Um Warcraft 3: Reforged zu einem zufriedenstellenden Erlebnis zu machen, fehlten dem Schmied wohl Geld und Lust.
Warcraft 3 – Reforged im Test: Ein unwürdiges Remaster
Die BlizzCon 2018 ist nicht gerade als ein für Spielefans grandioses Event in die Geschichtsbücher eingegangen. Zur Erinnerung: Das war die Messe, auf der Blizzard gedacht hat, vor einem aus PC-Zockern bestehenden Publikum ein Mobilegame anzukündigen und nach der negativen Reaktion zu fragen, ob die Leute Smartphones haben. Aber eine freudige Nachricht hat die BlizzCon damals hervorgebracht: die Ankündigung von Warcraft 3: Reforged. Blizzard versprach uns eine runderneuerte Fassung des Klassikers von 2002 mit neuer Grafik, überarbeiteten Zwischensequenzen, einem neuen Interface und sogar einer erweiterten Story-Kampagne. Und was ist draus geworden? Nun, nicht mal im Ansatz das, was angekündigt wurde.
Ein immer noch fantastisches Spiel…
Gleich vorweg: Warcraft 3 ist in der Reforged-Fassung immer noch ein sehr gutes Echtzeitstrategiespiel. Auch wenn der Titel mittlerweile seine fast 18 Jahre auf dem Buckel hat, ist er in unseren Augen immer noch der beste Vertreter seiner Zunft. Ok, es gibt noch Starcraft 2, das ist auch fantastisch, aber Warcraft 3 hat damals bei uns einfach mehr Eindruck hinterlassen. Es bietet eine fantastische Geschichte, aufgeteilt auf mehrere Kampagnen, die grandios designt sind und mit viel spielerischer Abwechslung glänzen. Die Spielmechanik ist nahezu perfekt, die vier spielbaren Völker (Menschen, Orks, Nachtelfen, Untote) haben allesamt ihre Eigenheiten und erlauben dadurch ganz unterschiedliche Strategien.
All das gilt auch für Warcraft 3: Reforged, zumal hier alle Inhalte von "The Frozen Throne", dem wohl großartigsten Add-on in der Geschichte der Computerspiele, Teil des Gesamtpakets sind. Dadurch erwarten euch in dem Remaster über 60 Kampagnenmissionen, mit denen ihr schon mal etliche Stunden beschäftigt seid.
Wer sich anschließend mit anderen Spielern messen möchte, kann das im Online-Multiplayer tun. Eine Trennung zwischen Reforged-Käufern und Besitzern der Classic-Variante findet nicht statt, sodass die Community zusammengehalten wird. Aber das hat leider seinen Preis, wie ihr weiter unten feststellen werdet – genau wie die Neuauflage. 30 Euro möchten Blizzard und Activision für Warcraft 3: Reforged haben. Das gilt sowohl für diejenigen, die neu einsteigen als auch die Spieler, die das Orginal auf ihrem Battle.net-Account registriert haben. Das ist angesichts dessen, was das Remaster bietet, eine Frechheit.
…aber das hilft nicht viel
Seit der Ankündigung vor etwas über einem Jahr haben wir uns gedacht: "Das kann doch nicht schiefgehen." Die Realität sieht anders aus: Warcraft 3: Reforged ist sogar das am schlechtesten von Nutzern bewertete Spiel auf Metacritic. Hat Blizzard hier also eine Vollkatastrophe abgeliefert? Nun, das kann man sicherlich auf zweierlei Arten betrachten. Nüchtern gesehen ist Warcraft 3: Reforged ein unterhaltsames Strategiespiel, weil es eben nichts von der Genialität des Originals in Sachen Story und Gameplay verloren hat. Dafür versagt es als Remaster, zumindest angesichts dessen, was Blizzard uns 2018 versprochen hat.
