Metro Exodus sieht nicht nur schön aus. Unter der Haube steckt ein Endzeit-Shooter, der S.T.A.L.K.E.R.-Vibes ausstrahlt.
Metro Exodus im Test: Die Postapokalypse kann so schön sein
Wir verbringen heutzutage viel Zeit in U-Bahnhöfen, weil die Züge ständig Verspätung haben – zumindest kommt es uns so vor, als würden wir immer halbe Ewigkeiten auf die Bahnen warten müssen, obwohl es sich eigentlich nur um wenige Minuten handelt. Die Menschen in der Metro-Reihe hingegen halten sich wirklich viel im Untergrund auf. Und das hat nichts damit zu tun, dass die Bahnfahrer sie warten lassen. Nach dem Dritten Weltkrieg sind die U-Bahntunnel Moskaus zum Zuhause der Menschen geworden, denn die Erdoberfläche ist aufgrund der radioaktiven Strahlung und zahlreichen Mutanten unbewohnbar. Zumindest dachte man das lange Zeit.
Wie sich in Metro Exodus, dem dritten Teil der auf den Romanen von Dmitri Gluchovsky basierenden Shooter-Serie, herausstellt, gibt es außerhalb Moskaus sehr wohl Lebensraum, in dem die Geigerzähler nicht durchgehend im roten Bereich sind. Für Hauptcharakter Artjom, seine Frau Anna und die Spartaner genannte Militärtruppe, der die beiden angehören, geht es daher raus aufs Land und an die frische Luft. Daher auch der Name Metro Exodus. Doch ist Metro noch Metro, wenn die U-Bahntunnel kaum eine Rolle mehr spielen? Nun, das kommt darauf an, wie sich die Reihe in euren Augen definiert. Eines haben wir in unserem Test jedenfalls festgestellt: Metro Exodus ist nicht nur einer der atmosphärischsten Story-Shooter der vergangenen Jahre, sondern erfüllt zugleich auch noch eine unserer großen Sehnsüchte.
Offen, aber nicht zu offen
Die ersten beiden Metro-Teile (2033 aus dem Jahr 2010 und Last Light von 2013) sind streng lineare Ego-Shooter, in deren Leveln ihr wenig Abzweigungen nehmen könnt. Der ukrainisch-maltesische Entwickler 4A Games setzte den Schwerpunkt auf düstere, teils enge U-Bahnschächte, die beim Spieler ein klaustrophobisches Gefühl erzeugen sollten – und jene Wirkung trat auch ein, als wir die beiden Actionspiele mit Horroreinschlag zockten. Und wir lieben sie bis heute dafür. Aber das bedeutet nicht, dass wir erwartet hatten, der dritte Teil müsste exakt das Gleiche bieten. Denn wenn sich eine Reihe in ihrer Historie nicht wandelt, kann ganz schnell Langeweile aufkeimen. Das haben wir ja bei anderen Marken schon zu oft erlebt. Und Spiele wie God of War beweisen, wie richtig eine Neuorientierung sein kann
Für Metro Exodus hatte sich 4A Games vorgenommen, mehr in Richtung Open World zu gehen, euch die Welt oberhalb des Erdbodens erkunden zu lassen. In den Vorgängern gibt es zwar so manches Außenareal, zum Großteil spielen die beiden aber doch untertage. In Exodus ist es eher umgekehrt. Das heißt aber nicht, dass der Titel auch wirklich ein Open-World-Spiel ist. 4A Games hat von Anfang an betont, dass man in erster Linie eine Geschichte erzählen wolle. Und die läuft eben recht linear ab. Daher erkundet ihr in Metro Exodus nicht eine zusammenhängende Welt, sondern durchlauft eine Abfolge von separaten Leveln. Das Bindeglied ist die Aurora: der Zug, mit dem Artjom und seine Frau sowie Kameraden durch das postapokalyptische Russland fahren. Habt ihr einmal ein Gebiet verlassen und seid mit der Lok weitergetuckert, gibt es kein Zurück.
