Wir haben die Beta von New World gespielt und haben dabei trotz einiger Kritikpunkte großen Spaß gehabt.
New World: 3 Dinge, die uns gefallen, und 3, die uns nicht gefallen
New World ist gerade eines der häufigsten Gesprächsthemen in der Videospiellandschaft. Zugegeben, nicht nur, weil das MMORPG aus dem Hause Amazon Game Studios in der Closed Beta einen guten Eindruck hinterlässt, sondern auch aufgrund von Grafikkarten, die beim Spielen den Geist aufgegeben haben. Aber das klammern wir an dieser Stelle mal aus und konzentrieren uns voll und ganz auf das Spiel selbst, von dem wir nie im Leben gedacht hätten, dass das noch wirklich was wird.
Die Vorzeichen standen nicht sonderlich gut: Amazons erste Versuche, auf dem PC- und Konsolenmarkt Fuß zu fassen, gingen gehörig in die Hose. Das Shooter-MOBA Crucible wurde kurze Zeit nach Release aufgrund vieler Probleme wieder in den Betastatus versetzt und nur wenige Monate später komplett eingestellt. Gleiches gilt auch für Breakaway, das nicht einmal die Betaphase überlebt hat. Lediglich The Grand Tour Game für die PS4 und Xbox One hat es auf den Markt geschafft. New World hingegen erlebte mehrfache Verschiebungen, weil die Entwickler das Spiel gehörig umgebaut haben – nicht so sehr, dass es gar nichts mehr mit der ursprünglichen Vision eines PvP-lastigen Sandbox-MMOs zu tun hat, aber man merkt dem Titel deutlich an, dass er nun auch die Leute ansprechen soll, die lieber PvE spielen, statt sich mit anderen Spielern zu messen. Es gibt mittlerweile Quests und Dungeons, was beides zunächst nicht geplant war.
Amazon ist hier ein großes Wagnis eingegangen, die Entwicklung um ein Jahr zu verlängern, um mehr Theme-Park-MMO-Inhalte einzubauen. Die Gefahr, dass diese Elemente aufgepfropft wirken könnten, war groß. Nun haben wir einige Stunden in der Closed Beta verbracht und können gleich vorneweg eine gute Nachricht vermelden: Dem ist nicht so. Was uns sonst an New World gefällt und wo immer noch Steigerungspotenzial vorhanden gewesen wäre, lest ihr im Folgenden.
Was uns gefällt
Die Welt
New World hat ein fantastisches Setting: Es spielt in einem alternativen 17. Jahrhundert, in dem die Menschheit eine Insel namens Aeternum im Atlantik entdeckt, auf der es eine magische Ressource gibt: Azoth. Die vermag es, unsterblich zu machen. Jedoch kann sie auch dazu führen, dass aus Menschen wandelnde Tote werden. Und so ist Aeternum ein faszinierender, aber auch zugleich höchst gefährlicher Ort – und das Eiland sieht einfach nur fantastisch aus.
Technisch spielt New World in der oberen MMO-Liga. Gerade die dichte Vegetation und die schönen Lichtstimmungen, beispielsweise beim Sonnenuntergang, können sich sehen lassen. Aber nicht nur optisch gefällt uns die Spielwelt sehr gut. Wir finden eben auch das Szenario mit dem Mix aus historisch geprägten Klamotten und Waffen (Muskete, Rapier, nur um mal zwei zu nennen) und Fantasy ganz toll. Dazu kommt eine reichhaltige Fauna mit gackernden Truthähnen, süßen Häschen und fauchenden Luchsen. Sogar kräftige Bisons und gewaltige Alligatoren stehen bereit, um gejagt und gehäutet zu werden. Zwar interagieren die Tiere leider nicht miteinander (wenn hier ein Kanickel an einem Puma vorbei hoppelt, interessiert den das recht wenig), aber die Kreaturen lassen die Welt trotzdem lebendig erscheinen.
Das Kampfsystem
New World mag zwar nicht das erste MMO mit einem Action-Kampfsystem sein, aber es ist definitiv das bislang beste in dieser Hinsicht. Tab-Targeting (danach benannt, dass ihr mit der Tabulator-Taste Gegner ins Visier nehmt) gibt es hier nicht. Ihr müsst aktiv zielen und genauso aktiv zuschlagen beziehungsweise schießen. Jede Waffengattung spielt sich dabei anders. Mit dem Schwert seid ihr recht agil, die Kriegsaxt ist langsam, aber hat eine hohe Schaden-pro-Schlag-Rate, und die Fernkampfwaffen Muskete, Pfeil und Bogen, Feuerstab, Eishandschuh sowie Lebensstab sind natürlich nochmal was ganz anderes. Wer primär auf Distanz kämpfen möchte, sollte bedenken, dass das was kostet: Im Fall des Bogens und der Muskete Pfeile beziehungsweise Patronen, während die magischen Waffen Mana benötigen.
