Ghost of Tsushima ist ein würdiger Abschluss für die PS4-Ära, obwohl seine Welt absolut formelhaft ist.
Ghost of Tsushima im Test: Oh, wie schön ist Tsushima
Wir haben schon viele Spiele gespielt, über die wir gesagt haben: "Oh Mann, das ist echt wunderschön!" Red Dead Redemption 2 ist das jüngste Beispiel. Die Westernwelt, die Rockstar in liebevoller Detailarbeit gebaut und mit aufwendigen Grafikeffekten in Szene setzt, ist das schönste Spiele aller Zeiten – wenn es darum geht, einen halbwegs realistischen Look zu kreieren. Diese Einschränkung müssen wir an dieser Stelle machen, denn es gibt einen neuen Konkurrenten für Red Dead in Sachen Schönheit: Ghost of Tsushima ist nicht einfach nur hübsch. Es ist zum Niederknien traumhaft.
Der perfekte Urlaubsort, …
Entwickler Sucker Punch hat 2014 mit inFAMOUS: Second Son einen der ersten PS4-Exklusiv-Blockbuster veröffentlicht und damals demonstriert, was technisch auf der Konsole möglich ist. Mit dem Samuraispiel beschert er der PlayStation 4 ein würdiges Finale (im Sinne von: Es ist der letzte First-Party-Titel für diese PlayStation-Generation) und dabei spielt die Optik eine entscheidende Rolle.
Technisch mag Ghost of Tsushima nicht das Beste sein, was ihr auf der PS4 spielen könnt. Dass ein The Last of Us: Part 2 schärfere Texturen, realistischere Gesichtsanimationen und detailliertere Umgebungen hat, erklärt sich dadurch, dass es nun mal kein Open-World-Spiel ist. Aber eben auch Red Dead Redemption 2 holt aus der Konsole mehr raus als der Ausflug auf das Eiland zwischen den japanischen Hauptinseln und Südkorea. Hier fallen durchaus etwas gröbere Schatten oder verwaschene Felstexturen auf. Die Laufanimationen von Hauptcharakter Jin sind recht statisch, es gibt also keine eigenen Bewegungsabläufe, wenn ihr Treppen oder einen Abhang hinauf- oder herunterlauft.
Doch all das ist Rosinenpickerei, wenn man einmal über ein breites Feld Pampasgras der Sonne entgegenreitet, nachts durch einen dicht bewachsenen Wald schleicht und das Mondlicht zwischen den Bäumen hindurchscheint, oder auf einem der vielen Berge steht und den Blick über die weite Landschaft schweifen lässt, die so abwechslungsreich ist wie nur wenige andere Spielwelten. Offene Felder schließen hier an goldene Wälder, Sümpfe, schneebedeckte Gipfel und malerische Flusstäler an. "Every Frame a Painting" – auf Ghost of Tsushima trifft das zu 100 Prozent zu. Wir können gar nicht genug in Worte fassen, wie schön dieses Spiel aussieht. Schaut euch einfach selbst Bildmaterial an und ihr werdet verstehen, warum wir so verliebt sind!
… wenn nicht gerade eine Invasion stattfinden würde
Ghost of Tsushima spielt im Jahr 1274 auf der namensgebenden japanischen Insel, die damals den Startpunkt für die erste mongolische Invasion bildete. Das Spiel beginnt direkt mit einer großen Schlacht am Strand im südlichen Teil des Eilands an, wo sich 80 Samurai gegen die Hundertscharen der Angreifer entgegenstellen und, wie könnte es anders sein, komplett niedergewalzt werden.
Nur Wenige überleben, darunter Jin Sakai, der Protagonist des Spiels. Dessen Onkel, der Fürst von Tsushima, wird von den Mongolen und ihrem Heerführer Khotun Khan gefangen genommen. Jin versucht im Alleingang, ihn zu befreien, scheitert dabei aber sang- und klanglos. An dieser Stelle endet der rund einstündige Prolog und das eigentliche Spiel beginnt, in dem ihr als Jin zunächst daran arbeitet, Verbündete zu finden, die euch bei der Befreiung eures Onkels und Lehrmeisters zur Seite stehen.
"Er hat keine Ehre!"
