Spiele, die gut sind, aber einen schlechten Ruf haben: Wir haben uns angeschaut, wie es in den Einzelfällen dazu kam.
Gute Spiele, schlechter Ruf
Es gibt gute Spiele, bei denen sich alle Welt einig ist: Die sind große Klasse! Dann gibt es Spiele, die jeder schlecht findet und Titel, über die sich die Geister scheiden. Klar, wie gut man selbst ein Videospiel findet, hängt immer vom persönlichen Geschmack ab. Für jeden von uns gibt es Titel, die die ganze Welt abfeiert, deren guten Ruf wir nicht nachvollziehen können. Aber gibt es auch die Exemplare, die gut sind und trotzdem bei einem Großteil der Zocker einen schlechten Stand haben? Oh ja, in der Tat!
Schlechter Ruf als Schicksal?
Nicht jedem guten Spiel ist auch ein tadelloser Ruf vergönnt. Am interessantesten ist es, sich die Frage zu stellen, warum etwaigen Titeln so viel negative Stimmung entgegengebracht wird, als würden sie überhaupt keinen Spaß machen, als wäre alles an ihnen schlecht. Die Gründe dafür sind von Fall zu Fall unterschiedlich, eine pauschale Antwort auf jene Frage gibt es nicht. Nehmen wir mal eines der Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: Destiny 2. Der Ego-Shooter von Bungie startete vor circa einem Jahr mit vielen Vorschusslorbeeren. Nachdem die Entwickler beim ersten Teil zahlreiche Fehler begangen hatten und damit schon ihrem Ansehen stark schadeten (auch wenn sie die mit dem Add-on „König der Besessenen“ zu einem großen Teil ausbügeln konnten), sollte die Fortsetzung alles besser machen: mehr Story, bessere Missionen, lebendigere Schauplätze, interessantere Nebenaktivitäten. Die Vorzeichen standen gut.
Und doch sollte die Geschichte (zumindest vorerst) sehr schlecht für Bungie enden – nicht finanziell, denn Destiny 2 verkaufte sich gut. Aber nachdem die Spieler die Kampagne beendet und den Raid gemeistert hatten, fiel ihnen auf: „Hm, irgendwie fehlt da was.“ Bungie hatte den gleichen Fehler gemacht, der dem Studio auch schon bei Destiny 1 unterlaufen war: Es gab zu wenig spannenden Endgame-Inhalt. Es dauerte nicht lange, da kehrten viele Spieler Destiny 2 den Rücken zu. Updates, die neue Features einführten, konnten das nicht verhindern. Und auch die ersten beiden DLCs änderten nichts daran, dass die Spieler mit der Gesamtsituation sehr unzufrieden waren. Gerade „Fluch des Osiris“ bot für das, was es kostete, viel zu wenig Inhalt.
Wenn die Qualität stimmt, aber die Quantität zu wünschen lässt
In der ersten Hälfte dieses Jahres las man im Internet nur noch wenig Gutes über Destiny 2. Und dabei war es in seiner Urversion beileibe kein schlechtes Spiel. Wir hatten sogar immens viel Spaß damit. Die Kampagne gefiel uns so viel besser als die des Vorgängers. Bungie hatte es endlich geschafft, eine stringente Handlung zu erzählen. Die war zwar nicht sonderlich spannend oder einfallsreich, aber wir konnten ihr ohne Probleme folgen, was in Teil 1 nicht möglich war. Außerdem gab es reichlich spielerische Abwechslung, ein paar schön inszenierte Momente und darüber hinaus das richtig gute Kern-Gameplay. Bungie hat einfach den Dreh raus, wenn es ums Gunplay geht. Das Trefferfeedback, die Steuerung, die unterschiedlichen Gegnertypen – all das war vor einem Jahr in Destiny 2 genauso fantastisch, wie es heute nach dem großen Add-on „Forsaken“ der Fall ist.
