Far Cry: New Dawn erscheint bald und die Serie wird 2019 15 Jahre alt. Grund genug, sie Revue passieren zu lassen.
Far Cry: 15 Jahre schöne Natur und wahnsinnige Schurken
Als Anfang der 2000er ein kleines Entwicklerteam aus dem bayerischen Städtchen Coburg einen Ego-Shooter entwickelt, der auf tropischen Inseln im Südpazifik spielt, ahnt noch keiner, was für eine große Marke später daraus werden soll. Der Name Far Cry dürfte heutzutage allen Videospielern ein Begriff sein und jeder Shooter-Fan hat mindestens einen Teil der Serie gespielt – zumindest stellen wir diese These mal in den Raum. Nun steht mit Far Cry: New Dawn der nächste Ableger kurz vor seinem Release. Und weil die Serie dieses Jahr ihren 15. Geburtstag feiert, nutzen wir die Gelegenheit und werfen einen Blick zurück auf eineinhalb Jahrzehnte voller Shooter-Action an mal mehr, mal weniger exotischen Orten.
Gründen drei Bayern ein Entwicklerstudio …
Alles begann 1997. Nein, wir haben uns nicht verzählt. Far Cry kam erst 2004 auf den Markt, aber es muss ja auch irgendwann entstanden sein. Und deshalb starten wir unsere Historie eben 22 Jahre in der Vergangenheit. Damals gründeten die Brüder Faruk, Avni und Cevat Yerli in Coburg Crytek. Die offizielle Registrierung als Unternehmen erfolgte erst zwei Jahre später, aber den Plan, eine eigene Engine und damit einhergehend auch ein Spiel zu entwickeln, hegten die türkischstämmigen Bayern schon während ihres Studiums. 2000 präsentierten sie eine erste Tech-Demo und legten damit den Grundstein für die CryEngine. Das erste Spiel auf Basis jenes Frameworks war, ihr könnt es euch denken, Far Cry. Und das schindete schon vor seiner Veröffentlichung ordentlich Eindruck.
Crytek verzichtete auf die engen Schlauchlevels, für die das Genre der Ego-Shooter damals bekannt war. Stattdessen warb man mit großen, weitläufigen Inselarealen, die sich sogar per Fahrzeug erkunden lassen sollten. Der Spieler sollte viele Freiheiten dabei haben, wie er die Gefechte mit den KI-Gegnern angeht. Ach ja, eine sehr fortschrittliche künstliche Intelligenz versprach Crytek auch noch. Am 25. März 2004 war der Tag der Wahrheit gekommen. Sollte Far Cry, das (über)ambitionierte Erstlingswerk eines kleinen deutschen Studios, wirklich der neue Stern am Shooter-Himmel sein? Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem auch noch Doom 3 und Half-Life 2 auf den Markt kommen sollten?
Gameplay und Grafik hui, Story pfui!
Wie sich schnell herausstellte, kam es genau so. Kurz gesagt: Far Cry rockte! Es sah für die damalige Zeit fantastisch aus. Gerade das Wasser, die Weitsicht und der detaillierte Dschungel sorgten für offenstehende Münder bei Spielern und denjenigen, die ihnen beim Zocken zuschauten. Das Gunplay war hervorragend, die Gegner-KI die beste, die man bis dato im Genre gesehen hatte, und die großen Levels taten ihr Übriges, um den Grad an Begeisterung ins Unermessliche zu steigern.
Na gut, nicht alles an Far Cry war super. Die Geschichte war, um ehrlich zu sein, ganz großer Unfug. Als Spieler schlüpfte man in die Rolle des ehemaligen Soldaten Jack Carver, der eigentlich nur eine Journalistin eskortieren soll, dann aber mit einem wahnsinnigen Wissenschaftler und dessen Armee aus Söldnern sowie Mutanten Bekanntschaft macht. Ganz ehrlich: Selbst wenn Uwe Boll ein guter Regisseur wäre, hätte er aus dem Stoff keinen richtig guten Film machen können.
Crytek verliert das Sorgerecht
Crytek machte sich mit Far Cry einen Namen als Entwickler und Publisher Ubisoft, der damals noch bei weitem nicht so groß war wie heute, hatte einen finanziellen Erfolg zu verzeichnen. Die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen war jedoch nicht von langer Dauer. Sie trennten sich voneinander, Ubisoft behielt jedoch die Markenrechte für Far Cry und lizensierte die CryEngine, während Crytek für seinen nächsten Titel Crysis den Bund mit Electronic Arts einging.