Sucker Punch hat eine Hommage an die alten japanischen Samuraifilme geschaffen, insbesondere an die Werke des Regisseurs Akira Kurosawa ("Die sieben Samurai"). Es geht vor allem sehr viel um Ehre. Die Samurai folgen einem Kodex, der unter anderem besagt, dass man seinem Gegner stets in die Augen blickt. Jin jedoch merkt, dass er sich daran nicht halten können wird, wenn er seinen Onkel und ganz Tsushima retten möchte, da er es mit einer riesigen Übermacht zu tun hat.
Im Verlauf des Spiels wird der Protagonist zum titelgebenden Geist von Tsushima. Er beginnt, Guerillataktiken im Kampf gegen die Invasoren zu nutzen, sich an sie anzuschleichen, aus dem Hinterhalt zu erdolchen oder die sogenannten Geisterwaffen einzusetzen, beispielsweise Kunai oder Haftbomben. Doch so effektiv dieser Pfad auch sein mag, Jin hadert damit. Manchmal werden sogar, beinahe zufällig, Rückblenden an die Zeit, in der Jin von seinem Onkel den Samuraikodex beigebracht bekommen hat, eingespielt, nachdem ihr mal wieder ein hinterhältiges Attentat verübt habt – ein nettes Element, das den inneren Konflikt der Hauptfigur zum Ausdruck bringt.
Alles in allem ist die Geschichte aber kein Oscar-Material. Sie ist simpel und verläuft sehr geradlinig. Das heißt nicht, dass sie uns gelangweilt hat und es gibt durchaus auch ein paar nette Wendungen, aber nichts davon hat uns beeindruckt. Ghost of Tsushima ist ein interaktiver Samuraifilm, der die klassischen Themen behandelt und eine gute Basis für das Gameplay legt. Aber anders als etwa bei einem The Last of Us: Part 2 oder Red Dead Redemption 2 konnten wir nicht deshalb das Gamepad aus der Hand legen, weil wir stets wissen wollten, wie die Handlung weitergeht, sondern weil uns andere Aspekte so gut gefallen haben.
Die Hauptstory ist weniger als die halbe Miete
Die Handlung von Ghost of Tsushima ist in drei Akte unterteilt. Jeder davon besteht aus mehreren Hauptmissionen, die ihr größtenteils in beliebiger Reihenfolge absolvieren könnt. Diese Struktur ähnelt sehr dem eines GTA oder Red Dead Redemption, nur ist die Anzahl an Aufgaben nicht so immens hoch wie in den Rockstar-Spielen. Wer sich nur auf die Hauptgeschichte konzentriert, sieht den Abspann nach weniger als 20 Stunden. Doch dann entgeht euch der Großteil des Spiels
Es gibt fast 70 Nebenquests und die sind es alle wert, erlebt zu werden. Das hat weniger damit zu tun, dass das Missionsdesign sonderlich ausgefeilt wäre. In den meisten Fällen, und da schließen wir die Hauptaufgaben mit ein, ist es Open-World-Standard. Dort ein feindliches Lager ausräuchern, hier ein paar Gefangene befreien. Jeder Auftrag führt unweigerlich dazu, dass ihr gegen Mongolen kämpft. Ab und zu dürft ihr auch mal wie Hexer Geralt Orte untersuchen und Spuren folgen, das ist jedoch spielerisch sehr seicht.
Trotzdem wollten wir keine Quest außenvorlassen, denn sie alle erzählen eigene Geschichten. Viele der Missionen sind direkt mit Charakteren verknüpft, die ihr im Verlauf der Haupthandlung kennen lernt beziehungsweise rekrutiert und alle ihre eigenen Sorgen haben. Da wäre der Sensei Ishikawa, der damit zu kämpfen hat, dass seine Schülerin zur Verräterin geworden ist, oder die alte Lady Masako, die nach Rache für ihre ermordete Familie trachtet. Deren Geschichten werden in langen Questreihen erzählt, die sich über alle drei Akte des erstrecken.
Heldenmythen
Dazu kommen noch weniger aufwendig inszenierte, aber trotzdem nett gemachte Aufgaben, in denen ihr der sonstigen Bevölkerung helft, und die sogenannten "Mythischen Geschichten". Letztere sind das heimliche Highlight im Questangebot von Ghost of Tsushima. Sie beginnen stets damit, dass euch ein Musiker eine Geschichte von einem legendären Krieger erzählt, was als schöne Zwischensequenz im Stil klassischer japanischer Tuschemalerei inszeniert wird.
