Death's Door erweist sich als Mischung aus Zelda und Dark Souls mit einer großen Prise Charme und tadellosem Gameplay.
Death's Door im Test: The Legend of Crow – Lost Souls
Krähen zählen nicht zu den beliebtesten Tieren. Würde man eine Rangliste aufstellen, wären vermutlich nicht nur Hunde, Katzen und Faultiere deutlich über dem schwarzen, für sein lautes, unharmonisches Gekrächze bekannten Federvieh platziert, sondern auch Schlangen (manch einer findet sie ja cool), Galapagosschildkröten und der Yak (ist immerhin eine der beliebtesten Punktequellen bei "Stadt, Land, Fluss"-Runden mit Tierkategorie, wenn Worte mit Y gesucht sind). Die Krähe hätte sicherlich nur so was wie Spinnen, Blutegel und Schnaken (die Nemesis des Autors) hinter sich.
Dennoch oder vielleicht auch genau deswegen hat sich Entwickler Acid Nerve, das zweiköpfige Team hinter Titan Souls gedacht: "Hey, lass uns für unser neues Spiel eine Krähe als Hauptfigur nehmen. Und wir machen sie zum Sensenmann!“ Nun würde man denken, dass Letzteres nicht gerade ein Beliebtheits-steigender Faktor ist, aber dann zockt man Death's Door … und schließt zumindest dessen Krähe, nein, das ganze Spiel ins Herz.
Der putzigste Sensenmann aller Zeiten
Zugegeben, der Protagonist selbst hat nicht viel Charakter, eigentlich gar keinen. Er ist nicht viel mehr als eine Verbindung für den Spieler zur Spielwelt, sozusagen ein Link. Ha! Merkt ihr's? Ja gut, die "The Legend of Zelda“-Referenz war nun nicht gerade subtil. Zurück zum Thema: Der Schnitter, wie der kleine Vogel in Death's Door genannt wird, mag letztendlich nur euer Avatar ohne charakterliche Eigenschaften sein. Aber hey: Es ist eine Krähe, die sich auch durchgehend wie eine Krähe bewegt, nicht großartig vermenschlicht wird und trotzdem als Sensenmann arbeitet und mit ihrem Schwert Seelen von ihren fleischlichen Körpern befreit. Allein das lässt uns den Protagonisten ins Herz schließen.
Zu Beginn von Death's Door denkt der noch, einen ganz normalen Arbeitstag vor sich zu haben. Er soll eine bestimmte Seele ins Jenseits befördern. Doch der Auftrag geht schief. Der Schnitter findet zwar schnell das Zielsubjekt und kann es auch im Kampf besiegen, aber ehe er die Seele eintüten will, wird sie von einer fremden Person geraubt und unser kleiner Held ausgeknockt. Er muss nun dringend die verlorengegangene Seele zurückholen, stellt aber schnell fest, dass mehr dahinter steckt.
Es sind die kleinen Geschichten, die zählen
Death's Doors Plot ist nicht das erzählerische Highlight des Spiels. Er dient mehr als Aufhänger für das 10 bis 15 Stunden lange Abenteuer, als dass wir beim Spielen die ganze Zeit wissen wollten, wie die Story denn nun weitergeht. Was viel mehr überzeugt und auch beweist, dass Acid Nerve ein Händchen fürs Geschichtenerzählen hat, sind die Handlungsstränge der einzelnen Kapitel von Death's Door. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: Schon die erste Geschichte rund um die sogenannte Urnenhexe ist ein wunderbares kleines Märchen rund ums Thema Tod und die damit verbundenen Verlustängste – und lässt die auf den ersten Blick böse wirkende alte Dame am Ende als gar nicht so böse erscheinen. Ja, ihr müsst sie im Kampf besiegen, aber ihr macht das nicht, weil der Tod ihre gerechte Strafe wäre, sondern weil er ihre Erlösung ist.
