Warum das Comeback der GRID-Reihe nicht so glorreich geworden ist, wie wir uns das gewünscht hätten, lest ihr im Test.
GRID im Test: Mit Vollgas am Siegertreppchen vorbei
Gerne denken wir daran zurück, wie wir uns 2008 in Race Driver: GRID spannende Duelle mit der Gegner-KI lieferten und unseren eigenen Rennstall zu einer internationalen Größe im Motorsport aufgebaut haben. Codemasters hat damals wahrlich einen Genremeilenstein abgeliefert. Die beiden Nachfolger GRID 2 und GRID Autosport konnten an diese Qualität leider nicht anknüpfen. Nun soll ein Reboot der Reihe neues Leben einhauchen. Deswegen heißt Teil 4 auch einfach nur GRID. Als der Titel im Frühjahr angekündigt wurde, war unsere Vorfreude groß. Doch wenn wir in diesem Jahr eine Sache gelernt haben, dann dass man sich niemals zu früh freuen sollte.
Fahrspaß mit Einschränkungen
Codemasters hat sich bei GRID erneut auf die Fahne geschrieben, sowohl die Genreneulinge als auch Profis zu befriedigen. Das erste GRID, was wiederum der Nachfolger der "DTM Race Driver"-Spiele ist, stellt auch heute noch eine gelungene Mischung aus Arcade und Simulation dar. Es ist weitaus anspruchsvoller als ein Need for Speed oder Burnout, aber auch immer noch weit von einer richtigen Rennsimulation entfernt. Das 2019er-GRID ist ungefähr auf dem gleichen Level anzusiedeln, was den Grad an Realismus betrifft. Allerdings hinkt es in Sachen Fahrphysik seinem Vorvorvorgänger hinterher.
Im Test ist uns aufgefallen, dass viele Fahrzeuge nicht so viel Grip haben, wie wir das bei aktivierten Fahrhilfen von einem Rennspiel dieser Art erwartet hätten. Mit einem Kompaktsportwagen ist es uns etwa des Öfteren passiert, dass wir sofort die Kontrolle verloren, wenn die Reifen mal kurz die Curbs berührten. Das geschieht nicht ständig, als dass es uns den Fahrspaß in jedem Rennen ruiniert hätte. Die meiste Zeit über macht es Laune, über die Pisten zu brettern, weil sich die Wagen gut anfühlen und das Geschwindigkeitsgefühl (zumindest in der Cockpit- oder Stoßstangenansicht) sehr gut ist. Aber an die Klasse von Race Driver: GRID kommt der neue Teil nicht heran. Und das gilt leider nicht nur für die Fahrphysik.
Enttäuschende Karriere
Codemasters versprach im Vorfeld eine umfangreiche Karriere, in der ihr euer eigenes Team managen und in ganz vielen unterschiedlichen Renndisziplinen Jagd auf einen Platz auf dem Siegerpodest macht. Das klang gut, zumal die Briten nicht nur vor elf Jahren mit Race Driver: GRID bewiesen haben, dass sie mit die besten Karrieremodi im Genre fabrizieren. Die F1-Spiele überzeugen seit Jahren mit richtig guten Singleplayer-Teilen und auch DiRT 4 hat uns in diesem Aspekt sehr gut gefallen. Hätte Codemasters einfach nur die Struktur von letzterem Spiel genommen und auf GRID übertragen, wären wir mehr als zufrieden gewesen.
Aber was serviert der Entwickler nun? Ein Menü, in dem ihr einzelne Events aus fünf Rennklassen (Tourenwagen, GT, Tuner, Stock Cars, Open Wheeler) sowie einer bunt durchgemischten Anzahl an Einladungsveranstaltungen (zum Beispiel Rennen mit Minis) auswählt. Die bestehen in der Regel aus nicht mehr als maximal vier Rennen, richtig lange Meisterschaften wie in GRID Autosport (einer der großen Pluspunkte jenes Teils) gibt es leider nicht.
