GRID Legends macht vieles besser als sein Vorgänger, aber die Reihe ist noch längst nicht da, wo sie sein könnte.
GRID Legends im Test: Ein Schritt in die richtige Richtung
Als Codemasters 2019 einen neuen Teil der Rennspielreihe ankündigte, waren die Hoffnungen groß, die Marke könnte wieder an alte Glanzzeiten anknüpfen. Die Veröffentlichung des Spiels wenige Monate später belehrte uns eines Besseren. GRID, wie der vierte Teil einfach nur heißt, ist beileibe kein schlechtes Spiel gewesen, blieb jedoch stark hinter den Erwartungen zurück. Die Hauptgründe dafür: ein Mangel an Features im Karrieremodus, eine öde Progression und eine viel zu trockene Präsentation. Man merkte dem Titel deutlich an, dass Codemasters das Budget gefehlt hat, um Besseres abzuliefern. Nun ist der Nachfolger GRID Legends erschienen und das unter dem Banner von Electronic Arts, zu dem die Briten seit vergangenem Jahr gehören. Also müssten sie doch nun die finanziellen Mittel haben, um endlich das abzuliefern, was die GRID-Reihe sein könnte: eine Alternative zu Forza Motorsport und Gran Turismo.
Um es gleich vorneweg zu sagen: Letzteres ist auch mit GRID Legends nicht geschehen. Diesmal hat sicherlich nicht das Geld gefehlt, es wurde aber an falscher Stelle investiert: in einen Story-Modus, den so niemand gebraucht hätte. Und das ist deshalb so schade, weil Codemasters an anderen Stellen zeigt, dass man es besser kann. Und so haben wir es wieder mit einem Spiel zu tun, das viel Potenzial verschenkt, dabei aber trotzdem Genrefans gut zu unterhalten weiß.
"Ich geb Gas, ich geb Gas, ich hab Spaß, ich hab Spaß"
Fangen wir mal mit der wichtigsten Frage an, die man bezüglich eines Rennspiels stellen kann: Wie fährt es sich? Antwort: ziemlich gut. Der Vorgänger hat hier noch ein wenig geschwächelt. Manche Autos haben sich darin ganz ordentlich gefahren, mit anderen wollten wir lieber kein zweites Mal über die Piste brettern. GRID Legends macht eine deutlich bessere Figur. Ob ihr nun mit GT-Wagen, Open Wheelern oder alten Käfern unterwegs seid, die Fahrzeuge haben stets guten Grip, lenken sich hervorragend und fühlen sich zugleich sehr divers an. Dazu kommt ein tolles Geschwindigkeitsgefühl. Lediglich die Stadion-Trucks sind uns leicht negativ aufgefallen. Die verlieren zu gerne mal die Bodenhaftung. Gerade angesichts dessen, dass GRID Legends keine Simulation, sondern ein zugängliches, eher auf Action-betontes Rennspiel sein möchte, passt das nicht so ganz ins Gesamtbild.
Dafür macht die Gegner-KI eine hervorragende Figur. Die computergesteuerten Fahrer liefern sich untereinander Positionskämpfe und bleiben auch nicht einfach nur stur auf der Ideallinie. Immer wieder ist zu beobachten, wie zwei oder gar mehrere Fahrzeuge nebeneinander fahren und sich gegenseitig Druck machen. Andererseits machen sie auch gerne mal Fehler, indem sie sich zum Beispiel verbremsen. Es kommt auch recht häufig zu Drehern und Unfällen – vielleicht etwas zu oft. Nichtsdestotrotz sorgt das für eine schöne Dynamik.
Immer Ärger mit den Schwierigkeitsgraden
Es gibt jedoch große Balancing-Probleme: Die fünf Schwierigkeitsgrade „Leicht“, „Mittel“, „Schwer“, „Experte“ und „Legende“ sind völlig unausgegoren. Auf „Schwer“ fällt uns GRID Legends viel zu leicht. Da dauert es gerne mal nur anderthalb Runden, bis wir uns von der Mitte des Fahrerfeldes bis an die Spitze gekämpft haben. Den Rest des Rennens fährt die Konkurrenz uns einfach nur hinterher. Spannung kommt da nicht auf.
