Tennisfreunde aufgepasst! Matchpoint: Tennis Championship könnte endlich wieder ein Spiel sein, das euch begeistert.
Matchpoint: Tennis Championships hat den Satzball
Ich gebe es offen zu: Ich interessiere mich für Tennis kein Stück. Vielleicht hat das mit meiner Erinnerung zu tun, wie meine Mutter früher immer zugeschaut hat, wenn Boris Becker oder Steffi Graf auf dem Court standen, wo ich doch viel lieber eine Disney-VHS-Kassette gucken wollte. Einen eigenen Fernseher für den kleinen Jens? Ne, den gab's nicht. Möglicherweise hat es aber auch einfach damit zu tun, dass ich noch nie exorbitant sportbegeistert war. Ich hatte meine Jahre, wo ich regelmäßig Fußball geschaut habe, aber die sind längst vorbei. "Ok, was will uns der Depp hier dann davon erzählen, wie er zu einer Tennissimulation steht? Wahrscheinlich kann der nicht mal einen Top Spin von einem Slice unterscheiden." Nun … Erstens: Ja, erst durch Matchpoint: Tennis Championships wurden mir wieder die unterschiedlichen Schlagarten ins Gedächtnis gerufen. Aber nur weil ich mich nicht für den realen Sport interessiere, heißt das noch lange nicht, dass ich Tennisspielen abgeneigt bin.
Tatsächlich gab es eine Phase, in der ich mir sehr gerne in Virtua Tennis flotte Ballwechsel geliefert habe. Nun bedient SEGA die Fans schon lange nicht mehr und auch die einst große "Top Spin"-Reihe ist in der Versenkung verschwunden. Es gab in jüngeren Jahren mehrere Versuche von Nacon, deren Erbe anzutreten, aber weder den "AO Tennis"- noch "Tennis World Tour"-Titeln ist das gelungen. Matchpoint: Tennis Championships von Kalypso hat das Zeug, Fans des Sports endlich wieder auch virtuell zu begeistern. Davon habe ich mich selbst anhand der Demoversion und einer Entwicklerpräsentation überzeugt.
Erst mal reinkommen
Der australische Entwickler Torus Games ist längst kein Newcomer. Das Studio gibt es schon seit 1994. Im Bereich der Sportsimulationen hat es aber in 28 Jahren Firmenbestehen noch nicht für Aufsehen gesorgt. Wer einen Blick auf seine Historie wirft, dem begegnen lauter Namen wie Spider-Man, Scooby-Doo, Ben 10 und sogar Barbie. Torus Games hat lange Zeit sein Geld primär mit Lizenzumsetzungen verdient. Immerhin hat man aber für den Game Boy und Game Boy Color einige NBA-Spiele produziert. Nun ist eine Tennissimulation für den PC und die heutigen Heimkonsolen jedoch eine ganz andere Hausnummer. Es macht allerdings den Eindruck, als wüsste Torus ganz genau, was es da tut.
Matchpoint: Tennis Championships spielt sich richtig klasse, auch wenn mich die KI in meinen Demo-Matches auf dem Schwierigkeitsgrad "Halbprofi" ganz schön nassgemacht hat. Man muss sich aber auch erst mal einarbeiten. Wir reden hier immerhin von einer Simulation und keinem simplen Arcade-Spiel. Es kommt sehr darauf an, die verschiedenen Schlagarten wie Slice, Top Spin und Lob, sinnvoll einzusetzen, um euren Gegner auszuspielen. Zudem gilt es, die Schläge stets mit der für die Situation passenden Kraft auszuführen und den Ball dabei nicht ins Aus zu befördern. Mit dem linken Analog-Stick (natürlich spielt man ein Tennisspiel mit einem Controller und nicht der Tastatur) bestimmt ihr, in welche Richtung das kleine runde Etwas fliegen soll.
Dabei empfiehlt es sich, die Zielhilfe zu aktivieren. Das ist keine Mechanik mit direkten Auswirkungen auf die Steuerung und das Gameplay, sondern einfach nur ein kleiner, recht unscheinbarer Punkt auf der gegnerischen Seite des Courts. So seht ihr genau, wo der Ball aufkommen wird. Mir hat das sehr geholfen, nachdem ich am Anfang bei jedem zweiten Schlag ein Aus kassiert habe. Wenn ihr dann irgendwann das Gefühl habt, zu wissen, wie ihr den Analog-Stick bewegen müsst, um den Ball dorthin zu befördern, wo ihr ihn haben wollt, könnt ihr die Hilfestellung ja wieder ausschalten.
Spielerisch top, aber die Präsentation ...
