Rollerdrome weckt Erinnerungen an die Tony-Hawk-Spiele und beschreitet dennoch mit seinen Shooter-Aspekten einen ganz eigenen Pfad.
Rollerdrome im Test: Tony Hawk's Pro Roller
Wenn es in Büchern, Filmen oder auch Videospielen um eine dystopische Zukunft geht, ist die in der Regel weit von unserer heutigen Zeit entfernt – gerne mal 30, 40, 50 oder noch weitaus mehr Jahre. Nicht so im Fall von Rollerdrome. Hier gibt man der Erde nur noch acht Jahre, bis sie von großen Konzernen regiert wird und die Bevölkerung mit einer spektakulären Sportart von den vielen Problemen abgelenkt werden muss – quasi eine Neuauflage des alten römischen "Brot und Spiele"-Mottos. Und eines steht fest: Rollerdrome ist nicht weniger brutal als die Gladiatorenkämpfe, aber bedeutend temporeicher und als Videospiel eine echte Herausforderung für jeden, dem Tony Hawk's Pro Skater nicht schwierig genug ist.
Kein Sport für Weicheier
Ihr schlüpft in die Haut von Kara Hassan (nicht verwandt oder verschwägert mit Layla Hassan aus den drei jüngsten "Assassin's Creed"-Spielen), einem Neuzugang in der Rollerdrome Championship. Die besteht aus vier Runden und euer Ziel ist es selbstverständlich, es bis ins Finale zu schaffen. Dazu kämpft ihr euch durch insgesamt elf Arenen – und "Kämpfen" ist hier wörtlich gemeint.
Auf Rollschuhen skatet ihr durch die mit lauter Halfpipes, Rampen und Grind-Möglichkeiten ausgestatteten Levels und vollführt allerlei Tricks. Das macht ihr aber eigentlich nur, um Munition für eure Schusswaffen zu regenerieren. Am Anfang steht euch nur ein Pistolenduo zur Verfügung, recht schnell kommt eine Schrotflinte hinzu und später schaltet ihr noch einen Granatwerfer sowie eine Armbrust frei. Die Feuerkraft braucht ihr auch, denn euer primäres Ziel ist es, in jeder Arena alle Gegner, die sogenannten Hausspieler, umzubringen.
Da die Munition knapp bemessen ist und getötete Feinde lediglich ein bisschen Lebensenergie für euch fallen lassen, steht ihr ständig unter Druck. Ihr werdet von allen Seiten beschossen, müsst daher häufig Projektilen oder gar zielsuchenden Raketen ausweichen, und trotzdem irgendwie in klassischer "Tony Hawk's Pro Skater"-Manier Tricks ausführen, um dann wiederum die Kontrahenten ins Jenseits befördern zu können. Nun sind die einzelnen Elemente für sich genommen gar nicht mal so anspruchsvoll und werden auch in Tutorials gut erklärt. Grabs, Grinds und wie sie nicht alle heißen zu machen, ist an sich kein Problem, da ihr in Rollerdrome gar nicht erst auf die Nase fallen könnt. Kara landet immer automatisch mit beiden Rollschuhen auf dem Boden.
Eure Gegner über den Haufen zu schießen, ist im Vergleich mit reinen Shootern ebenfalls keine hohe Kunst, zumindest nicht mit den Pistolen und der Schrotflinte. Die verfügen über eine Zielhilfe, so dass der nächstgelegene Feind automatisch anvisiert wird und ihr eigentlich nur noch abdrücken müsst.
Nur nicht die Nerven verlieren
Die genannten Vereinfachungen sind bitter nötig, denn ohne sie wäre Rollerdrome vermutlich das frustrierendste Spiel der jüngeren Vergangenheit. Glaubt mir. Es ist auch so schon anspruchsvoll genug. Das mag sich in den ersten beiden Levels noch nicht bemerkbar machen, aber spätestens ab Arena Nummer 3 werdet ihr es schwer haben, direkt im ersten Anlauf alle Widersacher zu eliminieren. Die Hausspieler gönnen euch keine Verschnaufpausen. Habt ihr die erste Welle von ihnen besiegt, taucht sofort die zweite auf. Zwar zeigen euch Indikatoren stets an, wenn jemand auf euch zielt, so dass ihr im richtigen Moment ausweichen könnt, aber wenn ihr es mit fünf, sechs, sieben Feinden gleichzeitig zu tun habt, ist es trotzdem bei dem hohen Spieltempo enorm knifflig, keine Treffer zu kassieren.
Glücklicherweise gibt es in Rollerdrome eine Bullet-Time-Funktion, die ihr jederzeit auf Knopfdruck einsetzen könnt – und das unbegrenzt. Ihr fühlt euch dabei nicht bloß genauso cool wie einst in Max Payne, das Feature ist auch einfach extrem nützlich, wenn es darum geht, die Hausspieler los zu werden. Im Idealfall nutzt ihr die Bullet Time direkt, nachdem ihr einem feindlichen Geschoss im letzten Moment ausgewichen seid (dann, wenn die angezeigte Schusslinie von Rot auf Weiß umschaltet). Das aktiviert die Superreflexzeit, während der ihr mehr Schaden verursacht. Wer Rollerdrome meistern will, muss also lernen, den gegnerischen Schüssen nicht zu früh, sondern immer erst auf den letzten Drücker zu entgehen, um dann für sich selbst diesen enormen Vorteil herauszuziehen. Gerade in den späteren Levels ist das sogar dringend notwendig.
