In den Football Manager 2020 könnt ihr etliche Stunden versenken, aber lohnt er sich auch für Besitzer des Vorgängers?
Football Manager 2020 im Test: Großes Fußballfest, aber nur kleine Fortschritte
Vergangenes Jahr durfte SEGA den Football Manager erstmals nach sehr langer Zeit wieder in Deutschland veröffentlichen. Jahrelang war das nicht möglich, weil Konkurrent EA die Exklusivrechte für die Bundesliga für Managerspiele besaß, selbst nachdem der seine eigene "Fußball Manager"-Reihe längst eingestellt hatte. Das Comeback des britischen Football Manager auf dem deutschen Markt wurde bejubelt, auch weil der 2019er-Ableger eine richtig gute Weiterentwicklung im Vergleich zu den Vorgängern gewesen ist. Wie sieht es dieses Jahr aus? Nun ja, wir sind ganz ehrlich: Der Football Manager 2020 geht einen recht kleinen Schritt nach vorne und das mag nicht für jeden als Kaufgrund reichen.
Nach wie vor ein Monster
Der Football Manager 2020 glänzt in den Bereichen, in denen die Reihe seit Jahren besonders stark ist. Da wäre zum einen die enorm umfangreiche und detaillierte Datenbank. Alle großen Ligen der Welt sind mit Originalvereinen, -spielern, -trainern, ja sogar -physiotherapeuten vertreten. Es gibt kaum eine bekannte Persönlichkeit aus der Fußballwelt, die nicht im Spiel zu finden ist.
Stärke Nummer 2 sind die taktischen Möglichkeiten: Der Football Manager ist seit jeher sehr stark auf den sportlichen Aspekt des Manager-Lebens fokussiert. Ihr seid schließlich nicht das Mädchen für alles, das sich gleichzeitig um die Mannschaft, den Stadionausbau und die Currywurstpreise kümmert, sondern auch nur ein Rad in der Vereinsmaschinerie – wenn auch ein sehr großes. Umso mehr könnt ihr euch eben darauf konzentrieren, Taktiken zu erstellen und eure Spieler dementsprechend zu trainieren.
Dank diverser vorgefertigter Taktikmodelle, wie dem Klopp'schen Gegenpressing, Tiki-Taka, unterschiedlichen Kontertaktiken oder dem berühmtberüchtigten, weil absolut destruktiven Catenaccio, finden sich auch Einsteiger relativ schnell zurecht. Die Betonung liegt auf "relativ", denn der Football Manager 2020 ist wie gewohnt ein echtes Komplexitätsmonster und wirkt mit seinen zahlreichen Ober- und Untermenüs sowie Optionen erschlagend. Es gibt aber immerhin Tutorials für alle wichtigen Bereiche, die euch gut und verständlich erklären, wie die einzelnen Mechaniken funktionieren.
Viel Spannung und ein bisschen Slapstick
Das Highlight einer jeden "Football Manager"-Session sind natürlich die Spieltage. Ihr habt die Wahl, wie ausführlich die Matches dargestellt werden sollen, also ob ihr die kompletten Partien oder nur Highlights sehen wollt. In Sachen Spielablauf und Realismus kann nach wie vor kein anderes Fußballspiel dieser Reihe des englischen Entwicklers Sports Interactive das Wasser reichen. Die grobe Optik mal außen vor gelassen, hat man wirklich das Gefühl, authentischen Fußball zu sehen (inklusive häufigen Unterbrechungen, weil sich der Videoassistent eingemischt hat).
Zudem sind die Matches jederzeit extremst spannend und obwohl die Stadionatmosphäre im Football Manager 2020 maximal zehn Prozent von dem entspricht, was ihr aus den FIFA-Spielen gewohnt seid, seid ihr als zuschauender Trainer vor dem Bildschirm stark involviert. Da wird schon mal lautstark mitgejubelt, wenn die eigenen Kicker ein Tor erzielen, oder eben mitgelitten, wenn sich der Starstürmer verletzt, oder geflucht, ja, ihr werdet sogar beleidigend, wenn die Jungs mal wieder nur Mist zusammenspielen.
Apropos: Leider haben sich die Situationen, in denen sich die eigenen oder auch die gegnerischen Spieler enorm dumm verhalten, im Vergleich zum vorherigen Teil gefühlt vermehrt. Da dribbelt euer Flügelspieler zum Beispiel gezielt ins Seitenaus, obwohl er nicht mal von einem Gegenspieler bedrängt wird, oder der Stürmer läuft "gemütlich" mit dem Ball am gegnerischen Torhüter vorbei, der einfach nur dem runden Leder hinterherschaut und gar nicht auf die Idee kommt, sich davor zu werfen. Hier muss Sports Interactive unbedingt nachpatchen, denn das schmälert den ansonsten gewohnt guten Eindruck vom virtuellen Rasenschach, den der Football Manager 2020 auf den Bildschirm zaubert.