Danach begebt ihr euch auf Schatzsuche und am Ende erhaltet ihr eine besondere Belohnung. Ihr folgt Hinweisen, beispielsweise Landschaftsbildern, deren Vorlagen in der Natur ihr suchen müsst, klappert mehrere Orte ab und es kommt auch immer wieder zum Kampf. Diese Touren haben uns sehr viel Spaß gemacht und gerne hätte es noch mehr davon geben dürfen. Mit sieben Stück sind die "Mythischen Geschichten" nämlich recht rat gesät.
Wahre Kampfkunst
Dass uns die Missionen nicht langweilen, hat auch viel mit dem hervorragenden Gameplay zu tun. Es ist eine wahre Freude, in Ghost of Tsushima zu kämpfen. Jin setzt in den offenen Konfrontationen in erster Linie sein Katana ein. Ihr führt leichte und schwere Angriffe aus, weicht feindlichen Attacken aus, könnt sie aber auch mit gedrückter Schultertaste blocken oder, wenn ihr den Knopf im richtigen Moment drückt, parieren, um dann besonders tödlich zurückzuschlagen. Durch Paraden bringt ihr eure Gegner zum Taumeln und brecht somit ihre Verteidigung. Es gibt jedoch auch Angriffe, die ihr zumindest zu Beginn des Spiels weder blocken noch parieren könnt (die sind dann rot gekennzeichnet).
Gerade am Anfang sind die Gefechte wirklich herausfordernd, selbst auf dem normalen Schwierigkeitsgrad. Ihr könnt nicht viele Treffer einstecken und eure Lebensenergie regeneriert sich nicht automatisch im Lauf der Zeit. Es gibt jedoch auch keine Heiltränke. Stattdessen gewinnt Jin Entschlossenheit, wenn er Widersacher tötet (die gelben Kreise über der Lebensleiste). Habt ihr eine komplette Einheit, könnt ihr sie für einen Heilvorgang aufbrauchen, indem ihr auf dem Steuerkreuz "Nach unten" drückt.
Ihr könnt euch in Ghost of Tsushima also nicht hinter eurem Katana "verstecken" und die ganze Zeit blocken, wenn ihr mal kurz vor dem Ableben steht. Ihr müsst in die Offensive gehen, um genügend Entschlossenheit zu erhalten, um euch selbst zu heilen. Ihr solltet aber nicht blind auf eure Gegner einschlagen. Das kann zum Erfolg führen, aber auch gehörig in die Hose gehen. Ihr seid gut beraten, die Angriffsmuster der verschiedenen Gegnertypen zu studieren und genau zu wissen, wann ihr in der Defensive bleiben und wann in die Offensive gehen solltet.
Viele Optionen
In den Kämpfen greift ihr aber nicht nur auf euer Katana zurück. Ihr könnt auch die Geisterwaffen einsetzen. Mit Haftbomben lassen sich Feinde in brenzligen Situationen schnell ausschalten, Rauchbomben wiederum verhelfen euch zum Rückzug, Kunai bringen Gegner zum Taumeln. Außerdem gibt es den Bogen, um Gegner aus der Ferne auszuschalten, was dank gutem Trefferfeedback sehr befriedigend ist.
Für noch mehr Optionen und Tiefgang sorgen die vier verschiedenen Kampfhaltungen. Das erinnert ein wenig an Nioh. Jede Haltung eignet sich gut gegen einen gewissen Gegnertyp. "Wasser" etwa ist effektiv gegen Schildträger, mit der Windhaltung nehmt ihr Speerkämpfer leichter auseinander. Während eines Kampfes wechselt ihr recht einfach die Haltung (die Zeit wird dabei verlangsamt) und so regt euch Ghost of Tsushima dazu an, von diesem Feature oft Gebrauch zu machen, was uns sehr gut gefällt. Weniger gut finden wir hingegen die Kamera. Oftmals verdecken uns Umgebungsobjekte die Sicht oder wir werden in eine Ecke getrieben und sehen Jin nicht mehr. Eine Lock-on-Funktion hätte hier schon sehr geholfen, doch die fehlt leider in Ghost of Tsushima. Das Kampfsystem ist also nicht perfekt, aber immerhin sehr nah dran.
"Challenge me!"
