Mit Elex gelang Piranha Bytes ein interessantes Setting. Elex 2 aber zeigt, dass es den Team an einer Vision fehlt.
Elex 2 im Test: Und täglich grüßt das Murmeltier
Elex 2 zu bewerten, ist nicht einfach. Das Spiel stammt vom Entwickler Piranha Bytes, den man entweder dafür feiert, dass er seit Gothic 2 genau weiß, welche Art von Spielwelt seine Fans erwarten und haben möchten, oder den man dafür stark kritisieren kann, dass er mehr oder weniger seit Gothic 2 immer wieder das gleiche Spiel entwickelt. Wer versucht, sich irgendwo dazwischen einzuordnen, kommt schnell unter die Räder, da Design, Setting und Dialoge der Spiele des Essener Studios irgendwie in einem Parallelkosmos existieren und nicht gut mit anderen Rollenspielen vergleichbar sind.
Piranha Bytes erzeugt mit Elex 2 sehr viele, teils stark ambivalente Gefühle. Einerseits fühlen sich Fans vermutlich sofort Zuhause und wissen, was sie zu tun haben, andererseits ist der Titel selbst für Piranha-Bytes-Verhältnisse technisch (zumindest auf dem PC) in einem sehr rohen, an vielen Stellen auch katastrophalem Zustand. Es folgt der Versuch, Elex 2 irgendwie einzuordnen.
Magalan steht mal wieder vor dem Abgrund
Die Geschehnisse von Elex 2 spielen einige Jahre nach der großen Schlacht am Ende des Vorgängers. Seitdem befindet sich zwar aus irgendwelchen Gründen ein eigenartiger Körper am Himmel, aber wie die Menschen nunmal sind, interessieren sie sich nicht wirklich für die drohende Gefahr. Stattdessen beherrschen territoriale Konflikte und kleinere Scharmützel unter den Gilden den Alltag. Jax, in dessen Rolle ihr schon im ersten Elex geschlüpft seid, zieht sich irgendwann frustriert in ein Haus im Wald zurück, nachdem er vehement versucht hat, die Menschen auf die existenzielle Gefahr hinzuweisen.
Es kommt, wie es kommen muss. Direkt von dem fremden Himmelskörper aus schlagen Blitze und Objekte auf Magalan, die Elex-Spielwelt, ein und richten in den umliegenden Gebiete große Zerstörung an. Zu allem Überfluss scheinen auch merkwürdige und tödliche Aliens auf dem Planeten gelandet zu sein. Nach einem kurzen Kampf infiziert sich Jax mit dunklem Elex und wird von einem Fremden im Wald aufgelesen.
Der Einstieg in Elex 2 verläuft ziemlich spektakulär. Es geht sofort zur Sache und ihr werdet direkt ins Geschehen geworfen. Allerdings hält dieses Tempo leider nicht sehr lange an. Zwar gibt es diesmal keinen Expositionsberserker wie im Vorgänger, der euch innerhalb eines lahmen Dialogs die Welt erklärt, doch Adam, der euch schließlich im Wald findet, kommt dieser Rolle schon sehr nah. Habt ihr euch von ihm eine Kartoffel ans Ohr quatschen lassen, entlässt euch das Spiel mit einigen äußerst fragwürdigen Enthüllungen in die Spielwelt. Das Pacing bleibt dann erst einmal auf niedrigem Level.
Dabei ist euer Ziel eigentlich recht spannend und von großer Dringlichkeit. Immerhin beauftragt euch Adam damit, eine Streitkraft für die bevorstehende Invasion der Aliens zusammenzustellen. Aber das dauert. Erstmal führt ihr haufenweise Dialoge, erledigt enorm verschachtelte Quests und latscht viel durch die Gegend. Die Geschichte kommt außerhalb der deutlich markierten Hauptmissionen nahezu null voran. Bei vielen Aufträgen werdet ihr außerdem immer ausgebremst, da sich eure Zielperson in einem Bereich befindet, den ihr Piranha-Bytes-typisch noch nicht betreten könnt. Das führt dann in der Regel zu noch mehr Nebenquests, die ihrerseits ebenfalls wenig bis gar nichts mit der Aufgabe zu tun haben, wegen der ihr eigentlich euren jetzigen Standort aufgesucht habt. Das führt leider dazu, dass viele der Geschichten, egal ob Haupt- oder Nebenstorys, immer wieder teils für längere Zeit pausiert werden und zerfasern. Auf diese Weise verliert ihr schnell das eigentliche Ziel aus den Augen.
