Endlich Gameplay von Starfield! Yeah! Es sieht gut aus! Man kann Raumschiffe bauen und fliegen! Cool! Es gibt über 1000 Planeten! Yabbba Dabba … Äh, ne, Moment mal!
Starfield erfüllt Wünsche … und weckt große Sorgen
Das Xbox & Bethesda Games Showcase 2022 war für die ersten 70 Minuten durchaus gut. Wir haben erstes, nettes Gameplay von Redfall gesehen, Forza Motorsport wurde gezeigt, es gab reichlich neue Eindrücke aus Diablo 4 und viele kleinere, vielversprechende Titel wie Flintlock: Siege of Dawn und Scorn. Aber sind wir mal ehrlich: Wir alle (zumindest diejenigen, die den Bethesda-Rollenspielen nicht abgeneigt sind) haben doch nur auf die letzten knapp fünfzehn Minuten gewartet, in denen Todd Howard Starfield vorgestellt und erstmals Gameplay präsentiert hat. Wenn ihr wissen wollt, was das Sci-Fi-Epos bietet, verweisen ich euch auf unseren Überblicksartikel, in dem wir alles, was wir über Starfield wissen, zusammenfassen.
Die gestrige Präsentation hat viele der Fragen, die seit der Ankündigung 2018 offen waren, beantwortet – und zu einem Großteil zu meiner Zufriedenheit. Können wir fliegen? Ja, können wir. Zwar ist noch nicht ganz raus, ob es wirklich fließende Übergänge von Planetenoberflächen ins All und umgekehrt gibt, aber wir werden unsere Schiffe aktiv aus der Cockpit- sowie Heckansicht steuern, Kämpfe im Weltraum bestreiten und überall auf den Planeten (und Monden) landen können. Wir dürfen sogar selbst Raumschiffe bauen. Wie cool ist das bitte?!
Ich mag es auch, dass der Siedlungsbau aus Fallout 4 zurückkehrt. Ja, in dem Endzeitrollenspiel ist das System nicht sonderlich gut umgesetzt. Man ist immer in der Ego-Perspektive, die Bedienung der Menüs ist enorm unintuitiv und das Gameplay, was damit verbunden ist, kann auch nicht überzeugen (Nein, Preston, ich will keiner weiteren Siedlung helfen!). Aber in Starfield auf verschiedenen Planeten meinen eigenen Stempel hinterlassen zu können, das macht mich neugierig. Zudem gibt es diesmal einen Baumodus mit freier Kamera, so dass ich gemütlich aus der Vogelperspektive Außenposten aus dem Boden stampfen darf. Und es passt ja auch zur Story. Immerhin spielt ihr einen Entdecker, der die Galaxie erschließen soll. Logisch, dass man da auch hier und da Basen errichtet.
Bethesda kann ja doch gute Grafik!
Wenig zu meckern hab ich des Weiteren bezüglich der Grafik. Starfield sieht nicht bahnbrechend, aber gut genug aus. Gerade die Lichtstimmung in manchen Szenen des Gameplay-Materials hat es mir angetan, egal ob nun auf Planeten oder im All. In Sachen Charaktermodelle macht Bethesda ebenfalls einen großen Schritt nach vorne, wobei das nach wie vor nicht die Stärke des Entwicklers ist. NPCs sind solide animiert und modelliert, aber wir sind halt schon deutlich Besseres gewohnt. Man muss sich ja nur mal Cyberpunk 2077 oder kommende Titel wie Forspoken und Suicide Squad: Kill the Justice League anschauen.
Etwas zwiegespalten hinterlassen mich wiederum die Kämpfe. Das Shooter-Gameplay sieht … Na ja, sagen wir, es sieht ok aus. Das Trefferfeedback bei den ersten beiden Abschüssen im Video ist richtig mies, um nicht zu sagen, gar nicht vorhanden. Bei den nachfolgenden Kills ist es etwas besser. Starfield ist eben ein Rollenspiel und man schießt in erster Linie Lebensbalken herunter. Wäre mein Spielspaß rein davon abhängig, würde ich das Ding nicht mal mit einer Kneifzange anfassen. Aber diese Aussage ließe sich dann auch auf alle bisherigen Bethesda-RPGs übertragen – und ich liebe Skyrim, trotz seines sehr schwachen Kampfsystems. Ich kann mich also mit den mäßigen Ballereien arrangieren, solange es keine zu krassen "Bullet Sponges" gibt und mir der Rest des Spiels, insbesondere die Erkundung und die Quests, zusagen. Ach ja, und die Weltraumkämpfe sehen durchaus gut aus, vor allem dank der schicken Explosionen. Sie werden sicherlich nicht so anspruchsvoll sein wie in Elite: Dangerous und Star Citizen, aber das erwarte ich auch gar nicht.
No Man's Sky 2, bist du es?
Ich sag's wie es ist: Bis zum letzten Gameplay-Clip war ich begeistert, auch weil Todd Howard Starfield auf die richtige Art und Weise vorgestellt hat. Ich habe jetzt einen sehr guten Überblick über die Features und eine konkrete Vorstellung, was das für ein Spiel wird. Das Ende der Präsentation jedoch hat den bis dahin aufgebauten Hype … Na, ich will nicht sagen, es hat ihn zerstört, das wäre zu hart. Aber zumindest hat es für eine Skepsis gesorgt, die zuvor nicht da war. Als Todd Howard preisgab, dass Starfield über 100 Systeme mit mehr als 1000 Planeten bietet, musste ich schwer schlucken. Das erste Wort, dass mir einfiel, war Größenwahn und mir war klar: Dieses Spiel wird mehr prozedural generierte Inhalte bieten als jedes The Elder Scrolls und Fallout zusammen.
