Bald ist wieder einmal FIFA-Zeit. Aber holt der neue Teil das Triple oder spielt er eher auf Absteigerniveau? Eine Vorschau auf die kommende Saison.
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Die große FIFA 20 Vorschau: Knallig und ruhig zugleich
Wundert euch nicht, wenn ihr diese Woche am Spieleladen oder Elektronikmarkt eures Vertrauens vorbei geht und euch ein paar Veränderungen ins Auge stechen. Ein paar mehr Schlösser mögen an den Türen hängen. Extra dicke Glasscheiben könnten eingesetzt worden sein. Ein mit Krokodilen gefüllter Wassergraben mag vor Stacheldraht und einem Wall aus Verpackungen von Pro Evolution Soccer ausgehoben worden sein. Es handelt sich dabei lediglich um vernünftige, weil angebrachte Vorbereitungen für den absehbaren Ansturm auf FIFA 20 zum Release am 24. September, also morgen!
Denn seien wir ganz ehrlich: Es ist völlig egal, ob der neueste Teil von EAs Sportsimulation irgendetwas taugt oder nicht. Die Verkäufe werden Rekorde brechen wie Gamepads nach einem Gegentreffer in der 5. Minute der Nachspielzeit eines Matches in Ultimate Team, wenn ihr doch nicht in Division 1 aufsteigt. Aber für die Puristen unter euch, die sich immer noch nicht ganz sicher sind, ob sie nicht bis FIFA 21 warten oder in diesem Jahr gar auf Konamis eFootbal PES 2020 setzen wollen, haben wir uns einen Eindruck gemacht, was FIFA 20 auf dem Kasten hat.
Jedes FIFA spielt sich anders
Bevor wir uns neue Features anschauen, sei erst einmal das Spielgefühl an sich erwähnt. Nicht-FIFA-Spieler mögen mit dem Kopf schütteln, wenn Fans sich jedes Jahr für ihr hart verdientes Geld brav den Nachfolger zulegen. "Das ist doch im Grunde dasselbe Spiel", hört man sich ungläubig prusten. Mitnichten! Von neuen Spielmodi und frischen Ergänzungen für bereits bekannter Gameplay-Elemente ganz abgesehen, spielt sich jedes FIFA anders. Zugegeben, mal mehr und mal weniger deutlich.
Aber das Gefühl, wie sich einzelne Spieler auf dem Feld bewegen lassen, in welchem Tempo und mit welcher Empfindlichkeit, können darüber entscheiden, ob es sich bei dem jeweiligen FIFA-Teil um einen Hit oder einen Flop handelt. Was zu welchem Urteil führt, ist letzten Endes Geschmackssache. Es gibt schnellere und langsamere FIFA-Teile, solche, die sich mehr wie eine realistische Simulation anfühlen und solche, die mehr als freie Interpretation des realen Sports zu interpretieren sind. Ob ein neues FIFA eher Angreifer oder Verteidiger bevorzugt, kann in bestimmten Kreisen zu stundenlangen Diskussionen führen.
Die Feinheiten machen sich im Gameplay bemerkbar
Uns hat sich der Eindruck aufgedrängt, dass es in FIFA 20 nicht ganz so rasant zugeht wie noch im Vorgänger. Die Spieler bewegen sich etwas träger über den Rasen, der Spielaufbau dauert etwas länger. Besonders im Mittelfeld macht sich bemerkbar, dass EA an den ganz feinen Stellschrauben gedreht hat, wenn es um die KI geht. Mitspieler bieten sich viel öfter von selbst an, suchen den Raum oder starten Läufe in die Tiefe. Andererseits antizipieren computergesteuerte Verteidiger viel früher drohende Gefahren. Es kommt also – wie bei richtigen Fußballspielen – öfter zu Pattsituationen, durch die eine Mannschaft im Ballbesitz einen Angriff abbrechen und aus den hinteren Reihen erneut aufbauen muss.
Anders sieht die Situation im letzten Drittel aus. Eins-gegen-eins-Situationen sind wesentlich dynamischer geworden und kommen häufiger vor. Das fängt bereits mit der Provokation eines solchen Duells an. Angreifer, die sich langsam einem computergesteuerten Verteidiger nähern, können einen Ausfallschritt provozieren und ihn anschließend mit einer geschickten Ausweichbewegung überwinden. Aber auch als verteidigender Part haben Spieler etwas mehr Möglichkeiten, Einfluss auf den erfolgreichen Ausgang eines Zweikampfes zu nehmen.
Weniger Frustration bei Standards
Ironischerweise ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Unterschiede zwischen dem Gameplay einzelner FIFA-Teile ausgerechnet bei den eher statischen Spielsituationen bemerkbar machen – den Standards. Bisher musste man Logik bei Freistößen und Elfmetern schlicht außen vor lassen und sich mit der Zeit Stück für Stück herantasten, welche Bewegung der Joysticks sich wie auf die Richtung und die Neigung des Schusses auswirkt. Gerade im Falle von Freistößen war die Mechanik nicht gerade intuitiv.
Gezielt wurde etwa durch die Bewegung der Kamera. In FIFA 20 dient stattdessen eine Art Fadenkreuz dazu, zu bestimmen, wo der Ball am Ende landen soll. Zielen mit einem Fadenkreuz – eine irre Idee! Das Fadenkreuz besteht aus einem Kreis und einem Strich. Durch die Positionierung des Kreises bestimmt ein Spieler, an welchem Punkt der Schuss einschlagen soll. Der Strich lässt sich mit dem anderen Stick wie ein Uhrzeiger auf dem Kreis bewegen und bestimmt so den Spin des Balls.
