Resident Evil Village ist weniger Grusel, mehr Horror-Action, abwechslungsreich, schön, aber auch ohne klare Linie.
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Test: Willkommen im Grusel-Themenpark!
"Ein Teil des Feedbacks, das wir bezüglich Resident Evil 7: Biohazard erhalten haben, lautete, dass es zu gruselig sei." Diese Aussage traf Tsuyoshi Kanda, Producer von Resident Evil Village, in einem Interview mit VGC. "Einerseits ist das exakt das, was wir angestrebt haben, also ist es ein riesiges Kompliment für uns. Aber gleichzeitig ist es immer unser Ziel, etwas zu kreieren, bei dem sich jeder wohlfühlt, wenn er es spielt." Was folgt daraus? Richtig: Resident Evil Village ist weitaus weniger gruselig als sein direkter Vorgänger. Ist das schlecht? Nun, das liegt im Auge des Betrachters. Vor allem erinnert es sehr an Resident Evil 4, mit dem die Reihe 2004 actionreichere Pfade betrat – und das heute als absoluter Klassiker gilt. Doch an dessen Status kommt Village nicht heran, weil es sich dafür ein paar Fehltritte zu viel erlaubt.
Kein schöner Abend
Die Handlung von Resident Evil Village knüpft an die des Vorgängers an. Ethan Winters und seine Frau Mia leben mittlerweile in Osteuropa in einer Art Zeugenschutzprogramm. Eigentlich ist aber alles in Butter, denn die beiden haben Nachwuchs bekommen. Das Spiel beginnt im trauten Zuhause der kleinen Familie. Eure erste Aufgabe in dem Horrorspiel besteht nicht etwa darin, Zombies zu töten (die es so gesehen in Village eh nicht gibt), oder ein düsteres Herrenhaus zu erkunden, sondern eure Tochter Rose ins Bettchen zu bringen.
Statt anschließend aber gemütlich mit eurer Frau zu Abend zu essen, fliegt plötzlich eine Kugel durch ihre Schulter. Danach gehen die Lichter aus und Mia wird von mehreren Seiten mit Blei durchlöchert. Kurz darauf steht niemand Geringeres als "Resident Evil"-Veteran Chris Redfield im Wohnzimmer der Winters und gibt Mia vor euren Augen den Rest. Eine Erklärung für diese Grausamkeit, die der Mann, der bislang absoluten Heldenstatus gehabt hat, hier ausführt, gibt er euch nicht. Er und seine Leute nehmen euch und Rose einfach nur mit und ihr werdet auch noch ausgeknockt. Später erwacht ihr in einem finsteren Wald. Der Transporter, mit dem ihr unterwegs wart, ist gegen einen Baum geknallt. Einer der Offiziere liegt tot am Boden, von Chris und Rose fehlt jede Spur. Ihr folgt dem Weg und landet in einem kleinen, nicht gerade einladenden Dorf – und schon bald macht ihr Bekanntschaft mit allerlei fiesen Gestalten, die irgendwas mit Rose vorhaben. Es gilt nun also, eure Tochter zu retten und diesem wahr gewordenen Albtraum zu entfliehen.
Bloß nicht darüber nachdenken!
Machen wir es kurz: Die Geschichte von Resident Evil Village ist kompletter Murks. Zugegeben: Die Reihe stand noch nie für richtig gute Storys mit tiefgründigen Figuren und Themen, die zum Nachdenken anregen. Einen gewissen B-Movie-Charakter hat Resident Evil seit dem ersten Teil. Aber in Village ist die Handlung wirklich ziemlich dumm und enthält Logiklöcher, die tiefer sind als der Marianengraben. Wer nicht bereit ist, sich auf die "Suspension of Disbelief" (willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit) einzulassen, wird es besonders schwer haben, aus der Geschichte allein einen Unterhaltungswert zu ziehen.
Das Gute ist aber, dass Resident Evil Village recht schnell klarmacht, dass es sich selbst als spielbaren Horror-Trash begreift. Die ganzen Bösewichter, auf die ihr im Verlauf der Handlung trefft, sind komplett überzeichnet. Das fängt bei der über zwei Meter großen Vampirdame Lady Dimitrescu, die das Internet bereits Monate vor Release im Sturm erobert hat, an und hört bei Oberschurkin Miranda auf. Auch den Händler, den Duke, kann man schlecht ernst nehmen mit seinem übertrieben voluminösen Körper. Resident Evil Village ist nicht spannend, aber hat uns immer wieder zum Lachen gebracht.
