Wir haben uns durch Sekiro: Shadows Die Twice gebissen und festgestellt, wie viel Spaß Versagen doch machen kann.
Sekiro – Shadows Die Twice im Test: Im Angesicht des Todes
Mit Demon's Souls begründete From Software 2009 das Souls-like-Genre. Fünf Spiele lang wich man nicht von dieser Grundformel ab: sackschwere Kämpfe, verwinkelte Levels, Seelen (oder Blutechos, wie sie in Bloodborne heißen) statt Erfahrungspunkten und viel Lore statt klarem Plot. Sekiro: Shadows Die Twice weicht in vielen Aspekten von dieser Rezeptur ab. Die Souls-DNA blitzt hier und da durch, doch wer mit der Erwartung an das Spiel herangeht, mit "Dark Souls"-Skills punkten zu können, der wird schon bei den ersten Kämpfen sein blaues Wunder erleben.
Dass From Software mal etwas Neues versucht hat, wissen wir sehr zu schätzen. Doch wie das halt so ist: Nicht jeder mag Veränderungen. Es gibt einige Dinge, die in Sekiro: Shadows Die Twice wegfallen, die manch einer vermissen wird. Aber deshalb ist es noch lange kein schlechteres Spiel als seine Vorläufer – ganz im Gegenteil. Mit Sekiro beweist From Software mal wieder, warum es zu den besten Entwicklerstudios unserer Zeit gehört, auch wenn nicht alles völlig gelungen ist.
Eine vordefinierte Rolle
Direkt zu Beginn des Spiels wird deutlich, wie sehr sich Sekiro: Shadows Die Twice von den Souls-Spielen unterscheidet. Beginnt jedes davon mit der Erstellung eures Charakters, ist der Protagonist in Sekiro bereits fest vorgegeben. Ihr spielt einen Shinobi, der einfach nur "Wolf" genannt wird. Weder habt ihr Einfluss auf sein Aussehen noch auf seine Charakterwerte. Letztere gibt es so gut wie gar nicht, Sekiro distanziert sich deutlich vom Rollenspielunterbau der Souls-Spiele. Dementsprechend wählt ihr zu Spielbeginn keine Klasse. Der "Wolf" ist und bleibt das gesamte Spiel über ein Ninja. Es gibt auch keine Rüstungen oder mehrere Waffen. Kleiderwechsel finden während des Abenteuers im Japan der der Sengoku-Ära (16. Jahrhundert) nicht statt und ihr bleibt von Anfang bis Ende eurem Katana treu.
Sekiro ist ein geradliniges Actionspiel. Das bedeutet allerdings nicht, dass es gar keine Form von Progression gibt. Im Spielverlauf schaltet ihr mehrere Talentbäume frei, die aktive und passive Fähigkeiten enthalten. Um die zu erlernen, benötigt ihr Fähigkeitspunkte. Die erhaltet ihr in Sekiro: Shadows Die Twice wie die Levelaufstiege in einem klassischen RPG: Ihr tötet Gegner und füllt damit einen Fortschrittsbalken. Sobald der voll ist, erhaltet ihr einen Skill-Punkt, den ihr an Buddha-Statuen, die als Äquivalent zu den Leuchtfeuern aus Dark Souls dienen (zum Speichern, Rasten und als Schnellreisepunkte), in neue Fähigkeiten investiert.
Euer Skill entscheidet!
Um euer Leben und eure Angriffskraft zu erhöhen, bleibt euch im Grunde nichts anderes übrig, als Bossgegner und Minibosse zu besiegen. Von letzteren erbeutet ihr Gebetsperlen. Vier Stück davon setzt ihr zu einer Kette zusammen, die eure Lebensenergie dauerhaft steigert. Die richtigen Bosse, die sich jedoch deutlich weniger von den Minibossen unterscheiden, als es in Dark Souls der Fall ist, lassen wiederum Items fallen, mit denen ihr euren Schaden maximiert.
Im Endeffekt heißt das: Wenn ihr in Sekiro keine Endgegner besiegt, werdet ihr nicht wirklich stärker. Grinding ist also im Gegensatz zu den vorherigen From-Software-Titeln kaum möglich. Ihr könnt fehlende Gamepad-Skills nicht dadurch ausgleichen, dass ihr euren Charakter hochlevelt. Die fehlenden Ausrüstungsgegenstände leisten ebenfalls ihren Beitrag dazu, dass es in Sekiro einzig und allein auf eure Geschicklichkeit ankommt. Wer das Kampfsystem des Spiels nicht verinnerlicht, wird es äußerst schwer haben. Ach ja, hatten wir erwähnt, dass es keinen Multiplayer-Modus gibt? Wo ihr in Dark Souls und Bloodborne immer einen anderen Spieler zu Hilfe rufen könnt, falls ihr einen Boss einfach nicht besiegt bekommt, geht das in Sekiro: Shadows Die Twice nicht. Hier seid ihr auf euch allein gestellt.
