Dem Berliner Studio Yager gelingt, was DICE bei Battlefield 2042 misslungen ist: The Cycle: Frontier ist eine spaßige, einfachere Alternative zu Escape from Tarkov.
The Cycle: Frontier ist Escape from Tarkov in zugänglich
Seit einigen Jahren bindet der Hardcore-Survival-Shooter Escape from Tarkov zahlreiche Spieler an sich, denen Call of Duty, Battlefield, ja gar Counter-Strike zu anspruchslos sind – und das, obwohl der Titel noch weit von seiner Fertigstellung entfernt ist. Aber er hat bereits erfolgreich ein neues Untergenre etabliert. Das hat zwar noch keinen festen Namen, doch sein Prinzip lässt sich kurz zusammenfassen: Mehrere Spieler landen auf einer Map, auf der ebenfalls KI-Gegner unterwegs sind. Jeder hat das Ziel, sich wertvollen Loot zu schnappen und die Karte anschließend lebend durch einen der vorgegebenen Fluchtpunkte zu verlassen. Wer auf dem Weg dahin stirbt, verliert nahezu alles. DICE hatte mit "Hazard Zone" in Battlefield 2042 versucht, das nachzumachen, gelungen ist es nicht. Was die Schweden nicht geschafft haben, meistert dafür ein deutsches Studio nun bravourös. Zumindest ist das mein Ersteindruck nach mehreren Stunden, die ich mit The Cycle: Frontier verbracht habe.
Yager Development kennt ihr vielleicht noch von Spec Ops: The Line, dem Antikriegs-Shooter aus dem Jahr 2012. Seitdem konzentrieren sich die Berliner auf Free-to-Play-Erfahrungen mit deutlich weniger Story-Inhalten. 2017 erschien Dreadnought, was quasi ein World of Tanks mit richtig großen Raumschiffen ist, und vergangene Woche ging nach langer Wartezeit endlich The Cycle: Frontier an den Start. Ursprünglich sollte das mal nur The Cycle heißen und in eine ganz andere Richtung gehen, aber das ist eine Geschichte für einen anderen Artikel. An dieser Stelle konzentriere ich mich darauf, euch zu erläutern, warum ihr dem Ding unbedingt eine Chance geben solltet, wenn ihr Lust auf einen nervenaufreibenden Multiplayer-Shooter mit Sci-Fi-Setting habt.
Der Erklärung im ersten Absatz habe ich eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen, denn genau das, was ich da beschrieben habe, ist The Cycle: Frontier. Ihr werdet in jedem Match mit einer Landungskapsel über dem Planeten Fortuna III abgeworfen und begebt euch dann auf die Suche nach Beute – entweder solo oder im Team mit bis zu zwei Freunden. Allein seid ihr aber nie, denn es gibt ja noch die gegnerischen Spieler und allerlei primitive Alien-Fauna. Beide Gruppen wollen euch an den Kragen.
Im Dienste der Industrie
Ihr sucht aber nicht nach wahllosem Loot. Ihr folgt den Hauptmissionen von drei Konzernen. Die wollen, dass ihr ihnen bestimmte Items beschafft. Manchmal sollt ihr aber auch einfach nur bestimmte Gebiete erreichen und dort Kreaturen töten. Für abgeschlossene Aufträge gibt es verschiedene Belohnungen in Form von Items oder auch einfach Spielwährung. Zudem steigt ihr nach und nach bei jedem der drei Unternehmen im Rang auf, wodurch ihr einerseits mehr Nebenjobs freischaltet und andererseits mehr Kaufoptionen in deren Shops. So eröffnet ihr euch Wege, zum Beispiel an bessere Waffen, Aufsätze oder Rüstungen zu gelangen.
Ein weiterer Motivationsfaktor ist euer eigenes Quartier. Das könnt ihr zwar leider nicht optisch anpassen, dafür gibt es diverse Upgrade-Möglichkeiten. Zum Beispiel könnt ihr Generatoren für die beiden zentralen Währungen von The Cycle: Frontier freischalten: K-Marken und Aurum. Letztere ist die Premiumwährung, die ihr euch auch für Geld kaufen und dann im Shop gegen kosmetische Items eintauschen könnt. Damit ist es aber auch möglich, eure Ausrüstung so zu versichern, dass sie geborgen wird, solltet ihr in einer Partie sterben und sich niemand euren Kram unter den Nagel reißen. Falls Letzteres doch passiert, erhaltet ihr stattdessen K-Marken als Entschädigung. Daneben gibt es noch die normale Versicherungsmethode, bei der ihr K-Marken anzahlt und im Fall eures Todes in größerer Menge ausgezahlt bekommt.
Ob nun zahlende Spieler einen handfesten Vorteil gegenüber anderen in The Cycle: Frontier haben, wage ich zu bezweifeln. Ja, sie können häufiger ihre guten Items bergen lassen, müssen aber eben darauf hoffen, dass sie sich kein anderer Spieler schnappt. Zudem könnt ihr euch keine starken Waffen oder ähnliches und auch keine Ressourcen für Aurum kaufen. Es gilt jedoch noch abzuwarten, was der Battle Pass mit sich bringen wird. Der ist momentan noch nicht verfügbar, die erste Saison beginnt erst am 22. Juni.
