Wer Fallout 76 in einer privaten Lobby spielen möchte, muss dafür zahlen. Ich halte das für keine gute Idee.
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Das Premium-Abo für Fallout 76: Bethesda schießt sich selbst ins Knie
Fallout 76 gilt nicht gerade als glorreiches Beispiel dafür, wie man ein gutes Servicegame macht. Es ist nicht mal ein gutes Beispiel dafür, wie man ein technisch gut funktionierendes Spiel auf die Beine stellt oder eine Franchise auf eine Art erweitert, die Fans in Freude ausbrechen lässt. Fallout 76 ist einer der größten Flops des Jahres 2018 und 2019 läuft es für das Survival-Spiel (ohne spannenden Überlebenskampf) nicht wirklich besser. Man könnte nun meinen, Bethesda habe ihm jetzt den letzten Sargnagel verpasst. Denn mit der Veröffentlichung eines Premium-Abos für 120 Euro im Jahr hat sich der Publisher keinen großen Gefallen getan.
"Bitte was?! Wieviel kostet das?"
Erst einmal die Fakten: Fallout 1st heißt das neue Angebot. Abonnenten erhalten die Möglichkeit, eine private Lobby aufzumachen und mit bis zu sieben Freunden die Welt von Fallout 76 zu erkunden, ohne dabei von irgendwelchen fremden Leuten gestört zu werden. Außerdem gibt es eine Verwertungskiste, die unendlich viel Stauraum für Crafting-Komponenten bietet, ein Überlebenszelt samt Lagerkiste und Schlafsack als zusätzlichen Schnellreisepunkt, 1650 Atome pro Monat für den In-Game-Shop sowie exklusive kosmetische Inhalte: die Ranger-Rüstung und mehrere Spielersymbole sowie Emotes.
Ihr könnt ein Monatsabo für 14,99 Euro abschließen oder gleich für ein ganzes Jahr bezahlen, was euch 119,99 Euro kostet. Vor allem die letztere Summe lässt ordentlich schlucken, aber auch die knapp 15 Euro für einen Monat sind ein dicker Brocken. Vergleichen wir doch nur mal, was ihr bei anderen Abo-Diensten für das Geld erhaltet. Netflix zum Beispiel bietet für weniger Geld Hunderte Serien und Filme zum Streamen an. Der Xbox Game Pass Ultimate für ebenfalls 15 Euro im Monat gewährt euch auf dem PC und der Xbox One Zugriff auf etliche Spiele, darunter viele Hochkaräter wie das morgen erscheinende The Outer Worlds, das in Augen vieler als geistiger Erbe der Singleplayer-Fallouts gilt. Und obendrein ist auch noch Xbox Live Gold im Preis mitinbegriffen.
Die Features sind das Geld nicht wert
Fallout 1st ist viel zu teuer für das, was es bietet. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb das Netz bereits voll ist mit Hohn und Spott seitens der Spieler auf der einen (auf Reddit gibt es enorm viele negative Kommentare) und kritischer Videos von bekannten YouTubern wie Jim Sterling und Angry Joe auf der anderen Seite. Auch die Vorteile für Abonnenten selbst lassen viel Kritik zu. Private Lobbys haben sich die Spieler von Fallout 76 schon lange gewünscht. Aber mit Sicherheit hat keiner darauf gehofft, monatlich Geld für diese Funktion zahlen zu dürfen – und dann auch noch so viel.
Wir sprechen hier auch nicht von privaten Servern, auf denen sich das Spiel modden lässt. Daran ist das Interesse derjenigen, die Fallout 76 noch spielen, sicherlich groß. Eigene Server, deren Regeln sich nach Belieben anpassen lassen, auf denen Modifikationen installiert werden können, man vielleicht eine eigene Community ansiedeln kann, könnten dem Spiel neuen Auftrieb geben. Aber von all dem sind die privaten Lobbys des "Fallout 1st"-Angebots weit entfernt.
Die Verwertungskiste für Crafting-Gegenstände ist ebenfalls so eine Sache. Zum Release haben viele Spieler die Kritik geäußert, dass man ja viel zu wenig Inventar- und Lagerplatz in Fallout 76 habe. Mit einem Update hat Bethesda im Nachhinein die Kapazität der Lagerkiste erhöht. Da das Crafting ein sehr zentrales Spielelement ist, sammelt ihr nun mal sehr viele Komponenten ein. Der Stauraum ist also auch trotz der Erweiterung schnell komplett belegt. Nun 15 Euro im Monat dafür zahlen zu müssen, dass dieses Limit aufgehoben wird, ist schon dreist. Da bekommt man fast das Gefühl, Bethesda wollte hier von Anfang an seine Spieler gängeln, um sie dann irgendwann dazu zu bewegen, Extrageld auszugeben. So was kennen wir von Free-to-Play-Spielen und sind es da auch irgendwie gewohnt, Fallout 76 ist aber eben nicht kostenlos spielbar.