So richtig packend wird es nur auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad, doch der hat dafür ein anderes Problem: Fahrt ihr mit normaler Rennlänge, sind viele Events zu kurz, als dass ihr überhaupt die Zeit hättet, an die Spitze zu kommen. Besonders übel ist das bei den neuen Mehrklassenrennen. Wir haben etwa ein Karriere-Event gespielt, in dem zwei Arten von Minis gegeneinander antreten. Die älteren, weniger leistungsstarken Modelle erhalten dabei einen Vorsprung. Bei dreifacher Rennlänge (neun Runden) sind das 80 Sekunden. Das Problem: Obwohl wir mehr oder weniger fehlerfrei gefahren sind, ist es uns erst in der vorletzten Runde gelungen, die Fahrer der alten Fahrzeuge einzuholen. Unter die Top 3 zu gelangen, was nötig ist, damit das Event als abgeschlossen gilt, war gar nicht möglich. Codemasters muss dringend mit Updates an der Balance schrauben.
Was man dann auch gleich noch mit anpacken sollte, ist das miese Strafsystem. Rempler sind vollkommen ok, aber wehe, ihr kommt einmal von der Strecke ab. Und da sprechen wir nicht davon, dass ihr abkürzt, sondern selbst einen Fahrfehler macht, der nur euch selbst benachteiligt. Und dann warnt euch das Spiel bloß davor, dass es dafür Strafen geben könnte … und am Ende seid ihr plötzlich Elfter, obwohl ihr als Fünfter die Ziellinie überquert habt, einer Zeitstrafe sei Dank. Mal davon abgesehen, dass so ein System eh nicht in ein Rennspiel wie GRID Legends passt, in dem Karosseriekontakte vollkommen unbestraft bleiben: Wenn man so was schon einbaut, dann bitte vernünftig. Ärgerlicherweise lässt sich das System nicht in den Optionen deaktivieren. Diesen Frustfaktor sollte Codemasters zügig eliminieren.
Bessere Karriere, ...
Das führt uns zu der Karriere. Die ist deutlich besser als im GRID von 2019 – und das nicht, weil sie deutlich umfangreicher ist. Über 250 Events verteilen sich hier auf diverse Ligen und Kategorien, die ihr nach und nach freischaltet. Anders als im Vorgänger spielen eure Leistungen auf der Strecke dabei eine Rolle. Ihr müsst nämlich, wie oben schon angedeutet, stets ein bestimmtes Ziel erfüllen, um ein Event abhaken zu können und somit eben eventuell Zugang zu neuen Veranstaltungen zu erhalten. Nun müsst ihr nicht alle Rennen einer Liga meistern, um die nächsthöhere freizuschalten. Aber es gibt manche einzelnen Events, die ihr nur dann spielen dürft, wenn ihr ein bestimmtes anderes (oder eines von zwei bestimmten) erfolgreich abschließt. Und das kann aufgrund der genannten Balancing-Probleme zu Frust führen, wenn ihr auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad spielt.
Nichtsdestotrotz ist das Fortschrittsgefühl in GRID Legends wesentlich besser als im Vorgänger, zumal ihr eure Wagen diesmal auch upgraden könnt, auch wenn das System zu simpel geraten ist und daher nicht die Relevanz hat, die wir uns wünschen würden. Gleiches gilt für das Teammanagement. Wieder habt ihr einen zweiten Fahrer, dem ihr auch Anweisungen im Rennen geben könnt (offensiver oder defensiver fahren), für den ihr sogar Verbesserungen freischalten könnt. Gleiches gilt für euren Mechaniker, was zum Beispiel dafür sorgt, dass Wagenreparaturen weniger Geld kosten. Zudem dürft ihr wieder Deals mit Sponsoren eingehen, was euch Extrakohle einbringt, wenn ihr bestimmte Ziele erfüllt. Das alles ist nett, aber viel zu oberflächlich.
Man wird einfach das Gefühl nicht los, dass mit ein wenig mehr Budget etwas richtig Gutes aus der Karriere hätte werden können. Auch deren Aufmachung ist sehr spartanisch. Erinnert ihr euch noch an die coolen 3D-Menüs des alten Race Driver: GRID? In GRID Legends gibt es auch wieder nur normale Menükacheln. Stylisch ist hier gar nichts.
… schwache Story
Nun ist es aber sicherlich nicht so, dass Codemasters kaum Geld zur Verfügung hatte. Der Beweis dafür ist neben der Tatsache, dass es mit über 130 Autos und ungefähr gleich vielen Strecken-Layouts, die sich auf 22 Rennorte verteilen, eine ordentliche Menge an Inhalt gibt, der Story-Modus. Der bietet Zwischensequenzen mit echten Schauspielern. Der einzig bekannte Darsteller ist jedoch Ncuti Gatwa aus der Netflix-Serie "Sex Education".
