Auf dem PC hätte Crysis Remastered richtig stark werden können, aber leider hat Crytek das Potenzial verschenkt.
Crysis Remastered: Die PC-Version im Test – Enttäuschend!
2020 ist ein Jahr, in dem sehr viele Remasters und Remakes schon erschienen sind oder noch erscheinen werden. Eine der spannendsten Neuauflagen der Kategorie "Altes Spiel aufgehübscht" ist Crysis Remastered gewesen. Und ja, die Perfekt-Form ist hier bewusst gewählt. Denn nachdem wir die PC-Version gespielt haben, sind wir mehr als ernüchtert. Dabei waren die Aussichten so vielversprechend. Umso mehr haben wir es betrauert, dass Crytek Crysis Remastered im Sommer kurz vor dem geplanten Release verschoben hat – mit einer Ausnahme: Für die Switch ist das Spiel im Juli erschienen und hat sich im Test als zweischneidiges Schwert erwiesen. Ähnliches gilt leider auch für die PC-Fassung.
Das einstige Grafikbrett brauchte eine Frischzellenkur
Als Crysis 2007 exklusiv für den PC erschienen ist, war es ein Grafikbrett, das auf keinem Rechner in maximalen Einstellungen flüssig lief. Crytek hatte wahrlich ein Spiel für Hardware entwickelt, die zu dem Zeitpunkt noch gar nicht erschienen war. Mittlerweile stellt das Original keinen vernünftigen Gaming-PC mehr vor irgendwelche Herausforderungen, sieht aber angesichts seines hohen Alters immer noch gut aus. Trotzdem liegt auf der Hand, dass Spiele im Jahr 2020 wesentlich besser aussehen können.
Crysis Remastered wäre nun für viele, die 2007 keine gute Hardware hatten, die Chance gewesen, den Ego-Shooter in noch besserer Optik nachzuholen, als sie vor 13 Jahren möglich war. Teilweise ist das auch tatsächlich der Fall. Es ist längst nicht so, als hätte Crytek einfach nur die Auflösung hochgeschraubt, Texturen ein wenig angepasst, den Rest aber unberührt gelassen. Wir müssen die Frankfurter grundsätzlich schon dafür loben, dass sie die Grafik in wirklich vielen Aspekten verbessert haben.
Crytek war nicht faul
Nicht nur, dass ihr Crysis nun eben in 4K erleben könnt, es gibt auch verbesserte Partikeleffekte, ein überarbeitetes Wasser, stärkere Kantenglättung, Global Illumination (globale Beleuchtung) und sogar Raytracing – allerdings nicht die so sehr gehypte Hardware-, sondern die Software-Lösung. Das bedeutet: Ihr braucht keine der Nvidia-RTX-Grafikkarten, um jene optischen Verbesserungen wie schickere Spiegelungen aktivieren zu können, dafür bringt Besitzern einer solchen Komponente aber auch deren Hardwarebeschleunigung für Raytracing nichts.
"Can it run Crysis?" "Na, nicht so ganz!"
Doch bevor wir uns in Details verlieren: Ihr wollt doch bloß wissen, ob Crysis Remastered deutlich besser aussieht als das Original und wie gut die Performance ist, speziell auf der höchsten Detailstufe. Für die hat Crytek nicht das übliche "Ultra" als Bezeichnung gewählt, sondern ein wenig Humor bewiesen und sie "Can it run Crysis?" genannt. Leider können wir an dieser Stelle nicht haufenweise lobende Worte ausschütten – was wir gerne getan hätten, wo Crytek doch recht viel Energie in die Entwicklung der Neuauflage gesteckt hat (wobei streitbar ist, ob das auch für die PC-Version gilt, dazu weiter unten mehr).
Ja, auf höchsten Einstellungen sieht Crysis Remastered wirklich gut aus. Zwar können so manche Objekte in der Spielwelt oder auch die Fauna der tropischen Inselregion (Vögel, Schildkröten) mit ihrem kantigen Äußeren darüber hinwegtäuschen, dass Crysis schon über ein Jahrzehnt auf dem Buckel hat, aber Licht- und Schatteneffekte, Weitsicht, Explosionen, Waffenmodelle und die Vegetation sehen klasse aus. Es gibt jedoch auch einige grafische Rückentwicklungen gegenüber dem PC-Original. So laufen die Animationen der Vegetation nur in 30 FPS ab, unabhängig von der eigentlichen Bildrate des Spiels. Das war 2007 noch anders. Das Wasser hingegen ist zwar technisch eigentlich eine Weiterentwicklung - so bilden sich nun dreidimensionale Wellen, wenn ihr etwa auf das kühle Nass schießt, aber zugleich wirkt es weniger wie Wasser als in der Urfassung, sondern wie etwas Dickflüssigeres.
Die Sache hat nur einen Haken: Mit hohen Bildraten kann das wohl niemand auf seinem Rechner genießen. Vielleicht ist "Can it run Crysis?" also gar kein Gag, sondern vollkommen ernst gemeint. Auf eine gewisse Art und Weise bleibt sich das Spiel also treu. Das Problem ist nur, dass das Remaster meilenweit davon entfernt ist, eine Grafikrevolution zu sein wie das Original. Ein Metro Exodus zum Beispiel sieht nochmal deutlich besser aus, ebenso ein Battlefield 5, beides ist jedoch wesentlich performanter.
