Wir hatten in der Beta von Back 4 Blood jede Menge Spaß und trotzdem können wir nicht so richtig euphorisch sein.
Back 4 Blood angespielt: Gutes Spiel mit schlechten Aussichten
Als Turtle Rock Studios vor zwei Jahren ankündigte, einen neuen Koop-Zombie-Shooter zu entwickeln, war die Vorfreude riesig. Mit den beiden „Left 4 Dead“-Spielen lieferte das Entwicklerteam aus Kalifornien Ende der 2000er unter dem Banner von Valve wahrlich Großartiges ab. Ein Left 4 Dead 3 haben wir leider nie bekommen, weil Turtle Rock und Valve ab 2010 getrennte Wege gingen. Und anstatt einfach unter neuem Namen erneut der virtuellen Zombieapokalypse zu fröhnen, entwickelte das Studio Evolve. Dessen Geschichte ging, nun ja, weniger gut aus. 2019 dann die frohe Botschaft von Turtle Rock: „Wir machen Back 4 Blood.“ „Oh yeah!“, dachten wir uns. Und genau das würden wir auch gerne denken, nachdem wir nun die Beta gespielt haben. Es gibt da nur ein Problem und das erinnert wiederum stark an Evolve – kein gutes Zeichen.
Es heißt nicht Left 4 Dead 3, aber für uns ist es genau das
Doch bevor wir in die Glaskugel schauen und unsere Bedenken mit euch teilen, befassen wir uns erst mal mit dem Spiel an sich und damit, was wir in der Beta erlebt haben. Das hat uns zum Großteil nämlich sehr gefallen. Die Kerndisziplin, also der Koop-Modus für bis zu vier Spieler, in dem ihr euch durch lineare Levels ballert, ist fantastisch. Hier bietet Back 4 Blood genau dieses „Left 4 Dead“-Feeling, das wir uns gewünscht haben. Ok, die Charaktere rufen nicht mehr „Boomer!“ oder „Witch!“, weil die alten Spezialzombies logischerweise nicht mehr mit von der Partie sind (natürlich gibt es trotzdem wieder einen Gegnertyp, der euch ankotzt), aber davon abgesehen wirkt Back 4 Blood wie das Left 4 Dead 3, das wir nie bekommen haben.
Die Kampagne ist in mehrere Akte unterteilt, die wiederum aus mehreren aufeinanderfolgenden Missionen bestehen. In der Beta ist der erste Akt mit zwei Kapiteln à vier Levels enthalten – und die machen verdammt viel Spaß. Das liegt einerseits am guten Gunplay. Die diversen Schrotflinten, Sturm- und Scharfschützengewehre sowie Pistolen fühlen sich wuchtig an und die Steuerung ist sehr direkt. Es macht einfach einen Heidenspaß, einem Infizierten nach dem anderen eine Kugel in den Kopf zu jagen.
Das heißt aber nicht, dass das Shooter-Gameplay perfekt wäre. So kraftvoll wie in einem der jüngsten beiden Call of Dutys sind die Schießprügel nicht und das Trefferfeedback fällt etwas enttäuschend aus, weil zwar ordentlich Blut spritzt, die Zombies aber selten Körperteile verlieren. Zumindest wäre es uns nicht aufgefallen, sollte das häufiger geschehen. Gut, in den deutschen Versionen von Left 4 Dead 1 und 2 gab es gar keinen Splatter, weshalb Back 4 Blood diesbezüglich für uns ein Upgrade darstellt. Aber der deutsche Jugendschutz vergangener Tage kann ja keine Entschuldigung dafür sein, dass die Monster in einem über zehn Jahre später erscheinenden Spiel nicht jedes Mal komplett zerfetzt werden, wenn wir mit schwerem Geschütz auf sie feuern.
Tolle Umgebungen
Dafür ist das Leveldesign in Back 4 Blood ausgezeichnet. Einerseits sind die Umgebungen sehr abwechslungsreich. In einem Level bewegt ihr euch noch auf Häuserdächern, im nächsten seid ihr in einem düsteren Wald, dann folgt eine Industrieanlage und schlussendlich landet ihr auf einem Fährschiff. Andererseits wissen die Levels aufgrund ihres teilweise recht vertikalen Aufbaus zu gefallen. Der ermöglicht unterschiedliche Laufwege für die einzelnen Spieler, aber natürlich auch für die Zombies. Obendrein seid ihr motiviert, die Gegend genau zu erkunden, weil überall Munition, Hilfs-Items oder Kupfer, von dem ihr euch in jedem Schutzraum neue Ausrüstung und Vorteile fürs gesamte Team kauft, herumliegen können.
