten, erhöht die kritische Trefferchance oder schaltet zusätzliche Effekte frei. Das alles erinnert sehr an die Runen aus Diablo 3.
Großes Spektakel
Auch wenn wir uns kaum mit der Geschichte von Lost Ark auseinandergesetzt haben, können wir eine Sache doch schon mal festhalten: Die Inszenierung ist angesichts dessen, dass es ein Free-to-Play-Spiel ist und sämtliche Zwischensequenzen in der Spielgrafik stattfinden, hervorragend. Was die Entwickler hier abliefern, stellt selbst Diablo 3 in seinen Schatten, sofern wir dessen schicke Render-Filmchen mal ausklammern.
Gerade in den instanzierten Story-Missionen und -Dungeons zeigt sich, wie hochwertig Lost Ark doch daherkommt. Noch dazu sind die Story-Sequenzen stets vollvertont, wobei wir uns kein Urteil über die russischen Sprecher erlauben wollen. Die orchestrale Musik steht zudem großen AAA-Produktionen in nichts nach. Und haben wir schon erwähnt, dass es für jede Grundklasse einen eigenen Prolog gibt? Das hat uns richtig umgehauen, denn jeder dieser Spieleinstiege findet in eigens dafür geschaffenen, detailreichen Levels statt, wie wir es sonst nur von Vollpreistiteln gewohnt sind. Und selbst da lassen sich die Rollenspiele, die so etwas machen, an einer Hand abzählen.
Dass Lost Ark grafisch ein Leckerbissen ist, dürfte für euch auch nichts Neues sein. Gut, die Optik beeindruckt heute nicht mehr so sehr wie beim ersten Trailer von 2014. Aber die detailreichen Umgebungen, die schicken Charaktermodelle und die grandiosen Effekte im Kampf machen auch im Jahr 2021 noch so einiges her. Und ganz ehrlich: Mit Ausnahme des inhaltich mauen Wolcen gibt es wohl kein Hack and Slay, das so schön aussieht wie Lost Ark.
Einschätzung
Lost Ark hat uns beeindruckt. Es sieht schick aus, scheint einen riesigen Umfang zu haben, von dem wir bislang nur einen Bruchteil gesehen haben, gehört in Sachen Kampfgefühl zur Speerspitze seines Genres, hat verdammt coole Klassen und wirkt enorm hochwertig. Aber wir sind eben auch noch nicht zu 100 Prozent überzeugt. Das Looten macht uns bislang noch nicht sonderlich viel Spaß und warum es Quests geben muss, die absolut nichts mit Monsterschnetzeln zu tun haben, verstehen wir nicht so ganz. Alles abseits der Action macht halt schlichtweg keinen Spaß.
Es gibt aber auch noch sehr große Fragezeichen: Wie gut ist die Story? Das können wir angesichts der Umstände noch nicht einschätzen. Wie problematisch könnte die Monetarisierung werden? Uns ist bereits zu Ohren gekommen, dass im Shop echte Spielvorteile verkauft werden. Dass das in den ersten Spielstunden keine Relevanz hat, dürfte niemanden überraschen, denn alles andere wäre nicht gerade eine clevere Strategie, um Spieler zu binden.
Zu guter Letzt haben wir bislang noch nicht das Gefühl, ein Open-World-Spiel zu zocken. Ja, die Gebiete sind recht weitläufig, sodass das Schnellreisesystem und die Reittiere (ja, die gibt es!) sinnvoll sind. Aber es sind eben a) einzelne Levels, die durch Ladebildschirme voneinander getrennt sind, und b) wurden wir bislang linear von einem Areal zum nächsten geleitet. Vielleicht öffnet sich das Spiel dann, wenn wir unser eigenes Schiff erhalten. Das gilt es noch herauszufinden. Wir behalten Lost Ark im Auge, werden die russische Version vielleicht auch noch weiterspielen. Vielversprechend ist es nach wie vor und wir hoffen auch weiterhin, dass es bald endlich in den Westen kommt.