Es sieht aus, als würde der Erfolg von Shadow Tactics Publisher dazu bewegen, wieder Echtzeit-Taktikspiele zu machen.
Commandos, Desperados, Shadow Tactics: Revival der Echtzeit-Taktik?
Geschrieben von Jens Bremicker am 13.07.2018 um 12:40 Uhr
Es gibt Genres, die gibt es gar nicht mehr – oder zumindest werden nicht mehr in Massen Spiele produziert, die ihnen zugeordnet werden können. Text-Adventures sind quasi ausgestorben, von ein paar wenigen Indie-Titeln einmal abgesehen. Und auch die Echtzeit-Taktikspiele waren für lange Jahre von der Bildfläche verschwunden. Um die Jahrtausendwende rum gab es einige dieser Titel, allen voran die Commandos-Reihe.
1998 veröffentlichte der spanische Entwickler Pyro Studios den ersten Teil dieser Serie. Darin steuert ihr aus der isometrischen Perspektive eine Gruppe von Spezialsoldaten, die im Szenario des Zweiten Weltkriegs Missionen hinter feindlichen Linien ausführen. Auf den erfolgreichen Erstling folgten drei Fortsetzungen, wobei der vierte Teil das Genre wechselte: Commandos: Strike Force tauschte die isometrische Ansicht gegen eine Ego-Perspektive, war also ein Shooter. Das kam bei den Fans nicht gut an, das Spiel floppte und bescherte der Serie ein unrühmliches Ende – bis jetzt.
Green Beret und Co kehren zurück
Vergangene Woche gab der deutsche Publisher Kalypso Media bekannt, alle Marken und Rechte von Pyro Studios erworben zu haben. Im gleichen Zuge kündigte das Wormser Unternehmen ein neues Commandos an. Ein Entwicklerstudio ist dafür noch nicht gefunden, aber eine Fortsetzung der Serie sei in jedem Fall geplant. Möglicherweise wird es auch Portierungen beziehungsweise Remakes oder Remastered-Versionen der alten Teile geben.
Ein Update, mit dem niemand gerechnet hat
Das Interessante an dieser Meldung ist: Sie kam nur wenige Tage nach der Veröffentlichung eines neuen Updates für Desperados: Wanted Dead or Alive. Das Westernspiel erschien 2001, wurde vom deutschen Studio Spellbound Entertainment entwickelt und wäre man böse, könnte man es als Kopie von Commandos bezeichnen – mit dem Unterschied, dass es eben im Wilden Westen und nicht im Zweiten Weltkrieg spielt. Desperados: Wanted Dead or Alive ist aber kein dreister Abklatsch, sondern ein richtig gutes Spiel, das mit Desperados 2: Cooper’s Revenge und Helldorado zwei Fortsetzungen erhalten hat.
Dass 17 Jahre nach Release des Erstlings ein Patch für jenen Titel erschienen ist, kam vollkommen aus dem Nichts. Spellbound gibt es seit 2012 nicht mehr, die Rechte an der Marke liegen (wie bei so vielen alten Serien) bei THQ Nordic. Der schwedische Publisher dachte sich wohl, man müsse den Klassiker auf modernen Rechnern wieder spielbar machen. Wer ihn auf Steam oder GOG gekauft hat, kann ihn nun auf Windows 7, 8 und 10 sowie auf einem Mac und Linux-System spielen. Als kleines Schmankerl wurde außerdem der Level der Demo eingebaut. Der war bislang nicht Teil der Vollversion.
Dass ein Spiel eine Demo erhält, für die ein eigener Level gebastelt wird, ist heutzutage kaum noch vorstellbar.
Könnte die Veröffentlichung des Updates den Grund haben, dass THQ Nordic überprüfen möchte, wie viel Interesse noch an Desperados besteht? Es wäre nicht völlig verwunderlich, wenn der Publisher die Marke tatsächlich reanimieren wollen würde. Die Firma ist bekannt dafür, alte Serien zurück auf die Bühne zu holen. Vergangenes Jahr sind Black Mirror und Spellforce 3 erschienen. Außerdem gab es ein zweites Add-on zum Hack and Slay Titan Quest aus dem Jahr 2006 und derzeit befindet sich ein neues Aquanox in Arbeit. Zudem hat THQ Nordic vergangenes Jahr den Entwickler Black Forest Games aufgekauft. Und der wurde von ehemaligen Spellbound-Leuten gegründet. Es würde uns nicht überraschen, wenn die Schwarzwälder vielleicht sogar schon im Geheimen an einem Desperados 3 arbeiten.
Mimimi hat’s vorgemacht
Die Rückkehr von Commandos und das mögliche Comeback von Desperados würden dafür sorgen, dass das Genre der Echtzeit-Taktikspiele ein richtiges Revival erlebt. Doch wie kommt es, dass auf einmal zwei Publisher wieder Interesse an dieser Art von Spiel zeigen? Nun ja, das könnte daran liegen, dass das Münchener Entwicklerstudio Mimimi Productions vor anderthalb Jahren mit Shadow Tactics: Blades of the Shogun bewiesen hat, dass die Leute noch Interesse an anspruchsvollen Echtzeit-Taktikspielen haben. Der Titel, der im fernen Japan der Edo-Zeit (die Epoche zwischen 1603 und 1868) angesiedelt ist, hat hohe Wertungen von Kritikern erhalten, sich ordentlich verkauft und wurde mit dem Deutschen Computerspielpreis (den Mimimi jedoch nicht annahm) und dem Deutschen Entwicklerpreis ausgezeichnet.
Shadow Tactics hat das Genre bereits wiederbelebt, doch für ein vollwertiges Revival braucht es ein paar mehr Spiele. Die könnten in den nächsten Jahren mit einem richtigen Commandos 4 und einem neuen Desperados folgen. Es wird vermutlich kein großer US-Publisher nachziehen und etwas Ähnliches produzieren, allerdings haben Echtzeit-Taktikspiele schon immer eher ein Nischenpublikum bedient. Das war aber mal groß genug, damit Pyro Studios und Spellbound mehrere Teile ihrer Serien entwickeln konnten. Und es scheint auch heutzutage wieder in dem Umfang vorhanden zu sein, dass es sich für Hersteller lohnt, Ressourcen in entsprechende Projekte zu stecken. Ein Shadow Tactics 2 wird bestimmt auch irgendwann kommen.
Wer also gerne aus der isometrischen Perspektive Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten in Echtzeit durch Levels voller aufmerksamer Wachen lenkt, könnte in einigen Jahren wieder eine breitere Auswahl an modernen Spielen haben, als das derzeit der Fall ist. Bis dahin spielt man eben Shadow Tactics: Blades of the Shogun oder taucht dank des neuen Updates wieder in die Welt von Desperados: Wanted Dead or Alive ein.