Das Gameplay hat aber noch mehr zu bieten, etwa die Herausforderungsmechanik: Wenn ihr euch einer Gruppe Mongolen oder Banditen nähert, ruft Jin auf Knopfdruck, dass sie doch ihren besten Mann schicken sollen, der im 1-gegen-1 gegen den Samurai antritt. Dann haltet ihr "Dreieck" solange gedrückt, bis euer Gegenüber zum Schlag ausholt, um im richtigen Moment einen tödlichen Schwertstreich auszuführen. Stimmt euer Timing nicht, nehmt ihr besonders viel Schaden. Das klingt wie ein simpler Reaktionstest, aber a) wird das System im Laufe des Spiels noch erweitert, sodass ihr mehrere Feinde nacheinander flott aufschlitzen könnt, und b) sieht es verdammt cool aus.
"Verdammt cool" sind auch die Duelle, die quasi die Bosskämpfe in Ghost of Tsushima sind und sich im Zuge von Haupt- sowie Nebenmissionen ereignen. Hierbei habt ihr nur euer Katana zur Verfügung, auf Geisterwaffen und den Bogen könnt ihr nicht zurückgreifen. Diese Kämpfe machen richtig viel Spaß, weil sie schön in Szene gesetzt werden und oftmals an besonders schick gestalteten Orten stattfinden.
Werdet zum Geist!
Wer Camps nicht im offenen Kampf säubern möchte, schleicht sich eben hinein, klettert auf Dächer, kriecht unter Karren und schaltet Feinde leise mit dem Messer oder Bogen aus. Zudem gibt es manchmal die Möglichkeit, die Umgebung zu eurem Vorteil einzusetzen. Steht ein Widersacher neben einem Hornissennest, hetzt ihr ihm die Biester auf den Hals, indem ihr einen Pfeil auf deren Behausung feuert. Außerdem lassen sich Sprengpfeile auf Pulverfässer feuern und manchmal findet sich ein Bär in einem Käfig, der nach seiner Befreiung Rache an denjenigen nimmt, die ihn in hinter Gitter gesteckt haben.
Kurzum: Das Schleich-Gameplay in Ghost of Tsushima ist äußerst konventionell, funktioniert aber gut und ist daher eine spaßige Alternative zu den normalen Kämpfen. Es sollte aber nicht euer Fokus sein, stets unbemerkt vorzugehen, denn die offenen Konflikte sind das spielerische Highlight. Und ihr wollt ja sicherlich auch wenigstens ein Stückchen eurer Ehre behalten, oder?
Wertvoller Fortschritt
In Ghost of Tsushima geht es viel darum, dass ihr euch wie ein kampfstarker Samurai fühlen sollt. Am Anfang des Spiels seid ihr noch nicht so mächtig, aber das verändert sich im weiteren Verlauf. Ihr erhaltet immer mehr Möglichkeiten, eure Gegner zu bezwingen, und dadurch steigt der Spaß an den Kämpfen stetig an. Dabei gelingt dem Spiel das Kunststück, dass es nicht irgendwann zu einfach wird, weil ihr ab einem gewissen Punkt einfach zu mächtig seid. Je stärker ihr werdet, desto besser gerüstete Feinde stellen sich euch in den Weg. Bis zum Ende bleiben die Auseinandersetzungen spannend und fordernd, zeitgleich spürt ihr deutlich, dass ihr immer stärker werdet.
Dabei ist Ghost of Tsushima kein Rollenspiel, Erfahrungspunktesammelei und Rangaufstiege gibt es trotzdem, aber anders, als ihr es gewohnt seid. Erfüllt ihr Missionen oder schlachtet einfach so Gegner in der Spielwelt ab, wächst euer Legendenstatus. Erreicht ihr einen neuen Rang, erhöht sich eure Lebensenergie ein wenig. Viel wichtiger sind aber die Technikpunkte, die ihr zwischen den Aufstiegen erhaltet. Mit denen schaltet ihr neue Fähigkeiten in verschiedenen Talentbäumen frei, wobei jeder für sich genommen sehr überschaubar ist und ihr eigentlich nur entscheidet, was ihr wann erlernen wollt. Früher oder später habt ihr eh alle Skills freigeschaltet.
Die Fähigkeiten sind allesamt sehr nützlich. Irgendwann könnt ihr Angriffe blocken oder parieren, denen ihr zuvor nur ausweichen konntet. Oder ihr erlernt neue Attacken, etwa einen schnellen Konterschlag nach einem Ausweichschritt. Obendrein verbessert ihr mit Technikpunkten eure Geisterwaffen, sodass euch beispielsweise eure eigenen Haftbomben keinen Schaden mehr zufügen oder ihr mehr Kunai auf einmal werft.