Von Pontius zu Pilatus und wieder zurück
Die Kleriker, eine der spielbaren Gilden und eine mächtige Fraktion im ersten Elex, sind nur noch ein Schatten ihrer selbst, wenn ihr sie das erste Mal trefft. Nichtsdestotrotz ist ihr Oberhaupt natürlich froh, wenn ihr euch dieser Gemeinschaft anschließen möchtet. Da Jax aber in seinen Jahren in der Waldhütte absolut jegliche Kampferfahrung (aus was für Gründen auch immer) verloren hat und euch die Kleriker nicht auch noch ausbilden möchten, schickt er euch zu einer der anderen Fraktionen, den Albs, bei denen ihr euch erstmal hocharbeiten sollt. Dann könnt ihr wiederkommen und euch den Klerikern anschließen.
Ihr möchtet eure Zeit lieber bei den Berserkern verbringen? Hier stoßt ihr auf die vermutlich lächerlichste Nebenquestverschachtelung der letzten Jahre. Um die Gunst eines ranghohen Berserkers zu erlangen, müsst ihr die Probleme eines anderen lösen, damit ihr ihn als Fürsprecher gewinnt. Der verweist euch wiederum an jemand Dritten verweist, dem ihr auch erst mal einen Gefallen erweisen sollt. Danach geht ihr zurück zur vorherigen Station. Hier warten natürlich weitere Probleme auf euch, die ihr erst zwingend lösen müsst, inklusive einer Suche vor den Toren der Stadt nach einem verloren gegangenen Schüler, bevor der Berserker bereit ist, ein gutes Wort für euch beim eigentlichen Questgeber einzulegen. Da ihr aber leider drei Fürsprecher braucht, um in den abgesperrten Bereich der Berserkerstadt zu gelangen, warten zwei weitere Nebenqueststränge auf euch, bevor ihr mit dem Anführer sprechen könnt. Mit dem solltet ihr nämlich im Zuge einer Hauptquest sprechen. Nach Abschluss dieser Mission haben wir nur eine Frage: Warum?!
Das Problem wird leider noch dadurch vergrößert, dass die ersten Stunden in Elex 2 extrem Arm an Kämpfen sind. Typisch für Piranha Bytes seid ihr zu Beginn des Spiels kein mächtiger Held, der jeden Gegner mit einem Schlag umhaut. Im Grunde seid ihr das genaue Gegenteil eines Geralt aus The Witcher. Das führt wiederum dazu, dass ihr sehr viel Zeit in Gesprächen verbringt und Ewigkeiten durch die verschiedenen Standorte der Fraktionen latscht. Abwechslung von verschachtelten Nebenquests findet ihr zum Spielstart leider nur selten.
Vielfältige Gilden
In Elex 2 könnt ihr euch abermals einer von fünf Fraktionen, in der Spielwelt auch oft "Gilde" genannt, anschließen oder erstmals in der Geschichte der Piranha-Bytes-Spiele auch bis zum Ende fraktionslos bleiben. Allerdings macht euch Adam mehrfach und eindringlich darauf aufmerksam, dass euch dann viel hochwertiges Equipment und etliche Ausbilder durch die Lappen gehen. Neben eurer eigenen Quasi-Fraktion sind die folgenden fünf Gilden in Magalan anzutreffen:
Die Berserker
Die Berserker sind eine sehr naturverbundene Fraktion, die der Technik abgeschworen haben und voll auf Magie und mittelalterliche Waffen setzen. In Elex 2 haben sie sich im sogenannten Fort niedergelassen und festigen von dort aus weiter ihren Einfluss in der Region. Schließt ihr euch den Berserkern kann, spielt ihr Elex 2 in gewisser Weise mehr als Fantasy- denn als Sci-Fi-Spiel.
Die Kleriker
Die Kleriker waren im ersten Elex eine sehr fortschrittliche und hochgerüstete Gilde, die voll auf die Vorzüge von technischen Errungenschaften setze. Der Krieg gegen die Albs hat ihnen aber schwer zugesetzt. In Elex 2 ist von ihrer einstigen Größe und Stärke nicht mehr viel zu sehen.
Die Outlaws
Die Outlaws sind ebenfalls aus dem Vorgänger bekannt. Der Name dieser Gilde ist selbsterklärend. Regeln sind egal, es gilt das Gesetz des Stärkeren. Optisch erinnern die Gebiete und das Design der Outlaws an die "Mad Max"-Filme.