Das Highlight sind besondere Missionsziele. Klar, oftmals sollt ihr einfach nur heil von A nach B kommen, aber am Ende des ersten Kapitels zum Beispiel müsst ihr das bereits erwähnte Schiff in die Luft jagen, nachdem ihr euch bereits dort durchgekämpft habt. Dafür müsst ihr zwei Sprengladungen im Innern des Kahns anbringen und anschließend von dort entkommen, ehe die Bomben hochgehen. Weil euch Back 4 Blood gerade dann so richtig viele Zombies auf den Hals hetzt, kommt enorm hohe Spannung auf. Zudem erfordert die Situation, dass ihr euch mit euren Mitspielern absprecht. Wer nimmt die Sprengsätze, wer gibt von außerhalb des Schiffs Unterstützungsfeuer? Das sollte geklärt werden – zumindest auf den höheren Schwierigkeitsgraden.
Es fehlt noch der Feinschliff
Momentan hat Back 4 Blood noch ein Balancing-Problem. Auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad ist das Spiel eigentlich zu einfach. Munitionsknappheit ist dann überhaupt kein Thema und die Zombies machen auch gar nicht mal so viel Schaden. Auf der mittleren der insgesamt drei Stufen wiederum wird das Spiel schon richtig anspruchsvoll, sodass ihr es eigentlich vergessen könnt, es mit fremden Mitspielern zu zocken. Hier ist ein Team aus Freunden, die per Sprach-Chat miteinander kommunizieren, Pflicht. Doch nicht immer hat man drei Kumpels für eine Partie parat. Dann ist man auf das Matchmaking angewiesen. Turtle Rock sollte hier unbedingt nochmal Hand anlegen, damit die Spieler Back 4 Blood nicht verfrüht deinstallieren, weil es ihnen entweder zu leicht oder zu schwierig ist.
Ein Feature, von dem wir ebenfalls noch nicht zu 100 Prozent überzeugt sind, ist das Kartensystem. Vor einer Partie stellt ihr euch ein Deck aus diversen Karten mit passiven Boni zusammen. Am Anfang habt ihr noch recht wenige Exemplare zur Verfügung, weitere schaltet ihr im Spielverlauf frei. Die Karten sorgen etwa dafür, dass ihr mehr Munition tragen könnt oder Nahkampf-Kills Lebensenergie wiederherstellen. Prinzipiell ist das eine nette Idee, aber es wirkt auf uns mehr wie ein Gimmick, das vor allem dazu da ist, damit ihr ständig etwas zum Freischalten habt, als wie ein elementares Gameplay-Element, dass diese Art Spiel unbedingt gebraucht hat. Gleiches gilt für das Camp, das als Hub-Bereich dient. Abgesehen davon, dass es einen Schießstand bietet, ist es nicht mehr als eine immersivere Alternative zum Menü. Wer keine Lust hat, sich innerhalb des Lagers zu bewegen, kann auch einfach „Tab“ gedrückt halten und dann im Menü in Sekundenschnelle auswählen, was man als nächstes spielen möchte.
Das PvP haben wir uns anders vorgestellt
Das führt uns zu einem großen Streitpunkt: dem „Versus“-Modus. So sehr bei Left 4 Dead immer der Koop im Mittelpunkt stand, so spaßig waren auch die PvP-Gefechte, in denen das eine Team die Überlebenden und das andere die Zombies gespielt hat. In Back 4 Blood gibt es das auch, aber es ist anders. Statt dass die Menschen hier wie in der Kampagne von A nach B gelangen müssen, spielen sich die „Versus“-Gefechte in kleinen Arealen ab, wo es gilt, mehrere Gegnerwellen zu überstehen. Das gegnerische Team spielt die Spezialzombies und muss sich selbst seine Spawn-Punkte suchen (die müssen außerhalb der Sichtlinien der anderen Spieler sein). Während die einen solange wie möglich zu überleben versuchen, müssen die anderen ihre Gegner so schnell wie möglich eliminieren. Danach werden die Seiten gewechselt. Das Team, dem es gelingt, als Menschen länger zu überleben als das andere, gewinnt die Runde. Dann geht es auf einer anderen Map weiter und wer in zwei von maximal drei Runden triumphiert, holt den Gesamtsieg.
Unser Eindruck zum „Versus“-Modus ist sehr ähnlich zu dem, was wir über das Kartensystem denken. Grundsätzlich ist ein PvP-“Horde“-Modus eine coole Idee. Wir glauben jedoch, dass sich das Ganze in dieser Form schnell abnutzt, weil ihm die Dynamik und Abwechslung fehlt. Somit ist es nicht mehr als ein netter Bonus zur Kampagne, der aber keinen wesentlichen Anteil am Langzeitspaß haben wird, den ihr ja mit Back 4 Blood haben sollt. Letztendlich ist es aber fast egal, ob der Modus nun wirklich schlecht oder nur mäßig ist. Das Endresultat wird sein, dass er schon kurz nach Release kaum Spieler haben wird und somit keinen richtigen Mehrwert darstellt.