Die Lust am Erkunden
Das kling vielleicht nach einer doofen Einschränkung, ergibt aber im Story-Kontext absolut Sinn. Zudem ist es nicht so, als würdet ihr in den weitläufigen Arealen unter Zeitdruck stehen. Die beiden großen Open-World-artigen Abschnitte an der Wolga und dem Kaspischen Meer dürft ihr nach Herzenslust erforschen. Die Flächen sind in Sachen Umfang vergleichbar mit großen Karten aus der Battlefield-Reihe. Sie sind also längst nicht so riesig, wie ihr das von modernen Open-World-Spielen gewohnt seid, aber genug zu Entdecken gibt es trotzdem.
Wer nicht nur stur der Hauptgeschichte folgt, stößt auf liebevoll gestaltete Nebenschauplätze, bei denen 4A Games viel mit Environmental Storytelling arbeitet. Hin und wieder trefft ihr auch auf NPCs, die euch nicht feindlich gesinnt sind, und nette Geschichten zu erzählen haben. An der Wolga zum Beispiel bekommt ihr es mit einem Kult zu tun, der Elektrizität für den Teufel hält und jeden bestraft, der auch nur mit irgendwelchen Maschinen in Berührung kommt. Doch anders, als ihr vermutlich denken würdet, schießen nicht alle Anhänger des Kults auf euch, sobald sie euch sehen. Manche von ihnen sind eben nur normale Dorfbewohner, die genauso um ihr Überleben kämpfen wie Artjom. Metro Exodus verzichtet hier auf eine Schwarz-Weiß-Zeichnung und das ist sehr angenehm.
Crafting, das nicht nervt
Die beiden großen Levels sind detailliert ausgearbeitet und vollgestopft mit Orten, die es sich lohnt zu erkunden. Schließlich können überall Waffen, Aufsätze oder andere nützliche Gegenstände wie eine bessere Gasmaske (die aufgrund einiger verstrahlter Fleckchen Erde immer noch überlebenswichtig ist) versteckt sein.
Außerdem hat Metro Exodus ein rudimentäres Crafting-System: Überall findet ihr Metalle und Chemikalien, aus denen ihr einerseits Medipacks und Munition herstellt, andererseits dienen sie aber auch dazu, eure Waffen zu reinigen. Mit der Zeit werden die immer schmutziger, was in Kampfsituationen zu eurem Verhängnis werden kann, wenn plötzlich Ladehemmungen auftreten. Doch keine Bange: Die Ressourcen sind zumindest auf dem normalen Schwierigkeitsgrad großzügig verteilt, sodass der ganze Crafting-Aspekt nie in Arbeit ausartet.
Das Beste aus zwei Welten
Euch ist sicherlich aufgefallen, dass wir in den oberen Absätzen lediglich von zwei weitläufigen Arealen sprechen. Das hat einen guten Grund, denn der Rest von Metro Exodus ist sehr viel linearer. Es gibt noch ein weiteres Gebiet, das wir als breiten "Schlauch" bezeichnen würden, in dem ihr durchaus links und rechts des Hauptpfads Dinge entdecken könnt, die sonstigen Umgebungen bieten aber nicht mehr Bewegungsfreiheit, als ihr sie in den Vorgängern habt. Wie gesagt, 4A Games ist die Geschichte sehr wichtig und der ordnen sie das Leveldesign unter.
Übrigens landet ihr auch während der umfangreichen Erkundungstouren durch den Wolga- und Kaspischen-Meer-Level immer wieder in Situationen, in denen ihr in einem düsteren Innenareal "gefangen" seid und euch linear dort durchkämpfen müsst. Dadurch bewahrt Metro Exodus den Geist seiner Vorgänger. Wer das klassische Metro-Gefühl haben möchte, bekommt es auch hier nach wie vor, nur eben in kleineren Portionen. Der Rest fühlt sich eher an wie S.T.A.L.K.E.R., was wir großartig finden. Schließlich gab es seit dem letzten Teil jener Reihe (Call of Pripyat von 2009) keinen vergleichbaren Open-World-Shooter mehr.
Wenn Metro in euren Augen also vor allem für enge Untergrundlevels mit wenig natürlichem Licht steht, wird euch die Kursänderung nicht so sehr gefallen. Liebt ihr die Reihe aber für ihren "Ostblock-Charme" und die allgemein düstere, postapokalyptische Stimmung, dann lasst euch gesagt sein, dass auch Metro Exodus immer noch ein Metro ist.