Die Albs
Die Albs aus dem Eispalast waren im ersten Elex die Antagonisten des Spiels. Sie sind eine technisch hochentwickelte Fraktion, die durch den Überkonsum von Elex absolut emotionslos geworden ist. Nach den Geschehnissen im Vorgänger hat aber ein Umdenken stattgefunden, der Konsum von Elex wurde eingeschränkt und nicht hinderliche Emotionen zugelassen. In Elex 2 könnt ihr euch den Albs, anders als im Vorgänger, anschließen.
Die Morkons
Die Morkons tauchen in Elex 2 das erste Mal auf. Diese Gilde hat sich nach dem Meteoriteneinschlag, der den Planeten Magalan zu dem gemacht hat, was er heute ist, unter die Erde in die sogenannte Grotte geflüchtet. Dort beten sie den Stillstand an und gehen in kleineren Gruppen immer wieder auf Tour, um Sklaven zu fangen, die sie anschließend für ihre Zwecke arbeiten lassen. Nur Sklaven, die sich vollständig in die Gesellschaft der Morkons integrieren, dürfen ihre Käfige wieder verlassen. Die Morkons sind eine Fraktion mit ziemlich streitbaren Ansichten und Methoden, aus denen Piranha Bytes aber leider nichts weiter herausholt.
Eine offene Spielwelt ohne nervigen Sammelkram
Dem wechselhaften Pacing steht eine interessante und offene Spielwelt gegenüber, in der sich angenehmerweise kaum Genrekonventionen wiederfinden lassen. In Magalan existieren keine Aussichtspunkte, keine Banditenlager, keine lieblosen Sammelobjekte … Es existiert einfach kein "Zeug". Die Spielwelt wirkt wie aus einem Guss und als wäre das aller meiste tatsächlich per Hand platziert worden. Das merkt ihr schon alleine daran, wie gut eure Umgebung auf das Jetpack, das es aus Teil 1 natürlich auch in Elex 2 geschafft hat, abgestimmt ist. Ihr findet immer wieder Vorsprünge, Kanten oder Schluchten, die ohne Einsatz des Geräts unüberwindbar sind. Das Jetpack könnt ihr jetzt auch in deutlich größerem Maße erweitern und sogar soweit ausbauen, dass ihr völlig frei durch die Spielwelt fliegen könnt.
Abseits dessen erwartet euch eine typisch raue Spielwelt nach dem klassischen Piranha-Bytes-Konzept. Theoretisch steht euch alles von Anfang an offen. Praktisch lauern natürlich überall Gefahren, die euch gerade auf den niedrigen Stufen ohne mit der Wimper zu zucken erledigen. Wie in Gothic 2 ist es immer noch sehr befriedigend, einen Steintroll, an dem ihr anfangs einfach nicht vorbeigekommen seid, ein paar Level später zu erschlagen.
Besonders positiv ist uns auch aufgefallen, wie Jax und seine potenziellen Gefährten auf die Umgebung reagieren. Caja, eine Magiern aus dem ersten Elex, die euch auch in Elex 2 wieder zur Seite steht, fühlt sich in den öden Gebieten im Territorium der Outlaws und Morkons nicht sonderlich wohl und schwärmt stattdessen, wenn ihr durch die schönen saftigen Wälder im Berserkergebiet streift. Euer Kollege wider Willen Bully kann Wälder überhaupt nicht ausstehen und bevorzugt stattdessen den strengen Geruch von Unrat.
Wie schon im Vorgänger ist Piranha Bytes auch in Elex 2 der Mix aus postapokalyptischer Sci-Fi-Welt und vielen Fantasy-Elemente gut gelungen. In die Rüstungen der Berserker sind immer wieder feine Details eingearbeitet, die zeigen, dass in dieser Welt auch High-Tech-Ausrüstung existiert. Und wo könnt ihr sonst mit Zweihänder in die Schlacht gegen hochgerüstete Aliens mit Laserwaffen ziehen?
Bei aller Liebe zur Welt an sich, müssen wir leider die grafische Präsentation kritisieren. Piranha-Bytes-Spiele waren grafisch noch nie auf dem allerneuesten Stand und das haben wir auch oftmals einfach so hingenommen. Allerdings wirken besonders die Charaktermodelle arg aus der Zeit gefallen. Mimiken sind in den Gesichtern kaum zu erkennen und die Animationen sehr ruckartig. Generell erwecken die Figuren den Anschein, als wären sie eher Puppen und keine Menschen.