Zwischen Frust und Freude
Der von Haus aus schon sehr hohe Schwierigkeitsgrad wiegt durch das Fehlen eines RPG-Systems und der Koop-Funktion umso mehr. Es gibt keine Möglichkeit, euch das Spiel einfacher zu machen und dadurch wirkt Sekiro noch viel anspruchsvoller als seine Vorläufer. Allein an so manchem Miniboss haben wir uns ganz schön die Zähne ausgebissen und zig Anläufe benötigt, bis wir den Bogen raushatten.
Das ist aber auch das Stichwort: Wenn ihr euch in das Kampfsystem reinfuchst und genau wie in den Souls-Spielen eure Gegner genau studiert, dann werdet ihr sie auch irgendwann besiegen. Es kann 10, 20, 50 Anläufe dauern, bis ihr einen Boss niedergestreckt habt und wer anfällig für Frust ist, für den ist Sekiro: Shadows Die Twice noch weniger geeignet als Dark Souls und Co. Aber dafür wiegt die Freude, wenn der "Wolf" bei einem harten Brocken zum finalen Schwertstreich ausholt und dessen Lebenskraft in Form einer großen Blutfontäne den Körper verlässt. Die Todesanimationen sind fantastisch und eines der befriedigendsten Dinge, die wir je in einem Videospiel erlebt haben.
Da macht selbst Verlieren Spaß
Der Blutdurst ist nicht der einzige Grund, warum wir uns immer wieder in noch schwierigere Kämpfe stürzen oder einfach nicht aufhören können, ein und denselben Bossgegner zigmal hintereinander herauszufordern. Das Kampfsystem von Sekiro: Shadows Die Twice ist schlichtweg großartig. Das grundlegende Prinzip habt ihr schnell verstanden: Mit "RB" oder eben "R1" greift ihr an, mit "LB"/"L1" blockt ihr feindliche Attacken oder, wenn ihr die Taste im richtigen Moment drückt, pariert sie. Letzteres ist eigentlich das Allerwichtigste, denn dadurch verursacht ihr den meisten Haltungsschaden.
In Sekiro: Shadows Die Twice geht es nicht darum, eurem Gegner mit Angriffen Lebensenergie abzuziehen. Das passiert zwar auch, aber würdet ihr euch allein darauf verlassen, wären die Kämpfe sehr viel ermüdender und frustrierender. Der wichtigste Wert ist nicht die Lebensenergie, sondern die Haltung. Das mag für eure Gegner etwas mehr gelten als für euch, aber auch euren eigenen Haltungsbalken solltet ihr im Auge behalten. Ist der im roten Bereich, schützt euch ein Block nicht mehr davor, Schaden zu nehmen. Dafür gibt es keine Ausdauer, ihr könnt also unbegrenzt zuschlagen und blocken.
Ihr könnt Attacken auch ausweichen, meistens gilt in Sekiro aber, nah am Gegner zu bleiben, stets Druck auf ihn auszuüben und seine Angriffe zu parieren. Nur so schadet ihr seiner Haltung. Wenn der entsprechende Balken rot ist, führt ihr einen Todesschlag aus, der den Lebensbalken eures Gegenübers im Nu auslöscht. Dank des Haltungssystem sind die Kämpfe schön dynamisch. Die Einstiegshürde ist groß, aber wenn ihr einmal drin seid, machen die schweißtreibenden Gefechte extremst viel Spaß. Glaubt uns! Ihr werdet immer besser werden wollen!
Den Tod überlisten
Der Untertitel Shadows Die Twice kommt nicht von ungefähr. Eine der Besonderheiten von Sekiro ist, dass ihr nach dem Tod direkt wieder an Ort und Stelle auferstehen könnt und somit eine zweite Chance bekommt. Klingt nach einem coolen Feature, ist im Grunde aber nicht viel mehr wert als ein Heiltrank. Ihr kehrt nämlich nur mit halber Energie zurück ins Reich der Lebenden und habt sonst keine weiteren Vorteile. Nicht falsch verstehen: Wir finden das Feature nicht schlecht, aber es klingt in der Theorie cooler, als es das in der Praxis ist.