Death's Door gelingt es, mit wenigen Mitteln (es gibt weder ausschweifende Zwischensequenzen noch Sprachausgabe) herzliche, aber eben auch durchaus tragische oder gar düstere Geschichten zu erzählen. Nicht das große Ganze hat uns gepackt, sondern eben die diversen kleinen Einzelschicksale der Charaktere, die wir auf unserem Weg getroffen haben. Dabei gibt es auch immer etwas zu lachen, etwa wenn uns ein Kerl, dessen Kopf in einen Topf verwandelt wurde, einen Schluck von der Flüssigkeit anbietet, die in besagtem Gefäß vor sich hin blubbert. „Äh, danke fürs Angebot, aber so durstig sind wir gerade auch nicht.“
Ein gutes Kampfsystem muss nicht komplex sein
Death's Door strotzt nur so vor Charme, dass man sich schnell über jeden neuen Charakter freut, der einem begegnet. Und das überträgt sich auch auf die vielen Gegner. Ihr bekommt es mit Zombies mit Urnen auf dem Kopf, Fledermaus-artigen Viechern, deren Ohren zugleich ihre Flügel sind, fleischfressenden Pflanzen und vielen anderen Kreaturen zu tun, die sehr liebevoll animiert sind. Auch wenn das Kampfsystem selbst mit Standardangriffen, einem schweren Schlag und unterschiedlichen Fernattacken ziemlich simpel ist, macht jedes Gefecht aufs Neue Spaß, weil das Trefferfeedback fantastisch ist. Bei jedem Todesstoß vermitteln die Animationen der Gegner deren Gewicht hervorragend und die Kraft eurer eigenen Schläge wird unter anderem dadurch transportiert, dass die Kamera bei jedem Hieb leicht wackelt. Das klingt so, als würde das nerven, doch es ist so subtil, dass es euch gar nicht bewusst auffällt, aber trotzdem seine Wirkung erzielt.
Die Kämpfe sind der Hauptbestandteil von Death's Door, das sich alles in allem wie eine Mischung aus einem 2D-Zelda und einem Souls-like spielt. Es gibt eine Oberwelt, die zwar nicht komplett zusammenhängend ist, aber dennoch einiges an Erkundungsanreizen bietet, und mehrere Dungeons. Für spielerische Abwechslung sorgen kleinere Rätsel und Geschicklichkeitspassagen. Im Verlauf des Spiels erhaltet ihr mehr Fähigkeiten, mit denen sich euch nicht nur neue Optionen im Kampf eröffnen, sondern auch neue Wege in bereits besuchten Gebieten. Ein wenig Metroidvania ist also ebenfalls mit drin und es gibt in jedem Fall genug Geheimnisse zu entdecken.
Ein Souls-lite
Der Souls-like-Vergleich rührt daher, dass ihr zum einen eben genau wie in Dark Souls Seelen sammelt. Mit ihnen kauft ihr euch im Hub-Level Upgrades für den Schnitter, die seinen Nah- und Fernkampfschaden, die Angriffsgeschwindigkeit oder das Tempo beim Ausweichen erhöhen. Ebenso schaltet ihr immer wieder Abkürzungen in der Welt frei und wenn ihr sterbt, landet ihr am zuletzt passierten Checkpoint und alle normalen Gegner sind wieder am Leben. Jedoch verliert ihr sonst keinerlei Fortschritt, wenn die Krähe mal ins Gras beißt. Eure Seelen gehen also nicht verloren, was den Frustfaktor deutlich reduziert.
Nichtsdestotrotz ist Death's Door ein durchaus herausforderndes Spiel. Gerade Situationen, in denen ihr in einen Raum gesperrt werdet und mehrere Wellen von Gegnern bezwingen müsst, sind gerne mal so knackig, dass wir mehr als einen Anlauf dafür gebraucht haben. Death's Door ist aber zu jederzeit fair und die Steuerung mit dem Gamepad ist tadellos. So flüssig wie hier würden wir uns gerne in jedem Action-Adventure durch die Feinde schnetzeln.
Die Highlights des Spiels sind ohne jeden Zweifel die Bosskämpfe. Acid Nerve hat sich Mühe gegeben, jedem Endgegner einen eigenen Charakter zu verleihen. Als Beispiel sei die bereits erwähnte Urnenhexe genannt, die sich sehr gerne mitten im Kampf in eine Urne quetscht, aus der dann nur noch ihr großer Kopf herausschaut. Das zaubert uns jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht, weil es so ulkig aussieht. Spielerisch überzeugen die Begegnungen mit Bossen durch mehrere Phasen mit abwechslungsreichen Attacken, denen ihr ausweichen müsst. Wenn die Hexe gerade nicht versucht, euch hüpfend mit ihrer Urne platt zu machen (im wahrsten Sinne des Wortes), schmeißt sie mit kleinen, dafür explosiven Gefäßen nach euch. Je weiter der Kampf voranschreitet, desto mehr eskaliert das Ganze.
Dieses Spiel braucht kein Raytracing
Death's Door hat mit seinen liebevoll gestalteten Figuren schnell einen Platz in unserem Herzen erobert. Aber nicht nur das Design der Charaktere und deren flüssige Bewegungen überzeugen, überhaupt sieht das Spiel richtig gut aus. Es mag kein klassisches Grafikbrett sein, aber es ist ungemein stilsicher und hat sehr wohl ein paar technische Feinheiten. Die Beleuchtung in den Levels zum Beispiel ist richtig gut. Wenn ihr in einem recht dunklen Raum unterwegs seid, in dem nur ein kleines Feuer brennt und ihr daran vorbeilauft, wird der Schnitter sehr natürlich wirkend angestrahlt und ein korrekter Schatten geworfen. Zudem bieten glänzende Oberflächen immer wieder schicke Spiegelungen. Death's Door beweist, dass nicht zwingend Raytracing notwendig ist, um solche Effekte gut aussehen zu lassen. Der Tilt-Shift-Effekt, der den Hintergrund verschwimmen lässt, macht ebenfalls was her, weil so das Gefühl entsteht, sich durch eine kleine Modellwelt zu bewegen, die sehr plastisch wirkt.
