Einsteigen bitte! Anschnallgurte gibt es nicht, dafür aber Fenster im Vollbildmodus, wenn wir uns auf den Weg in die verschlafenen Städtchen von Rail Nation machen. Seitdem Publisher Travian Games Ende Januar 2013 die Open Beta gestartet hat, haben sich über 500.000 Eisenbahnbegeisterte eingefunden und zum Teil wohl mit Erstaunen festgestellt, dass es sich bei dem von Bright Future entwickelten Browsergame weniger um ein Eisenbahnspiel handelt, sondern eher um eine Wirtschaftssimulation. Wir steigen nicht selbst in die Züge und bewundern die Umgebung, sondern kümmern uns ums Verlegen von Schienen und planen den Aufbau eines Eisenbahnimperiums. Schauen wir doch mal, ob uns die Wirtschaftssimulation einen zeitlosen Klassiker im Stile von Transport Tycoon beschert.
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Rail Nation Test: Wirtschaftssimulation für Eisenbahn-Nostalgiker
Leichter Einstieg - Nächster Halt: Trilefeld
Eins wird uns auf jeden Fall schon zu Beginn klar: Eisenbahn-Nostalgiker kommen in Rail Nation definitiv auf ihre Kosten, denn das Spiel führt uns durch sechs Epochen der Zugfahrt-Geschichte, womit uns die eine oder andere Entdeckung garantiert ist. Aber für den Anfang beginnen wir in der ersten Epoche, um mit den anderen Spielern mithalten zu können, und erstellen uns einen Avatar. Gut, so wirklich gefallen mag uns der Herr noch nicht, der uns repräsentieren soll, während wir unser Transportimperium errichten, aber fürs Erste erfüllt die mit wenigen Optionen kreierte Gestalt ihren Zweck. Nun geht es also endlich los. Wir landen in unserem neuen Zuhause, dem kleinen Städtchen Trilefeld. Prompt erscheint ein freundlich blinzelnder Schaffner und gibt uns ein wenig Starthilfe. Es beginnt das Tutorial, das uns den Einstieg in das Browsergame deutlich vereinfacht.
Schnell haben wir noch während des Tutorials zwei Eisenbahnen in unseren Besitz genommen und lassen diese sogleich Holz und Kohle in die Stadt liefern. Der Ankauf von neuen Zügen gestaltet sich ebenfalls ganz leicht. Im Prinzip brauchen wir nur eine Lokomotive auszuwählen, die den gewünschten Fähigkeiten entspricht. Die Wagons zahlen wir zwar auch einzeln, sie werden jedoch direkt beim Fahrplan ausgewählt, mühseliges Suchen nach dem Wagentyp bleibt uns dadurch erspart. Betriebe, die schnell Waren produzieren, steuern wir am besten mit schnellen Zügen wie dem "Falken" an. Umgekehrt setzen wir langsamere, dafür aber größere Züge wie den "Esel" ein, wenn wir eher gemächlich arbeitende Produktionsstätten anfahren. Züge haben allerdings ihren Preis, weswegen wir am Anfang mit recht langen Wartezeiten zu kämpfen haben, ehe wir unser Imperium erweitern können. Außerdem sind Upgrades im Bahnhof nötig, um das Limit von Zügen zu vergrößern und weitere Streckennetze zu erwerben.
Fairer Start – Schwer zu erreichendes Endspiel
Der Bahnhof von Trilefeld ist also nicht nur unsere neue Heimat, sondern vor allem auch der Ort, an dem wir die Fäden ziehen. Zwar müssen wir am Anfang erschüttert feststellen, dass unsere Bahnhofshalle unserem Tycoon nicht wirklich würdig ist, aber das lässt sich schnell ändern. Mit wenigen Klicks und in relativ kurzer Zeit bringen wir unseren Bahnhof auf Vordermann. Da wir uns in den ersten Tagen in Rail Nation im Neulings-Status befinden, erhalten wir eine Mindestprämie und freuen uns über generell reduzierte Wartezeiten. So haben wir die Chance am Anfang die Dampfkessel kochen zu lassen und richtig durchzustarten. Denn wenn der Neulings-Status einmal vorbei ist, geht alles nicht mehr ganz so leicht von der Hand. Selbst später gibt es jedoch die Möglichkeit, die Lotterie im Spiel zu benutzen, die einmal täglich zum Lose-Ziehen einlädt und uns nützliche Geschenke beschert. Zu Beginn können wir zum Beispiel eine kleine Finanzspritze, Premiumgold oder Prestige gewinnen. Während die beiden erstgenannten Preise durchaus einen hilfreichen Schub beim anfänglichen Aufbau darstellen, ziehen wir mit dem letztgenannten die Niete. Zehn Prestige? So ein Mist aber auch – zumindest für Anfänger eher weniger zu gebrauchen.
Prestige wird später im Spiel vonnöten sein, wenn wir in das oft im Chat, aber auch in den verschiedenen Gesellschaften propagierte "Endspiel" wollen. Dieses findet nach Ablauf der sechs Epochen statt und hat einen Neustart für alle Spieler zur Folge, abgesehen von den - laut Prestige-Ranking - zehn besten. Diese zehn Tycoons spielen im Endspiel und verwandeln ihre Städte nach und nach in Metropolen, die große Bedürfnisse an allen Waren haben. Hier gilt es, sich gegen die ganz starke Konkurrenz durchzusetzen und den Wettbewerb zu gewinnen, aber davon sind wir noch weit entfernt. Ein Spiel in Rail Nation zieht sich wie erwähnt über sechs Epochen hin, die jeweils zwei Wochen andauern. Das ergibt insgesamt drei Monate Spielzeit, ehe das Endspiel beginnt - und wir stehen nun mal erst am Anfang.