Anfangs veröffentlichte Ubisoft reine Konsolen-Spin-offs zu Far Cry, nachdem der erste Teil PC-exklusiv war. 2005 erschien Far Cry Instincts, der erste Titel der Reihe aus dem Hause Ubisoft Montreal, für die Xbox. Darauf folgte die Standalone-Erweiterung Far Cry Instincts: Evolution, die Xbox-360-Portierung Far Instincts: Predator und das sagenhaft schlechte Wii-Spiel Far Cry Vengeance.
Afrika, Feuer und (zu) viele Wachen
PC-Spieler sollten erst wieder 2008 in den Genuss eines Far Crys kommen. In jenem Jahr veröffentlichte Ubisoft den offiziellen zweiten Teil, der einiges anders machte als der Vorgänger. Man ließ die pazifischen Inseln und die klassische Levelstruktur hinter sich und setzte stattdessen auf ein Afrika-Setting sowie eine Open World. Der Plan klang im Vorfeld gut. Die afrikanische Savanne war ein unverbrauchtes Setting, offene Spielwelten waren damals noch etwas Besonderes (speziell für einen Ego-Shooter) und technisch machte Far Cry 2 einen richtig guten Eindruck. Das Spektakulärste war das sich physikalisch glaubwürdig ausbreitende Feuer. Wenn ihr mit einem Flammenwerfer herumgespielt habt, stand innerhalb kürzester Zeit die halbe Steppe in Flammen.
Leider erlaubten sich die Entwickler diverse Schnitzer, sodass Far Cry 2 nicht der Toptitel wurde, den man sich gewünscht hatte. Die Geschichte war nicht gut, das Missionsdesign zu uninspiriert und am allerschlimmsten waren die vielen Wachposten auf der Karte. Ihr wart zwar ein Söldner, der für die beiden miteinander verfeindeten Fraktionen in der Region gearbeitet hat, doch niemand sollte davon Wind bekommen.
Folglich schossen alle auf euch und ihr ballertet alle und damit die eigenen Leute eurer Auftraggeber ab. Das war nicht nur enorm unlogisch, sondern auch noch nervig, weil ihr während der teilweise langen Autofahrten gefühlt alle 50 Meter an einem Wachposten vorbeikamt. Ihr wurdet also ständig auf dem Weg zu Missionszielen in Feuergefechte verwickelt. Dazu kam noch, dass getötete Gegner sehr schnell respawnten. Da habt ihr einen ganzen Trupp ausgeschaltet und seid kurz mal hinter den nächsten Felsen gefahren, um dann auf dem Rückweg denselben Posten erneut auszuräuchern.
"Did i ever tell you what the definition of insanity is?"
Nachdem Far Cry 2 also eher eine Enttäuschung als ein Grund zur Freude war, hatte Ubisoft mit dem Nachfolger einiges wiedergutzumachen. Vier Jahre nahm man sich dafür Zeit, das Far Cry zu erschaffen, was sich die Fans wünschten. Und siehe da: 2012 war Far Cry 3 eines der besten Spiele jenes Jahrgangs. Ubisoft übertrug die Open-World-Formel von Assassin’s Creed auf den Shooter. Das bedeutete, die Spielwelt (diesmal wieder tropische Inseln) war in einzelne Regionen unterteilt, die ihr aufgedeckt habt, indem ihr auf Türme geklettert seid. So habt ihr dann auch Nebenmissionen freigeschaltet.
Was heutzutage keiner mehr sehen kann, hat damals noch gut funktioniert. Far Cry 3 machte von Anfang bis Ende dank der guten Ballereien, der hübschen Grafik, der großen spielerischen Freiheit und erstmals in der Seriengeschichte auch dank der Story viel Spaß. Ok, die eigentliche Handlung war nicht weltbewegend, wohl aber der Bösewicht Vaas. Dessen Monologe, etwa der über die Bedeutung von Wahnsinn, waren richtig gut geschrieben und Vaas-Darsteller Michael Mando (heutzutage in "Better Call Saul" zu sehen) machte einen hervorragenden Job.