Der schlechte Ruf, den sich Bungie mit dem Spiel eingebrockt hat, war am Ende hauptsächlich durch das dünne Endgame begründet. Wenn ein Entwickler ein Service-Spiel verspricht, dass den Spieler lange an den Bildschirm fesseln soll, der nach rund 40 Stunden aber nichts mehr zu tun hat, obwohl ihm so viel mehr versprochen wurde, ist das nicht gut. Hätten die Verantwortlichen von vornherein gesagt: „Destiny 2 ist ein Ego-Shooter mit leichten RPG-Elementen und Koop-Funktion, der eine Spielzeit von circa 40 Stunden hat“, dann hätte niemand einen Grund zum Meckern gehabt. Aber nein, Destiny 2 sollte ja so ein Spiel wie der Vorgänger sein. Ein Spiel, das ganz allein quasi zum Hobby werden kann, sodass manche Spieler für Monate eben nichts anderes mehr zocken. Vielleicht ist es das nun mit „Forsaken“ geworden. Die Erweiterung könnte der Rettungsanker für Destiny 2 gewesen sein. Doch vor deren Release war der Titel nicht das, was sich die Fans erhofft hatten. Ja, Bungie hat diesen schlechten Ruf verdient. Aber Destiny 2 war trotzdem alles andere als ein mieses Spiel.
Innovation versus Geldgier
Das trifft auch auf andere Werke zu, jedoch aus völlig anderen Gründen. Denken wir nur an Evolve. Der Multiplayer-Titel wurde Anfang 2015 veröffentlicht. Die Erwartungen waren groß, handelte es sich doch um das neue Projekt von Turtle Rock Studios, den Schöpfern des Koop-Klassikers Left 4 Dead. Evolve ging in eine andere Richtung: Asymmetrisches Gameplay war das große Stichwort. Vier Spieler schlüpften in die Haut von menschlichen Jägern, jeder mit unterschiedlicher Bewaffnung und eigenen Fähigkeiten. Die mussten geschickt miteinander kombiniert werden, um ein Monster zu erjagen. Das wiederum wurde von einem fünften Spieler gesteuert.
Das Konzept klang nicht nur im Vorfeld interessant, es entpuppte sich auch im fertigen Spiel als äußerst spaßig. Doch Evolve wurde trotz der großen Vorfreude bei vielen Spielern kein Hit. Das lag im Wesentlichen an zwei Dingen: Einerseits war Evolve eines der ersten Vollpreisspiele, das mit einem In-Game-Shop und Mikrotransaktionen gestartet war. Direkt zum Start gab es somit über 40 DLCs mit kosmetischen Items, die pro Stück einige Euros kosteten. Die Community war regelrecht erzürnt darüber, schließlich bezahlte man ja schon 50 Euro auf dem PC und 60 auf den Konsolen, um Evolve überhaupt spielen zu können. Und dann trauten sich Turtle Rock und Publisher 2K Games auch noch, einen Shop einzubauen, wie man ihn damals sonst nur von Free-to-Play-Titel kannte? Dafür hatten die Spieler keinerlei Verständnis (hätten sie mal gewusst, wie die Branche drei Jahre später aussehen sollte).
Hinzu kam, dass es der Grundversion an Inhalt mangelte. Es gab zu wenig Monster, die Karten sahen sich alle zu ähnlich. Obendrauf kamen noch lange Wartezeiten zwischen den Partien, das Matchmaking-System war wirklich nicht das beste. All das sind valide Kritikpunkte gewesen, doch im Kern war Evolve immer noch ein gutes Spiel. Turtle Rock wollte damit mal was Neues versuchen und die Rechnung hätte auch aufgehen können. Doch das Geschäftsmodell war vielen Leuten solch ein Dorn im Auge, dass sie das Spiel nicht kauften. So entwickelte sich Evolve zum Flop und auch die Umstellung auf ein Free-to-Play-Modell im Jahr 2016 konnte nicht langfristig helfen. Die kostenlose Variante namens Evolve Stage 2 wurde sogar vergangenen Monat eingestellt, die dedizierten Server abgeschaltet. Wer Evolve damals gekauft hat, kann nur noch per Peer-to-Peer mit seinen Freunden zocken.