Es ist jedoch schade, dass die Figuren allesamt so unterentwickelt sind. Sie sind nicht komplexer als der typische Marvel-Bösewicht, dabei wäre hier Potenzial für mehr vorhanden gewesen. Die Antagonisten sind aber allesamt immer noch besser umgesetzt als Ethan als Hauptfigur. Der ist schon der große Schwachpunkt in Teil 7 gewesen. Diesmal sagt er zwar mehr, bekommt dadurch aber nicht mehr Profil. Er bleibt eine leere Hülle für euch als Spieler, die nun bloß hin und wieder mal flucht oder übertrieben theatralisch agiert. Da wünscht man sich wirklich, man würde statt ihm einfach Chris Redfield spielen, auch wenn der nun nicht viel zur Handlung beizutragen hat.
Flashback
Resident Evil Village könnte man als Fusion aus Resident Evil 7 und 4 bezeichnen. Es hat die Ego-Perspektive des Vorgängers und erbt allgemein dessen Steuerung und Spielgefühl, orientiert sich ansonsten aber sehr stark am GameCube-Hit. Das macht allein schon das Setting deutlich. Diesmal seid ihr zwar in Osteuropa und nicht Spanien unterwegs, aber es verschlägt euch wieder in ein kleines Dorf am A**** der Welt. Es gibt erneut einen See (inklusive Monster) und das Pendant zur Burg aus Resident Evil 4 ist das Schloss von Lady Dimitrescu.
Darüber hinaus gestaltet sich das Inventar wie damals als Koffer, in dem ihr eure Gegenstände hin- und herschiebt sowie dreht, um den begrenzten Platz möglichst effektiv zu nutzen, und es gibt eben wieder den Händler. Alle Nase lang findet ihr Geld oder Schätze, die ihr zu Geld machen könnt. Davon kauft ihr euch dann Munition, Waffen, Upgrades für eben diese, Medizin oder Crafting-Rezepte, damit ihr die unterschiedlichen Munitionsarten sowie Rohrbomben und Minen selbst basteln könnt. Das System funktioniert prächtig und regt zum genauen Erkunden der Welt an.
Ein Dorf, das erforscht werden will
Überhaupt ist die Spielwelt der eigentliche Star von Resident Evil Village (sorry, Miss Dimitescru). Das Dorf und die umliegenden Gebiete sind wahnsinnig liebevoll gestaltet. Es sind Orte, an denen wir einerseits gar nicht sein wollen, weil sie diese düstere Atmosphäre versprühen und ein gewisses Unwohlsein auslösen, andererseits können wir aber nicht genug von ihren Details kriegen. Vor allem das Schlossinnere mit seiner altertümlichen Möblierung, zahlreichen Bildern, verzierten Wänden und aber auch dem schaurigen Folterkeller ist ein fantastischer Schauplatz für ein Resident Evil.
Zudem ist die Welt eine zusammenhängende Karte ohne Ladezeiten. Das Dorf dient dabei als zentraler Hub, in den ihr immer wieder zurückkehrt und wo sich nach und nach neue Wege eröffnen. Es gibt auch jede Menge optionale Inhalte zu entdecken. Wer nicht aufmerksam erkundet, dem entgehen nicht bloß Schätze, sondern auch Waffen-Upgrades. Resident Evil Village ist zwar ein weitgehend lineares Spiel, aber es fühlt sich ganz und gar nicht wie ein großer langer Schlauch an und das finden wir fantastisch.
Viel Action
Wenn ihr nicht gerade erkundet, dann seid ihr entweder mit Rätseln oder Kämpfen beschäftigt. Beides ist in Resident Evil Village nicht herausragend, aber auf gutem Niveau. Die meisten Knobeleien sind ziemlich simpel und schnell gelöst, machen als Auflockerung aber einen wunderbaren Job. Das Gunplay ist für ein Survival-Horror-Spiel, in dem ihr selten Dauerfeuer gebt, sondern viel mehr einzelne, gezielte Schüsse abfeuert, ordentlich. Allerdings wirken die Waffen abseits der Schrotflinten nicht gerade wuchtig. Gegner reagieren zwar auf Treffer (ihr könnt etwa manchen Feinden die Waffe aus der Hand schießen), aber das ginge noch viel besser.