Wir gehen mit der Zeit – Sechs Epochen und zeitgemäße Güter
Doch auch in der ersten Epoche gibt es für uns in Rail Nation einiges an Forschungsmöglichkeiten zu entdecken. Wir verbessern die Geschwindigkeit des Lokomotiven-Typs "Nashorn" und versuchen mit Forschungspunkten den Esel freizuschalten. Das Forschen dauert allerdings sehr, sehr lange. Um den Esel freizuschalten brauchen wir ganze 25 Forschungspunkte, wobei wir zu Beginn ein Maximum von sechs Forschungspunkten haben, die mehrere Stunden brauchen, um sich aufzuladen. Auf der anderen Seite müssen wir Forschung betreiben, wenn wir mit der Konkurrenz mithalten wollen. Die Schraubenkupplung beispielsweise werden wir dringend für den Wechsel in die nächste Epoche benötigen, da sie unseren bisherigen Loks die Möglichkeit gibt, auch Waren der Folgeepoche zu ziehen. Denn mit den neuen Zeitaltern verändert sich nicht nur die Anzahl an Forschungsmöglichkeiten und Zügen, es kommen auch neue Waren hinzu, die unsere Stadt braucht, um aufzusteigen.
Jede Stadt hat Bedürfnisse, die wir befriedigen müssen, schließlich wollen wir, dass unsere Siedlung im Level aufsteigt. Zu Beginn sind es noch einfache Bestellungen wie etwa Holz und Kohle. Schnell verlangt die Stadt uns mehr Übersicht ab. Wir kaufen also neue Schienennetze, um Zugänge zu Produktionsstätten zu schaffen. Von der Getreidefarm führen wir das Weizenkorn in die Rinderfarm, um die Tiere zu füttern und mit den Viechern im Schlepptau geht es wieder zurück nach Trilefeld. Nachdem nun auch dieses Bedürfnis erfüllt ist, verlangt Trilefeld mit Leder ein neues Gut, dass sich erst über mehrere neu verlegte Strecken in unsere Heimatstadt transportieren lässt. Immer wenn unsere Stadt neue Bedürfnisse bekommt, erscheinen zusätzliche Produktionsstätten, die genau diese Güter liefern, in unserer Umgebung und sind zum Teil sehr weit entfernt. Da wir keine Schienen selber legen, sondern vorgefertigte Wege auszuwählen haben, kostet uns das in diesem Fall gleich zwei Schienen und somit ein ganzes Upgrade der Schienenhalle für 150.000 Dollar. Unser Kontolimit beträgt dank unserer zuvor getätigten Bankaufwertung gerade mal 180.000 Dollar. Bedürfnisse zu befriedigen ist also eine kostspielige Angelegenheit in Rail Nation. Doch aufsteigende Städte bringen eben auch viel mehr Geld ein, weswegen wir das Risiko eingehen. Zur weiteren Steigerung unseres Kapitals gehen wir ein Bündnis mit einer Gesellschaft ein und lassen uns von den neuen Freunden unterstützen.
Nur die größten Tycoons überleben im Eisenbahn-Haifischbecken
Wir stellen fest, dass die Gesellschaften das A und O für ein erfolgreiches Spiel sind. Denn es ist immer gut Freunde zu haben, in einer so vom Kapitalismus zerfressenen Welt. Nur wer sich in einer Gesellschaft mit anderen Spielern befindet, hat eine reelle Chance auf den Einzug ins Endspiel. Wir haben uns der Gruppe "Bull-Shit" angeschlossen, nicht etwa wegen des lieblichen Namens, sondern weil diese Gesellschaft die Holzproduktion in Trilefeld Süd beherrscht. Somit erhoffen wir uns weitere Vorteile von unseren neuen Freunden aus der bis hierhin sehr freundlichen und hilfsbereiten Community von Rail Nation.
- Sechs Epochen sorgen für Abwechslung
- Große Vielfalt bei den Lokomotiven
- Ausgewogenes Free-to-Play-Modell
- Kaum Freiheiten bei der Streckenplanung
- Vergleichsweise leblose Grafik
- Nervige Soundeffekte
Fazit
Der Test hat durchaus Spaß gemacht, was in erster Linie der Community zu verdanken ist und nicht immer dem Spiel selbst. Das free-to-play-Browsergame ist zwar fair gestaltet, gerade für Einsteiger, allerdings kommt es recht häufig zu Leerlaufsituationen, in denen es schlicht nichts zu tun gibt. Das ständige Warten auf Forschungspunkte lässt auch den Charme der sechs Epochen ein wenig verblassen. Außerdem erscheint die Grafik von Rail Nation nicht besonders ausgereift. Die Bäume stehen still und selbst der Bahnhof, der Dreh- und Angelpunkt des eigenen Wirtschaftsimperiums, wird einzig und allein von einer Eisenbahn belebt, die gerade einfährt, obwohl sie sich in der Gesamtübersicht noch im Kohlebergwerk befindet. Es fehlt das gewisse Etwas, das dieses Spiel an die alten Tycoon-Klassiker herankommen lässt. Aufgrund zahlreicher Einschränkungen fühlten wir uns am Ende doch wie ein Schaffner, der die ewig geradeaus gestellten Gleise partout nicht verlassen kann. Dennoch bietet Rail Nation durchaus Langzeitmotivation. Das nostalgische Ambiente und die Vielfalt an Waren und Zügen dürften eingefleischten Eisenbahn-Fans viel Freude bereiten. Erkennbar ist auch die Liebe zum Detail, beispielsweise mit Blick auf Forschungsmöglichkeiten und der damit einhergehenden breiten Palette an Lok-Typen und Zügen.