Bethesda hat seine riesigen Welten in der Vergangenheit gerne mithilfe prozeduraler Generierung erstellt. The Elder Scrolls 4: Oblivion zählt zu meinen absoluten Hassspielen, weil das darin dargestellte Cyrodiil an jeder Ecke gleich aussieht. Kein Wald wirkt auch nur ansatzweise organisch, weil offensichtlich kein Baum per Hand gepflanzt wurde. Jeder Dungeon sieht gefühlt gleich aus. Mit Skyrim (Fallout 3 habe ich nie wirklich gespielt) hat sich Bethesda deutlich gesteigert. Himmelsrand wirkt viel natürlicher und die Höhlen, Katakomben und Co sind zumindest etwas abwechslungsreicher. Mit Boston und seinem verstrahlten Umland in Fallout 4 hat man sich dann nochmal übertroffen. Selten habe ich eine Welt so gerne erkundet wie diese, weil die Aussicht bestand, hinter jeder Ecke cooles Environmental Storytelling zu finden. Zugleich gibt es in Fallout 4 aber eben auch viele generische Quests, weil sie zum Teil auf prozeduraler Generierung basieren, was wiederum nicht so toll ist.
Angesichts der enormen Größe, die Starfield nun erreicht, ist gar nicht auszuschließen, dass der Großteil dieser Welt nicht von Hand gebaut ist. Klar, wie sollte es auch ein Team innerhalb von weniger als zehn Jahren (ich gehe davon aus, dass die Vorproduktion von Starfield frühestens 2015 begonnen hat und die richtige Entwicklung 2018) schaffen, mehr als 1000 Planeten selbst zu bauen und mit Inhalten zu füllen? Das ist gar nicht möglich. Es muss darauf hinauslaufen, dass viele der Himmelskörper keine interessanten Orte abseits zufallsgenerierter Höhlen oder Piratenbasen haben, die man nur erkundet, um Rohstoffe, anderweitigen Loot und Erfahrungspunkte zu erhalten. Und das ist äußerst schade.
Klar, nicht jeder Dungeon in Skyrim ist in Design-Hinsicht ein Highlight. Auch Himmelsrand hat so manche generischen Draugr-Gräber zu bieten. Aber es gibt auf der anderen Seite mehr als genug Orte, die nicht zwingend mit einer cool gestalteten Quest in Zusammenhang stehen, aber zumindest durch ihre Umgebung und vielleicht den einen oder anderen auffindbaren Brief eine Geschichte erzählen. Bei Starfield rechne ich nun damit, dass von allen Inhalten, seien es Quests oder Schauplätze, ein Prozentanteil im einstelligen Bereich handgebaut sein wird. Das kann immer noch bedeuten, dass es coole Quests und Entdeckungen abseits der generischen Bestandteile für über 100 Spielstunden gibt. Aber dann stellt sich mir die Frage: Braucht es dann in einem Singleplayer-Rollenspiel den ganzen Rest? Hätte nicht auch ein System mit fünf Planeten, einer Handvoll Monde und noch ein paar Raumstationen gereicht? Selbst das wäre ja noch enorm riesig und ambitioniert, wenn die Himmelskörper wirklich realistische Größen haben sollten (dazu gibt es noch keine klare Aussage).
Die Sache mit der Erwartungshaltung
Wäre Starfield eine Multiplayer-Sandbox, in der die extrinsische Motivation, immer bessere Ausrüstung und Schiffe zu erhalten, sowie die Interaktion mit anderen Spielern im Mittelpunkt steht und wäre auch von Anfang an klar gewesen, dass es genau so etwas wird, würde ich anders darüber denken. Aber Starfield ist ein Rollenspiel und noch dazu eines, das in der Tradition von The Elder Scrolls und Fallout stehen soll – Titeln, die in Sachen Erkundung vielen anderen Open-World-Spielen weit voraus sind. Wenn nun aber hunderte Planeten keine interessanten Orte und Quests zu bieten haben, kann nicht der gleiche Entdeckerdrang wie bei einem Skyrim und Fallout 4 geweckt werden. Mir ist schon klar, dass auch in diesen beiden Spielen Levelaufstiege und Loot wichtige Motivationsfaktoren sind. Aber daneben gibt es eben noch diese immense intrinsische Motivation, spannende Schauplätze zu erkunden, weil es unabhängig von den zu erwartenden Belohnungen viel Spaß macht. Genau das wird Starfield nie und nimmer auf jedem Planeten bieten können. Größe um der Größe Willen, das nehme ich aus dieser Präsentation mit. Und das ist etwas, wofür viele Leute (zu denen ich mich auch zähle) Ubisoft häufig kritisieren. Dann kann man doch jetzt nicht ernsthaft Bethesda dafür feiern, dass es noch so viele Schritte weiter geht.
Ich habe Angst, was den Umfang von Starfield betrifft. Ich freue mich schon noch irgendwie auf das Spiel, ich will es auf jeden Fall zum Release zocken und werde mich für viele Stunden darin verlieren. Aber wie viele dieser Stunden werden am Ende wirklich befriedigend und wie viele einfach nur stumpfer Grind sein, um Ressource X für Gebäude/Schiffsmodul/Waffenmodifikation Y zu erhalten? Ich erwarte beileibe kein schlechtes Spiel, versteht mich nicht falsch. Aber ich bin der festen Überzeugung: Ein richtiger Knaller könnte Starfield nur dann werden, wenn Bethesda Qualität vor Quantität stellt. Und 1000 Planeten deuten eher auf das Gegenteil hin.