Nioh 2 macht nicht viel anders als Teil 1 und trotzdem ist es eine dicke Empfehlung für alle Fans von Souls-likes.
Nioh 2 im Test: Kleine Schritte, großer Spaß
Nioh 2 ist, wären wir böswillig, eine Mogelei. Wir sprechen dabei nicht vom Spiel selbst, sondern seinem Namen. Denn eigentlich hätte Team Ninja es auch als XXXL-Standalone-Add-on zum ersten Teil verkaufen können. Nicht nur auf den ersten, sondern selbst auf den zweiten Blick hat sich gar nicht so viel verändert. Das soll nicht heißen, dass es keine Neuerungen gibt und Fans des Vorgängers sich Nioh 2 sparen können. Tatsächlich legen wir jedem, der den Ausflug als William ins feudale Japan genossen hat, die Fortsetzung ans Herz. Aber ein bisschen Ernüchterung schwingt eben auch mit – die aber schnell vergessen ist, wenn wir am Ende eines harten Kampfes über unseren Gegner triumphieren und uns wie der beste Samurai der Welt fühlen.
Baut euch euren Traumsamurai!
Nioh 2 ist ein Prequel zum ersten Teil. Die Handlung spielt 50 Jahre zuvor. William scheidet damit als Protagonist aus, da er ja noch gar nicht in Japan angekommen ist, das Land der aufgehenden Sonne in einer folkloristischen Variante aber weiterhin das Setting der Reihe bleibt. Das hat einen Vorteil: Team Ninja gibt euch diesmal die Möglichkeit, euren eigenen Charakter zu erstellen. Und wie viele Optionen ihr habt! Der Editor von Nioh 2 ist fast so umfangreich wie der des Online-Rollenspiels Black Desert. Von der Wimpernlänge bis hin zu Lachfalten lässt sich wirklich alles einstellen, was ihr euch nur vorstellen könnt, und noch mehr. Wer will, baut einfach bekannte Figuren nach, Solid Snake beispielsweise.
Diese Wahlfreiheit hat aber auch ihren Preis. Der Protagonist oder die Protagonistin von Nioh 2 ist kein richtiger Charakter mehr. Er oder sie sagt kein einziges Wort im Spielverlauf. William aus dem Vorgänger ist auch nicht die redseligste Hauptfigur, aber aus seinem Mund kommt wenigstens noch ab und zu was raus. In Nioh 2 ist euer Alter Ego nicht mehr als eine Hülle für euch als Spieler. Das ist gerade deshalb so schade, weil ihr doch eigentlich etwas sehr Besonderes seid.
In Nioh 2 spielt ihr keinen reinen Menschen, sondern einen Mischling. Ihr seid zur Hälfte ein Yokai, also ein Dämon. Darauf reagiert nicht jeder andere Charakter positiv. Bei eurem ersten Aufeinandertreffen mit Mumyo, die euch im weiteren Spielverlauf auf eurer Reise durch das Japan des 16. Jahrhunderts begleitet, will sie euch umbringen. Schließlich ist sie eine Yokai-Jägerin. Team Ninja hat es aber verpasst, aus dieser Thematik etwas wirklich Interessantes zu machen. Die Hauptfigur bleibt arg blass und generell ist die Story mit all ihren Figuren nichts, woran ihr euch später noch erinnern werdet. Genau wie im Vorgänger haben wir uns immer wieder während den handwerklich gut gemachten Zwischensequenzen gefragt: "Äh, wer war der Charakter jetzt nochmal?" Die Geschichte ist wirr, hinterlässt keinen bleibenden Eindruck und ist somit alles in allem vernachlässigbar – genau wie im Vorgänger.
Immer noch kein zusammenhängendes Japan
Was sich ebenfalls nicht verändert hat: Auch in Nioh 2 gibt es keine zusammenhängende Spielwelt à la Dark Souls. Es wäre schön gewesen, wenn Team Ninja einen ähnlich großen Sprung gemacht hätte wie Deck 13 mit The Surge 2. Aber nein, die Spielstruktur ist exakt die gleiche wie in Teil 1. Auf der Weltkarte wählt ihr aus, welche Mission ihr als nächstes angehen wollt. Neben den Hauptaufgaben gibt es auch noch diverse Nebenquests sowie die besonders schwierigen Zwielichtmissionen. Genug Inhalt für zig Stunden Spielspaß ist definitiv vorhanden. Wir waren selbst nach 20 Stunden nicht mit der ersten Region fertig (im Sinne von: Wir machen alle Nebenaufgaben) – und es gibt insgesamt sieben.