Der Shooter-Anteil ist in Resident Evil Village, insgesamt betrachtet, auch gar nicht so gering. Wo der Vorgänger erst zum Ende hin den Actiongrad aufdrehte, spielt sich Teil 8 eben schon sehr wie Teil 4. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad kommt es selten zu Munitionsknappheit. Ihr habt immer genug Kugeln, um euch gegen das vielfältige Repertoire an Gegnertypen zur Wehr zu setzen. Werwölfe, die Vampirschwestern, Zombie-artige Kreaturen – Resident Evil Village hat hier deutlich mehr zu bieten als der Vorgänger. Das Highlight sind die Bosskämpfe, zumindest die meisten von denen. Am Ende gibt es eine Auseinandersetzung, die einerseits so manchen Fan aufregen wird, weil sie vollkommen übertrieben ist und so auch in Resident Evil 6 hätte stattfinden können. Andererseits ist sie aber auch einfach kein guter Bosskampf, weil sie schlicht einfallslos designt ist.
Es gibt aber nicht nur diesen einen Moment, der an den umstrittensten Serienteil erinnert, sondern noch einen anderen, der direkt an jene Szene anknüpft. Ohne zu viel verraten zu wollen: Resident Evil Village mutiert an dieser Stelle für 10 bis 15 Minuten zu einem Call of Duty für Arme. Da macht sich dann auch bemerkbar, dass die Shooter-Mechanik nicht gut genug ist, wenn ihr mit einem Sturmgewehr auf etliche Werwölfe feuert und sich das einfach nicht gut, sondern sogar ziemlich schwammig anfühlt und jeglichen Impact vermissen lässt. Nicht nur aufgrund dessen wirkt die Passage komplett deplatziert.
Ein wechselhaftes Abenteuer
Gut, in Sachen Action hält sich Resident Evil Village ja generell nicht zurück. Gerade in der zweiten Spielhälfte wird sehr viel gekämpft. Nun will das Spiel aber auch klar kein harter Horror sein, sondern eben ein düsteres, brutales Actionspiel, das eher den Charakter eines virtuellen Gruselfreizeitparks hat, statt wirklich beklemmend zu sein. Zudem gibt es sich äußerst vielfältig, was seine einzelnen Kapitel betrifft. Das ist einerseits erfreulich, weil es dadurch enorm viel optische wie spielerische Abwechslung bietet, zumal die Entwickler ein richtig gutes Pacing erzeugt haben. Andererseits kann man ihm aber auch vorwerfen, keine klare Linie zu haben.
So ist der Teil im Schloss etwa ganz klassische "Resident Evil"-Kost mit recht wenig Action, viel Erkundung und einer Lady Dimitrescu, die sozusagen eine etwas abgeschwächte Form von Mr. X aus Resident Evil 2 ist. Spätere Abschnitte sind wesentlich lauter und spektakulärer. Und dann gibt es noch das Puppenhaus. Wir wollen hier gar nicht ins Detail gehen und euch irgendwas vorwegnehmen, aber lasst euch gesagt sein: Wenn ihr nach den ersten Stunden denkt: "Hmmm, also gruselig ist Village ja nun mal ganz und gar nicht", dann wartet diesen Level ab!
Hier finden wir uns in einem kleinen Dilemma wieder: Einerseits ist jenes Kapitel unser persönlicher Lieblingsteil von Resident Evil Village. Es erinnert stark an P.T., den spielbaren Teaser zu Silent Hills, ist Psychohorror im besten Sinne und schlichtweg fantastisch. Andererseits passt es überhaupt nicht zum Rest des Spiels. Es wirkt wie ein Kurzfilm, der zwischen zwei Hälften eines großen Action-Horror-Blockbusters einfach mal eingeschoben wird. Wir wollen diesen Part nicht missen, aber es wäre eigentlich besser gewesen, ein ganzes Spiel in diesem Stil zu machen und Resident Evil Village einfach das Action-Abenteuer sein zu lassen, das es für die restlichen Spielzeit ist.
Nach dem Durchspielen muss noch nicht Schluss sein
Apropos Spielzeit: Wir haben für unseren Durchlauf zwölfeinhalb Stunden benötigt und dabei noch nicht mal alle Schätze eingesammelt und zumindest ein komplett optionales Gebiet nicht betreten. Klar, man kann das Spiel auch in unter zehn Stunden durchspielen, aber es fühlt sich in jedem Fall wie ein vollwertiges Erlebnis an, an dem nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig dran ist.