Samurai mit Stil
Außerdem sammelt ihr insgesamt elf Rüstungen, die sich zudem mit gesammeltem Crafting-Material verbessern lassen (das gilt auch für eure Waffen). Jede Klamotte hat eigene Boni. Das Samurai-Klan-Outfit etwa verringert sämtlichen erlittenen Schaden und erhöht eure Lebensenergie, die Ronin-Kleidung wiederum steigert den Nahkampfschaden und reduziert die Geschwindigkeit, mit der Gegner euch entdecken. Sehr cool: Die Optik der Rüstungen verändert sich mit jedem Upgrade, was es noch motivierender macht, Wildschweine zu jagen sowie verschiedene Hölzer und Metalle zu sammeln. Obendrein könnt ihr alternative Farben für die Rüstungen bei Händlern erwerben, denen ihr dafür nur ein paar Blumen geben müsst. Zusätzlich gibt es etliche rein kosmetische Accessoires in Form von Hüten, Stirnbändern und Schwertschäften.
Wenn Formelhaftigkeit gar nicht so sehr stört
Die motivierende Progression ist auch der Grund dafür, dass die systemische Spielwelt nicht so schwer ins Gewicht fällt. Eigentlich ist Ghost of Tsushima ein Standard-Open-World-Spiel nach Art von Ubisoft. Einzigartige Entdeckungen macht ihr nur ganz selten. In den meisten Fällen entpuppt sich ein "Point of Interest" schlicht als eines der verschiedenen Systeme, die Ghost of Tsushima zu bieten hat.
Natürlich gibt es etliche Mongolenlager, die ihr säubern sollt. Dazu kommen Schreine, an denen ihr betet, um entweder einen Talisman mit einem mächtigen Bonus oder weitere Slots für jene Objekte zu erhalten. Immerhin müsst ihr für erstere Sorte stets eine kleine Kletterpassage in bester Uncharted-Manier bewältigen. Das ist nie schwierig, da die Mechanik äußerst simpel ist, bietet aber eine nette Abwechslung zu den Kämpfen und wird zudem auch immer noch mit einer herrlichen Aussicht belohnt.
An Bambusständern übt ihr euren Schwertschwung, was sich als simples Minispiel entpuppt, bei dem ihr schnell eine bestimmte Tastenabfolge drücken müsst. Außerdem könnt ihr an besonders traumhaften Orten Haiku, traditionelle japanische Gedichte, schreiben. Spielerisch ist das belanglos, da ihr nur Punkte in der Landschaft auswählt, wozu Jin dann jeweils eine Zeile verfasst, und als Lohn lediglich ein Stirnband bekommt. Aber das Ganze passt wunderbar in die Welt und zu Jin als Charakter. Es sind Momente der Ruhe, die er genauso gut gebrauchen kann wie ihr. Gleiches lässt sich auch über das Baden in heißen Quellen sagen, wobei der Samurai über bestimmte Dinge sinniert. Da sich dadurch aber seine Energieleiste leicht erhöht, haben diese Entspannungsbäder auch einen Gameplay-Nutzen.
"Ganz schön windig hier!"
Die Open-World-Systeme gehen uns noch aus einem weiteren Grund nicht auf die Nerven: Ghost of Tsushima fühlt sich, wenn ihr es richtig spielt, nie wie Arbeit an. Im Prinzip arbeitet ihr zwar auch hier wie in einem Ubisoft-Titel Listen durch und klappert Fragezeichen auf der Karte ab, aber das merkt ihr nur, wenn ihr in den Menüs unterwegs seid. Im eigentlichen Spiel ist davon so gut wie nichts zu spüren. Es gibt weder eine Minikarte noch einen Kompass, das Interface ist allgemein angenehm reduziert, damit ihr möglichst viel von der Welt seht.