Habt ihr ein Event abgeschlossen, egal auf welchem Platz, schaltet ihr ein weiteres der gleichen Kategorie frei. Am Ende erwartet euch in jeder Klasse ein Showdown-Event, ein Duell mit einem anderen Fahrer. Gewinnt ihr vier Stück davon, seid ihr für die GRID World Series qualifiziert. Das ist euer großes Ziel und, nun ja, das war es dann auch schon. Zwar ist dank der vielen unterschiedlichen Rennklassen Abwechslung geboten und mit den 104 Veranstaltungen seid ihr auch einige Stunden beschäftigt, der Karriere mangelt es aber an jeglichem Tiefgang und einer gute Präsentation. Zwischensequenzen, zum Beispiel animierte Siegerehrungen, gibt es nicht. Eine Rahmung fehlt komplett, sodass ihr letztendlich bloß ein Event nach dem anderen abarbeitet. Uns ging die Motivation da schnell verloren, zumal in Sachen Rennmodi kaum Abwechslung geboten wird. Normale Rennen und Rennen gegen die Uhr, mehr gibt es nicht. Von Drift-Wettbewerben beispielsweise, wie wir sie aus den Vorgängern kennen, fehlt jede Spur.
Wenn das eigene Team zur unwichtigen Nebensache wird
Aber halt! Im Gegensatz zu GRID Autosport habt ihr doch jetzt wieder ein eigenes Team. Sorgt das nicht für die nötige Tiefe im Einzelspieler? Leider nein! Ja, ihr habt einen Teamkollegen, dem ihr in den Rennen sogar simple Anweisungen geben könnt. Das System ist aber so irrelevant, dass Codemasters es auch hätte rauslassen können. Klar ist es gut, wenn euer Partner einen guten Platz erreicht, weil ihr so mehr Geld verdient. Aber das war es dann auch schon mit dem Teammanagement in GRID. Sponsoren gibt es nicht mehr und auch die Elemente aus den jüngsten DiRT-Spielen, also das Einstellen von diversen Mitarbeitern und der Ausbau der eigenen Einrichtungen, fehlen.
Die Progression in GRID beschränkt sich einzig und allein darauf, dass ihr zum einen Geld sammelt, um euch neue Autos zu kaufen, die ihr für die Events braucht, und zum anderen im Level aufsteigt, was aber nur unwichtige Dinge wie Hintergrundbilder für eure Online-Visitenkarte freischaltet.
Wenig, aber divers
Immerhin, die Autos sind durchaus eine Motivation, GRID weiterzuspielen. Mit um die 70 Wagen fällt der Fuhrpark zwar im Vergleich zu Titeln wie Project CARS 2 oder erst recht einem Forza Motorsport 7 mit seinen über 700 Vehikeln sehr klein aus, die Vielfalt stimmt aber. Trophy-Trucks, GT-Wagen, Muscle Cars, Formel-Autos und Prototypen sind mit von der Partie, allesamt originallizenziert. Audi, Ferrari, Porsche, Ford, Mazda, Aston Martin – als Autofan schwebt mich vielleicht nicht im siebten Himmel, ist aber durchaus zufrieden mit dem Angebot. Nur schade, dass es wie in den Vorgängern kein Tuning gibt und ihr auch optisch nicht viel Spielraum habt. Bis auf vorgefertigte Lackierungen, die ihr größtenteils erst freischalten müsst, stehen euch keine Optionen zur Verfügung.
Bei den Strecken hingegen sieht das anders aus. Gerade mal zwölf Orte gibt es, darunter alte bekannte Schauplätze wie San Francisco oder der Okutama Circuit in Japan als auch neue wie Shanghai. Zwar bietet jede dieser Locations diverse Routen, sodass GRID auf 92 Kurse kommt. Doch zum einen sind dabei auch die Varianten mitgezählt, in denen ihr eine bekannte Strecke einfach nur in umgekehrter Richtung fahrt, zum anderen bleibt eben bei so wenigen Orten die optische Abwechslung auf der Strecke. Das ist besonders schade, wenn wir bedenken, dass es in GRID Autosport über 20 Rennschauplätze gibt. Zwar ist bereits angekündigt, dass weitere Kurse per kostenlosen Updates nachgereicht werden sollen, aber das ist zunächst nur ein schwacher Trost.
Hat ein bisschen was von Autoscooter
Wenn Codemasters etwas kann, dann ist das die Entwicklung guter Rennspiel-KIs. Wie bereits erwähnt, war und ist auch heute noch Race Driver: GRID diesbezüglich großartig und kaum ein Titel eines anderen Herstellers kann sich damit messen. Im Gegenteil, die meisten Genrevertreter zeigen sich in Sachen Gegnerverhalten sogar besonders schwachbrüstig (ja, wir meinen dich, Forza Motorsport 7!). GRID macht seine Sache eigentlich ziemlich gut. Zwar ist davon, dass es 400 einzigartige KI-Fahrer gibt, die allesamt ihren eigenen Stil haben sollen, nicht viel zu spüren, doch zumindest liefern sie euch spannende Positionskämpfe. Zudem duellieren sie sich gerne mal untereinander, was man nicht häufig im Genre sieht.
