Es schmerzt sehr zu sehen, wie wenig Mühe man sich bei GTA: The Trilogy – The Definitive Edition gegeben hat.
GTA: The Trilogy – The Definitive Edition im Test: Definitiv versagt
Schlechter kann der Launch eines Spiels doch kaum ablaufen wie im Fall der PC-Version von GTA: The Trilogy – The Definitive Edition, oder? Klar, Spiele, die viel zu früh und daher im Rohzustand veröffentlicht werden (hallo, Cyberpunk 2077 und Battlefield 2042), sind auch ärgerlich. Aber so was wie das, was Rockstar Games vergangene Woche abgezogen hat, haben wir noch nicht erlebt. Am 11. November sind die Neuauflagen von GTA 3, Vice City und San Andreas erschienen und nur wenige Stunden nach Release ging der Rockstar Games Launcher offline, gefolgt von einer Deaktivierung der drei Spiele – und die dauerte das ganze darauffolgende Wochenende lang an. Die Trilogie konnte man nicht nur nicht kaufen, sondern auch nicht spielen. Sie tauchte gar nicht mehr im Launcher auf, ob man sie schon heruntergeladen hatte oder nicht, spielte keine Rolle.
Aber das war nicht der einzige Aufreger. Ärger gab es ja schon im Vorfeld, weil Rockstar einerseits die Originalversionen von GTA 3, Vice City und San Andreas aus den Stores entfernt und andererseits Mutterfirma Take-Two wieder mal so richtig gegen Modder ausgeholt hat, sodass die ihre Werke aus dem Netz nehmen mussten. Ja, Rockstar und Take-Two könnten mittlerweile genau wie EA und Blizzard ganz einfach ein YouTube-Tutorial mit dem Titel „Wie man sich als Videospielhersteller ganz schnell unbeliebt macht“ produzieren. Ist denn GTA: The Trilogy – The Definitive Edition denn nun wenigstens eine gute, dem Kultstatus der Originale angemessene Sammlung von Neuauflagen? Antwort: Nein, nicht wirklich.
Im Kern immer noch gute Spiele
Halten wir für den Anfang erst mal fest: Alle drei GTAs aus der PS2-/Xbox-Ära sind auch heute noch gute Open-World-Spiele. Das liegt in erster Linie an zwei Dingen: einerseits den Geschichten, die sie erzählen, andererseits an den atmosphärischen Spielwelten. Ob ihr nun durch das bewusst triste Liberty City aus GTA 3, das sonnige, bunte Vice City oder den kompletten fiktiven US-Bundesstaat San Andreas mit seinen drei Städten Los Santos, San Fierro und Las Venturas cruist, die Umgebungen haben auch heute noch viel Charme und wirken lebendig – auch wenn die KI von Passanten und Verkehr für heutige Verhältnisse teilweise sehr albern wirkt.
Die Grundfaszination, sich in einer Welt zu bewegen, in der jederzeit irgendein Quatsch passieren kann, kommt aber nach wie vor auf. Auch heute noch ist es cool, wenn wir beobachten, wie ein Cop einen Flüchtigen verfolgt oder sich Mitglieder zweier verfeindeter Gangs auf offener Straße eine Schießerei liefern. Das vermittelt eben das Gefühl, dass sich nicht alles nur um uns als Spieler dreht – etwas, das nicht jedes moderne Open-World-Spiel von sich behaupten kann.
Wie gesagt, wissen auch die Storys noch zu unterhalten, vor allem die von Vice City und San Andreas. Im Fall von GTA 3 stört es heute dann doch etwas mehr, dass der Hauptcharakter (der erst durch San Andreas den Namen Claude erhalten hat) kein Wort sagt. Die reine Handlung ist trotzdem spaßig. Gleiches gilt für die Missionen und Nebenaktivitäten in allen drei Spielen. Die Story-Aufträge sind abwechslungsreich, wenn auch manchmal etwas frustrierend. Berüchtigte Aufgaben wie das Bombenlegen mit einem ferngesteuerten Helikopter auf einer Baustelle in Vice City oder die Verfolgung eines Zugs per Motorrad in San Andreas stellen die eigenen Geduldsfäden immer noch auf eine harte Probe. Gott sei Dank gibt es in GTA: The Trilogy – The Definitive Edition die Möglichkeit, gescheiterte Missionen direkt neu zu starten und nicht erst wieder zum Auftraggeber hinfahren zu müssen.