Eben jene Diskrepanz zwischen dem, was angekündigt war, und dem, was ihr nun kaufen könnt, kann man aber durchaus als eine Katastrophe bezeichnen – jedoch weniger für uns Spieler als für das Image von Blizzard. Das wurde schon in der jüngeren Vergangenheit mehrfach angekratzt, sei es durch die Blitzchung-Affäre oder Diablo Immortal. Gefühlt fällt die Enttäuschung über Warcraft 3: Reforged noch mehr ins Gewicht. Manch einer sagt Blizzard bereits tot und steckt das einst so legendäre und als unfehlbar geltende Studio in eine Riege mit Bethesda und BioWare, die in den vergangenen Jahren auch stark im Ansehen der Spieler gesunken sind.
Azeroth in neuem Glanz
Aber ist das Remaster von Warcraft 3: Reforged nun wirklich so schlecht? Na ja, man könnte argumentieren, dass Blizzard (oder besser gesagt das malaysische Studio Lemon Sky, das die meiste Arbeit geleistet haben soll) mehr gemacht hat als so manch anderer Entwickler bei Remastered-Versionen seiner Spiele. Denn Warcraft: Reforged ist nicht einfach nur eine auf Full-HD und 4K hochskalierte Variante des Originals.
Sämtliche Grafik-Assets wurden von Grund auf neugestaltet. Am deutlichsten ist das an den Charakter- und Gebäudemodellen zu erkennen: 2002 waren Arthas, Thrall und Co kantige Männchen, die nicht mal über Finger verfügten. In der Neuauflage sind sie richtig detailliert. Der Prinz von Lordaeron wirkt gar menschlich. Die Figuren sehen sogar besser aus als die Charaktere in World of Warcraft – und das ist immerhin ein MMO mit Third-Person-Perspektive (wenn auch ein sehr altes).
Eben doch nur das Alte neu verpackt
Hätte Blizzard Warcraft 3: Reforged damals schlicht als das angekündigt, was es nun ist, nämlich ein simples Grafik-Update, wäre der Shitstorm zumindest nicht ganz so groß geworden. Aber nein, man musste uns ja das Blaue vom Himmel versprechen. Ok, dass es die angedachten Story-Erweiterungen nicht ins fertige Spiel schaffen sollten, gab Blizzard schon vor Monaten bekannt. Man hatte geplant, Charakteren wie Jaina und Sylvanas, deren Rollen in World of Warcraft deutlich größer sind als in Warcraft 3, mehr Zeit einzuräumen, indem man zusätzliche Nebenquests für sie in die Kampagnen integriert.
Die Begründung, dies dann doch nicht zu tun: Sowohl internes als auch externes Feedback habe das Entwicklerteam dazu veranlasst, doch dem Original treuzubleiben und keine Veränderungen vorzunehmen. Zwar sind manche Kartenanpassungen in den Kampagnen, etwa das neue Layout von Stratholme, das nun mehr wie die Version aus WoW aussieht, im Spiel drin, aber das war es dann auch. Wir hätten uns zwar über die neuen Inhalte gefreut, auf eine gewisse Art und Weise könnten wir es aber auch verstehen, wenn Blizzard sie wirklich weggelassen hat, um die Puristen nicht zu verärgern.
Von wegen "überarbeitete Cutscenes"
Ob das jedoch tatsächlich der Grund dafür war, sei mal dahingestellt. Denn nicht nur die neuen Story-Elemente haben es nicht ins Spiel geschafft, sondern auch die überarbeiten Zwischensequenzen. Damit meinen wir nicht die schicken Render-Filmchen, für die Blizzard bekannt ist. Das Intro wurde zwar komplett neugemacht, die vorberechneten Cutscenes in den Kampagnen sind jedoch die alten Videos in hochskalierter Form. Das ist zwar schade, Blizzard hat diesbezüglich aber auch nie wörtlich mehr versprochen.