Schusswaffen nur für den Notfall
Das wird vor allem spielerisch deutlich: Das Gunplay entspricht exakt dem von Metro: Last Light. Soll heißen, alles ist etwas schwerfälliger und langsamer als etwa in einem Far Cry 5. Schüsse abzugeben, fühlt sich in Metro Exodus richtig gut an. Das Tückische an dem Spiel ist: So befriedigend es ist, Mutanten mit der Schrotflinte oder AK ein paar Kugeln in den Körper zu jagen, so sehr wollt ihr eigentlich, dass es gar nicht erst dazu kommt. Munition ist in der Endzeit ein rares Gut, auch wenn ihr sie selbst herstellen könnt. Zudem haltet ihr nicht allzu viel Schaden aus und es gibt keine automatische Heilungsfunktion. Offene Gefechte solltet ihr also nach Möglichkeit vermeiden.
Wenn ihr Mutantenrudel umgehen könnt, solltet ihr das tun. Und wenn es darum geht, in Lager feindlicher NPCs wie Banditen einzudringen, empfiehlt es sich, die Lehren des Sam Fishers zu befolgen: Bleibt in den Schatten und schaltet Gegner leise aus! Das Schleichen in Metro Exodus macht sehr viel Spaß, da die Schauplätze perfekt dafür designt sind. Es gibt immer irgendwelche Schleichpfade, die ihr verwenden könnt, um unbemerkt zu bleiben. Lichtquellen lassen sich abschalten und Wachen im Zweifelsfall mit Ködern ablenken.
Solange ihr schleicht und nicht entdeckt werdet, fällt zudem die schwache KI nicht so sehr ins Gewicht wie bei offenen Schießereien. Nein, die Computergegner sind nicht gerade das, was man intelligent nennt. Anstatt euch gezielt in die Mangel zu nehmen, laufen sie teilweise wie aufgescheuchte Hühner durch die Gegend. Da sie trotzdem treffsicher sind, bleiben sie zwar durchaus gefährlich, aber das ändert nichts daran, dass die KI immer wieder am Spielspaß kratzt.
Unsere kleine Lok
Wie schon erwähnt, legt Metro Exodus sehr viel Wert auf seine Geschichte. Wir wollen an dieser Stelle auf keinen Fall zu viel verraten, das Wichtigste wisst ihr auch schon. Im Mittelpunkt steht die Reise mit der Aurora durch das endzeitliche Russland und die Suche nach einer neuen Heimat. Jeder Level hat dabei seine eigene kleine Story, weshalb sich Metro Exodus ein wenig episodisch anfühlt. Der übergreifende Plot ist daher vielleicht kein Meisterwerk, wir wollten aber dennoch stets wissen, wie es mit unserer Truppe an Zugfahrern weitergeht.
Im Verlauf der langen Reise (sowohl in Bezug auf die Geschichte als auch die Spielzeit, die bei mindestens 20 Stunden liegt) sind uns die einzelnen Charaktere richtig ans Herz gewachsen. Während die Aurora über die Gleise rollt, haben wir sehr gerne den Leuten zugehört, wie sich untereinander unterhalten oder mit Artjom sprechen. Dabei entstehen teilweise richtig schöne Momente. Zum Beispiel könnt ihr mit einem der Spartaner Gitarre für eine Dame spielen, die ihr während der Reise an Bord aufgenommen habt.
Artjom, jetzt sag doch was!
Da ist es besonders schade, dass Artjom wie in den Vorgängern kein Wort sagt. Es ist nicht so, als wäre er stumm oder sei gar nicht vertont, denn in den Ladebildschirmen liest ein Sprecher seine Tagebucheinträge vor. Aber im eigentlichen Spiel bekommt ihr keinen Mucks von Artjom zu hören. Doch weder gibt es wie in The Legend of Zelda rudimentäre Dialogoptionen, die einfach nur in Textform existieren, noch ist sich Metro Exodus wie ein Half-Life bewusst, dass der Protagonist kein Wort sagt. Dadurch kommt es immer wieder zu unfreiwillig komischen Situationen. Wenn ihr etwa in einer besonders gefährlichen Umgebung unterwegs seid, sich währenddessen Anna per Funkgerät meldet und euch voller Sorge mitteilt, dass die Verbindung abzubrechen scheint und ihr, wenn möglich, ein Lebenszeichen geben sollt, schadet das der Immersion. Warum 4A Games daran festgehalten hat, Artjom (fast) nichts sagen zu lassen, ist uns ein Rätsel.
