Bioware hievt mit der Mass Effect Legendary Edition die Shepard-Trilogie technisch auf aktuelles Niveau. Wir haben uns die Remaster-Versionen genauer angesehen und klären im Test, ob die RPG-Meisterwerke auch heute noch überzeugen.
Mass Effect Legendary Edition im Test: Commander Shepard ist zurück!
Neun Jahre ist es inzwischen her, dass Commander Shepard mit seinen oder ihren Verbündeten in die letzte Schlacht um die Erde gegen die Reaper gezogen ist. Der eigentliche Startschuss für die Shepard-Trilogie fiel inzwischen vor knapp 14 Jahren und diese Zeitspanne ist Mass Effect 1-3 auch deutlich anzumerken. Besonders der erste Teil leidet unter einigen Macken und Design-Entscheidungen (MAKO!!!), die heute niemand mehr treffen würde. Da es nach dem eher missglückten Mass Effect Andromeda ums Franchise längere Zeit still wurde, kommt die aufpolierte Legendary Edition gerade zur rechten Zeit, um die vermutlich noch lange Wartezeit auf Mass Effect 5 wenigstens ein bisschen zu verkürzen.
Das steckt drin
In der Mass Effect Legendary Edition befinden sich die Titel Mass Effect, Mass Effect 2 und Mass Effect 3. Jedes Spiel wurde technisch überarbeitet und an moderne Systeme angepasst. Je älter das Mass Effect, das ihr spielt, desto deutlicher machen sich diese Anpassungen bemerkbar. Grundsätzlich wurden die Spiele aber besser aneinander angeglichen und unterscheiden sich im Spielgefühl nicht mehr so stark. Beispielsweise könnt ihr jetzt in jedem Mass Effect einen weiblichen Shepard spielen. Der "FemShepard" wurde ursprünglich erst mit Mass Effect 3 eingeführt.
Auch an der Integration der DLCs hat Bioware gearbeitet. Diese sind jetzt organisch in die Spielwelt eingearbeitet und müssen nicht mehr aus dem Hauptmenü heraus gestartet werden. Allerdings fehlt auch in der Legendary Edition, wie schon in der Version für die Playstation 3, der Pinnacle Station DLC für das erste Mass Effect. Laut Bioware sind die Originaldaten defekt und der Quellcode immer noch verschollen. Ein kompletter Nachbau in der neuen Engine kam aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage. Auf diesen Teil der Mass-Effect-Story werdet ihr wohl weiterhin verzichten müssen.
An der Steuerung der Spielfigur wurden auch einige Mechaniken angepasst. Die störrische Kamera aus dem ersten Original-Teil gehört endlich der Vergangenheit an. Des Weiteren hat Bioware die klassenspezifischen Waffen abgeschafft und das Fadenkreuz verbessert. Das fällt in der Remaster-Version von Mass Effect 1 besonders auf. Ihr könnt jetzt tatsächlich gezielte Schüsse aus weiter Entfernung abfeuern, ohne das nervige Zielfernrohr-Wackeln zu kompensieren. Die Größe des Fadenkreuzes haben die Entwickler ebenfalls verkleinert. War es im Ur-Mass-Effect kaum möglich den Gegner hinter der gigantischen "Zielhilfe" zu erkennen, könnt ihr eure Widersacher im Remaster präziser anvisieren.
Die Anpassungen von Mass Effect 2 und 3 fallen deutlich marginaler aus als die des ersten Titels. Zwar wurden hier und da neue Partikeleffekte hinzugefügt und die Entwickler haben moderne Lichteffekte eingesetzt. Besonders die Normandy erstrahlt dank der neuen Effekte in einem ganz anderen Glanz. Von einer technischen Generalüberholung kann hier aber nicht gesprochen werden. Allerdings gilt das Gameplay von Mass Effect 2 auch als das beste der Reihe. Warum also hier noch einmal Hand anlegen?
Mass Effect 1 im Detail
An der zugrundeliegenden Geschichte hat Bioware nichts verändert: In der Rolle von Commander Shepard werdet ihr auf eine geheime Mission nach Eden Prime geschickt, um dort gemeinsam mit dem Sepctre Nihlus ein uraltes Artefakt einer vergangenen Alien-Zivilisation, der Protheaner, zu bergen. Dort stoßt ihr auf beunruhigende Hinweise: Die Reaper, eine technologisch hochentwickelte außerirdische Rasse, planen eine Invasion der Galaxis und die komplette Auslöschung sämtlichen organischen Lebens. Um diesem Mysterium auf den Grund zu gehen ernennt euch der Citadel-Rat kurzer Hand zum ersten menschlichen Spectre, einer intergalaktischen Spezialeinheit. Jetzt gilt es herauszufinden, wer oder was die Reaper sind und wie sie aufgehalten werden können.
Auch aus heutiger Sicht gehört der Auftakt der Shepard-Trilogie zum Besten, was die Spielelandschaft storymäßig zu bieten hat. Eine derart vielschichtige und tiefe Geschichte werdet ihr auch in aktuellen Genrevertretern eher selten finden. Besonders das World Building funktioniert nach wie vor hervorragend. Nahezu überall sind Details zu den Zivilisationen der Galaxis oder besonderen Ereignissen zu finden. Jede bekannte Alien-Rasse kommt mit einer ausgeklügelten und komplexen Hintergrundgeschichte fernab vom einfachen "das ist die böse Rasse und das ist die gute Rasse" daher. Im Laufe der Geschichte schließen sich euch immer mehr neue Crew-Mitglieder an, die in den Einsätzen eure Party bilden. Die Dynamik unter den vielen teils sehr verschiedenen Figuren weiß immer noch zu überzeugen. Besonders durch die vielen Dialoge mit euch und euren Begleitern auf der Normandy erreichen die Party-Mitglieder ein Level an Charaktertiefe, an die nicht einmal heutige Hochglanzproduktionen heranreichen.