Die KI-Gegner hinterlassen auf "Halbprofi" eine ordentliche Figur. Nachdem ich irgendwann zumindest wusste, wie ich den Ball übers Netz schlage, ohne dass er ins Aus geht, entwickelten sich so einige spannende Ballwechsel. Und wenn ich es mal geschafft habe, mein Gegenüber wirklich auszutricksen, hat sich das richtig gut angefühlt. Manchmal hat die KI zwar Fehler begangen, die ich klar darauf zurückführe, dass sie eben durch den Schwierigkeitsgrad (in der Demo gibt es mit "Profi" noch eine höhere Stufe) etwas gebremst wird, aber zumindest meine späteren Partien sind recht ausgeglichen gewesen. Die flüssige Steuerung hat ihr Übrigens getan, dass ich richtig viel Spaß mit der Demo gehabt habe.
Lediglich in Sachen Präsentation bin ich nicht überzeugt. Das liegt nicht an der Grafik, die eine gute Figur macht. Gerade die Animationen der virtuellen Tennisasse sind dank Motion Capture hervorragend. Die Inszenierung lässt jedoch zu wünschen übrig. Es gibt zwar einen Kommentator, aber dessen Sprüche wiederholen sich arg schnell und seine Leistung bewegt sich bloß im Mittelfeld. Zudem gibt es keine schicken Introsequenzen wie in einem FIFA. Man bekommt einen Blick auf den Platz sowie eine "Vorstellung" der beiden Kontrahenten mit Einblendung ihrer Fertigkeiten und das war's. Hier besteht auch keinerlei Varianz. Jedes Match fängt auf exakt die gleiche Weise an. Die Illusion, eine TV-Übertragung zu schauen, verfliegt da ganz schnell.
Eine große Karriere liegt vor euch
In der Demo (die ihr euch auf Steam herunterladen könnt) stecken nur das Tutorial und der Modus "Schnelles Match", in dem ihr aus sechs lizenzierten Spielern wählt, darunter der australische Star Nick Kyrgios und der Japaner Kei Nishikori. In der Vollversion werden 16 echte Tennisprofis spielbar sein und kauft ihr euch die teurere Legends Edition, gibt es Tim Henman und Tommy Haas als namensgebende Legenden noch dazu.
In Sachen Modi erwartet euch neben dem Online-Multiplayer mit Ranglistenpartien, ungewerteten Matches und direkten Duellen mit Freunden, auch eine umfangreiche Karriere. Hierfür erstellt ihr euren eigenen Charakter und wählt dabei aus diversen Kleidungsstücken. Anschließend beginnt eure lange Reise an die Spitze der Weltrangliste. Der Turnierkalender umfasst zig Wettbewerbe, doch zu Beginn könnt ihr gar nicht an jedem davon teilnehmen, weil euch die nötigen Ranglistenpunkte fehlen. Das könnt ihr allerdings nutzen, um stattdessen zu trainieren und so eure Werte zu verbessern. Dabei wählt ihr aus verschiedenen Coaches, was aber kein komplexes Feature ist, sondern euch nur Boni für bestimmte Fähigkeiten verleiht, damit ihr die effektiver steigern könnt.
Je nachdem, mit welchen Match-Einstellungen ihr spielt und an wie vielen Turnieren ihr teilnehmt, kann so ein Karrierejahr in Matchpoint: Tennis Championships laut Torus-Games-Gründer und -Chef Bill McIntosh über 30 Stunden dauern – und ihr könnt so viele Jahre lang spielen, wie ihr wollt. Eure virtuelle Tenniskarriere kann also quasi endlos fortlaufen, altern wird in Matchpoint: Tennis Championships niemand. Was ich von dem Einzelspielermodus gesehen habe, ist zwar alles wie die Matches selbst sehr nüchtern präsentiert gewesen, aber solange das Gameplay auch nach etlichen Stunden noch Spaß macht und der Kampf um Ranglistenplatzierungen langfristig motiviert, könnte das Ganze ein richtiger Zeitfresser sein.
Einschätzung
Es fiel mir gar nicht leicht, mich von der Demo loszueisen, damit ich diesen Artikel schreiben kann. Meine Probepartien in Matchpoint: Tennis Championships haben mir nach einer kurzen Einarbeitungszeit richtig viel Spaß gemacht. Ja, die Präsentation ist nicht auf sonderlich hohem Niveau, aber das ist vermutlich einem relativ kleinen Budget geschuldet. Kalypso ist eben kein Electronic Arts und Torus Games kein Riesenstudio. Und am Ende zählt vor allem das Gameplay und das weiß zu überzeugen. Wenn die Karriere langfristig motiviert und der Online-Multiplayer mitsamt Cross-Play gut funktioniert, hat Matchpoint gute Chancen, ein Hit für Tennisfans zu werden, die die Jahre des Darbens leid sind und endlich wieder eine gute Simulation ihres Lieblingssports haben möchten. Lange müssen die auch nicht mehr warten: Der Titel erscheint bereits am 7. Juli für PC, PS5, PS4, Xbox Series X/S sowie Xbox One und landet sogar direkt im Game Pass.