Falls ihr euch die ganze Zeit schon fragt, was eigentlich passiert, wenn ihr sterbt: Nun, auch hier gibt es deutliche Unterschiede zu den Souls-Spielen. In denen verliert ihr all eure Seelen, habt dann aber die Chance, sie am Ort eures Ablebens wiederzuerlangen. In Sekiro: Shadows Die Twice verliert ihr die Hälfte eures Geldes, das ihr von getöteten Feinden erbeutet und bei Händlern in nützliche Items investiert, und einen Teil der gesammelten Erfahrung für den nächsten Skill-Punkt. Zurückholen könnt ihr euch beides nicht, es besteht aber die Chance, "Göttliche Hilfe" zu erhalten. Dann nimmt euch das Spiel gar nichts ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass das eintritt, liegt aber schon von Haus aus bei gerade mal 30 Prozent und sinkt mit jedem Ableben.
Eure Tode haben aber noch mehr Konsequenzen. Je öfter ihr sterbt, desto mehr Menschen erkranken an der sogenannten Drachenfäule. Mit betroffenen Händlern könnt ihr dann, nun ja, nicht mehr handeln, und die Nebenquests anderer kranker NPCs lassen sich nicht anfangen beziehungsweise fortsetzen. Es ist aber kein Hexenwerk, alle Charaktere zu heilen. Mehrfach im Spielverlauf werdet ihr die Möglichkeit dazu haben, sodass es schwer ist, euch Nebenmissionen komplett zu verbauen.
Keine versteckte Geschichte
Falls ihr euch bis hierhin dachtet: "Ah, die schreiben gar nichts über die Geschichte. Dann wird's wohl genauso keinen richtigen Plot geben wie in Dark Souls und Bloodborne", dann unterliegt ihr einem Irrtum. Es hat schon seinen Grund, dass ihr keinen eigenen Charakter erstellt. Sekiro: Shadows Die Twice erzählt eine durchgehende, leicht verständliche Geschichte.
Das macht es sowohl mit ordentlich inszenierten Zwischensequenzen als aber auch mit vielen From-Software-typischen Dialogen, bei denen überhaupt keine Inszenierung stattfindet. Es stehen sich bloß zwei Figuren gegenüber, die so gut wie gar nicht gestikulieren. Nicht mal Perspektivwechsel gibt es. Hier hätten die Entwickler sich ruhig mal mehr Mühe geben können, wenn sie denn schon wollen, dass sich der Spieler wirklich für die Geschichte und deren Charaktere interessiert. So ganz mitgerissen hat uns die Story aber sowieso nicht. Sie ist nicht wirklich schlecht, war für uns aber auch nie ein treibender Faktor, Sekiro: Shadows Die Twice weiterzuspielen.
Erkunden lohnt sich…meistens
Die Gründe, das Gamepad immer wieder in die Hand zu nehmen, waren vor allem die spaßigen, anspruchsvollen Kämpfe und die Spielwelt. Die ist größtenteils zusammenhängend, ohne Ladezeiten erkundbar und genauso verwinkelt und mit Geheimnissen gespickt, wie wir das von From Software gewohnt sind. Die optische Vielfalt der Gebiete mag nicht so groß sein wie in Dark Souls und in Sachen Kreativität beziehungsweise künstlerischem Gehalt liegt Sekiro deutlich hinter Bloodborne. Aber aus Game-Design-Sicht ist die Welt richtig gut gelungen.
Es macht sehr viel Spaß, sie zu erforschen. Immer wieder belohnt das Spiel den Entdeckerdrang mit Abkürzungen, versteckten Minibossen und Items. Nur leider findet ihr auch immer wieder Gegenstände, die ihr gar nicht so dringend braucht, etwa Ballons, die euren Geldgewinn für kurze Zeit erhöhen. Ganz so befriedigend wie in den vorherigen Spielen von From Software ist die Erkundung also nicht. Da macht sich dann schon bemerkbar, dass es keine Hundertschaften an Rüstungen und Waffen gibt.