Allerdings bleibt auch ein Manko bestehen, dass der erste Teil bereits hat: Viele Nebenmissionen schicken euch in Gebiete, die ihr schon aus den Hauptquests kennt. Team Ninja hat erneut viel Recycling betrieben, was die Freude über den großen Umfang des Spiels ein wenig schmälert. Zudem sind die Umgebungen nicht gerade sonderlich vielfältig. Viel zu oft seid ihr in typischen japanischen Dörfern unterwegs und die Sonne kommt auch nur selten zum Vorschein. Es gibt Ausnahmen und manche wirklich schön gestalteten Gebiete, an die optische Brillanz und Vielfalt eines Dark Souls kommt Nioh 2 aber nicht heran.
Dafür sind die Levels schön verzweigt, bieten viele Abkürzungen und Geheimnisse, weshalb es sich lohnt, sie zu erkunden. Eine clevere Neuerung sind zudem die Gebietsabschnitte, die komplett vom Yokai-Reich verhüllt sind. Ihr befreit sie davon, indem ihr einen bestimmten Gegner besiegt – was nicht ganz einfach ist, da eure Ki-Regeneration in den betroffenen Arealen verlangsamt ist. Schafft ihr es, das Land von der dunklen Energie zu befreien, erbeutet ihr nicht nur wertvollen Loot, sondern schaltet auch des Öfteren einen weiteren Schrein frei, der nicht selten in der Nähe des Endbossareals steht. Eine bessere Belohnung könnte es für diese Mühe gar nicht geben.
Halbdämon sein, hat seine Vorteile
Wo wir schon mal beim Thema spielerische Neuerungen angelangt sind: Dass ihr zur Hälfte ein Yokai seid, hat einen Vorteil: Ihr könnt euch hin und wieder für kurze Zeit in einen Dämon verwandeln. Dann macht ihr ungemein mehr Schaden, habt spezielle Attacken auf Lager und seid quasi unverwundbar, da jeder gegnerische Treffer bloß die Zeit verkürzt, die ihr in dieser Form bleiben könnt, nicht aber eure Lebensenergie ankratzt. Zudem sieht das Ganze optisch sehr cool aus.
Tatsächlich haben wir aber vergleichsweise selten von diesem Feature Gebrauch gemacht – nicht, weil es nutzlos wäre, sondern weil wir oftmals gar nicht daran gedacht haben. Gleiches gilt für die Yokai-Fähigkeiten, die wir auch in unserer menschlichen Gestalt wirken können. Welche das sind, hängt davon ab, welche Seelenkerne ihr auf euren ausgewählten Schutzgeist eingestimmt habt. Diese Geister kennen Spieler des Vorgängers, von denen es wieder viele verschiedene gibt, jeder mit seinen eigenen Boni. Die Wahl des Geistes legt auch eure Yokai-Form fest.
Neu sind nun eben die Seelenkerne, die ihr manchmal von besiegten Dämonen erhaltet. Zwei Stück könnt ihr auf einen Geist einstimmen, und auch sie verleihen euch eigene Boni und eben die angesprochenen Fähigkeiten. Zudem lassen sich Kerne gleichen Typs fusionieren, um stärkere Exemplare zu erschaffen.
Eine Prise Sekiro
Um Yokai-Skills einsetzen zu können, braucht ihr Anima, eine neue Ressource neben eurer Lebensenergie und dem Ki (der Ausdauer) eures Helden. Sie füllt sich auf, indem ihr Feinde attackiert. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil ihr sie auch braucht, um Wuchtkonter zu vollführen, was uns zur eigentlich wichtigsten Neuerung im Gameplay von Nioh 2 bringt. Die meisten Gegner können Wuchtangriffe ausführen: besonders starke Attacken, die gerade im späteren Spielverlauf gerne mal tödlich für euch enden können.
Ihr könnt dem entgehen, indem ihr eben einen Wuchtkonter einsetzt. Dabei weicht ihr schnell aus und euer Feind ist kurz besonders verletzlich. Diese Mechanik erinnert stark an Sekiro: Shadows Die Twice, in dem viele Kontrahenten ebenfalls solch besonders starken Angriffe beherrschen, denen ihr entweder ausweicht oder die ihr mit dem Mikiri-Konter abwehrt, um dann direkt selbst mächtig zuzuschlagen. Sie fügt sich wunderbar in das bestehende Kampfsystem ein. Wuchtkonter zu beherrschen, kann vor allem in Bosskämpfen entscheidend sein. Doch keine Bange: Das Zeitfenster ist nicht so eng bemessen wie in Sekiro.