Die Filmchen, die euch GRID Legends zwischen den Rennen immer wieder präsentiert, sehen halbwegs hochwertig aus und der Dokumentarstil ist eine nette Idee. Inhaltlich kann die Story aber so gar nicht überzeugen. Die Geschichte des Rennteams Seneca könnte uns nicht egaler sein, zumal wir ja bloß der namenlose Fahrer Nummer 22 sind und keinerlei Einfluss auf irgendwas haben. Der Modus läuft strikt linear ab. Das bringt auch das Problem mit sich, dass es keinerlei Rolle spielt, wenn ihr jedes Mal als Erster ins Ziel kommt. Die vordefinierte Geschichte kann das ja schlecht aufgreifen. Dadurch bilden Gameplay und Story keine Einheit. Es wirkt eher so, als würdet ihr irgendwelche zufälligen Rennen fahren und zwischendurch die Folgen einer schlechten Mockumentary schauen. Auf so einen Story-Modus können wir gut verzichten. Codemasters hätte ihn sich sparen und dafür der Karriere mehr Liebe schenken sollen.
Auf Multiplayer-Seite gibt GRID Legends ein solides Bild ab. Es gibt zwar keinen Ranglistenmodus, dafür könnt ihr alle Karriere-Events online spielen und eben gegen andere Spieler statt die KI antreten. Außerdem wird Crossplay unterstützt und ihr dürft eigene Mehrklassenrennen erstellen, womit nicht jedes Rennspiel dienen kann.
Sieht schick aus und klingt ok
Grafisch gibt GRID Legends ein sehr gutes Bild ab. Es mag vielleicht nicht die Klasse des in Kürze erscheinenden Gran Turismo 7 erreichen, überzeugt aber mit detaillierten Fahrzeugmodellen und vor allem sehr schönen Lichteffekten sowie Spiegelungen. Letztere kommen vor allem bei nächtlichen Regenrennen besonders zur Geltung. Jawohl, verschiedene Tageszeiten und Wetterlagen sind mit von der Partie. Leider bietet GRID Legends keinen dynamischen Tag-/Nacht- sowie Wetterwechsel. Beides würde es umso interessanter machen, lange Rennen zu fahren.
Was den Sound betrifft, würden wir das Spiel als solide einordnen. Motorensounds haben in anderen Titeln sicherlich schon besser geklungen, dafür gefällt uns der deutliche akustische Unterschied zwischen dem Fahren in einer der Außenperspektiven und dem in der Cockpitperspektive. Bei letzterer klingen alle Geräusche von außen sehr dumpf, was nur logisch ist. So stark wie in GRID Legends haben wir den Effekt aber nur selten wahrgenommen. Die Musik ist nicht wirklich der Rede wert, zumal Rennspielpuristen sie eh abschalten werden. Dann hört ihr sie auch nur noch während der Ladebildschirme. Separate Regler für die Musik während der Rennen und die im Menü gibt es nämlich leider nicht. Die deutsche Vertonung der Zwischensequenzen ist mäßig, allerdings hätte eine gute Synchronisation das Ganze vermutlich auch nicht retten können.
Fazit
Mit GRID Legends zeigt sich definitiv ein Aufwärtstrend innerhalb der Reihe. In Sachen Karriere und Fahrgefühl ist der neue Titel sehr viel besser als sein Vorgänger. Doch mit dem Story-Modus hat sich Codemasters keinen Gefallen getan. Das Geld, was in diesen Teil des Spiels geflossen ist, wäre an anderer Stelle besser investiert gewesen. Nun gut, das lässt sich nicht mehr ändern, doch am Balancing können die Entwickler in der Tat noch schrauben. Patches könnten hier Wunder wirken und den Spielspaß nochmal deutlich erhöhen. So oder so ist GRID Legends aber ein gutes Spiel, mit dem man dank des großen Umfangs seine Freude haben kann, bis das nächste Highlight im Genre erscheint. Blöd nur, dass das zumindest auf PS4 und PS5 schon in Kürze der Fall ist, wenn Gran Turismo 7 auf die Zielgerade einbiegt.
- Gute Fahrphysik
- Sehr gute KI
- Großer Umfang
- Schicke Grafik
- Rennen bei Nacht, Regen und Schnee
- Mehrklassenrennen möglich
- Schwacher Story-Modus
- Unausbalancierte Schwierigkeitsgrade
- Blödes Strafsystem
- Karriere sehr spröde präsentiert