Ein großes Missverständnis
Es ist schade, dass sich Evolve nicht durchsetzen konnte. Das Spiel hatte immenses Potenzial und uns damals viel Freude bereitet, aber eben nicht über einen längeren Zeitraum hinweg. Bei Battleborn war das anders. Damit haben wir deutlich mehr Zeit verbracht, weil es auch deutlich mehr Inhalt zu bieten hatte. Und doch ist das Online-Spiel von Gearbox gar noch schneller gestorben als Evolve.
Wenn man den Durchschnittsspieler fragen würde, was Battleborn war, wird er entweder antworten: „Keine Ahnung, kenne ich nicht“, oder er wird sagen: „Na, das war doch dieser Overwatch-Klon.“ Ja, genau das war das große Problem von Battleborn. Es kam kurz vor dem Release des erfolgreichen Ego-Shooters aus dem Hause Blizzard auf den Markt, hatte einen ähnlichen Grafikstil und wirkte in kurzen Gameplay-Videos wie ein Abklatsch. Man könnte auch sagen: Der Flop war vorprogrammiert. Denn alle Welt wartete auf Overwatch und hatte weder die Zeit noch das Geld übrig, ein sehr ähnliches Spiel zu zocken. „Warum soll ich Battleborn kaufen, wenn wenige Wochen danach der neue Blizzard-Hit erscheint?“, dachten sich wohl viele Leute.
Wenn Marketing fehlschlägt …
Wir können ihnen das nicht verübeln, denn Gearbox hatte es nicht geschafft, dem normalen Spieler, der sich nicht jeden Tag auf News-Seiten herumtreibt und sämtliche Previews zu neuen Spielen liest, klarzumachen, was Battleborn eigentlich war. Es war kein Overwatch-Klon. Blizzard brachte damals einen Multiplayer-Shooter auf den Markt, der zwar MOBA-artige Charaktere mit eigenen Fähigkeiten umfasst, die unterschiedlichen Rollen wie Tank und Supporter zugeordnet sind, letztendlich ist Overwatch aber spielerisch viel näher an einem Team Fortress 2 dran als an einem League of Legends.
Battleborn hingegen war wirklich ein MOBA, nur eben mit Ego-Perspektive und aktivem statt passivem Kampfsystem. Die Charaktere levelten innerhalb einer Partie, erlernten neue Fähigkeiten und verbesserten die bestehenden. Außerdem gab es KI-gesteuerte Minions, die sich auf festen Pfaden über die Karten bewegten. Battleborn war weitaus komplexer als Overwatch. Es war weniger zugänglich, hatte dafür aber mehr Spieltiefe zu bieten. Den vielen Qualitäten standen jedoch ein paar größere Kritikpunkte gegenüber, allen voran das Balancing und das Matchmaking. Manche Helden waren einfach viel zu stark und bei der Zusammenstellung der Teams kam es oftmals zu stark unausgeglichenen Teams in Bezug auf die Spielerränge. In Battleborn gab es ein übergreifendes Levelsystem mit freischaltbaren Perks für die Charaktere. Und wenn man als Neueinsteiger gegen einen Spieler auf Level 50 antreten durfte, wusste man schon im Vorfeld, dass man kaum eine Chance haben würde.
Trotz dieser Probleme hat Battleborn viel Spaß gemacht. Doch weil so viele darin nur einen Overwatch-Klon sahen, kauften zu wenige den Titel. Nach wenigen Wochen waren die Server so gut wie leer. 2017 versuchte Gerbox noch, das Ganze mit der Free-to-Play-Umstellung zu retten, doch da war es längst zu spät. Seit einem Jahr wird Battleborn nicht mehr weiterentwickelt. Die Server laufen zwar noch, doch im Durchschnitt spielen nur noch knapp über 20 Leute am Tag. Schade, eine bessere Vermarktung und ein anderer Release-Termin hätten dieses Desaster vielleicht verhindern können. Dann würden ihn heute nicht so viele Leute gar nicht kennen oder nur als schlechte Overwatch-Kopie bezeichnen.