Spuren der Zeit
Wenig überraschend ist das erste Mass Effect am schlechtesten gealtert. Das ist besonders an der hakeligen Shooter-Steuerung inklusive störrischer Kamera und den teils matschigen Texturen und der inzwischen wenig detailreichen Grafik zu spüren. Vom Mako wollen wir an dieser Stelle lieber gar nicht erst anfangen. All diese Dinge gehören in der Remaster-Version der Vergangenheit an. Shepard steuert sich deutlich fluffiger als im Original durch die Gefechte. Allerdings bleibt euch leider das unbefriedigende Trefferfeedback erhalten. Egal mit welcher Waffe ihr auf einen Gegner schießt, eure Widersacher reagieren kaum auf euren Beschuss. Das ist besonders irritierend, wenn ihr Gegner auf Distanz unter Beschuss nehmt. Immerhin zeigt euch der Lebensbalken an, ob ihr euren Gegner trefft.
Die Steuerung des ungeliebten Makos, ein Panzerfahrzeug, in dem Shepard und die Crew gelegentlich Einsätze auf Planetenoberflächen absolvieren, haben die Entwickler bei Bioware ebenfalls grundlegend überarbeitet. Das Fahrzeug war bereits seit dem Erscheinen des ersten Mass Effects großer und ausführlicher Kritik ausgesetzt. Es stieg sogar in die Kreise der Internet-Memes auf. Zwar bleibt der Mako immer noch gelegentlich an Kanten und Ecken hängen oder schwebt plötzlich über Hindernisse hinweg, er lässt sich in der Remaster-Version dennoch viel präziser und intuitiver steuern. Die Masochisten unter euch können sogar zwischen der neuen Steuerungsart und der alten hin und her schalten. Wir wissen zwar nicht, warum das jemand ohne ausgeprägten Selbsthass tun sollte, aber es sei hiermit erwähnt.
Es bleibt "nur" ein Remaster, …
Grafisch und Gameplay-technisch hat sich ohne Frage einiges in der Remaster-Version des ersten Mass Effects getan. Allerdings können auch die neuen Partikeleffekte, das neue Licht und die überarbeitete Steuerung nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir hier ein 14 Jahre altes Spiel vor uns haben. Die Levelareale sind immer noch schlauchig angelegt, offene Quest-Hubs wirken im Vergleich mit modernen Titeln detailarm. Dafür, dass die Citadel im Prinzip das politische und logistische Zentrum der bekannten Galaxie darstellt, wirken die begehbaren Gebiete etwas leer. Obwohl der Erzählung nach hier das galaktische Leben pulsieren müsste, trefft ihr höchstens ein paar versprengte Händler an oder ein bis zwei Aliens, die auf einer Parkbank sitzen. Um keine falschen Erwartungen zu wecken, sollte euch klar sein, dass der eigentliche Kern des Titels nicht modernisiert wurde.
Ein weiteres Problem, das uns störend auffiel, ist die KI der NPCs und eurer Begleiter. Zwar hat Bioware hier spürbar nachgebessert, trotzdem kommt es immer wieder zu absurden und teils auch nervigen KI-Aussetzern. Wenn ihr beispielsweise das Zeitliche segnet, weil Tali und Garrus beharrlich gegen ihre eigene Deckung feuern, anstatt eure Gegner ins Visier zu nehmen, dann ist das ziemlich ärgerlich. Umgekehrt verhält es sich auch mit euren Feinden. Die stehen hin und wieder einfach so in der Gegend herum und lassen sich ohne große Mühen erledigen oder rennen mit ihren Sturmgewehren direkt auf euch zu, um euch im Nahkampf anzugreifen. Wirklich herausfordernd sind Kämpfe, bei denen sich eure Widersache in ihren eigenen Tod stürzen, dann natürlich nicht. Im Großen und Ganzen fällt die KI-Aussetzer-Rate aber eher moderat aus.
… dass sich aber sehr lohnt
Klar, KI-Aussetzer sind nervig und die recht detailarmen und teils leeren Level mögen vielleicht nicht mehr ganz in die Zeit passen. Dennoch werdet ihr aktuell keine bessere Version des ersten Mass Effects spielen können. Die paar Bugs, auf die wir gestoßen sind, sind kein Weltuntergang und auch nicht so tiefgreifend, dass sie nicht ohne Weiteres per Patch behoben werden könnten. Bioware hat an den genau richtigen Stellen nachgezogen und bewies ein gutes Händchen dafür, welche Aspekte gar keiner Anpassung benötigen. Zum Beispiel freut es uns, dass die etwas etwas leereren Level nicht mit schnöden Sammelquests künstlich aufgeblasen wurden.
Fazit
Für alle, die die Shepard-Trilogie immer noch auf ihrem Pile of Shame zu stehen haben: Es gab nie einen besseren Zeitpunkt Mass Effect 1-3 nachzuholen! Aber auch für Veteranen ist besonders der aufpolierte erste Teil einen Blick wert. Wenn ihr das erste Mal seit so vielen Jahren wieder die Normandy in deutlich hübscher betretet, machen sich unweigerlich wohlig-nostalgische Erinnerungen breit.
- Schicke neue Licht- und Partikeleffekte
- Besonders Mass Effect 1 spürbar modernisiert
- FemShepard in allen Teilen spielbar
- Größtenteils gelungenes AI-Upscaling, …
- … dass den braunen Texturmatsch auf Feros aber auch nicht retten kann
- Unnötige und nervige KI-Aussetzer