Dorfromantik kam im März aus dem Nichts und hat nun schon zwei Preise erhalten – vollkommen zurecht, wie wir finden.
Dorfromantik angespielt: Ein Spiel zum Verlieben
Dreifach ist Dorfromantik für den Deutschen Computerspielpreis 2021 nominiert gewesen. Zwei Auszeichnungen hat sein Entwickler Toukana Interactive abgeräumt. Das Indie-Team aus Berlin, bestehend aus vier Game-Design-Studenten, hat die Preise für das beste Debüt und Game Design erhalten – und das direkt für ihr erstes Spiel, das noch im Early Access und gerade Mal seit Ende März auf Steam erhältlich ist. Einen besseren Start kann man sich doch kaum vorstellen, oder? Die Auszeichnungen und das viele Lob der Spieler (die über 3000 Steam-Nutzer-Reviews sind zu 97 Prozent positiv) sind aber auch vollkommen verdient, wir wir beim Anzocken von Dorfromantik selbst festgestellt haben.
Ein großes Landschaftspuzzle
Auf den ersten Blick könnte man meinen, Dorfromantik sei ein Aufbauspiel. Aber das stimmt nicht so ganz. Vielmehr handelt es sich um ein waschechtes Puzzlespiel, das sogar gar nicht mal so wenig Anleihen von Tetris hat. Ihr erschafft eine Landschaft aus Dörfern, Feldern, Wäldern und Gewässern. Ihr baut aber nicht frei Schnauze, sondern euch steht ein Stapel sechseckiger Kärtchen zur Verfügung. Genau wie bei Tetris ist die Reihenfolge, in der ihr sie auf dem Spielfeld platziert, fest vorgegeben und ihr seht, welche zwei Karten auf eure jeweils aktuelle folgen.
Letzteres ist genauso wichtig, wie in Tetris zu wissen, welche Blöcke ihr als nächstes verbauen müsst, damit ihr vorausplanen könnt. Denn eure Aufgabe ist es, die Kärtchen nicht einfach wahllos irgendwo zu platzieren. Es gilt, Gruppen aus Häusern, Feldern und Co zu bilden. Dazu müsst ihr jeweils zwei Kanten (oder besser noch mehr) des gleichen Typs aneinanderlegen. Das bringt euch mehr Punkte ein, als etwa eine Reihe Häuser, die an ein Waldstück angrenzt.
Knifflig wird Dorfromantik dadurch, dass manche Karten Quests starten. Da gilt es dann zum Beispiel, ein Dorf zu errichten, das eine bestimmte Größe hat. Platziert ihr die Karten so ungünstig, dass es nicht mehr möglich ist, die Siedlung zu erweitern, bevor ihr das Ziel erreicht habt, schlägt die Aufgabe fehl. Und das kann sich später rächen, denn euer Kartenvorrat ist in jeder Runde Dorfromantik limitiert. Neue Karten bekommt ihr aber, indem ihr eben jene Quests erfüllt. Eine weitere "Gemeinheit" des Spiels sind Flüsse und Eisenbahngleise. Deren Enden können nicht in andere Landschaftstypen übergehen. Wer nicht vorausschauend agiert, schafft sich unschöne Lücken in seiner Dorfwelt.
Gute Idee perfekt umgesetzt
Jetzt wisst ihr grob, wie Dorfromantik funktioniert. Es ist eigentlich ein ziemlich simples Spiel, das ihr komplett nur mit der Maus spielen könnt und auch auf Smartphones und Tablets wunderbar funktionieren würde. Aber es entfaltet schnell eine Art Sogwirkung – und ist schlicht clever designt. Einerseits möchtet ihr viele Punkte sammeln, um einen hohen Highscore zu erzielen und so eine gute Platzierung in der Online-Rangliste zu erklimmen (die leider noch nicht in Gänze im Spiel einsehbar ist). Andererseits ist aber auch der Wille da, eine Landschaft zu kreieren, die wirklich schön aussieht. Und so erwischt man sich dabei, dass man nach jeder beendeten Partie gleich die nächste starten möchte, um es dann besser zu machen als zuvor.
Zudem bietet Dorfromantik noch ein motivierendes Progressionssystem. In dem ihr Ziele erfüllt, zum Beispiel eine bestimmte Gesamtmenge an Kärtchen platziert oder mal eine Zugstrecke mit mindesten 25 Schienenstücken errichtet, schaltet ihr neue Kartentypen frei. Das trägt nochmal zusätzlich zum Suchtfaktor des Spiels bei.
Einfach schön
Obendrein präsentiert sich Dorfromantik einfach richtig nett. Die Grafik ist aus technischer Sicht sicherlich unspektakulär, aber der farbenfrohe Stil der kleinen Häuschen, der Wälder und Seen, die ihr bildet, ist enorm schön. Schon nach wenigen platzierten Karten habt ihr eine richtig idyllische Landschaft auf eurem Bildschirm. Das Ganze wird von ruhiger, fast schon minimalistischer Musik perfekt untermalt, die klarmacht: "Das hier ist ein Spiel zum Entspannen."
Klar, ihr müsst schon euer Köpfchen anstrengen, wenn ihr gute Ergebnisse einfahren wollt. Aber da es keinerlei Zeitdruck gibt, könnt ihr ganz in Ruhe vor euch hin knobeln und dabei die schöne Atmosphäre genießen. Vor allem für Leute, die wie wir in der Großstadt wohnen und jeden Tag den Straßenlärm, Sirenen und Co hören, ist es schön, einfach mal die Kopfhörer aufzusetzen und den harmonischen Klavierklängen und dem Gezwitscher der Vögel zu lauschen. Dorfromantik ist Urlaub für die Sinne – sorry, den Spruch konnten wir uns nicht verkneifen, so abgenutzt er auch sein mag.
Ein vorbildliches Early-Access-Spiel
Dass Dorfromantik ein Early-Access-Titel ist, merkt man eigentlich nur daran, dass im Menü bereits ein Kreativmodus angeteast wird, der "bald verfügbar" sein soll. Technisch läuft es absolut rund und das, was der "Klassische Modus" bietet, hätte Toukana Interactive auch so als fertiges Spiel veröffentlichen können und niemand hätte sich darüber beschwert. Aber die Berliner haben eben noch einiges vor. Gleich mehrere weitere Modi sind geplant. Neben dem Kreativmodus könnte es etwa eine Variante mit strengeren Regeln geben, die für kürzere Runden gedacht ist. Außerdem sollen noch neue Biome für mehr optische Abwechslung und weitere Objekte hinzukommen.
Einschätzung
Dorfromantik zeigt mal wieder, dass es keine große Komplexität erfordert, um ein geniales Spielprinzip zu erschaffen. Die Einstiegshürde ist ungemein gering, aber die Langzeitmotivation ist dank Highscore-Jagd und diversen Karten zum Freischalten schon jetzt sehr hoch. Zudem eignet sich das Spiel auch gut für zwischendurch, da eure jeweils aktuelle Partie immer gespeichert wird, wenn ihr das Spiel beendet, und ihr sie beim nächsten Mal einfach wieder fortsetzen könnt. Zusätzlich ist es einfach ein schönes Spiel und das beziehen wir eben nicht nur auf die Optik. Ach ja, haben wir schon erwähnt, dass Dorfromantik gerade mal knapp neun Euro kostet? Ganz ehrlich: Auch im Early Access erhält da Ding von uns eine dicke Empfehlung. Die Jury des DCP hat hier auf jeden Fall nicht dem falschen Spiel Preise gegeben – und das, obwohl es noch nicht fertig ist.