Ansonsten spielen sich die Kämpfe in Nioh 2 immer noch genauso wie in Teil 1. Das finden wir aber gut, denn warum sollte Team Ninja etwas, das sehr gut funktioniert, komplett umbauen? Wir schätzen auch Nioh 2 dafür, dass es so schnell und actionreich ist und sich dadurch so deutlich von den From-Software-Titeln unterscheidet. Das Trefferfeedback ist ordentlich, es fliegen gerne mal Körperteile durch die Gegend, Blut spritzt in rauen Mengen und dann steuert sich das alles auch noch so wunderbar flüssig.
Das gilt auch für die beiden neuen Waffenklassen, die das eh schon umfangreiche Arsenal des Vorgängers erweitern. Als Alternative zu den Doppel-Katana gibt es die Beile, mit denen ihr ebenfalls sehr schnell seid, die ihr aber zusätzlich auch noch werfen könnt. Noch cooler finden wir jedoch die Glefe. Hierbei handelt es sich um eine Trickwaffe, die direkt aus Bloodborne stammen könnte. In jeder der drei Haltungen (ja, die gibt es natürlich auch in Nioh 2 immer noch) nimmt sie eine andere Form an. In der niedrigen ist sie komplett eingeklappt, was wahnsinnig schnelle Angriffe ermöglicht, in der hohen wiederum eine gewaltige Sense mit hoher Reichweite.
Rote oder blaue Geister?
Die Frage, die allen Souls-like-Fans bei jedem neuen Genrevertreter auf der Zunge brennt: "Wie hoch ist der Schwierigkeitsgrad?" Im Fall von Nioh 2 lautet unsere Antwort: sehr hoch. Team Ninja hat im Vorfeld angekündigt, dass der Anspruch im Vergleich zum Vorgänger angestiegen sei, und das ist tatsächlich der Fall. Aber keine Angst: Euch erwartet kein zweites Sekiro. So unbarmherzig ist Nioh 2 nicht, denn hier könnt ihr euch so manche große Herausforderung einfacher machen. Ihr packt einen Boss nach mehreren Versuchen immer noch nicht? Dann geht doch erst mal ein wenig grinden, levelt euren Recken auf und versucht es dann nochmal! Sollte es danach immer noch nicht klappen, holt ihr euch Hilfe von außen. Am Schrein könnt ihr bis zu zwei andere Spieler heraufbeschwören. Die Gegner skalieren dann zwar mit, trotzdem werden die Bosskämpfe dadurch spürbar einfacher, weil sich der Feind immer nur auf einen von euch konzentrieren kann.
Darüber hinaus findet ihr in den Levels von Nioh 2 nicht nur rote Gräber, an denen ihr die Geister anderer Spieler beschwört, um gegen sie zu kämpfen, sondern auch blaue. Die sind ebenfalls dazu da, Abbilder anderer Samurai zu rufen, doch die unterstützen euch dann im Kampf. Die KI-Kameraden machen größtenteils einen guten Job und sind vor allem im Kampf gegen stärkere Zwischengegner ein Segen. In Auseinandersetzungen mit den großen Bossen sieht das zumeist etwas anders aus. Da geben sie nämlich schnell den Geist auf.
Wir haben es aber auch schon erlebt, dass ein Computerkollege in einem bestimmten Bosskampf so sehr von Nutzen war, dass wir den Feind sehr einfach besiegen konnten und dabei kaum Elixiere verbraucht haben. Einen Versuch ist es also zumindest immer wert, einen befreundeten Geist in einen Endgegnerkampf mitzunehmen. Die Ochoko-Becher, die das kostet, holt ihr schnell wieder rein, indem ihr eben einfach ein paar rote Gräber aktiviert und die entsprechenden Abbilder im Kampf bezwingt.
Zu viel!
Nioh 2 ist nicht nur deshalb anspruchsvoll, weil die Gegner kräftig zuhauen und ihr oft das Zeitliche segnet. Es ist auch wieder verdammt komplex in seinen Rollenspielmechaniken, legt sogar nochmal eine Schippe drauf im Vergleich zum ersten Teil. Die Seelenkerne haben wir bereits erwähnt, dazu kommen unter anderem die Unmengen an Loot. Die Nioh-Reihe bleibt das Diablo unter den Souls-likes, was wir prinzipiell auch gut finden. Nach wie vor gibt es aber so viel Beute, dass ihr sehr viel Zeit im Inventar verbringt. Und dann lassen die Gegner auch noch ständig so viel Zeug fallen, das viel zu schwach ist. Auf der anderen Seite ist es schwer zu erkennen, welche Gegenstände eigentlich wirklich die besten für euren Spielstil sind, da es eben so unfassbar viele Arten von Boni gibt. Hier verringert sich der erlittene Schaden durch Geschosse um 3,1 Prozent, da erhöht sich der Ki-Schaden bei starken Angriffen um 7,7 Prozent. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Es geht noch weiter: Ihr könnt beim Schmied Waffen und Rüstungen herstellen lassen, per "Seelenbild" geliebte Items upgraden, indem ihr dafür andere opfert, und deren Sondereffekte verbessern. Dann gibt es noch die Kodama, die in den Levels versteckt sind, die euch unterschiedliche Segen geben und denen ihr Gegenstände opfern könnt. Dafür erhaltet ihr diesmal nicht nur Amrita (das Nioh-Pendant zu Seelen), sondern auch göttlichen Reis, den ihr wiederum gegen Verbrauchs-Items eintauschen könnt, um eure Bestände an Elixieren, Pfeilen und anderen Dingen aufzufüllen.