Danach könnt ihr das Ganze nochmal auf höherem Schwierigkeitsgrad und im New Game Plus angehen, dabei diverse Herausforderungen meistern und so Punkte sammeln. Die investiert ihr einerseits in zusätzliche Waffen oder unbegrenzte Munition für diverse Argumentationsverstärker. Andererseits gibt es auch zahlreiche Charaktermodelle und Konzeptgrafiken zum Freischalten, was für Fans eine nette Sache ist. Obendrauf kommt noch der Modus "Die Söldner" (eine weitere Anlehnung an Resident Evil 4), in dem ihr unter Zeitdruck Gegner erschießt und den Highscore nach oben treibt – kurzweilige Unterhaltung, mit der ihr nochmal ein paar Stunden mehr verbringen könnt.
Audiovisueller Hochgenuss
Technisch gibt es eigentlich nichts, was zum Meckern animiert. Wir haben Resident Evil Village auf der PS5 mit Raytracing gespielt. Dadurch schwankt die Bildrate zwar ein wenig, sackt aber nie merklich stark ab und bleibt zu Großteilen gefühlt bei 60 FPS. Da das Spieltempo selbst in den actionreicheren Momenten immer noch recht gemächlich ist, würden wir jedem empfehlen, im Raytracing-Modus zu spielen. Optik und Atmosphäre werden durch die so erzeugten Lichteffekte ungemein aufgewertet. Das Spiel aus Licht und Schatten sorgt immer wieder für sehr stimmungsvolle Bilder. Noch dazu bietet Resident Evil Village größtenteils knackscharfe Texturen und sehr detaillierte Charaktermodelle, die auch toll animiert sind. Lady Dimitescru könnten wir ewig zusehen. Und nein, das ist nicht sexuell gemeint!
Wir könnten der Dame auch ewig zuhören, zumindest in der englischen Version. Hier machen alle Sprecher einen sehr guten Job. Sie betreiben zwar starkes Overacting, aber das ist ja so gewollt und passt einfach zum Rest des Spiels. Die deutsche Vertonung ist da etwas wechselhafter, was ihre Qualität betrifft. Sie wirkt zuweilen sehr hörspielhaft. Das mag zu Resident Evil Village und seinen abgedrehten Figuren besser passen als bei vielen anderen Titeln, die englische Synchronisation hat aber wie so oft die Nase vorn. Der restliche Sound ist zweifelsohne großartig. Nicht nur die Musik sondern gerade auch die Umgebungsgeräusche tragen sehr zur dichten Atmosphäre bei. Wenn das Spiel nicht an vielen Stellen so trashig wäre, könnten manche Bereiche der Welt allein anhand der Tonkulisse eben doch recht gruselig sein.
Fazit
Wer Resident Evil 7 dafür geliebt hat, dass es so kompromisslos gruselig ist, wird mit Village seine Probleme haben. Man merkt dem Spiel klar an, dass es massentauglicher sein soll als der Vorgänger. Dieses Ziel hat Capcom definitiv erreicht, wobei der Puppenhausabschnitt so manche unbedarften Spieler auf die Probe stellen dürfte – und die letzten Passagen des Spiels diejenigen, die immer noch mit Grauen an Teil 6 zurückdenken.
Resident Evil Village fehlt eine klare Linie und es ist in Sachen Story noch schlechter, als wir es von der Serie gewohnt sind. Aber es ist auch ein technisches Meisterwerk, ein ungemein abwechslungsreiches Spiel und schlichtweg glorreiche B-Movie-Horrror-Action. Es hätte noch so viel besser sein können, aber wir haben uns trotz der Mängel sehr gut unterhalten gefühlt. Jeder, der Resident Evil 4 mag, wird auch hiermit eine gute Zeit haben.
- Spaßige Horror-Action
- Enorm abwechslungsreiche Kampagne
- Sehr gutes Pacing
- Grafik und Sound auf höchstem Niveau
- Toll gestaltete Spielwelt
- Erkundung sehr befriedigend
- Ordentliche Spielzeit
- Viele freischaltbare Extras
- Kurzweiliger Söldner-Modus
- Blöde Story
- Mieser Protagonist ohne Profil
- Keine klare Linie
- Puppenhaus-Level wirkt deplatziert
- Unnötige, schlechte Shooter-Passage am Ende