Ein praktischer Arm
Dafür glänzt Sekiro in Sachen Bewegungsfreiheit. Ihr könnt springen (und das jederzeit und überall), euch an Felsvorsprüngen entlanghangeln und habt einen Greifhaken, mit dem ihr an höher gelegene Stellen gelangt, die ihr sonst nicht erreichen würdet. Der ist Teil eurer Armprothese. Dem Hauptcharakter wird am Ende des Tutorials der linke Arm abgeschlagen. Daraufhin erhält er jenen Ersatz aus Holz, der später nicht nur der schnellen Fortbewegung dient, sondern auch mit diversen Upgrades versehen werden kann.
Beispielsweise bekommt ihr eine Abschussvorrichtung für Wurfsterne, eine Axt, mit der ihr Schilde zerschlagt, oder eine Art Flammenwerfer. Vollwertige Zweitwaffen sind diese Dinge allerdings nicht, da der Einsatz Geisterembleme kostet. Davon könnt ihr nur begrenzt viele im Inventar haben. Die Prothesenmodule sind gut vergleichbar mit den Schusswaffen aus Bloodborne: Ihr setzt sie nicht primär ein, um Schaden zu verursachen, sondern um eure Gegner zu kontern oder für kurze Zeit zu schwächen, um dann mit dem Schwert kräftig zuzuschlagen.
Ein weiterer Pluspunkt des Leveldesigns sind die zahlreichen Möglichkeiten fürs Stealth-Vorgehen. Ihr seid immerhin ein Ninja. Oft genug habt ihr die Möglichkeit, an Gegnern vorbei zu schleichen oder sie hinterrücks mit einem Schlag auszuschalten (auf diese Weise lassen sich auch viele Minibosse schwächen). Das System ist simpel (wenn ihr hohes Gras seht, dann wisst ihr, dass es sich um einen Schleichweg handelt), funktioniert aber sehr gut. Aufmerksame Spieler können sich dadurch viel Frust und Zeit ersparen.
Schön geht auch ohne High-End-Technik
Wir haben Sekiro: Shadows Die Twice auf dem PC gespielt. Es lief mit konstanten 60 Bildern pro Sekunde, was ein Riesenpluspunkt im Vergleich zu den Konsolenversionen ist. Gerade ein Spiel, bei dem es so sehr auf gute Reflexe ankommt, macht sich eine hohe Bildrate bezahlt. Zudem sieht Sekiro trotz manch grobgezeichneter Textur und polygonarmem Modell richtig hübsch aus. From Software arbeitet sehr viel mit Lichtstimmungen, die eben nicht nur der Atmosphäre zugutekommen, sondern auch schön aussehen.
Apropos Atmosphäre: Soundeffekte und Musik sind großartig. Vor allem das Klirren der aufeinanderprallenden Schwertklingen klingt sehr realistisch und verstärkt das Gefühl, richtig wuchtige Kämpfe zu erleben. Ganz neu in Sekiro ist zudem die deutsche Sprachausgabe, die es in den Souls-Spielen nicht gibt. Wir empfehlen euch aber, mit englischer oder gar japanischer Synchronisation zu spielen (die übrigens standardmäßig eingestellt ist). Die deutschen Sprecher machen zwar einen ordentlichen Job, die anderen Versionen sind aber nochmal stimmungsvoller, speziell eben das japanische Original.
Fazit
Sekiro: Shadows Die Twice als Souls-like zu bezeichnen, würde nicht ganz der Wahrheit entsprechen, dafür sind die Unterschiede zu Dark Souls und Bloodborne zu groß. Die Kämpfe spielen sich komplett anders und RPG-Elemente sind fast gar nicht vorhanden. Außerdem raten wir jedem vom Kauf ab, der schon von den anderen From-Software-Titeln frustriert ist. Sekiro ist noch schwieriger, weil es euch noch weniger Hilfsmittel gibt. Doch wer ein richtig herausforderndes Actionspiel sucht und bereit ist sich durchzubeißen, kommt in den Genuss eines meisterlich designten Erlebnisses, das nie unfair ist und eine richtige Sogwirkung entfaltet. Wenn ihr einmal einen Boss nach etlichen Versuchen besiegt habt und den süßlichen Geschmack des Triumphs empfindet, wollt ihr einfach mehr davon. Und Sekiro hat eine große Menge dieser Momente zu bieten. Ihr solltet eben nur wissen, worauf ihr euch einlasst.
- Durchdachtes Kampfsystem
- Spaßige Schleicheinlagen
- Große, stark verzweigte Spielwelt
- Fantastische Musik
- Sackschwer, aber immer fair
- Story nicht packend genug
- Erkundung wird nicht immer gut belohnt
- Umgebungen fehlt es an optischer Abwechslung