Der Nachfolger zu einem der besten Spiele 2015 ist da. Kann Ori and the Will of the Wisps die Erwartungen erfüllen?
Ori and the Will of the Wisps im Test: Metroidvania nahe an der Perfektion?
Vor ziemlich genau fünf Jahren kam mit Ori and the Blind Forest das Debutwerk des teilweise in Österreich beheimateten Entwicklers Moon Studios auf den Markt. Damit gelang dem Team rund um Thomas Mahler auf Anhieb ein Überraschungshit für die Xbox One. Später erschien das Spiel noch in einer Definitive Edition, die einige Verbesserungen beinhaltete und im letzten Jahr sogar für die Nintendo Switch umgesetzt wurde. Jetzt ist es Zeit für einen Nachfolger. Doch kann das Studio an den Erfolg anknüpfen und die hohen Erwartungen an Ori and the Will of the Wisps erfüllen? Wir haben es uns angeschaut!
Putzig und traurig zugleich
Ori and the Will of the Wisps knüpft inhaltlich direkt an den Vorgänger an. Daher vorab eine Warnung: Wer den ersten Teil noch nicht durchgespielt hat, sollte den folgenden Abschnitt überspringen. Nachdem nämlich Ori in der finalen Auseinandersetzung mit Kuro siegreich war, entdeckt der kleine Geist ein verlassenes Ei. Er, Naru und Gumo bringen es in ihrem Bau in Sicherheit, bis daraus schließlich eine kleine Babyeule schlüpft. Sie beschließen, das Mädchen Ku zu nennen und großzuziehen.
Doch so richtig will es mit dem Fliegen nicht klappen und bei einem erneuten Versuch von Ori, dem putzigen Federvieh beizubringen, sich in der Luft zu halten, stürzen beide ab und werden getrennt. Blöderweise sind sie nicht mehr im Wald Nibel, denn während ihrer Übungsversuche sind Ori und Ku über das große Wasser geglitten und im Wald Niwen gelandet, der offenbar ein ähnliches Schicksal teilt wie einst ihre Heimat. Wieder einmal ist Ori ganz allein in fremder Umgebung und ohne Fähigkeiten.
Ori and the Will of the Wisps - Gameplay-Trailer:
Ein Bilderbuch-Metroidvania
Die Voraussetzungen für ein klassisches Metroidvania-Abenteuer sind also gegeben. Ori muss sich erneut beweisen und ein liebgewonnenes Familienmitglied retten. Der grundlegende Ablauf ist nahezu identisch zum Vorgänger. Laufen und springen wir zu Beginn noch fast ohne weitere Fähigkeiten durch Niwen, erlernen wir nach und nach immer mehr Aktionen, um dann zuvor nicht erreichbare Areale zu erkunden. Dabei zeigt sich, dass die Entwickler dieses Mal einen dezent aggressiveren Ansatz gewählt haben. Hat uns im Vorgänger noch der Baumgeist Sein geholfen, führen wir die meisten Kampfaktionen nun selbst aus.
Das bedeutet jedoch nicht, dass das Spiel dadurch zu einem reinen Action-Plattformer wird. Im Gegenteil, die Entwickler setzen verstärkt auf Bewegungs- und Umgebungsrätsel, die nur unter Beherrschung aller Aktionen lösbar sind, unter anderem auch mit Angriffen. Vieles müssen wir dabei selbst herausfinden, denn großartige Hilfestellungen gibt es in Ori and the Will of the Wisps nicht. Genau das macht jedoch zu einem gewissen Grad den Reiz aus. Neugier und Eperimentierfreudigkeit werden belohnt.
Nicht einfach, aber immer fair
Einige Rätsel und Passagen haben zwar den Anschein, als würden sie nach dem "Trial & Error"-Prinzip funktionieren, aber meist reichen ein aufmerksamer Blick, um die Situation zu erkennen, sowie ein paar flinke Finger und das Problem ist gelöst. Das zeigt sich besonders in längeren Sequenzen, bei denen mitunter schnell eine Entscheidung gefällt werden muss. Je nach Situation müssen Aktionen wie Springen, Dashen, Wandsprung, Doppelsprung und der Enterhakeneinsatz sowie sogar Gegner in den Bewegungsablauf integriert werden. Allerdings ist es nicht immer einfach, sofort alle Möglichkeiten zu erfassen und dementsprechend zu handeln. Speziell in den Fluchtabschnitten ist ein kühler Kopf gefragt, denn wer zu langsam ist oder unachtsam reagiert, stirbt.
Gleiches gilt für neuen, klassischen Bosskämpfe. Jeder Boss verfügt über einen eigenen Bewegungsablauf. Hatten wir zu Beginn noch ab und an den Eindruck, dass es unmöglich scheint, einen bestimmten Gegner aus dem Weg zu räumen, stellten selbst die größten Viecher kein unüberwindbares Problem mehr dar, sobald wir uns dessen Bewegungen verinnerlicht hatten.