Der Blick in die Zukunft
Kenner der Reihe interessiert natürlich in erster Linie, was es denn an Neuerungen gibt. Leider mussten wir feststellen, dass die sich in Grenzen halten beziehungsweise nichts mit dabei ist, dass sonderlich große Auswirkungen auf das Spielgeschehen hat. Zum einen spielt im Football Manager 2020 die übergeordnete Strategie eines Vereins eine größere Rolle als zuvor. Unterzeichnet ihr einen Vertrag bei einem neuen Club, präsentiert euch der Vorstand eine ganze Reihe an Erwartungen, die ihr erfüllen müsst, wollt ihr langfristig ein Teil des Vereins sein. Neben kurzfristigen Zielen gibt es nun auch richtige Langzeitpläne.
Heuert ihr etwa bei einem mittelständischen Verein an, sollt ihr für ein stetiges Wachstum sorgen. In der ersten Saison sollt ihr vielleicht nur einen Platz im Mittelfeld der Tabelle erreichen, im zweiten Jahr aber schon um die internationalen Plätze spielen. Uns gefällt das gut, weil es die Authentizität weiter erhöht (jeder Verein hat eine Art 5-Jahres-Plan) und wir noch mehr auf feste Ziele hinarbeiten können als in den Vorgängern. Es ist aber eben keine weltbewegende Neuerung, wegen der ihr unbedingt vom FM 2019 auf den FM 2020 wechseln solltet.
Die Jungen von heute sind die Stars von morgen
Ähnlich verhält es sich mit dem neuen Leistungszentrum. Nun gibt es einen Menüpunkt extra für alles, was mit jungen Talenten in eurem Verein zu tun hat. Hier bekommt ihr übersichtlich angezeigt, welche Spieler aus euren Jugendmannschaften ihr unbedingt im Auge behalten solltet, weil sie mal richtige Leistungsträger werden könnten. Zudem erhaltet ihr von euren Mitarbeitern Ratschläge, wie ihr mit den jungen Kickern verfahren solltet, ob es beispielsweise klug wäre, sie zu verleihen.
Das Jugendzentrum ist also vor allem ein weiteres Paradies für Statistiker und so einer solltet ihr ja sowieso sein, wenn ihr wirklich viel Spaß mit dem Football Manager 2020 haben wollt. Aber es verändert eben auch nicht komplett den Umgang des Spiels mit Jugendspielern. Talente erkennen und fördern, das ging halt auch schon in den vergangenen Jahren sehr gut.
Ansonsten gibt es noch ein paar kleinere Neuerungen wie KI-Anpassungen, neue Animationen, einen Strafenkatalog, den ihr selbst zusammenstellen könnt, sowie zusätzliche Ratschläge von euren Assistenztrainern bezüglich der Aufstellung eurer Mannschaft. Alles davon ist sinnvoll und gut, aber nicht die 55 Euro wert, die der Football Manager 2020 kostet, wenn ihr doch schon den Vorgänger habt.
Nichts für Fans guter Technik
Technisch bleibt die Reihe trotz einiger Verbesserungen immer noch ein hässliches Entlein. Sound gibt es abseits der Partien schlichtweg nicht und in den Stadien bekommt ihr zwar jubelnde Fans zu hören, aber von Fangesängen oder gar Kommentatoren fehlt jede Spur. Der Football Manager 2020 ist ein Spiel, bei dem es absolut nichts ausmacht, wenn ihr den Spielsound abschaltet und einfach Spotify oder einen Podcast im Hintergrund laufen lasst.
Optisch präsentiert sich euch nach wie vor eine Mischung aus Menüs, die nicht viel mehr Charme als eine Excel-Tabelle versprühen, und der sehr simplen 3D-Engine, die bei den Spielen zum Einsatz kommt und ziemlich grobe Spielermodelle sowie hölzerne Animationen bietet. Ja, erstere haben sich im Vergleich zum Vorjahr spürbar verbessert, aber davon bekommt ihr wenig mit, wenn die Kamera hoch über dem Geschehen schwebt. Die Spielfelder sehen definitiv besser aus als im FM 2019, vor allem die sich bildenden Pfützen bei Regen sind ein nettes Detail. Das alles ändert trotzdem nichts daran, dass der Football Manager weiterhin nichts für Grafikfetischisten ist. Es ist eben ein Spiel, das mit seinen inneren Werten überzeugt, über das Äußere muss man einfach hinwegsehen können.
Fazit
Ein wenig erinnert der Football Manager 2020 an das jüngste F1-Spiel von Codemasters: Für sich genommen, ist es ein echt tolles Spiel und eigentlich wäre es ein Pflichtkauf für jeden Fußballfan, wenn es nicht den sehr guten Vorgänger geben würde. Klar, wer den FM 2019 übersprungen hat, kann beim 2020er-Teil bedenkenlos zugreifen, trotz der größeren KI-Schwächen. Der Vorgänger ist auf Steam schließlich nicht günstiger, warum also nicht das Spiel mit den aktuellen Saisondaten und mehr Funktionen kaufen? Habt ihr aber eben schon den Football Manager 2019, reicht es auch, wenn ihr euch einfach ein Datenbank-Update besorgt. Die gibt es zuhauf im Netz und das kostenlos.
- Große Taktische Vielfalt
- Extremst detaillierte, realistische Datenbank
- Spannende Matches
- Sinnvolle Neuerungen,...
- ...aber keine sonderlich großen
- Schwache Technik
- KI leistet sich immer wieder Dummheiten