Allerdings fahren die Computerpiloten recht aggressiv. Immer wieder stellte ein Kontrahent die Widerstandsfähigkeit unseres Autolacks auf die Probe. Das ist witzig, warb Codemasters doch groß mit dem Nemesis-System. Rammt ihr einen anderen Fahrer zu häufig, wird er zornig und sich fortan besonders kontaktfreudig euch gegenüber zeigen. Das ist aber letztendlich nur ein Gimmick.
Grund Nummer 1 ist eben die allgemein hohe Aggressivität der KI. Grund Nummer 2: Ihr schafft euch euren "Erzfeind" immer nur für das jeweilige Rennen, danach ist die Sache vergessen. Wer also gedacht hat, über die gesamte Karriere hinweg eine Rivalität zwischen einem selbst und anderen Fahrern aufbauen zu können, wird enttäuscht sein. Und da die Rennen nun mal sehr kurz sind, kommt das Nemesis-System kaum zum Tragen. Wenn ihr euch jemandem zum Feind gemacht habt, dabei aber an ihm vorbeigerast seid und er euch nie wieder einholt, ist jenes Feature eben vollkommen irrelevant.
Wenig, aber hübsches Fleisch
Abseits der Karriere bietet GRID nicht sonderlich viel. Es gibt noch das freie Spiel, in dem ihr Einzelrennen oder selbsterstellte Serien absolviert, und den Online-Multiplayer. Auch der fällt ziemlich spartanisch aus: Private Lobbys lassen sich erstellen und es gibt Matchmaking. Das war's. Andere Spiele bieten mit Ligasystemen oder anderen Features einfach mehr.
Dafür gibt es in Sachen Technik kaum Grund zum Meckern. GRID kann es zwar grafisch nicht mit einem der jüngeren Forza-Spiele oder Project CARS 2 aufnehmen, sieht aber trotzdem ansprechend aus. Vor allem die Automodelle, die detaillierten Cockpits und die fantastischen Regeneffekte hinterlassen einen guten Eindruck. Die Motorensounds der einzelnen Autos klingen satt. Der Rest der Tonkulisse ist nicht der Rede wert, aber der ist ja auch längst nicht so wichtig wie der Klang der Vehikel. Ah, doch eine Sache wäre da zu erwähnen: Schaltet die Kommentatoren am besten gleich zu Spielstart in den Audiooptionen aus! Die geben zu Beginn jedes Rennens immer wieder die gleichen Sätze von sich und klingen zudem höchst unauthentisch, sodass sie uns sehr schnell auf die Nerven gingen.
Fazit
Schade, Codemasters! Wir hatten uns sehr auf das Comeback von GRID gefreut. Leider hat sich gezeigt, dass der Entwickler wohl nicht so viel Vertrauen in die Marke hat und deshalb vielleicht weniger Budget in die Entwicklung gesteckt hat als bei dem sehr guten F1 2019 oder einem DiRT Rally 2.0. Die Rennen, egal ob im Single- oder Multiplayer, machen zwar schon Laune, aber an die Brillanz des elf(!) Jahre alten Race Driver: GRID kommen sie nicht heran. Nemesis-System und Team-Management sind eine Enttäuschung, die Karriere wird dadurch zum drögen Abarbeiten von Events.
Zwar beschäftigt euch GRID durchaus für um die 20 Stunden und punktet dabei auch mit vielfältigen Fahrzeugklassen, aber die geringe Anzahl an Schauplätzen lässt schnell Eintönigkeit aufkommen. Mit mehr Geld und Mühe hätte Codemasters ganz bestimmt ein fantastisches Rennspiel und damit die perfekte Alternative zu Forza und Co schaffen können. Aber weil die Briten scheinbar lieber auf Sparkurs gegangen sind, ist am Ende nur ein solider Titel dabei herausgekommen. Für zwischendurch eignet der sich ganz gut, aber wer langfristigen Rennspielspaß haben möchte, muss sich wohl bis Project CARS 3 oder Forza Motosport 8 gedulden.
- Gute Auswahl an Fahrzeugklassen
- Ordentliche Optik
- Gute Gegner-KI
- Größtenteils ordentliche Fahrphysik...
- ...mit ein paar Ausreißern
- dröge Karriere
- viel zu wenig Rennorte
- Kaum vorhandenes Teammanagement
- Nemesis-System nur ein Gimmick
- Kein Tuning
- Nur vorgefertigte Lackierungen