Der Preis ist … zu hoch
Wir glauben, dass Back 4 Blood, so gut der Koop-Modus und das Kern-Gameplay auch ist, auf lange Sicht kein Erfolg sein wird. Hauptgrund dafür ist das Geschäftsmodell. Turtle Rock und Publisher Warner Bros. haben sich für eine ganz klassische Form der Monetarisierung entschieden: Das Spiel kostet den Vollpreis – 60 Euro auf dem PC, 70 Euro auf den Konsolen. Schon allein das kann man kritisch betrachten. Viele reine Multiplayer-Shooter (wir klammern mal aus, dass ihr die Kampagne auch mit dummen Bots spielen könnt) kosten heutzutage schon zum Launch weniger, sofern sie nicht Call of Duty oder Battlefield heißen. Hunt: Showdown zum Beispiel wird für 40 Euro angeboten, das jüngst erschienene Hell Let Loose ebenso. Und beide Titel bieten aufgrund ihrer Spielkonzepte vermutlich mehr Langzeitspaß als Back 4 Blood.
Ja, Back 4 Blood hat den KI-Direktor, dank dem die Zombie-Spawns in jeder Partie dynamisch sind und es so immer wieder zu einzigartigen Momenten kommt. Das war damals bei Left 4 Dead großartig und ist es auch heute noch. Dennoch kann der Überlebenskampf niemals die hohe Varianz erreichen, die die anderen genannten Titel bieten. Der „Versus“-Modus trägt aufgrund der Limitierung auf kleine Maps und des immer gleichen Spielablaufs nicht viel dazu bei, daran etwas zu ändern. Allein deswegen kann man schon infrage stellen, ob Warner hier nicht einen zu hohen Kaufpreis aufruft.
Hinzu kommt, dass Back 4 Blood technisch längst kein so hochqualitatives Spiel wie ein Battlefield 2042 ist. Letzteres sieht grafisch so spektakulär aus, dass man sich vorstellen kann, was für ein hoher Aufwand dahinter stecken mag. Back 4 Blood hingegen ist optisch nicht mehr als solide. Die Beleuchtung ist stimmig und die Zombies sind ganz ordentlich animiert, aber alles in allem wirkt es nicht wie ein Spiel aus dem Jahr 2021. Niemand wird Back 4 Blood wegen seiner Grafik spielen. Um hier nochmal den Vergleich zu Hunt: Showdown zu ziehen, für das Crytek sicherlich kein größeres Entwicklungsbudget zur Verfügung gehabt hat: Das ist deutlich hübscher.
Sorge um ein im Kern tolles Spiel
In unseren Augen gibt es keinen Grund dafür, dass Back 4 Blood Vollpreis kosten muss. Aber da Warner eben ein Publisher ist, der AAA-Spiele veröffentlicht, muss es das wohl doch. Dann ist es aber erst recht problematisch, dass sämtliche Inhalte, die nach Release erscheinen werden (neue Kampagnenakte, Charaktere, Spezialzombies) kostenpflichtig sind. Warner Bros. setzt auf das klassische Season-Pass-Modell, von dem selbst Activision und EA mittlerweile Abstand genommen haben, was Call of Duty beziehungsweise Battlefield betrifft. Zwar braucht in jeder Gruppe nur ein Spieler die DLCs, damit alle anderen sie spielen können, eine Spaltung der Community wird das aber sicherlich nicht verhindern.
Warum man nicht einfach auf einen Battle Pass mit kostenpflichtigen kosmetischen Inhalten setzt und alles, was spielerisch relevant ist, kostenlos anbietet, so wie es für Multiplayer-Shooter mittlerweile Standard ist, ist uns unerklärlich – und weckt Erinnerungen an Evolve. Das ist nämlich unter anderem aus dem gleichen Grund gescheitert: Es hat den Vollpreis gekostet und wer zusätzliche Jäger und Monster spielen wollte, musste dafür draufzahlen. Das Ende vom Lied: Schon nach wenigen Wochen hat sich keiner mehr für das Spiel interessiert. Irgendwann wurde es zum Free-to-Play-Titel umgemodelt, was auch nicht mehr geholfen hat, und 2018 stellte Publisher 2K Games den Support und Serverbetrieb ein.
Es wäre zu schade, wenn mit Back 4 Blood das Gleiche passieren würde. Dafür gefällt uns das Koop-Gameplay viel zu sehr. Nur werden die Verantwortlichen zwei Monate vor Release wohl kaum noch das Geschäftsmodell überdenken. Eine große Spielergemeinde wird der Titel zum Release definitiv haben, dem Xbox Game Pass sei Dank. Aber ob das auf lange Sicht so bleiben wird, wagen wir zu bezweifeln, wenn sich nichts ändert.