Einen so großen Shitstorm aufgrund von Diablo Immortal hat Blizzard nicht verdient, doch es hätte damit rechnen müssen.
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Diablo Immortal: Übertriebener Shitstorm, berechtigte Kritik
Was haben sich die Blizzard-Fans doch im Sommer auf die BlizzCon gefreut! Als Blizzard bekannt gab, gleich an mehreren Diablo-Projekten zu arbeiten, waren Freunde des gepflegten Dämonenschnetzelns und der Item-Jagd voller Erwartungen. „Dann wird doch bestimmt Diablo 4 auf der BlizzCon angekündigt“, mag so mancher Spieler gedacht haben. Kurz nach dieser erfreulichen Meldung, genauer gesagt zur gamescom, wurde die Switch-Version von Diablo 3 bestätigt. Das sollte nicht die letzte Ankündigung in diesem Jahr rund um die Action-RPG-Reihe sein. Wie sich nun herausgestellt hat, blieb es aber die einzige, die die Fans nicht in höchstem Maße erzürnt hat. Denn die Enthüllung von Diablo Immortal war für Blizzard ein Desaster.
Diablo-MMO für unterwegs
Falls ihr das Wochenende unter einem Stein gelebt oder komplett mit Red Dead Redemption 2 verbracht habt: Diablo Immortal ist ein neues Hack and Slay, das zwar auf den ersten Blick genauso aussieht wie Diablo 3, aber eben doch ein eigenständiges Spiel ist. Blizzard spricht sogar von einem MMO. Ihr werdet es also nur online spielen können und in der Welt ständig auf andere Spieler treffen. Das gilt speziell für die Stadt Westmark, die als Hub dient. Darüber hinaus soll es neben instanzierten Dungeons auch öffentliche Zonen geben, in denen dynamische Events stattfinden.
Das grundlegende Gameplay klingt nach einem typischen Diablo: Mit einer von sechs Charakterklassen (Barbar, Kreuzritter, Dämonenjäger, Mönch, Totenbeschwörer und Zauberer) durchstreift ihr in der Iso-Perspektive Levels, metzelt unzählige Gegner nieder und sammelt jede Menge Beute ein, um euren Recken zu verbessern. Ihr könnt sowohl allein als auch in der Gruppe spielen. Wer also nicht mit anderen Leuten zocken will, wird auch nicht dazu gezwungen.
Diablo Immortal soll nicht nur noch mehr Wert auf Multiplayer legen, Blizzard verfolgt hiermit auch ganz klar den Service-Game-Gedanken. Nach Release soll es also immer wieder Inhalts-Updates mit neuen Quests, Klassen und Items geben. Eigentlich klingt das alles sehr vernünftig und das bislang gezeigte Gameplay-Material macht einen guten Eindruck.
Die Asiaten wird’s freuen
Der Grund dafür, dass sich alle Fans aufregen, ist nicht das Spiel selbst, sondern die Tatsache, dass es ein reines Mobilegame ist. Diablo Immortal soll irgendwann (Blizzard hat keinen Termin genannt) für Android und iOS erscheinen – nicht für den PC und nicht für die Konsolen. Das Ziel von Blizzard ist eindeutig: Man will den Mobile-Markt noch mehr erschließen, als man das mit Hearthstone schon getan hat.
Das Smartphone ist die am weitesten verbreitete Spieleplattform. Die PlayStation 4 mit ihren bald 90 Millionen verkauften Exemplaren ist ein Witz im Vergleich dazu, wie viele Leute ein Mobiltelefon haben, auf dem sie weitaus mehr als nur Snake spielen können. Gerade im asiatischen Raum wird hauptsächlich auf Mobilgeräten gezockt. Gaming-Rechner und Konsolen sind in China zum Beispiel nicht sonderlich weit verbreitet, unter anderem aufgrund ihrer hohen Anschaffungskosten. Aber ein Smartphone hat dort so gut wie jeder. Dass Diablo Immortal vor allem für China gedacht ist, zeigt sich auch darin, mit wem Blizzard bei der Entwicklung kooperiert. Die Kalifornier haben NetEase Games als Partner gewonnen. Der chinesische Konzern hat nicht nur Erfahrung mit Mobilegames, sondern bereits einige Blizzard-Titel in seiner Heimat veröffentlicht, darunter World of WarCraft, Overwatch und Hearthstone.