Kleine Schritte statt großer Sprünge für den Karrieremodus
Wie gefühlt jedes Jahr hoffen Fans des Karrieremodus auch diesmal wieder auf ein Erbarmen seitens EAs. Einst die Kür in jedem FIFA, steht die simulierte Karriere als Spieler oder Trainer inzwischen unter Ultimate Team, 11 vs. 11 und sogar "The Journey" in der Hackordnung beziehungsweise Prioritätenliste der Entwickler. Daran ändert sich auch in diesem Jahr nichts, zumal sogar noch ein weiter Spielmodus der Karriere Konkurrenz macht. Aber dazu später mehr. Wirkliche Neuerungen wie dynamische Pressekonferenzen, Mikromanagement bei der Nachwuchsförderung und nachvollziehbare KI, zum Beispiel bei der Vereinsführung, sind noch immer nicht absehbar.
Allerdings gibt es durchaus sehenswerte Neuerungen. Pressekonferenzen sind nun immerhin spielbare Ereignisse für Trainer. Auf (ziemlich generische) Fragen der Pressevertreter gibt es, ähnlich wie bei Transferverhandlungen, mehrere Antwortmöglichkeiten. Unterschiedliche Antworten wirken sich positiv oder negativ auf die Moral des Teams aus, die während der Pressekonferenz durch eine Anzeige dargestellt wird. Außerdem ist die Kommunikation mit einzelnen Spielern besser ausgearbeitet. Das betrifft zum einen Spieler, die bereits Teil der Mannschaft sind. Zum anderen können Transferziele im Voraus über das Interesse an ihrer Verpflichtung informiert werden.
Ultimate Team und Co. mit wenig Neuerungen
Bei den anderen Spielmodi tut sich noch weniger. Der dritte Teil von "The Journey" stellt das Finale der Reihe dar und soll in FIFA 20 zum letzten Mal in seiner jetzigen Form Teil des Spiels sein. The Journey ist quasi der Kampagnenmodus von FIFA. Seit FIFA 17 erzählt er die Geschichte des Shooting Stars Alex Hunter, der sich zum Grünschnabel in London zum Weltstar entwickelt. Durch Entscheidungen in wichtigen Momenten, etwa über Wechsel oder Werbeverträge, lässt sich der Verlauf von Alex Hunters Karriere verändern. Außerdem steuern Spieler ihn zwischendurch in Matches.
Neuerungen bei Ultimate Team sind zum Beispiel Aufgaben, die ihr über eine ganze Saison hinweg erfüllen könnt, um Boni abzusahnen. Außerdem können zwei Ultimate Teams in Freundschaftsspielen gegeneinander antreten, ohne negative Auswirkungen auf Punkte oder andere Werte fürchten zu müssen. Alle anderen Anpassungen betreffen in erster Linie das Design. Das Menü für das Management der aktiven Mannschaft wurde überarbeitet. Zudem stehen mehr Optionen zur Verfügung, um den Look eures Teams zu beeinflussen, zum Beispiel durch individuell wählbare Stadien, Fans, Logos und Torjubel.
Volta bringt Pepp in die Simulation wie Scheichs nach Manchester
Herzen wirklich höher schlagen lässt besagter brandneuer Spielmodus VOLTA. Viele haben sich bei dem Kleinfeldmodus sofort an die klassischen Spiele von FIFA Street erinnert gefühlt. Ganz so weit treibt es VOLTA mir der spielerischen Anarchie und dem Kontrast zum normalen FIFA-Gameplay nicht. Aber natürlich spielt es sich mit nur drei bis fünf Spielern in der eigenen Mannschaft auf einem kleineren Feld mit kleineren Toren anders als auf dem Großfeld. VOLTA zieht das Tempo ordentlich an. Fernschüsse und Pässe über längere Distanzen sind hier wesentlich schwieriger als im Stadion. Der Joystick reagiert auch auf kleinste Abweichungen äußert empfindlich.
Im Gegenzug sind Skills wesentlich leichter zu steuern als anderswo. Nur zwei Tastenkombinationen stehen zur Auswahl: Betätigt ihr R3 + L3, versucht euer Spieler den Gegner durch einen einfachen Trick zu überwinden. Bei R2 + L3 versucht er sich automatisch an dem besten Move für die jeweilige Situation. Das ist alles keine Raketenwissenschaft und soll es auch nicht sein. Taktik und andere langatmige Elemente werden bei VOLTA zugunsten purer Spielfreude und Action vernachlässigt. Es bleibt abzuwarten, ob der Spielmodus auch dauerhaft Laune macht. Aber er bringt definitiv frischen Wind ins altbekannte FIFA.
Fazit
Auch FIFA 20 erfindet das Rad am teuren Sportwagen des überbezahlten Starstürmers nicht neu. Aber die Einführung von VOLTA bei der gleichzeitigen Hinwendung zu mehr Realismus beim herkömmlichen Gameplay bietet den Befürwortern beider Ansätze die Möglichkeit, sich FIFA auf ihre bevorzugte Weise zu widmen. Nur Fans des Karrieremodus schauen wieder einmal in die Röhre. Aber wer sind schon Karrieremodusfans?