Ubisofts nächster Free-to-Play-Titel Roller Champions erweist sich als kurzweiliges Sportspiel, doch die Präsentation ist nicht jedermanns Sache.
Roller Champions wird Rocket League nicht entthronen, aber Spaß macht's
Erinnert ihr euch noch? Damals, E3 2019? Ich weiß, es wirkt so, als würden es alte Legenden besagen, dass in jenem Jahr noch eine Messe in Los Angeles zum Thema Videospiele stattfand. Aber tatsächlich war dem so, man glaubt es kaum. Damals haben die Publisher wirklich noch große Shows auf großen Bühnen veranstaltet, um ihre neue Spiele dem breiten Publikum zu präsentieren. Unter ihnen: Ubisoft. Die Franzosen zeigten etwa erstmals Watch Dogs: Legion sowie Ghost Recon: Breakpoint, aber auch einen Titel kleineren Kalibers: Roller Champions. Das Ding war damals sogar direkt in einer Pre-Alpha spielbar … und danach wurde es still um das Projekt. Es verschwand zwar nicht für die kompletten drei Jahre bis zum Release in der Versenkung, aber als Ubisoft vor wenigen Wochen verkündete, dass der Titel am 25. Mai erscheinen sollte, hat mich das schon überrascht. "Ach, das Spiel gibt’s ja auch noch!", war meine erste Reaktion. Nachdem ich nun ein paar Probepartien gespielt habe, bin ich auch froh darum.
In Roller Champions müsst ihr euch Tore wortwörtlich erfahren
Roller Champions gelingt das Kunststück, sich neu und frisch und doch wie eine Nachahmung anzufühlen – eigentlich ein Paradoxon, aber ich würde es genau so beschreiben. Denn während das Spielprinzip auf der einen Seite etwas ganz eigenes ist, das ich so vorher noch nicht gesehen habe, merkt man der Idee klar an, dass Ubisoft dem Erfolg von Rocket League nacheifern möchte. In dem Hit von Entwickler Psyonix geht es wie beim Fußball ums Toreschießen, aber ihr seid nicht zu Fuß auf dem Spielfeld unterwegs, sondern steuert Autos. In Roller Champions zählen ebenfalls Tore, aber ihr fahrt mit Rollschuhen im Kreis (ok, im Oval, um geometrisch korrekt zu sein) und werft den Ball, statt ihn zu kicken.
Die Regeln sind ziemlich simpel: Zwei Teams a drei Spieler haben das Ziel, innerhalb von sieben Minuten fünf Punkte zu erzielen. Die bedeuten den sofortigen Sieg. Andernfalls gewinnt das Team, das am Ende der Zeit die meisten Punkte hat und bei einem Unentschieden gibt es zumindest noch eine kurze Verlängerung. Der Clou: Ihr müsst erst vier Checkpoints mit dem Ball passieren (also eine volle Runde fahren), um überhaupt ein Tor erzielen zu können. Gelingt es dem gegnerischen Team, euch den Ball vorher abzunehmen, wird euer Fortschritt zurückgesetzt. Ein Treffer nach einer Runde ist einen Punkt wert. Ihr könnt aber auch auf Risiko spielen und versuchen, zwei oder drei Runden zu fahren, bevor ihr das Leder im Tor zu versenken versucht. Dann bekommt ihr direkt drei oder gar fünf Punkte. Das bedeutet: Ihr könnt eine Partie im Eiltempo gewinnen, wenn ihr einmal drei Runden mit dem Ball absolviert und dann einen erfolgreichen Torwurf ausführt.
Einfach zu erlernen, aber nicht sooo hart zu meistern
So sehr mir schon bei der Ankündigung von Roller Champions der Duft von Erfolgsneid auf Psyonix in die Nase kroch, so interessant fand ich trotzdem das Konzept. Ok, scheinbar nicht interessant genug, als dass ich mir die Pre-Alpha selbst zu Gemüte geführt hätte. Aber ich war dem Spiel nicht abgeneigt. Ich weiß jedoch noch, wie ein Kumpel mit viel "Rocket League"-Erfahrung damals Probe spielte und gar nicht begeistert war. Seine größten Kritikpunkte: die Steuerung, die ihm zu "zu steif" (Originalzitat) war, und fehlende Varianz im Gameplay.