Manche Dinge sind einfach schlecht gealtert
In Sachen Steuerung hat sich auch ein wenig was getan. In allen drei Spielen fällt es nun leichter, auf Gegner zu zielen. Es gibt eine gut funktionierende Zielhilfe, wenn ihr mit Controller spielt. Drückt im Gefecht einfach den linken Trigger und das Spiel visiert den nächstbesten Feind automatisch an, sodass ihr nur noch abdrücken müsst. Mit dem rechten Analog-Stick wechselt ihr dann flüssig zwischen den Zielen. Zockt ihr auf dem PC mit Maus und Tastatur, seid ihr auf so eine Stütze natürlich nicht angewiesen. Auch dann lassen sich die Ballereien gut bewältigen.
So richtig toll sind die jedoch für heutige Verhältnisse nicht mehr. Die GTA-Spiele waren schon damals alles andere als die Speerspitze in Sachen Third-Person-Shooter-Mechaniken, aber ihre anderen Stärken machten das schnell vergessen. GTA: The Trilogy – The Definitive Edition hätte es sehr gut getan, wenn die Entwickler mehr gemacht, das ganze Gameplay einfach modernisiert hätten. Das gilt auch für die Fahrphysik, die insbesondere in Teil 3 keine gute Figur macht. Es fehlt einfach jedwedes Gefühl für Gewicht. Die Neuauflagen zeigen, wie stark sich die GTA-Reihe in der Hinsicht weiterentwickelt hat. GTA 5 hat bis heute immer noch die beste Fahrphysik, die uns in einem Open-World-Spiel dieser Art begegnet ist.
Ein kleines Team hat nun mal seinen Preis
Nun mag man denken: „Ja, Moment! Erwartet ihr nicht ein bisschen zu viel von Remasters solch alter Spiele?“ Die Frage ist aber, ob GTA: The Trilogy – The Definitive Edition überhaupt als Remaster-Sammlung durchgeht. Denn faktisch haben die Entwickler alle Spiele komplett neu in der Unreal Engine zusammengebaut. Außerdem reden wir hier von einer Produktion von Rockstar Games, einem der größten und erfolgreichsten Hersteller der Branche. Da darf man doch wohl erwarten, dass für die Neuauflagen solch beliebter Klassiker das Geld in die Hand genommen wird, um deren „definitive Versionen“ spielerisch (und grafisch) ordentlich aufzuwerten.
Tja, da kommen wir zur Krux des ganzen Themas: Für GTA: The Trilogy – The Definitive Edition zeichnet kein Rockstar-Team verantwortlich, sondern Grove Street Games aus Florida. Das Studio zählt laut LinkedIn weniger als 50 Mitarbeiter und hat fast ausschließlich Portierungen entwickelt – darunter die Mobile-Versionen der ersten drei 3D-GTAs, die offensichtlich auch als Basis für GTA: The Trilogy – The Definitive Edition gedient haben.
Es überrascht irgendwie nicht, dass Grove Street Games keine grundlegenden spielerischen Verbesserungen umgesetzt hat. Aber das ist ja nicht der einzige Grund dafür, warum die Neuauflagen so sehr enttäuschen. Der andere ist die Technik. Dabei hat sich auf den ersten Blick einiges getan. Die Unreal Engine sorgt zum Beispiel für schicke dynamische Beleuchtung und Schatten. Gerade Explosionen wirken dadurch deutlich hübscher als in den Originalen. Außerdem sind die Texturen schärfer, es gibt reichlich Reflexionen und die Weitsicht ist viel höher, selbst im Vergleich mit der alten PC-Fassung.
Von Schreibfehlern und lebendigen Wachsfiguren
Klingt bis hierhin alles toll, oder? Es gibt aber diverse Probleme. Viele davon haben damit zu tun, dass Grove Street Games nicht alle Assets einfach neugebaut hat. Stattdessen ließ man eine KI alles hochskalieren. Im Netz finden sich zahlreiche Beispiele dafür, wie das zu fehlerhaften Texten in der Spielwelt führt, zum Beispiel an Geschäftsfenstern. Da wird dann mal aus dem Wort „Meat“ „Heat“, weil die KI offensichtlich das niedrig aufgelöste M als H interpretiert hat.
Und dann wären da eben die Charaktermodelle. Klar, die aus den Originalen sehen für heutige Verhältnisse nicht mehr hübsch aus, aber damals hat sich niemand an ihnen gestört. So sahen nun mal Spiele auf der PS2 aus. Die neuen Modelle sind zwar detaillierter, wirken aber in vielen Fällen plastikartig. Man schaue sich nur mal Ken Rosenberg aus Vice City an:
Die hohe Weitsicht hat auch ihren Preis, wird durch sie doch noch deutlicher, wie klein die Spielwelten sind. Vor 17 Jahren wirkte GTA: San Andreas mit seinen drei Städten plus Umland und mehreren kleinen Dörfern riesig. Aus heutiger Sicht ist der fiktive Bundesstaat nahezu winzig, wenn wir ihn mit den Maps vergleichen, die typische Ubisoft-Spiele bieten. Versteht uns nicht falsch: Die geringe Größe an sich ist kein Problem. GTA: The Trilogy: The Definitive Edition nimmt uns aber dann, wenn wir auf einem Hochhausdach in Los Santos stehen oder per Flugzeug unterwegs sind, komplett die Illusion einer großen Welt, wenn wir von dort aus Las Venturas in Gänze sehen können.