Übrigens: Wie Forbes berichtet, seien beide Features derzeit noch sehr fehlerhaft. Die Kiste fresse alles, was Spieler in sie hineinstecken, sodass die Materialien einfach weg seien. Die privaten Lobbys wiederum seien zum einen nicht wirklich privat. Spieler mit langen Freundeslisten, also etwa Händler, die hergestellte Dinge verkaufen, können andere nicht davon abhalten, ihrer Welt beizutreten. Zudem habe sich herausgestellt, dass ihr keine neue Welt erstellt, wenn ihr, nun ja, eine "neue" private Welt erstellt. Tote NPCs und Gebiete, in denen es keinen Loot mehr zu finden gibt, seien Zeugen davon, dass Fallout 76 bestehende, leere Instanzen der Spielwelt nimmt und sie für eure Lobby verwendet.
Der nächste Patzer in einer langen Reihe
Fallout 1st ist dreist, es ist kein gutes Angebot. Aber das größte Problem ist eigentlich das, was letztendlich nur Bethesda selbst betrifft: Es ist ein PR-Desaster! Fallout 76 genießt eh schon keinen guten Ruf und auch das Standing des Publishers selbst hat in den vergangenen zwölf Monaten schwer gelitten. Es ist ja nicht nur so, dass das Spiel einfach nicht sonderlich gut ist. Rund um Fallout 76 gab es in etwa so viele Negativschlagzeilen wie zum Hamburger SV in dessen letzten Bundesliga-Jahren.
Da war die Sache mit der Tasche in der Power Armor Edition. Was als hochwertige Segeltuchtasche beworben wurde, entpuppte sich am Ende als billiger Nylonsack, was zurecht für einen großen Aufschrei gesorgt hat. Dann wurden über einen Fehler beim Support von Bethesda Nutzerdaten geleakt. Und mittlerweile stehen auch die Mikrotransaktionen im Spiel schwer in der Kritik, weil es nicht mehr nur kosmetische Dinge gibt, wie es Bethesdas Vizepräsident Pete Hines einst auf Twitter versprochen hat. Stattdessen stehen im Atomic Shop unter anderem Reparaturkits für Waffen zum Verkauf. Ja, die Fans wollten das, aber als normales Feature im Spiel, nicht als Angebot im Shop.
Ungünstiges Timing
Bethesda hätte noch die Chance gehabt, das Ruder rumzureißen. Mit der Ankündigung des "Wastelanders"-Update auf der diesjährigen E3, das endlich NPCs und Quests mit Entscheidungen (also das, was die Fans von einem Fallout erwarten), schürte der Hersteller Hoffnung, dass auf Fallout 76 doch noch ein interessantes Multiplayer-Spin-Off der Reihe werden könnte. Aber was ist jüngst geschehen? Bethesda hat jene Aktualisierung auf 2020 verschoben.
Das allein wäre kein Problem, schließlich soll sich das Entwicklerteam für diese Erweiterung die nötige Zeit nehmen, damit sie auch wirklich gut wird. Es hat schließlich gereicht, dass man so nicht mit dem Grundspiel verfahren ist. Aber nun eine Woche nach dieser Verschiebung Fallout 1st an den Start zu bringen, lässt das alles in einem anderen Licht erstrahlen. Da kann einem schon der Gedanke kommen, dass Bethesda dringend Geld braucht, um das "Wastelanders"-Update realisieren zu können. Nur wenn dem so wäre, hätte der Konzern das lieber öffentlich so kommuniziert. Dann hätte er sich vielleicht einiges an Spott im Netz erspart.
Fallout 76 ist gewiss nicht das schlechteste Spiel der Welt. Wir mögen es immerhin noch lieber als das jüngst erschienene Ghost Recon: Breakpoint von Ubisoft. Aber es hat es geschafft, Bethesda zu einem der derzeit unbeliebtesten Publisher zu machen. Und anstatt alles dafür zu tun, den eigenen Ruf dadurch zu verbessern, indem man sein Bestmögliches gibt, um Fallout 76 zu einem unterhaltsameren Spiel zu machen, läuft man mit offenen Augen gezielt in den nächsten Fleischwolf: mit einem überteuerten Abo-Modell mit Funktionen, die eigentlich im Grundspiel enthalten sein sollten. Da braucht Bethesda sich nicht wundern, wenn die Spieler den zukünftigen Titeln, also Starfield und The Elder Scrolls 6, skeptisch gegenüberstehen. Blind zuschlagen werden viele bei jenen Spielen, wann auch immer sie erscheinen, sicherlich nicht.