Dass das Spiel keinerlei Sprachausgabe besitzt ist schade, aber sicherlich dem Budget geschuldet. Es hat uns auch nicht großartig gestört und immerhin haben wir die Dialog- oder, besser gesagt, Monologtexte (der Schnitter ist ein komplett stummer Protagonist) gerne gelesen, weil sie auch in der deutschen Fassung gut geschrieben sind und immer wieder zum Schmunzeln anregen. Bloß an einer Stelle, in der eine Bardin ein Lied vorträgt, waren wir enttäuscht, dass man sie nicht singen hört, sondern auch hier nur lesen darf. Das ist vor allem deshalb schade, weil es ein kleiner schwarzer Fleck auf der ansonsten strahlend weißen Weste ist, die der Soundtrack trägt. So stark wie Europameister Gianluigi Donnarumma im Tor ist, so gut ist die Musik in Death's Door. Jedes Gebiet hat seine eigene, unverkennbare Melodie, die sich sofort ins Hirn brennt. Man möchte einfach ständig mitsummen.
Leider nicht ganz frei von Problemen
Bei so viel Lob könnte man an dieser Stelle meinen, dass unter dem Text die Höchstwertung stehen müsste, oder? Nun ja, die hätten wir Death's Door auch gerne gegeben, aber zum einen ist die fehlende Sprachausgabe eben doch ein kleiner Kritikpunkt, zum anderen haben uns beim Spielen zwei Dinge wirklich aktiv gestört: Da wäre einerseits eine gewisse Repetition in den Dungeons. Versteht uns nicht falsch: An sich sind sie abwechslungsreich gestaltet und wo der erste auch noch ziemlich geradlinig ist, erweist sich der zweite schon als deutlich verzweigter. Aber dass das Spiel ständig von euch verlangt, vier Seelen zu finden und quasi zu erlösen, indem ihr ihnen den Weg ins Jenseits weist, damit sich eine Tür öffnet, ist einfallslos. Hinzu kommt, dass ihr immer besonders knifflige, ähnlich ablaufende Kampfsituationen meistern müsst, um zu so einer Seele zu gelangen. Hier hat Acid Nerve Potenzial verschenkt.
Des Weiteren lässt das Spiel manchmal Spielerführung vermissen. Nachdem wir etwa die Urnenhexe besiegt hatten, wussten wir nicht, wo es denn nun weitergeht. Wer an der Stelle nicht in seiner Erinnerung kramt und auf die Idee kommt, den Charakter zu besuchen, der einem schon vorher gesagt hat, was zu tun ist, wird erst mal dastehen und sich denken: „Äh, ja, und jetzt, Spiel?“ Dass es keine In-Game-Map gibt, ist da keine große Hilfe. Zwar haben wir uns sonst nie verlaufen, aber zumindest eine grobe Karte, wie es sie in Metroidvania-Titeln à la Bloodstained: Ritual of the Night oder zuletzt Ender Lilies: Quietus of the Knights gibt, hätten wir als nützlich empfunden. Dann gäbe es zumindest eine Erinnerung daran, dass es in einzelnen Bereichen noch Dinge zu finden gibt, an die man zunächst noch nicht herangekommen ist, weil einem entsprechende Fähigkeiten gefehlt haben.
Fazit
Death's Door schrammt wirklich um Haaresbreite an der 5/5 vorbei. Ein gewisser Hang zur Wiederholung in den Dungeons, die fehlende Sprachausgabe und die nicht in Gänze überzeugende Spielerführung verhindern das leider. Aber demgegenüber stehen die tollen kleinen Geschichten der einzelnen Charaktere, die riesige Portion an Charme, die tolle Optik, das tadellose Gameplay und der wunderschöne Soundtrack. Zudem bietet Death's Door für den Preis von 20 Euro eine angenehme Länge. Und mal ehrlich: Eine 4,5 ist auch eine verdammt gute Wertung! Death's Door ist bislang unser Indie-Darling des Jahres.
- Schöne Geschichten
- Perfekte Steuerung
- Gutes Kampfgefühl
- Toll designte Bosskämpfe
- Optisch richtig toll
- Viele Geheimnisse
- Schöne Musik
- Sich wiederholendes Dungeon-Muster
- Keine Sprachausgabe
- Spielerführung hakt manchmal
- Fehlende Karte