Dass ihr es nach und nach mit immer mehr Gegnertypen zu tun bekommt, trägt ebenfalls seinen Teil dazu bei, dass Rollerdrome eine recht steile Lernkurve hat. Wo anfangs reine Nahkämpfer und Scharfschützen keine allzu große Bedrohung darstellen, bekommt ihr es später mit gepanzerten Gegenspielern, Schildträgern und sogar Mechs zu tun. Der Schlüssel zum Sieg ist dann nicht nur ein guter Rhythmus aus Tricksen, im richtigen Moment ausweichen und dann ballern, ihr müsst auch die richtigen Waffen gegen die richtigen Gegner einsetzen. Die Hausspieler in dicker Rüstung werden ihr mit den Pistolen nur sehr mühsam kleinkriegen, mit der Schrotflinte wiederum geht das relativ schnell.
Completionists müssen richtig ackern
Ich will euch nichts vormachen an dieser Stelle: Ich habe reichlich Probleme gehabt, mit Rollerdrome warm zu werden. Es gab so einige Momente, in denen ich meinem Gamepad fast das Fliegen beigebracht hätte. Mir ist es schon schwer gefallen, die Arenakämpfe lebend zu überstehen. Nun geht es aber doch nicht ausschließlich darum, alle Gegner auszuschalten, sondern auch lauter Challenges abzuschließen. Das erinnert frappierend an die Tony-Hawk-Spiele, wenn ihr etwa einen bestimmten Trick an einer bestimmten Stelle ausführen oder schwebende Symbole einsammeln sollt.
Mit dem Thema Highscore-Jagd und Bestenlisten habe ich mich gar nicht erst befasst, aber wer auf so was steht, für den ist Rollerdrome ein Paradies. Wollt ihr einfach nur die Kampagne einmal durchspielen, seid ihr (wenn ihr nicht ganz so mies seid wie ich) nur wenige Stunden mit dem Spiel beschäftigt. Aber wenn ihr wirklich alle Herausforderungen meistern und euch hohe Ranglistenplätze sichern wollt, werdet ihr bedeutend mehr Zeit mit Rollerdrome verbringen. Außerdem schaltet ihr nach Abschluss der Kampagne noch eine Art New Game+ frei, bei dem ihr in allen Arenen auf alle Waffen Zugriff habt, aber auch überall alle Gegnertypen mitmischen und mehr Schaden austeilen. Ihr merkt schon: Das ist ein Modus für all diejenigen, denen Rollerdrome bis dahin tatsächlich noch nicht schwierig genug ist. Er kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Umfang des Spiels angesichts des Kaufpreises von 30 Euro etwas mager ausfällt. Für das Geld hätten es schon noch ein paar mehr Levels sein dürfen.
Knackig, aber auch sehr befriedigend
Bei all dem Gerede darüber, wie knackig Rollerdome ist, darf ich nicht vergessen, wie gut sich das Ding spielt. Die Steuerung mit dem Gamepad geht ungemein flüssig von der Hand, in Zeitlupe (und am besten noch im Sprung) Gegner abzuknallen, fühlt sich enorm befriedigend an und ist einfach extrem stylisch. Und das Gefühl, einen Level nach mehreren Versuchen dann doch mal als Sieger zu verlassen, ist ähnlich erhaben wie der Triumph über einen Boss in Dark Souls.
Noch dazu sieht Rollerdrome fantastisch aus. Das Spiel setzt wie schon das Open-World-Adventure Sable auf einen Comic-Look, der stark an die Werke von Jean Giraud alias Moebius angelehnt ist. Die Farbpalette ist zwar recht begrenzt, es sieht aber alles sehr stimmig aus. Vor allem die flüssigen Animationen wissen zu begeistern und Rollerdrome zeichnet sich durch eine sehr gute Lesbarkeit aus. Feinde lassen sich auch aus größerer Entfernung gut ausmachen und selbst dann, wenn mehrere von ihnen gleichzeitig auf euch zielen und zusätzlich noch lauter Raketen fliegen, wird das Geschehen nicht unübersichtlich. Auch die Soundkulisse ist überzeugt, obwohl die Waffen recht lasch klingen. Dafür passen die treibenden Elektro-Beats des Soundtracks perfekt zum actionreichen Geschehen und es gibt gut hörbare akustische Signale für Dinge wie auf euch zielende Gegner. Das hilft auch nochmal dabei, rechtzeitig zu reagieren, bevor ihr Schaden einsteckt.
Fazit
Rollerdrome ist eine echt große Herausforderung – sicherlich eines der schwierigsten Spiele des Jahres. Aber zugleich hat es ein fantastisches Konzept, dass auch noch tadellos umgesetzt ist. Dieser Mix aus Fun-Sportspiel und Shooter ist einzigartig, obwohl der Titel so viele Erinnerungen an Tony Hawk's Pro Skater weckt. Wenn ihr bereit seid, euch in eine anspruchsvolle Spielmechanik einzuarbeiten, und große Freude an rein Skill-basierten Spielen habt, bei denen die motivierendste Progression daraus besteht, dass ihr selbst immer besser werdet, kann ich euch Rollerdrome trotz geringem Umfang ans Herz legen.
- Fantastische Spielidee
- Sehr gute Steuerung
- Erfolgserlebnisse sehr befriedigend
- Stilsichere Optik
- Klasse Soundtrack
- Magerer Umfang
- Story-Abschnitte wirken wie reingequetscht