Kein Spiel für Fans
Nun kann man damit argumentieren, dass es aus wirtschaftlicher Sicht absolut verständlich und klug ist, die Diablo-Marke auf die Mobilgeräte zu bringen. Der Markt ist riesig und gerade die Asiaten dürften sich in Massen auf Diablo Immortal stürzen, wenn es erscheint. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Titel ein Flop wird, trotz der lauten Kritik, die derzeit im Netz zu finden ist und bereits direkt auf der BlizzCon geäußert wurde. Es war vermutlich das erste Mal, dass Blizzard auf seiner eigenen Hausmesse ausgebuht wurde.
„Wir wollen kein Diablo-Mobilegame!“ Das ist die einhellige Meinung der Community. Spiele fürs Smartphone seien schließlich doof und nur was für Casual-Gamer, wozu sich die meisten Diablo-Fans eindeutig nicht zählen. Denn auch wenn Teil 3 mittlerweile auf allen aktuellen Konsolen zu finden ist, so ist Diablo im Herzen immer noch eine PC-, eine Hardcore-Gamer-Marke. Die Leute, die vor 18 Jahren Diablo 2, wenn nicht sogar vorher schon das Seriendebüt gespielt haben, fühlen sich betrogen. Und das ist absolut nachvollziehbar.
Selbstgemachter Shitstorm
Blizzard darf sich über den Shitstorm, den es nun an der Backe hat, nicht wundern. Das Unternehmen hat sich ja generell in den vergangenen Jahren nicht wirklich mit Ruhm bekleckert, wenn es um Diablo ging. Der dritte Teil wird seit dem Release der Erweiterung „Reaper of Souls“ im Jahr 2014 sehr stiefmütterlich behandelt. Bis auf den viel zu spät veröffentlichten DLC „Rückkehr des Totenbeschwörers“ gab es kaum noch neue Inhalte für Diablo 3. Overwatch, Hearthstone, Heroes of the Storm, World of WarCraft, sie alle werden regelmäßig erweitert. Ja sogar StarCraft 2 hat immer wieder mal kleinere DLCs bekommen. Nur seine Action-RPG-Marke, die lässt Blizzard schleifen.
Die Bekanntgabe, dass mehrere Diablo-Projekte in Arbeit seien, schürte bei den Fans Hoffnung auf eine große Ankündigung im Zuge der BlizzCon. Doch Mitte Oktober folgte die traurige Nachricht, es werde kein Diablo 4 auf der Messe geben. Zwar wurde der Nachfolger nicht namentlich erwähnt, doch sehr offensichtlich angedeutet. Alle Welt weiß, dass Blizzard daran arbeitet, das Studio will aber nichts davon zeigen – noch nicht.
Große Klappe, nichts dahinter?
Das allein wäre gar kein großes Problem. Denn wie heißt es so schön: Gut‘ Ding will Weile haben. Und dass gute Dinge bei Blizzard eben manchmal sehr lange auf sich warten lassen können, wissen wir spätestens seit Diablo 3. Doch der Konzern hat den Fehler gemacht, mit den Erwartungen der Fans zu spielen, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt. Als man im Sommer verriet, an mehreren Diablo-Projekten zu arbeiten, von denen einige mehr Zeit bräuchten als andere, da hatte man vermutlich gar nicht erst den Plan, auf der diesjährigen BlizzCon über Diablo 4 zu sprechen.
Doch Blizzard ist kein unerfahrenes Indie-Studio, sondern einer der größten Entwickler der Welt. Man hätte es doch wissen müssen, dass diese Information bei den Fans gewisse Erwartungen weckt. Das scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein. Blizzard bemerkte erst im Nachhinein, was es da angerichtet hatte. Die Community rechnete ganz fest mit der „Diablo 4“-Ankündigung auf der BlizzCon. Blizzard wollte nicht, dass die Messe zu einer großen Enttäuschung für Diablo-Fans wird, also veröffentlichte man vor einigen Wochen jenen offenen Brief, der ihnen vorab jegliche Hoffnung nahm.