Nicht nur das Hauptspiel kam sowohl bei Kritikern als auch Fans gut an, sondern auch die Standalone-Erweiterung Blood Dragon. Die änderte zwar so gut wie nichts am Gameplay, wagte in Sachen Szenario aber ein Experiment. Als Cyborg Rex "Power" Colt wart ihr hier in einer retrofuturistischen Welt im Achtzigerjahre-Stil unterwegs und kämpftet gegen die namensgebenden Drachen. Far Cry 3: Blood Dragon war voller Anspielungen auf Action- und Sci-Fi-Filme der Achtziger, allen voran "Terminator" und "Predator", und nahm sich selbst überhaupt nicht ernst. Gerade deswegen sticht es auch heute noch so sehr aus der Masse an "Far Cry"-Spielen hervor und ist nach wie vor einen Blick wert.
Das Gleiche in Grün
Seit 2012 bekommen wir mindestens alle zwei Jahre etwas Neues mit dem Namen Far Cry. So veröffentlichte Ubisoft 2014 Far Cry 4 und bewies damit, dass man mit dem gleichen Spiel wie zwei Jahre zuvor fast genauso erfolgreich sein kann. Na gut, Teil 4 spielte in einem ganz anderen Szenario als der Vorgänger. Statt weißen Sandstränden und blauem Meer gab es nun einen fiktiven Staat im Himalaya und somit tiefe Wälder sowie schneebedeckte Berge. Außerdem bauten die Entwickler durchaus kleinere Gameplay-Neuerungen ein. Mit einem Gyrocopter hattet ihr die Möglichkeit, erstmals in der Serienhistorie zu fliegen, und sämtliche Neben-, nicht aber die Hauptmissionen, konntet ihr mit einem Freund im Koop spielen.
Allerdings war die komplette Struktur die gleiche wie in Far Cry 3 und noch dazu wirkte der Bösewicht Pagan Min wie ein zweiter Vaas. Originell war Far Cry 4 in keiner Hinsicht. Als einzelnes Spiel betrachtet war es nicht weniger spaßig als Teil 3, aber als dessen Fortsetzung nicht mehr als ein lauwarmer Aufguss.
Ein Shooter braucht Knarren
Beides lässt sich über Far Cry Primal nicht sagen. 2016 dachte sich Ubisoft, mit der Serie mal ein ganz anderes Szenario beleuchten zu müssen. Waren zuvor stets Schusswaffen das erste Mittel gewesen, um Konflikte zu lösen, entschied man sich dazu, ein Spin-off in der Steinzeit zu entwickeln. Bekanntlich gab es in der Ära der Menschheitsgeschichte keine AKs, UMPs und Schrotflinten. Far Cry Primal wurde also zum ersten und bislang letzten Ausflug der Serie, der die Grenzen des Shooter-Genres überschritt. Zwar blieben Pfeil und Bogen erhalten, ansonsten wurde aber hauptsächlich mit Steinmessern oder Speeren gekämpft.
Das Waffenarsenal war auch das größte Problem des Actionspiels. Der Nahkampf machte in Far Cry noch nie wirklich Spaß. Bis heute besteht er nur aus wildem Herumklicken beziehungsweise Tastenhämmern und hat nichts mit Taktik zu tun. Da in Far Cry Primal der Fokus also nun auf jenem Nahkampf lag, war das Spiel bedeutend schlechter als seine Vorgänger.
Da half es nicht viel, dass Ubisoft das Steinzeit-Setting in atmosphärischer Hinsicht ganz gut umgesetzt hat. Vor allem die Entscheidung, die Audio-Dialoge allesamt in proto-indogermanischer Sprache aufzunehmen und damit jedem Spieler Untertitel aufzuzwingen, wenn man denn die Handlung verstehen wollte, war ein mutiger Schritt und zahlte sich aus. Aber die spielerischen Mängel waren zu groß, als dass Far Cry Primal eine Empfehlung wert gewesen wäre.
Bad Religion
Im März 2018 gab es dann den offiziellen fünften Teil für PC, PS4 und Xbox One, der nur wenige Monate zuvor angekündigt wurde. Das Szenario sollte diesmal weitaus weniger exotisch, aber definitiv nicht verbraucht sein. Far Cry 5 entführt euch ins fiktive Hope County, einen Landstrich im US-Bundesstaat Montana, weit im Norden der Vereinigten Staaten. Hier hat ein religiöser Kult, angeführt von dem wahnsinnigen Priester Joseph Seed, die Herrschaft übernommen. Der predigt vom Weltuntergang und Seed glaubt, die Menschen davor schützen zu müssen. Die Sekte kappt jegliche Verbindungen zur Außenwelt und zwingt die Bewohner Hope Countys mit Gewalt, ihr beizutreten.