Ganz anders verhält es sich mit den In-Game-Zwischensequenzen. Auf der BlizzCon 2018 zeigte man, wie cineastisch der Dialog zwischen Arthas und seinem Lehrmeister Uther zu Beginn der legendären Stratholme-Mission heutzutage aussehen kann. Die Kamera war nah an den Akteuren, die richtig gestikulierten, dazu ein filmischer Schnitt. Und wie sieht die Sequenz im fertigen Spiel aus? Nun, fast genauso wie im Original: Die Kamera ist höher platziert und die Figuren sind total steif und am unteren Bildrand werden die animierten Avatarbilder eingeblendet. Statt also die Story so präsentiert zu bekommen, wie sie es im Jahr 2020 verdient hätte, ist das Erlebnis fast genauso wie Anfang der 2000er.
Besonders verheerend: Blizzard hat vorab nie kommuniziert, dass auch die verbesserten Zwischensequenzen nicht Teil von Warcraft 3: Reforged sein werden, und sogar noch zum Release mit dem Trailer von 2018 geworben. Kein Wunder, dass nun viele Spieler dem Konzern vorwerfen, irreführende Werbung betrieben zu haben. Wir sind jedenfalls schwer enttäuscht von Blizzard. Warum man sich letztendlich gegen die cineastischere Inszenierung entschieden hat? Vermutlich wurde mitten in der Entwicklung das Budget gekürzt. Denn die Erklärung der Entwickler, dass auch die neuen Zwischensequenzen dem Spiel den Geist des Originals genommen hätten, ist unserer Meinung nach Unsinn.
"Wer hat hier was von einem neuen Interface gesagt?"
Blizzard hat aber noch ein anderes Versprechen nicht gehalten: Warcraft 3: Reforged sollte mit einem neuen Interface daherkommen. Das, was nun im Spiel steckt, ist aber im Prinzip die alte Benutzeroberfläche. Lediglich die grafischen Elemente an den Seitenrändern fehlen, damit das Ganze weniger Platz einnimmt. Das Interface ist nicht per se schlecht, denn das war es 2002 auch nicht. Aber es wirkt einfach nicht mehr zeitgemäß, eben weil es nach wie vor viel vom Sichtfeld verdeckt. Das Interface aus der BlizzCon-2018-Demo war viel kompakter. Warum man das nicht beibehalten hat, ist unverständlich. Zudem lassen sich eigene Hotkeys (nicht ganz unwichtig für Multiplayer-Spieler) nur umständlich über das Bearbeiten einer Textdatei und nicht direkt im Spiel festlegen. Was sich Blizzard dabei gedacht hat? Keine Ahnung!
Manche Dinge fehlen, andere sind fehlerhaft
Aber ach, die Liste an Probleme hört noch nicht auf. Der Launch von Warcraft 3: Reforged war aus technischer Sicht eine Katastrophe. Viele Spieler berichteten von Performance-Einbrüchen und Verbindungsproblemen im Multiplayer. Erstere haben wir nicht erlebt und unsere Online-Matches liefen auch tadellos. Allerdings haben wir uns nicht direkt am Launch-Tag in Mehrspielerschlachten gestürzt und zudem hat Blizzard die Probleme angeblich schon innerhalb der ersten 24 Stunden in den Griff bekommen. Dafür stecken in Warcraft 3: Reforged immer noch so manche Bugs, etwa stockender Sound in der Kampagne. Das erste größere Update ist aber schon angekündigt und wird jene Fehler hoffentlich ausmerzen.
Worauf ihr jedoch noch einige Wochen warten müsst: die fehlenden Features im Multiplayer. Es gibt derzeit etwa keine In-Game-Clans, keine Nutzerprofile, keine Ranglisten und auch keine Turniere. Letztere wurden aber schon Mitte 2019 aus dem alten Warcraft 3 entfernt, weil diese Funktion laut Blizzard kaum genutzt werde. So schnell wird sie also wohl nicht zurückkehren. Des Weiteren fehlen derzeit auch die von Spielern erstellten Kampagnen. Lediglich Custom-Maps haben es in das Remaster geschafft.