Niwen ist so viel lebendiger
Apropos Sterben, die Möglichkeit, selbst Speicherpunkte zu setzen, ist passé. Stattdessen übernimmt das Spiel diese Aufgabe. Während unseres Tests sind wir auf dem normalem Schwierigkeitsgrad auf kaum eine Stelle gestoßen, in der Rücksetzpunkte unfair gesetzt wurden. Sollte das doch einmal passieren, konnten wir über das Hauptmenü einen von mehreren Backup-Punkten nutzen. Allerdings entfällt durch dieses System auch die Möglichkeit, überall, sofern genug Ressourcen vorhanden sind, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern.
Das passiert an anderer Stelle in Niwen, denn Niwen ist anders als Nibel. In diesem Wald leben noch Wesen, die Ori und auch Ku nicht ans Leder wollen. Stattdessen helfen sie entweder mit Items oder Hinweisen, haben kleinere Quests parat oder dienen als Gesprächspartner. Die optionalen Aufgaben begegnen uns immer wieder, während wir uns unseren Weg durch die verschlungenen Umgebungen suchen und neue Fähigkeiten erlernen. Das kann das Beschaffen eines Items sein, ein kleines Rennen gegen die Zeit oder ein versteckter Bereich. Zudem gibt es mit Brunnenquell ein kleines Dörfchen, welches mit gefundenen Ressourcen wieder aufgebaut werden kann, sozusagen ein kleines Meta-Game in Ori and the Will of the Wisps.
Wir basteln uns unseren Ori
Eine weitere Neuerung, die damit einhergeht, ist, wie Ori und seine Fähigkeiten aufgelevelt werden können. Neben drei aktiven Aktionen, die jederzeit gewechselt werden dürfen, gibt es eine Reihe von passiven Fähigkeiten, um den kleinen Waldgeist nach eigenen Wünschen anzupassen. Zu Beginn des Spiels können wir bis zu drei passive Fähigkeiten auf einmal nutzen. Im Verlauf des Abenteuers lässt sich diese Anzahl bis auf acht erhöhen. So können wir, je nach Situation, mit unterschiedlichen Zusammenstellungen auf die Herausforderungen im Spiel reagieren. Bei einem Boss beispielsweise hat uns ein bisschen Energie gefehlt. Also haben wir fix die Energie und Widerstandsfähigkeit erhöht und im Nu war der Gegner kein Problem mehr. Na gut, fast keins mehr...
Ein bildgewaltiges Abenteuer
Abgesehen vom gelungenen und fordernden Gameplay haben die Entwickler von Moon Studios auf die Kraft der Bilder gesetzt. Obwohl Ori and the Will of the Wisps deutlich mehr Dialoge und Interaktionen mit anderen Charakteren beinhaltet, werden ein Großteil der Emotionen lediglich durch Handlungen und perfekt inszenierte Situationen transportiert. Die Atmosphäre schwankt dabei von melancholischen Momenten über aufkeimenden Mut bis hin zu herzerwärmenden Darstellungen. Die Macher zeigen eindrucksvoll, dass man mit wenigen Mitteln eine eindrucksvolle und äußerst dichte Atmosphäre erzeugen kann.
Dank einer Auflösung von 4K, HDR-Support und einer exzellenten Beherrschung der Unity-Engine sieht das Ganze auch noch fantastisch aus. Der herausragende Soundtrack von Gareth Coker, der schon am ersten Spiel mitgearbeitet hat, tut sein Übriges dazu. Ohne den Day-One-Patch kann es jedoch zu längeren Ladezeiten und vereinzelten Grafikfehlern kommen. Uns sind auf der Xbox One X bis auf eine lange Ladezeit im Hauptmenü und einen einzigen Absturz jedoch keine Fehler aufgefallen.
Ori and the Will of the Wisps - Trailer:
Fazit
Österreich ist spätestens jetzt um eine kulturelle Komponente reicher. Nicht nur, dass das kleine Alpenland einige der herausragendsten klassischen Musiker sowie international bekannte Schauspieler hervorgebracht hat und für Mehl- und Süßspeisen über die Landesgrenzen hinaus berühmt ist. Jetzt können sie sich, in Vertretung durch Moon Studios, auch die Krone des Metroidvania-Genres aufsetzen. Ori and the Will of the Wisps gehört derzeit zum Besten, was das Genre zu bieten hat. Ein cleveres Leveldesign, herausfordernde Aufgaben, liebreizende Charaktere und ein außergewöhnliches audiovisuelles Erscheinungsbild sind nur einige der positiven Aspekte, die den Titel auszeichnen. Kurzum: Ori and the Will of the Wisps sieht geil aus, spielt sich wunderbar und sollte in keiner Sammlung fehlen. Punkt!
- Wunderschöne Darstellung
- Cleveres Leveldesign
- Grandioser Soundtrack
- Jede Menge zu entdecken
- Voller Emotionen
- Spiel ist irgendwann zu Ende
- Ohne Day-One-Patch technische Probleme