Spannung pur
Zurück zum eigentlichen Gameplay: Ich mag es, dass ich derzeit immer klare Ziele vor Augen habe. Ich weiß nicht, wie viele Hauptmissionen es pro Unternehmen gibt, aber selbst wenn die mir irgendwann ausgehen, bleiben mir immer noch die täglich neu generierten Nebenjobs und die Jagd nach den Ressourcen, die ich für meine Quartier-Upgrades benötige.
The Cycle: Frontier schafft es aber nicht nur, mich durch extrinsische Motivationsfaktoren dazu zu bewegen, mir selbst nach einem schmachvollen Tod zu sagen: "Ach, komm, noch eine Runde! Die wird bestimmt besser." Der Gameplay-Kern macht auch einfach sehr viel Spaß. Die Waffen fühlen sich allesamt gut an und Begegnungen mit anderen Spielern sind stets enorm spannend. Schließlich kann jeder noch so kleine Fehler eurerseits dazu führen, dass ihr euch einen tödlichen Schuss einfangt und all euren Kram verliert.
Wenn ich in The Cycle: Frontier unterwegs bin und Schrittgeräusche höre, zucke ich oftmals zusammen, gehe sofort in die Hocke und bewege mich nur noch ganz leise fort, damit der andere mich ja nicht bemerkt. Das Sounddesign ist zwar nicht auf dem extrem hohen Niveau von Hunt: Showdown, aber doch ziemlich gut. Dank binauralem Ton könnt ihr mit Kopfhörern ganz genau ausmachen, von wo Laute kommen. Es lässt sich auch gut abschätzen, wie weit entfernt jemand sein muss, der soeben Schüsse abgefeuert hat, Wer die Akustik zu seinem Vorteil nutzt, kann viele Auseinandersetzungen dadurch entscheiden.
Ihr dürft auch mal euer Hirn anstrengen
Was mich aber am meisten begeistert, ist die Spielwelt. The Cycle: Frontier kommt zum Start mit zwei großen Maps daher, wobei sich eine davon ("Crescent Falls") klar an fortgeschrittene Spieler richtet. Ich war daher bislang nur auf "Bright Sands" unterwegs, doch die allein würde mir fast schon reichen. Da es keine Fahrzeuge gibt, man also nur zu Fuß unterwegs ist, ist sie ausreichend weitläufig, bietet aber genauso viel optische Abwechslung. Da erwarten euch etwa ein Sumpf, ein Dschungel, eine Lagune und jede Menge unterschiedliche, verlassene Einrichtungen wie ein Kraftwerk und diverse Labore.
Manche Gebäude sind auch ziemlich komplex aufgebaut und enthalten sogar – womit ich überhaupt nicht in dieser Art Spiel gerechnet hätte – Rätsel. Dabei gilt es, Stromgeneratoren zu finden und sie in vorgesehene Maschinen einzusetzen, damit verschlossenen Türen Energie zugeführt wird und ihr sie öffnen könnt. Und hinter so einer Tür verbirgt sich stets guter Loot. Die Generatoren liegen nicht einfach so in der Gegend herum, sondern ihr müsst erst mal herausfinden, wie ihr euch überhaupt Zugang zu ihnen verschafft, indem ihr Energiebarrieren deaktiviert. Sicher, das Ganze wird schnell repetitiv, solltet ihr in jeder Runde versuchen, das immer gleiche Puzzle zu knacken, ohne dabei von anderen Spielern gestört zu werden. Aber genau dieser Nervenkitzel, euch nie sicher sein zu können, ob nicht doch plötzlich jemand um die Ecke springt, während ihr einen schweren Generator tragt und dabei vollkommen wehrlos seid, macht das Ganze trotzdem jedes Mal so spannend.
Bitte ignoriert dieses Spiel nicht!
The Cycle: Frontier ist für mich kaum weniger nervenaufreibend als Escape from Tarkov, auch wenn es längst nicht so komplex ist, was die Ballistik der Waffen und deren Anpassungsmöglichkeiten sowie die Steuerung betrifft. Habt ihr schon mal einen Mainstream-Shooter gespielt, findet ihr euch sehr schnell zurecht. Die Bedienung ist eingängig und simpel und Inventarverwaltung spielt auch keine so riesige Rolle wie im Vorbild. The Cycle: Frontier ist wie eine Arcade-Variante von Escape from Tarkov mit bunter Sci-Fi-Welt, aber das meine ich absolut positiv. Ich hoffe nur inständig, dass Yagers jüngstes Baby sein Publikum finden und sich dauerhaft auf dem Markt behaupten kann. Aktuell spielen es auf Steam zu Hochzeiten über 30.000 Leute. Das ist für einen Titel ohne große Marketingkampagne und ohne starken Publisher im Hintergrund ordentlich. Es wäre schön, wenn die Zahlen in dem Bereich bleiben oder gar noch weiter steigen. Verdient hätte es The Cycle: Frontier auf jeden Fall.