Kämpfen in New World macht einfach Laune, weil es sich gut anfühlt und die Gegner eben auch nicht alle das gleiche Verhalten an den Tag legen. Einzelne Feindtypen haben spezielle Angriffe, die sich auch durch Animationen ankündigen, sodass ihr entsprechend reagieren könnt. Amazon hat sich sicherlich ein wenig an Dark Souls orientiert – was nicht bedeuten soll, dass sich New World exakt so spielt oder auch nur ansatzweise so schwierig ist. Aber das Grundprinzip mit einem Ausdauersystem, das bestimmt, wie oft ihr innerhalb kurzer Zeit ausweichen und Angriffe blocken könnt, sowie dem Einsatz von leichten und schweren Angriffen lässt uns eben unweigerlich an die Meisterstücke von From Software denken. Und das ist immer ein gutes Zeichen. Kurzum: Das Kampfsystem von New World ist sehr Skill-basiert, was vor allem für das PvP, das eine große Rolle spielt, ausgezeichnet ist.
Die Progression
New World setzt auf ein klassenloses System. Ihr seid also keinen Limitierungen unterlegen, welche Waffen und Rüstungen ihr tragt. In der Theorie könnt ihr alles spielen und jederzeit zwischen verschiedenen Waffenarten wechseln, wobei ihr nur zwei Tötungswerkzeuge zeitgleich ausrüsten könnt. Der Clou: Euer Umgang mit jeder Gattung wird automatisch besser, indem ihr sie einsetzt. Für jeden getöteten Feind erhält nicht nur euer Charakter Erfahrungspunkte, sondern auch die verwendete Waffe. Die Argumentationsverstärker leveln bis Stufe 20 und haben allesamt einen eigenen Talentbaum, über den ihr neue aktive und passive Fertigkeiten freischaltet.
Der Clou: Ihr müsst euch trotzdem spezialisieren, denn wie stark ihr im Umgang mit Waffe XY seid, bestimmen auch eure Grundattribute Stärke, Geschicklichkeit, Intelligenz sowie Fokus (Konstitution gibt es auch noch, aber die erhöht nur eure maximale Lebensenergie). Die Kriegsaxt etwa skaliert mit eurem Stärkewert, das Rapier mit Geschicklichkeit und Intelligenz. Ihr solltet euch also auf zwei Waffenarten festlegen und euch dementsprechend auf die jeweiligen Attribute konzentrieren. Mit jedem Levelaufstieg erhaltet ihr Punkte, die ihr auf die Werte verteilt. Alle 50 Punkte, die ihr in ein Attribut steckt, erreicht ihr einen Meilenstein und schaltet so besonders starke passive Boni frei, die sich auch nicht nur aufs Kämpfen auswirken.
Wenn ihr zum Beispiel einen Stärkewert von 50 erreicht, erhöht sich einerseits der Schaden aller leichten Attacken mit Nahkampfwaffen um fünf Prozent und andererseits die Abbaugeschwindigkeit von Erzen um zehn Prozent – was uns zum Crafting führt, das in New World deutlich wichtiger ist als in so gut wie jedem anderen MMO. Es ist hier keine Nebenbeschäftigung, sondern ein elementarer Spielbestandteil. Ihr wollt euch nach einem harten Kampf heilen? Dann solltet ihr besser genug gekochte Rationen oder zusammengebraute Heiltränke im Inventar haben.
Ressourcen gibt es auf Aeternum in vielen unterschiedlichen Formen. Bergbau, Tiere häuten, Pflanzen einsammeln, Angeln, Holzhacken, Schmieden – all das sind eigene Skills, die ihr genauso wie die Waffenlevels erhöht, indem ihr sie aktiv einsetzt. Auch hier gibt es keine Begrenzungen. Ihr könnt mit einem Charakter sämtliche Crafting-Skills aufs Maximum bringen und das lohnt sich, auch weil ihr euch so mächtige Rüstungen und Waffen selbst herstellt, anstatt nur darauf hoffen zu können, dass ihr über Quests welche bekommt oder getötete Gegner gute Beute fallen lassen. Und das gilt schon von Anfang an. Das Crafting ist dadurch enorm motivierend. Wir haben uns irgendwann über jede neue Ressource, die wir gefunden haben und auch abbauen konnten, richtig gefreut. Denn wir wussten ja: Das ermöglicht uns die Herstellung neuer, nützlicher Dinge.
Was uns nicht gefällt
Die Quests
In Sachen Quest-Design ist New World … Nun ja, sagen wir mal, es ist sehr klassisch. Die Aufgaben entsprechen allesamt bloß dem MMO-Standard. "Geh hierhin, töte so und so viele Gegner, geh dort hin, sammel das und das ein!" Spannende Missionen sehen anders aus. Hier hinkt New World der Konkurrenz in Form von The Elder Scrolls Online, Guild Wars 2 und World of Warcraft weit hinterher. Es erreicht auch nicht das erzählerische Niveau eines Final Fantasy XIV.