Dieser Unfall war vorherzusehen
Bis hierhin war das alles schon nicht sonderlich gut von Blizzard gehandhabt worden. Das Fass war randvoll, aber es lief noch nicht über. Die Community war darauf eingestellt, nichts von Diablo 4 zu sehen zu bekommen, aber dafür hätte es ja andere nette Dinge geben können – vielleicht eine Remastered-Version von Diablo 2 oder doch noch einen weiteren Klassen-DLC für Teil 3. Aber nein, stattdessen servierte ihnen Blizzard Diablo Immortal. Wer einen Livestream der BlizzCon-Eröffnung verfolgt hat, konnte in dessen Chat Dinge wie „Damit ist Diablo tot“ oder „Habe Diablo 3 gerade deinstalliert“ lesen. Positive Äußerungen zu dem Thema gab es entweder gar nicht oder gingen in dem Wust aus kritischen Kommentaren vollständig unter.
„Was hat Blizzard denn erwartet, was passieren würde?“, ist eine der Fragen, die in den vergangenen Tagen mehrfach im Netz gestellt wurde. Bei einer Marke, deren Community hauptsächlich aus eingeschworenen PC-Spielern besteht, für die das Wort Mobilegame mit billigen „Cash Grabs“ gleichzusetzen ist, darf man sich als Hersteller doch nicht über den Hass wundern, der ihm in so einer Situation entgegenschwappt – gerade wenn jene Community mit etwas ganz anderem gerechnet hat. Jahrelang passiert so gut wie nichts mit Diablo und dann kommt Blizzard mit nicht mehr als einem Mobilegame um die Ecke, das den asiatischen Markt erobern soll. Das ist so, als wenn ein Bus auf einen tiefen Abgrund zurast und der Fahrer kurz davor nochmal extraviel Gas gibt, in der Hoffnung, so über die Schlucht hinwegspringen zu können. Doch von außen kann jeder sehen, dass das physikalisch gar nicht möglich ist.
Die Fans gehen mit Blizzard zu hart ins Gericht
Auf der BlizzCon Diablo Immortal und wirklich nichts anderes, was mit der Marke zu tun hat, anzukündigen, war ein großer Fehler. Blizzard bekommt viel Kritik und die ist berechtigt. Doch unserer Meinung nach übertreiben die Fans. Denn auch wenn sie nun leider weder was von Diablo 4 gesehen haben noch mit einem Diablo 2 Remastered oder weiteren DLC für Teil 3 beglückt wurden: Dass irgendwann ein neuer Teil für PC (und sicherlich auch die Konsolen) erscheint, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wie wir es weiter oben schon angemerkt haben: Jeder weiß, dass Blizzard an Diablo 4 arbeitet.
Diablo Immortal ist kein Versuch, noch irgendwie Geld aus einer alten Marke herauszupressen, ohne zu viel Aufwand zu investieren. Manch einer zog schon den Vergleich zu Command & Conquer: Rivals, mit dessen Ankündigung sich Electronic Arts im Sommer wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert hat. Doch diese Leichenfledderei ist keinesfalls mit dem zu vergleichen, was Blizzard gerade mit Diablo macht – zumal Immortal eben wie ein richtiges Diablo aussieht, während EA gedacht hat, die C&C-Marke auf irgendein Mobile-Strategiespiel auftragen zu müssen, das spielerisch so gut wie nichts mit den alten Teilen gemeinsam hat.
Diablo Immortal wird sicherlich kein Liebling von alteingesessenen „Diablo 2“-Spielern sein. Genauso dürfte es aber auch kein liebloser Mobile-Ableger mit Pay-to-Win-Charakter werden. Denn Blizzard hat bestimmt großes Interesse daran, auf Smartphones und Tablets den gleichen Qualitätsstandard abzuliefern wie auf PC und Konsole – und gar keines daran, ins gleiche Fettnäpfchen zu treten wie mit dem Auktionshaus in Diablo 3. Das Spiel wird seine Community finden. Wer daran kein Interesse hat, weil man Mobilegames generell meidet, wird zwar noch einige Jahre auf neues Futter warten müssen, aber der eigene Napf wird definitiv früher oder später gefüllt werden.