Die Macht ist nicht Battlefront
Hätte Star Wars: Battlefront 2 nicht so einen schlechten Ruf, wenn DICE und EA einfach von vornherein auf die Lootboxen verzichtet hätten? Mit Sicherheit! Bei Evolve haben wir ja schon gemerkt, wie sehr die Geldgier eines Publishers dem Ansehen eines Spiels schaden kann. Im Fall des jüngsten „Star Wars“-Titels von Electronic Arts war das aber noch wesentlich stärker ausgeprägt. Nicht umsonst hat der Shitstorm rund um dieses Thema dazu geführt, dass nun diverse Länder gegen den Gebrauch von Lootboxen in Spielen vorgehen. Zwar haben die Verantwortlichen rechtzeitig zum Release auf die herbe Kritik reagiert und die Bezahloption im fertigen Spiel gar nicht erst angeboten. Somit konntet ihr euch die virtuellen Kisten nur erspielen. Doch allein deren Existenz war weiterhin ein Problem.
Die Kisten sorgten für eine wenig motivierende Progression in Star Wars: Battlefront 2. Es wurden Rechnungen aufgestellt, wie viele Stunden man hätte spielen müssen, um einen so ikonischen Helden wie Darth Vader freizuschalten (Antwort: zu viele). Erst im Frühjahr 2018 stellte DICE per Update das System um. Seitdem bekommt ihr Lootboxen nur noch dann, wenn ihr bestimmte Missionen erfüllt und sie enthalten lediglich kosmetische Dinge. Alles, was Gameplay-relevant ist, schaltet ihr über Stufenaufstiege frei.
Star Wars: Battlefront 2 war zum Release kein durchweg schlechter Multiplayer-Shooter, aber das Progressionssystem war ein so großes Problem, dass es nicht angemessen gewesen wäre, es irgendjemandem zu empfehlen. Seit März dieses Jahres sieht das anders aus, der Ruf des Spiels ist aber ruiniert. Sicherlich gibt es genug Leute, die mit der aktuellen Version von Star Wars: Battlefront 2 ihren Spaß haben. Würde niemand den Shooter zocken, würde DICE auch keine neuen Inhalte mehr dafür veröffentlichen. Die allgemeine Stimmung im Netz ist aber nicht gerade positiv, den meisten ist der Titel wohl mittlerweile gleichgültig geworden. Und das ist nicht das, was wir nach der Ankündigung im Frühjahr 2017 erwartet hätten. Denn damals wirkte Battlefront 2 wie genau das Spiel, das der erste Teil hätte werden sollen. Tja, aber EA musste ja die Lootboxen im Spiel haben.
Ein schlechter Ruf macht noch kein schlechtes Spiel
Wenn wir uns all die genannten Beispiele anschauen, wird eine Sache deutlich: So unterschiedlich auch die Gründe sind, am Ende sind Entwickler beziehungsweise Publisher immer selbst schuld, wenn ihre Spiele trotz vieler Qualitäten nicht gut ankommen. Die gute Grafik, die tolle „Star Wars“-Atmosphäre und die abwechslungsreichen Maps und Modi waren den Spielern bei Battlefront 2 egal, sie regten sich nur über die Lootboxen auf. Das spaßige Gameplay von Battleborn hat kaum jemand mitbekommen, weil es Gearbox nicht geschafft hat, in der Werbung deutlich zu machen, dass der Titel nur oberflächlich etwas mit Overwatch gemeinsam hat.
Haben die Spiele ihren schlechten Ruf verdient? Nun ja, das ist Ansichtssache, aber die Hersteller dürfen sich in keinem Fall darüber beschweren. Es ist einfach schade, dass einzelne Aspekte dafür sorgen, dass an sich gute Spiele von der breiten Masse an den Pranger gestellt werden und somit die Arbeit derjenigen, die die guten Elemente der Titel zu verantworten haben, nicht beziehungsweise kaum Wert geschätzt wird. Für Entwickler und Publisher ist es wichtig, aus diesen Geschichten zu lernen. Wenn sie das befolgen, dann können nachfolgende Titel den Ruhm ernten, der bei vorherigen Werken bereits möglich gewesen wäre.