Die Richtung zu eurem nächsten Ziel gibt euch der Wind an. Wischt ihr auf dem Touchpad des Controllers nach oben, verstärkt sich dieser Effekt für ein, zwei Sekunden. Wirklich nötig ist das aber nicht, da in Ghost of Tsushima eh jederzeit Hunderte Blätter und andere Partikel durch die Gegend fliegen und euch den Weg weisen. Zu interessanten Orten führen euch indes goldene Vögel, Rauchfahnen in der Ferne dienen ebenfalls als natürliche Hinweise darauf, wo ihr etwas von Bedeutung findet, und kommt ihr zu einem Fuchsbau, springt sofort ein freundlicher Fellträger heraus, der euch zu einem Schrein geleitet (und sich oftmals danach streicheln lässt).
Natürlich wiederholen sich all diese Dinge und werden schnell zur Routine, aber sie sind eben deutlich atmosphärischer als irgendwelche Markierungen oder eine Mini-Map mit Navigationssystem. Und wenn ihr die Weltkarte so selten wie möglich aufruft, eure nächste Mission jederzeit über das Journal auswählt und euch sonst nur von der Welt und eurer Neugier führen lasst, habt ihr auch mehr das Gefühl, Tsushima selbst zu erkunden, als bloß ein Fragezeichen nach dem anderen abzuarbeiten.
Ein Genuss für die Ohren
Ghost of Tsushima gibt euch das Gefühl, euch in seine Welt fallen lassen zu können und komplett in der Rolle des Samurai aufzugehen. Dazu tragen nicht nur kleine Details wie die Optionen, sich zu verbeugen oder das Blut vom Katana abzuwischen, sondern auch die hervorragende Soundkulisse bei. Das Rauschen des Windes sticht dabei besonders heraus, aber auch die sonstige Umgebung wirkt, rein akustisch betrachtet, sehr lebendig (visuell sieht das anders aus, auf Tsushima ist alles sehr statisch, die Insel ist mehr Kulisse als eine authentische Spielwelt). Vögel zwitschern, Menschen in den Siedlungen unterhalten sich, am Strand lauscht ihr dem Meeresrauschen. Dazu kommt die fantastische Musikuntermalung. Der Soundtrack klingt typisch japanisch, wenn etwa Bambushölzer klappern, Flöten spielen und dazu laut getrommelt wird.
Bei der Sprachausgabe gibt sich Ghost of Tsushima ebenfalls wenig Blöße. Die deutsche Synchronisation ist wirklich gut. Wenn ihr aber entweder der jeweiligen Sprachen mächtig seid oder kein Problem mit Untertiteln habt, empfehlen wir euch die englische oder japanische Fassung. Letztere ist logischerweise authentischer, jedoch nicht lippensynchron. Wen das stört, der spielt eben mit englischer Sprachausgabe, die ebenso hervorragend ist.
Fazit
Ghost of Tsushima hätte leicht ein recht generisches Open-World-Spiel werden können, genug repetitive Aktivitäten gibt es ja. Aber Sucker Punch hat geschafft, was wir nach der Gameplay-Präsentation im Mai nicht für möglich gehalten hätten: dass es uns trotzdem Spaß macht, die Insel Tsushima frei zu erkunden. Auch wenn wir immer wieder das Gleiche finden, so ist es doch belohnend oder zumindest atmosphärisch. Außerdem wollen wir ja diese wunderschöne Landschaft in voller Gänze sehen und da hilft es eben nicht, nur stur von Mission zu Mission zu reiten.
Abgesehen davon steckt eben auch so viel guter Inhalt in Ghost of Tsushima. Die Nebenquests sind schön gemacht und das Gameplay ist bis auf kleinere Macken fantastisch. Wir haben uns mit Freude in jeden Kampf gestürzt. Das System bietet genug Tiefgang und es ist einfach sehr befriedigend, Mongolen mit dem Katana aufzuschlitzen, auf dass das Blut nur so heraussprießt. Schade nur, dass die Story da nicht mithalten kann. Eine packende Handlung hätte Ghost of Tsushima den roten Teppich hin zu den ganz hohen Wertungsregionen ausgerollt. Aber auch so ist es ein Spiel, dass jeder PS4-Besitzer mit Hang zum feudalen Japan unbedingt gespielt haben sollte.
- Wunderschöner Grafikstil
- Spaßiges Kampfsystem mit Tiefgang
- Abwechslungsreiche, große Spielwelt
- Jede Menge gute Nebenquests
- Solide Schleichmechanik
- Herausragende Progression
- Starker Soundtrack
- Gute Vertonung
- Story nur Mittelmaß
- Open World sehr systemisch
- Kameraprobleme in Kämpfen