Die Mankos gibt's gratis für alle
Nun könnte manch einer denken: "Ach, nun gut, bleib ich halt bei Warcraft 3 Classic, da hab' ich alles, was ich brauche." Falsch gedacht! Mit dem Reforged-Release ist auch ein Zwangs-Update fürs alte Spiel erschienen. Selbst wenn ihr euch das Remaster nicht kauft, müsst ihr mit dem Reforged-Client spielen. Ihr kommt zwar nicht in den Genuss der neuen Grafik, habt aber alle Nachteile der Neuauflage. Es gibt bloß zwei Möglichkeiten, das zu umgehen: Entweder habt ihr Warcraft 3 noch auf CD, dann könnt ihr den Reforged-Client umgehen, aber nur offline spielen, oder ihr ladet euch den Testserver-Client herunter. Der bietet alle alten Features wie Ranglisten und Clans. Blizzard, was soll das?!
Ach ja, eine Sache hätten wir beinahe vergessen: Deutsche Spieler werden schnell bemerken, dass dieses Warcraft 3: Reforged irgendwie anders klingt – und die Peons der Orks nicht mehr "Arbeit, Arbeit!" sagen, wenn ihr sie anklickt. Blizzard hat eine neue deutsche Sprachausgabe aufgenommen, mit teilweise anderen Sprechern als im Original. Die neue Vertonung ist nicht schlecht, sogar ganz ordentlich, aber nicht viel besser als die alte. Und da stellt sich die Frage: Warum hat man das gemacht? Bei allem anderen habe man keine Änderungen vorgenommen, um die Puristen nicht zu erzürnen, aber den deutschsprachigen Spielern kann man eine neue Synchronisation andrehen, in der manch ikonischer Einheitenspruch fehlt?
Fazit
Eigentlich wäre es so einfach gewesen: Warcraft 3, eines der besten Computerspiele aller Zeiten, mit neuer Grafik versehen, das Interface verschlanken, die Zwischensequenzen an moderne Gegebenheiten anpassen und fertig ist ein schickes Remaster. Doch scheinbar hat der große Konzern Blizzard dafür am Ende nicht das Geld gehabt, vielleicht weil man einem fast 20 Jahre alten Spiel nicht mehr große Marktchancen zugetraut hat. Blöd nur, dass man das niemandem mitteilen wollte und dadurch Warcraft 3: Reforged letztendlich bloß ein Grafik-Update ist, das nicht nur 30 Euro, sondern auch den vorübergehenden Verlust wichtiger Online-Funktionen kostet.
Klar, spielerisch ist die Neuauflage genauso fantastisch wie das Original. Wenn ihr Warcraft 3 nie gespielt habt, die großartige Story endlich mal nachholen und dabei nicht mit der 2002er-Grafik spielen wollt, könnt ihr durchaus zu Reforged greifen. Habt ihr die digitale Classic-Variante, müsst somit mit den neuen Nachteilen leben, hättet dann aber zumindest gerne die neue Optik, solltet ihr warten. Denn allein dafür 30 Euro zu bezahlen, sprengt jede Preis-/Leistungsskala. Letztendlich gilt: So gut Warcraft 3 als Strategiespiel immer noch ist, so enttäuschend ist dieses Remaster. Blizzard hat sich hiermit keinen Gefallen getan.
- Gameplay und Story immer noch fantastisch
- Über 60 sehr gute Kampagnenmissionen
- Gutes Grafik-Upgrade für Gebäude und Figuren
- Cutscenes nicht so filmisch, wie versprochen
- Veraltetes Interface
- Hotkey-Belegung nicht im Spiel möglich
- Technische Probleme
- Viele fehlende Multiplayer-Features
- Keine Nutzerkampagnen