Ansonsten ist Metro Exodus jedoch ein atmosphärisch enorm dichtes Erlebnis. Nicht nur, dass es die typischen Passagen in verfallenen Gebäuden und Untergrundarealen gibt, in denen die potenzielle Gefahr besteht, dass hinter jeder Ecke ein Mutant lauert. Auch die offenen Gebiete haben eine tolle Stimmung. Das Sounddesign (krächzende Krähen, das Geräusch des Windes, die Laute von Mutanten und die stets passende, nie zu aufdringliche Musik) und die vielen Details sorgen für eine lebendige Spielwelt und eine immersive Erfahrung. Beispiel gefällig? Wenn ihr zu lange sprintet, fängt Artjom an, schwer zu atmen und ihr hört den immer schneller werdenden Puls. So was ist einfach nur fantastisch.
Die schönste Endzeitwelt aller Zeiten?
Apropos fantastisch: Dass Metro Exodus grandios aussieht, wird wohl jeder Interesse mittlerweile mitbekommen haben. Wir haben den Shooter auf dem PC gespielt und konnten mit unserer Hardware (Core i7 6700K, 16 GB RAM, GeForce GTX 1070) auf der zweithöchsten Detailstufe durchgehend mit 70 bis 80 FPS spielen. Der grafische Unterschied zu den Maximaleinstellungen ist dabei verschwindend gering, Metro Exodus sieht auch auf dem von uns gewählten optischen Niveau sensationell gut aus.
Vor allem die Licht- und Schatteneffekte gehören mit zum Besten, was wir jemals in einem Videospiel gesehen haben. Auch die Wasserdarstellung, der Detailreichtum der Umgebung und ein Großteil der Texturen sieht richtig hübsch aus. Man merkt dem Spiel aber an, dass es keine AAA-Produktion eines richtig großen Publishers ist. Hin und wieder sind uns verwaschene Texturen begegnet. Nicht alle Animationen sind auf höchstem Niveau. Insbesondere die Gesichtsregungen der Charakter kriegt 4A Games immer noch nicht so wirklich gut hin. Wo wir gerade bei den Charakteren sind: Die Sprachausgabe in Metro Exodus lässt sowohl im Englischen als auch Deutschen zu wünschen übrig. Die Sprecher machen ihren Job nur mittelmäßig, oftmals hört man heraus, dass sie eben ihren Text abgelesen haben.
Fazit
So toll der lineare Prolog von Metro Exodus auch ist, verliebt haben wir uns nach den ersten Schritten im Wolga-Level in das Spiel. Die offenen Gebiete erinnern uns auf positive Art an S.T.A.L.K.E.R. und wir wünschen uns eigentlich, dass 4A Games in Zukunft die Möglichkeit erhält, ein richtiges Open-World-Spiel zu entwickeln. Die Levels zu erforschen macht sehr viel Spaß, weil sie schön gestaltet sind und unser Entdeckerdrang auch noch spielerisch belohnt wird. Das Crafting wird nie lästig und wir freuen uns über jeden Gegenstand, den wir finden und der uns den Überlebenskampf etwas erleichtert.
Die Geschichte selbst mag eher nett als großartig sein, aber dafür gefallen uns die Charaktere und die Gespräche mit ihnen sehr gut. Schade nur, dass Artjom wieder so schweigsam ist, denn darunter leiden die ansonsten so tolle Atmosphäre und Immersion. Das finden wir fast ärgerlicher als die schlechte Gegner-KI. Trotz dieser Mängel ist Metro Exodus aber ein Spiel, das sich jeder Shooter-Fan zu Gemüte führen sollte. Für 60 Euro bekommt ihr hier ein richtig dickes Paket, dass von Anfang bis Ende Spaß macht und noch dazu grandios aussieht.
- Sehr dichte Atmosphäre
- Durchgehend gutes Leveldesign
- Guter Mix aus offenen und linearen Leveln
- Starkes Gunplay
- Tolle Optik
- Sehr umfangreich (20+ Stunden)
- Dumme Gegner-KI
- Sprachausgabe nur Mittelmaß
- Artjom spricht immer noch nicht