So vielversprechend das Szenario mit seinen amerikanischen Hinterwäldlern und religiösen Fanatikern im Vorfeld wirkte, so wenig hat Ubisoft Montreal letztendlich daraus gemacht. Geschichte und Charaktere in Far Cry 5 sind platt und zum Teil wirkt das Ganze sogar arg trashig, etwa wenn ihr zig Mal von den Schurken entführt werdet, damit die euch mit prätentiösen Monologen quälen können.
Zu viel Action in einem Shooter? Das geht? Oh ja!
Ein weiteres Manko des Spiels: Es scheint komplett für die Generation YouTube entwickelt zu sein, die ein Problem damit hat, aufmerksam zu bleiben, wenn nicht alle zwei Minuten etwas Spektakuläres passiert. Viel zu oft werdet ihr von Feinden angegriffen, was schon üble Erinnerungen an Far Cry 2 weckt. Man könnte fast meinen, Joseph Seed befehlige keine Sekte mit vielleicht ein paar Hundert Anhängern, sondern eine ganze Armee. Dabei möchtet ihr in Far Cry 5 vielleicht mal in Ruhe ein wenig angeln (was dank gut funktionierendem Minispiel auch Spaß macht), aber in den seltensten Fällen könnt ihr das, weil ihr ratzfatz wieder irgendwelche Feinde an der Backe habt.
Far Cry 5 hat aber auch viele Pluspunkte, weshalb es ein durchaus guter Open-World-Shooter geworden ist. Die Spielwelt ist hübsch, die Nebenmissionen ordentlich, da Ubisoft den „Copy & Paste“-Faktor stark minimiert hat, und das Erkunden macht sogar deutlich mehr Spaß als im eigentlich besseren Assassin’s Creed Odyssey. Ja, und natürlich macht auch das Ballern nach wie vor Laune.
Die Gegenwart und Zukunft
So, nach dieser Reise durch 15 Jahre Far Cry sind wir nun in der Gegenwart angelangt, genauer gesagt bei Far Cry: New Dawn. Das knüpft an die Geschichte von Teil 5 an, auch wenn es fast zwei Jahrzehnte nach dessen Ende spielt. Diesmal wagt die Serie einen Ausflug in die Postapokalypse. Klingt nach großen Veränderungen, doch anhand des bislang gezeigten Gameplay-Materials lässt sich schon mal festhalten, dass New Dawn in vielerlei Hinsicht nur ein Re-Skin von Far Cry 5 ist: gleiche Spielwelt, gleiche Waffen und so weiter. Ob es trotzdem sein Geld wert sein wird, erfahrt ihr bald in unserem Test.
Was lässt sich abschließend über Far Cry sagen? Die Reihe kann auf eine lange Historie zurückblicken, die ihr damals, als Crytek den ersten Teil zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentierte, wohl niemand vorhergesagt hätte. Niemand hätte gedacht, dass ein Spiel aus Deutschland der Beginn einer der weltweit erfolgreichsten Shooter-Marken sein werde. Leider ist nicht jeder Teil ein spielerisches Highlight geworden. Neben Höhen wie dem ersten und dritten Teil gab es eben auch extreme Tiefen wie Far Cry Primal.
In welche Richtung New Dawn mehr ausschlagen wird? Wir sind gespannt. Nach diesem etwas weniger aufwendigen Ableger sollte Ubisoft der Reihe aber vielleicht eine kleine Pause gönnen. Ein richtiges Far Cry 6 sollte wesentlich mehr sein als nur ein leicht weiterentwickeltes Far Cry 5. Doch nicht nur qualitativ könnte es der Marke guttun, wenn sich die Entwickler für den nächsten Teil etwas mehr Zeit lassen würden. Aktuell hat man das Gefühl, die Spieler sind ein wenig übersättigt. Je nachdem, wie sich Far Cry: New Dawn auf dem Markt schlagen wird, wird das diese Vermutung bestätigen oder widerlegen. Auf Dauer kann es aber eigentlich nicht funktionieren, alle ein bis zwei Jahre ein Spiel herauszubringen, das der immer gleichen Formel folgt, auch wenn andere Serien (Call of Duty) das Gegenteil beweisen. Hoffen wir also, dass Ubisoft bei Far Cry 6 nicht nur in Sachen Setting, sondern auch bezüglich des Gameplays etwas experimentierfreudiger wird.