Die Größe der Spielwelt wird für Elex 2 an manchen Stellen zum Problem. Ältere Piranha-Bytes-Spiele haben sich unter anderem auch dadurch ausgezeichnet, dass eine Orientierung ohne Questmarker und häufig sogar ohne Karte möglich gewesen ist. In einem Gothic 2 sind in der Welt etliche markante Orientierungspunkte verteilt und die Wegbeschreibungen der NPCs stets eindeutig. Seit Elex wackelt dieser Ansatz ein wenig.
Schon in den ersten Spielminuten sollt ihr als Jax zu den Ruinen der Bastion im Norden aufbrechen. Die Karte mit ihren Questmarkern einmal ausgeklammert, ist das schon alles an Informationen. Selbstverständlich findet ihr auf den Weg nach Norden in einer postapokalyptischen Welt jede Menge Ruinen. Nur wie solltet ihr ohne Markierung wissen, zu welcher ihr sollt? Innerhalb der Städte funktioniert die alte Orientierungsformel noch, aber außerhalb mangelt es an Dingen wie etwa den Aussichtstürmen des Alten Lagers in Gothic 1 oder dem Leuchtturm der Hafenstadt im ersten Risen.
Starke "Gothic 2"-Flashbacks
Die Kämpfe spielen sich leider sehr ungelenk. Das System fußt im Prinzip immer noch auf dem der Gothic-Spiele. Leider ist es vor allem auch bei Auseinandersetzungen mit vermeintlich überlegenen Gegner sehr leicht auszutricksen. Einen Schritt auf den Feind zu, kurz draufhauen, wieder zwei Schritte zurück. So ein Kampf kann natürlich sehr lange dauern, ist aber, sofern ihr euch nicht treffen lasst, auf diesem Weg sehr leicht zu gewinnen. Und selbst wenn ihr einmal getroffen werdet, genügen statt zwei einfach drei oder vier Schritte zurück, um schnell eine Kartoffelpfanne zu essen und dann fortzufahren.
So richtig motivierend ist das Kampfsystem vor diesem Hintergrund natürlich nicht. Klar, ihr müsst so natürlich nicht spielen. Aber wir würden uns so ganz langsam ein Gameplay von Piranha Bytes wünschen, das etwas mehr in der Gegenwart verankert ist.
Technisch eine mittelschwere Katastrophe
Elex 2 zu spielen, war für uns ein extrem wechselhaftes Erlebnis. Es kam leider immer wieder zu Abstürzen an den unterschiedlichsten Stellen. Es war uns nicht möglich, sie zu provozieren, sie kamen und gingen, wie sie wollten. Besonders in den Städten traten zudem immer wieder extreme Bugs auf. Gegenstände ploppten auf oder verschwanden einfach. Jax’ Kopf, Arme oder gleich sein ganzer Körper wurden plötzlich unsichtbar und das auch während Dialogen. Bäume tauchten auf und lösten sich sofort wieder in Luft auf, Schatten blitzten ständig über den Boden. Besonders im Fort der Berserker traten diese Probleme bei uns am häufigsten auf. Kleinere Bugs können bei so komplexer Software wie Computerspielen natürlich vorkommen. Allerdings sind wir von ihrer Intensität und Häufigkeit, selbst für Piranha-Bytes-Verhältnisse, stark überrascht.
Etwas irritiert hat uns außerdem die Kamera. Anders als in jedem vorherigen Spiel von Piranha Bytes können die Zoom-Stufen und Kamerawinkel nicht mehr eingestellt werden. Das Spiel entscheidet selbst, ob sie lieber über Jax’ rechte oder linke Schulter schaut. Da die Kamera die Position selbst wechselt, ist es offenbar möglich, die Position zu verändern. Es ist daher absolut unverständlich, warum wir den Winkel nicht selbst bestimmen dürfen.
Fazit
Eine eigentlich coole Geschichte mit spannenden Setting angereichert, mit unnötig verschachteltem Questdesign und schlechtem Pacing, trifft auf eine technisch rückständige Spielwelt, die vollgestopft ist mit liebevollen Details. Elex 2 steckt voller Gegensätze, die sich leider häufig im Weg stehen. Wir haben das Gefühl, dass sich die Piranha-Bytes-Formel allmählich erschöpft und das Studio vor allem technisch extrem auf der Stelle tritt. Für die Hardcore-Fans mag das noch funktionieren, die Frage ist nur, wie lange das noch gut geht.
- Cooles Setting
- Interessante Spielwelt
- Stark unterschiedliche Gilden
- Fraktionsloses Durchspielen möglich
- Freies Fliegen
- Technisch arg angestaubt
- Fürchterliche Charaktermodelle
- Teils wenig motivierendes Questdesign
- Stark verbuggt, besonders in Städten
- Viele Abstürze