Wenig FPS, weniger tolle Musik
Zu guter Letzt ist auch noch die Performance von GTA: The Trilogy – The Definitive Edition nicht ideal. Oftmals hatten wir das Gefühl, die Bildrate bewege sich unterhalb der 60-FPS-Grenze. Es wurde zwar nie richtig ruckelig, aber allein die Tatsache, dass Spiele mit recht altbackener Grafik auf einem Rechner mit Achtkernprozessor und einer RTX 3080 Ti nicht durchgehend mit einer Bildrate im dreistelligen Bereich laufen (und das in 1080p), reicht schon aus, um fehlende Optimierung zu kritisieren.
Den allergrößten Witz haben wir uns für den Schluss aufgehoben: In GTA: The Trilogy – The Definitive Edition fehlen diverse Radiosongs. In Vice City gibt’s keinen Michael Jackson mit „Billie Jean“, in San Andreas dürft ihr nicht mehr „Killing in the Name“ von Rage Against the Machine lauschen. Ok, die Titel haben schon in den Re-Releases der Originalversionen und den Mobile-Portierungen gefehlt, weil eben die entsprechenden Lizenzverträge ausgelaufen sind. Aber sollte man als so reiches Unternehmen wie Rockstar nicht für die Neuauflagen seiner alten Hits, die „definitiven Editionen“, das Geld in die Hand nehmen, um jene Songs wieder verwenden zu dürfen? Scheinbar sind die Spiele dem Unternehmen aber nicht so viel wert, als dass man diese Investitionen tätigen würde. Klar, es sind ja nur drei der wichtigsten Titel der 2000er. Da kann man auch ruhig mal ein kleines Studio und eine KI an deren Neuauflagen heranlassen. Das ist ihnen ja bestimmt würdig.
Fazit
Als die ersten Gerüchte aufkamen, GTA 3 bis San Andreas würden als Remasters erscheinen, war die Vorfreude (und die Hoffnung, dass die Gerüchte stimmen) groß. Umso gigantischer ist nun die Enttäuschung darüber, wie lieblos GTA: The Trilogy – The Definitive Edition daherkommt. Was hat sich Rockstar nur gedacht? „Kommt Leute, Blizzard hat letztes Jahr mit Warcraft 3: Reforged richtig viel Hass auf sich gezogen, das machen wir auch mal“? Gut, so war es vermutlich nicht, aber in der Tat erinnert diese Sammlung sehr an das gescheiterte Remaster des Strategiespielklassikers – dem wir aber immerhin noch aufgrund des damals wie heute herausragenden Gameplays eine überdurchschnittliche Note gegeben haben.
GTA: The Trilogy – The Definitive Edition bleibt diese Gnade verwehrt. Denn hier wiegt nicht die Enttäuschung darüber, dass die Entwickler weniger gemacht haben, als uns versprochen wurde, sondern dass die Spiele optisch eher verschlimmbessert wurden. Blizzard hatte damals viel vor, doch die Leute in den entscheidenden Positionen haben am Ende nicht die finanziellen Mittel dafür freigegeben. Bei GTA: The Trilogy – The Definitive Edition bleibt das Gefühl, dass Rockstar nie viel Geld investieren, sondern nur sehr viel verdienen wollte. Wer nun die alten GTAs nachholen möchte, muss für sie 60 Euro bezahlen, sofern man nicht noch auf irgendwelchen Webseiten Keys für die Originale findet. Am Ende ist diese Trilogie zwar nicht unspielbar und kann aufgrund der unzerstörbaren Stärken der Spiele – also der Story, Spielwelt und den vielfältigen Missionen – auch immer noch Spaß machen. Aber als Sammlung von Remasters oder Remakes oder wie auch immer man das hier nennen soll, ist GTA: The Trilogy – The Definitive Edition mit all dem Ärger drumherum ein einziges Desaster.
- Drei Spiele mit tollen Geschichten
- Abwechslungsreiche Missionen
- Atmosphärische Spielwelten
- Dynamische Beleuchtung und Schatten
- Bessere Shooter-Steuerung
- Direkter Neustart von Missionen möglich
- Teils katastrophale Charaktermodelle
- Schreibfehler in der Spielwelt
- Keine astreine Performance
- Viele Radiosongs fehlen
- Keine richtigen Gameplay-Verbesserungen