Aber auch wenn wir hier eigentlich im Kritikteil dieses Textes sind, müssen wir das Ganze etwas relativieren. Zum einen gilt es eben zu bedenken, dass New World ursprünglich mal gar keine Quests haben sollte. Mitten in der Entwicklung hat sich Amazon Game Studios dazu entschieden, doch mehr feste Missionen einzubauen. Und dafür müssen wir dann doch anerkennen, was die Entwickler hier seit den ersten Testphasen geschafft haben. Die Quests sind nicht einfalls- oder abwechslungsreich, aber sie sind allesamt in einen erzählerischen Kontext eingebettet und zumindest die Hauptgeschichte kommt mit vertonten Auftraggebern daher. Wenn ihr in New World also mal zehn Wölfe erlegen sollt (der Klassiker schlechthin), dann nennt euch das Spiel stets einen guten Grund dafür, der mit der Situation in der Welt zusammenhängt.
Das Asset-Recycling
So sehr wir die Spielwelt mögen, eine Sache stört uns sehr: Wir sind in unseren Spielstunden in der Beta einfach viel zu häufig in gleich aussehende Bauernhäuser gerannt. Die Umgebung wirkt alles andere als generisch, weil die verschiedenen Gebiete abwechslungsreich sind und die Flora so glaubwürdig ist, dass wir fest davon ausgehen, dass hier vieles per Hand gebaut wurde. Aber Amazon Game Studios hat scheinbar Kosten einsparen wollen und deshalb viele Assets immer wieder und wieder verwendet.
Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, sondern Branchenstandard. So viele unterschiedliche Assets und Orte wie in einem Cyberpunk 2077 oder Red Dead Redemption 2 kann sich eben nicht jedes Studio leisten. Jedoch reden wir hier immerhin von Amazon, einem der größten Konzerne der Welt. Noch dazu ist die Spielwelt von New World zwar angesichts dessen, dass ihr nur zu Fuß unterwegs seid und auch die Schnellreise nur eingeschränkt nutzbar ist, groß genug, aber eben doch nicht so riesig, dass sich diese extreme Form von Asset-Recycling damit entschuldigen ließe. Doch selbst wenn es so wäre: Lieber eine kleinere und dafür vielfältigere Welt, als eine große, die an allen Ecken und Enden gleich aussieht. Letzteres ist wie gesagt hier nicht der Fall, aber die Entwickler haben eben doch einiges an Potenzial verschenkt.
Das Housing
Die gute Nachricht ist: Es gibt ein Housing-System in New World. Die schlechte: Ihr könnt leider keine eigenen Gebäude aus dem Boden stampfen. Dabei wäre das in einem Sandbox-MMO doch so viel besser, als nur vordefinierte Bauwerke in den Städten beziehen und lediglich deren Inneneinrichtung selbst zusammenstellen zu können. Gerade erst hat das aus China stammende Swords of Legends Online gezeigt, wie umfangreich und genial Housing in einem MMO sein kann.
Immerhin: In New World könnt ihr schon ab Level 15 ein Eigenheim beziehen, während ihr in SOLO erst das Endgame dafür erreichen müsst (was jedoch deutlich schneller geht als in New World). Und Amazon hat dem Ganzen einen netten Kniff verpasst: In den Städten kann es natürlich nicht für jeden Spieler ein separates Haus geben. Hier arbeitet der Titel mit Instanzen, sodass mehrere Leute im Prinzip im selben Haus leben. Doch welche Version sehen dann andere Spieler, wenn sie vorbeilaufen? Ganz einfach: Wer seine Bude am schönsten herrichtet, dessen Haus ist auch für die Allgemeinheit sichtbar. Wenn das mal ein Anreiz ist, euch beim Dekorieren Mühe zu geben. Gerade aber angesichts dieses Systems hätten wir es besser gefunden, ihr könntet leere Parzellen kaufen und euch dort selbst als Baumeister betätigen.
Einschätzung
Ihr merkt vielleicht schon anhand dessen, dass wir selbst den Dingen, die wir kritisch beäugen, Positives abgewinnen können, das uns New World richtig gut gefällt. Die Stärken überwiegen die Schwächen. Die Quests mögen langweilig designt sein, aber sie sind mit dem spaßigen Kampfsystem und dem stetigen Fortschritt verbunden. Gebt uns Erfahrungspunkte, Ressourcen und damit die Möglichkeit, unsere Werte zu erhöhen, neue Skills freizuschalten sowie bessere Ausrüstung herzustellen und wir sind zufrieden. Wir sind schnell in den "Noch eine Quest"-Modus verfallen, der um die eine oder andere Stunde Schlaf gebracht hat. Ob New World mit seinem PvP-System, mit dem wir uns noch gar nicht groß beschäftigt haben, genug bietet, damit es auch im Endgame langfristig motiviert und unterhält, wagen wir nicht zu sagen. Aber für uns steht bereits fest: Dieses Spiel wird kein zweites Crucible oder Breakaway. Wir können den offiziellen Start am 31. August kaum erwarten.