Zumindest ersteres kann ich nicht nachvollziehen, allerdings ist es wahrscheinlich, dass die Entwickler in den vergangenen drei Jahren viel an der Steuerung feinjustiert haben. Es wird schon einen Grund dafür geben, dass die Arbeiten an so einem verhältnismäßig kleinen Spiel so lange gedauert haben. Mit dem Controller steuert sich Roller Champions sehr flüssig. Alle Funktionen habt ihr schnell intus, so dass ihr euch nach wenigen Minuten im Tutorial direkt in euer erstes Match stürzen und bereits ordentlich mitspielen könnt. Die Steuerung zu meistern, bedarf aber ein bisschen mehr Zeit. So spielt das sogenannte Pumping eine entscheidende Rolle. Dabei geht euer Charakter in die Hocke, um mehr an Tempo zu gewinnen, wenn er bergab fährt. Diese Technik so gut zu beherrschen, dass ihr immer mit Höchstgeschwindigkeit durch die Gegend braust, benötigt schon ein wenig Übung.
Den zweiten Kritikpunkt kann ich nicht ganz aushebeln. Klar, nicht jede Partie läuft exakt gleich ab. Meine erste Runde zum Beispiel endete nach Verlängerung 0:0. Da dachte ich noch: „Oh oh, sorgt das Prinzip, dass bei Ballverlust der eigene Checkpoint-Fortschritt zurückgesetzt wird, dafür, dass es häufig Remis gibt?“ Die nachfolgenden Matches haben mich aber eines Besseren belehrt. Partie Nummer 2 endete direkt auf furiose Art und Weise: Nachdem die Gegner 2:0 in Führung gegangen waren, hat mein Team es irgendwie geschafft, drei Runden am Stück mit dem Ball zu fahren und ich konnte dann den Treffer zum Sieg erzielen ... Ach, da braucht ihr jetzt gar nicht Beifall klatschen. Das war doch ein Klacks!
Nichtsdestotrotz: Ich habe bereits nach wenigen Spielen festgestellt, dass Roller Champions nun wahrlich keinen großen Tiefgang bietet. Klar, es gibt Raum für Teamtaktiken, aber nicht sonderlich viel, weil man schließlich immer im Kreis fährt. Ihr könnt zwar auch in die entgegengesetzte Richtung fahren, die Checkpoints müssen trotzdem in einer festen Reihenfolge passiert werden. Obendrein habt ihr nicht viele Möglichkeiten, dem Gegner den Ball abzunehmen. Es gibt im Grunde nur zwei Arten des Tacklings: am Boden und in der Luft, wobei ihr ja nur dann den Ballführenden im Sprung attackiert, wenn auch er gerade abgehoben hat.
Das Gameplay macht Laune, aber ...
Trotz der fehlenden Varianz und Tiefe macht mir Roller Champions sehr viel Spaß. Gerade durch die Mechanik, dass ihr mehr Punkte kassiert, wenn ihr zwei oder drei Runden vor einem Tor absolviert, macht jedes Match spannend. Der Gegner kann 4:0 in Führung liegen, doch wenn es euch gelingt, dreimal mit dem Ball alle vier Checkpoints zu passieren und anschließend den 5-Punkte-Treffer zu landen, sind die Jubelschreie umso lauter.
Die Präsentation jedoch trifft meinen Geschmack überhaupt nicht. Die Charaktermodelle sehen so aus, als habe man schlecht von Fortnite abgepaust und der total überdrehte Kommentator geht mir schon nach kurzer Spielzeit auf den Senkel. Hier versucht ein Fun-Sportspiel mal wieder, zu "fresh und cool" zu sein. Zugebenen, das mag ein stimmiges Gesamtbild ergeben, aber eben auch eines, dem eine eigene Identität fehlt.
Weniger Probleme habe ich derweil mit der Monetarisierung. Es gibt zwar Lootboxen, Verzeihung, Lootbälle, aber zumindest aktuell könnt ihr die nicht kaufen. Stattdessen bekommt ihr sie nur über den kostenlosen Teil des Roller Pass. Geld gebt ihr ausschließlich für dessen Premiuminhalte und einzelne Items im Shop aus – und alles davon ist rein kosmetischer Natur. Für ein Free-to-Play-Spiel ist das vollkommen ok.
Fazit
Roller Champions mag simpel sein und weniger taktischen Spielraum als ein Rocket League bieten und ich bin sicherlich nicht der Einzige, dem die Inszenierung und der Grafikstil nicht zusagen. Trotzdem habe ich Spaß mit dem Spiel. Für zwischendurch ist es aufgrund der kurzen Partien ideal und ich bin zuversichtlich, dass man sich auch nach längeren Pausen aufgrund der einfachen Steuerung und Spielmechanik wieder schnell zurechtfindet. Ganz sicher wird Roller Champions nicht das nächste Rocket League sein oder dem auch nur annähernd Konkurrenz machen können. Ich wünsche ihm trotzdem eine treue Community, damit ich auch in Zukunft immer noch Spieler finde, um hier und da mal ein Ründchen zu zocken.