Und dann kommen noch die Talentbäume obendrauf. Es gibt einen für Samuraifähigkeiten (allgemeine Skills für alle Haltungen), einen für alles, was mit eurer Yokai-Hälfte zu tun hat, einen für Ninja-Skills, einen für Magie und dann hat noch jede Waffengattung ihren eigenen Skilltree. Immerhin teilen sich nicht alle dieselbe Art von Fähigkeitspunkten und sie sind dank Kreisformat deutlich übersichtlicher als im Vorgänger. Trotzdem: Nioh 2 ist ein typischer Fall von "Feature Creep": Es gibt einfach zu viele Systeme. Das freut vielleicht die Hardcore-Minmaxer, die ewig an ihrem Build tüfteln wollen, auf alle anderen wirkt es aber eher abschreckend.
Kein Grafikfeuerwerk
Nioh 2 hätte in einigen Aspekten mehr Fortschritte machen können, das gilt auch für die Technik. Das Spiel sieht nicht schlecht aus, aber auch kaum besser als der Vorgänger. Und der wirkte vor drei Jahren optisch schon etwas angestaubt. Hier und da gibt es ganz nette Lichteffekte und die Charaktere sind flüssig animiert, insgesamt bewegt sich das Spiel aber auf eher niedrigem PS4-Niveau. Das gilt für alle drei Grafikmodi: den Actionmodus mit stabilen 60 FPS, den Filmmodus mit schickerer Optik und maximal 30 FPS und den Videomodus, bei dem die Auflösung dynamisch skaliert wird, um stabile 30 Bilder pro Sekunde zu garantieren. Letzterer stellt also einen Mittelweg dar. Wir empfehlen aber den Actionmodus, egal ob auf PS4 oder PS4 Pro. Bei einem so schnellen Actionspiel ist eine hohe Bildrate einfach wichtig, das Spielgefühl profitiert davon ungemein.
In Sachen Sound präsentiert sich Nioh 2 von einer guten Seite. Die Effekte sind schön wuchtig, die Musik passt perfekt zum Szenario und die Sprachausgabe, die größtenteils wie beim Vorgänger auf Japanisch ist (deutsche Untertitel sind vorhanden), ist ebenfalls tadellos.
Fazit
Eigentlich hätten wir uns von Nioh 2 wirklich mehr Fortschritt gewünscht. Eine bessere Story, deutlich schickere Optik, eine zusammenhängende Spielwelt – ja, das wäre alles klasse gewesen. Aber Team Ninja hat stattdessen das Grundgerüst des ersten Teils genommen und bloß um neue Features erweitert. Dadurch spielt sich Nioh 2 im Grunde genommen immer noch wie Teil 1. Doch ist das schlecht? Im Gegenteil: Das Gameplay ist auch in der Fortsetzung wieder der Star. Die Kämpfe sind fordernd, aber stets fair und fühlen sich schlicht großartig an. Niederlagen schmerzen sehr, aber die Schuld liegt immer bei uns, während Siege für einen Endorphinausschuss sorgen, von dem wir nicht genug kriegen können. Ja, erzählerisch gibt es wieder große Schwächen, Levels werden recycelt und es gibt zu viele Systeme, dennoch können wir nicht anders, als Nioh 2 für das zu lieben, was es ist: ein umfangreiches, komplexes und enorm motivierendes Action-RPG, das sich kein Genrefan entgehen lassen sollte.
- Grandioses Gameplay
- Sinnvolle Neuerungen (Wuchtangriffe/-konte)
- Riesenumfang
- Tolle Soundkulisse
- Durchgehend fair
- Erzählerisch mies
- Grafisch nicht ganz zeitgemäß
- Levelrecycling
- Zu viele Systeme
- Immer noch zu viel Loot
- Insgesamt zu wenig Fortschritt