Auf unserem Testrechner mit einem Intel Core i7 7700K, 16 Gigabyte Arbeitsspeicher und einer GeForce RTX 2070 SUPER können wir es komplett vergessen, Crysis Remastered auf höchsten Einstellungen zu spielen. Nicht mal auf den Detailstufen "Sehr hoch" oder gar "Hoch" läuft der Titel mit 60 Bildern pro Sekunde. Tatsächlich mussten konnten wir so eine Bildrate erst erreichen, als wir die Grafikdetails auf "Mittel" stellten. Ja, einzelne Optionen können wir ruhig etwas höherschrauben, ohne dabei große Performance-Verluste zu haben, beispielsweise die Physikqualität. Das ändert aber nichts daran, dass es beschämend ist, dass das Remaster eines so alten Spiels in 1080p (wir sprechen hier also nicht mal von 4K) so eine schlechte Leistung liefert. Da bringt es auch nichts, dass Crysis Remastered selbst auf mittleren Einstellungen noch gut aussieht, von einigen Matschtexturen einmal abgesehen.
"Huch, das war aber damals anders!"
Es stellt sich die Frage: Wie konnte es dazu kommen? Hat Crytek bei der Optimierung Fehler gemacht? Sicherlich! Ein wichtiger Faktor dürfte aber auch sein, dass die PC-Fassung von Crysis Remastered keine verbesserte Version des Originals ist, sondern eine Portierung der PS4- und Xbox-One-Version. Und hier kommen wir zu weiteren Aufregern. Dass die Performance so mies ist, ist eine Sache. Dass PC-Spieler aber in Sachen Gameplay und Bedienung Abstriche gegenüber der Originalversion machen müssen, ist ein nicht weniger schwerwiegendes Manko.
Zuallererst: Ihr könnt nicht frei speichern. Was vor 13 Jahren selbstverständlich war, gibt es im Remaster schlichtweg nicht. Genau wie auf den Konsolen existieren nur feste automatische Speicherpunkte. Außerdem könnt ihr euch nicht mehr zur Seite lehnen, es gibt keine separate Taste mehr für Granaten, um sie direkt mit einem Tastendruck zu werfen und auch bei der Aktivierung der Nanosuit-Fähigkeiten hat sich was geändert.
Die Flugstunde fällt aus
Neben den Änderungen in Sachen Bedienung hat sich auch inhaltlich was getan: Es fehlt eine komplette Mission. Der zehnte von ursprünglich elf Levels, in dem ihr mit einem Landungsschiff durch Canyons fliegt und gegen Aliens kämpft, ist in Crysis Remastered nicht drin. Das haben wir bereits im Test der Switch-Version kritisch angemerkt, in dem Fall lässt es sich aber zumindest dadurch erklären, dass der Abschnitt zu hardwarefordernd für die Hybridkonsole ist, so wie es auch schon bei der PS3- und Xbox-360-Version der Fall gewesen ist. Und auch, dass die Mission auf PS4 und Xbox One fehlt, mag nicht weniger dramatisch sein, da Konsoleros das Spiel quasi gar nicht anders kennen. Aber auf dem PC?
Dass jener Level hier fehlt, dürfte der finale Beweis dafür sein, dass Crytek und Portierungs-Partner Saber Interactive scheinbar nicht das Budget gehabt haben, eine eigene PC-Version zu entwickeln, geschweige denn die Portierung der Konsolenfassung nochmal etwas ausführlicher anzupassen. Und das ist echt schade, denn so stellt sich eben die Frage, ob man als PC-Zocker das Remaster wirklich braucht oder nicht einfach beim Original bleiben sollte.
Fazit
Die obere Frage können wir an dieser Stelle sogleich mit einem "Bleibt beim Original!" beantworten. Crysis Remastered ist zwar keine Neuauflage wie Kingdoms of Amalur: Re-Reckoning, die sich optisch kaum von der Urfassung unterscheidet. Aber dann gibt's da eben die schlechte Performance, weniger Inhalt, keine freie Speicherfunktion und Abstriche bei der Steuerung. Wir haben außerdem nochmal ins Original reingespielt und erkannt: Wenn wir das mit maximalen Details bei mehr als 60 FPS spielen können und die Neuauflage nur auf mittleren Einstellungen mitsamt den genannten Einschränkungen, entscheiden wir uns klar für die 2007er-Fassung. Denn so viel schlechter sieht die dann im Vergleich auch nicht aus.
Falls ihr Crysis noch nie gespielt habt, können wir euch nur raten, statt das Remaster zu kaufen, einen Monat lang EA Play zu abonnieren (oder zu warten, bis das in den Xbox Game Pass integriert ist). So könnt ihr das alte Crysis für ganz wenig Geld spielen, während die neue Fassung knapp 30 Euro kostet. Versteht uns nicht falsch! Crysis Remastered ist auf dem PC kein schlechtes Spiel, aber eine riesige Enttäuschung und zumindest solange die Performance nicht deutlich verbessert wird, lohnt es sich nicht wirklich. Auf PS4 und Xbox One mag die Situation eine andere sein, doch im Fall der PC-Variante können wir keine wirkliche Kaufempfehlung aussprechen.
- Schicke Raytracing-Effekte
- Hohe Weitsicht
- Allgemein schärferes Bild
- Schlechte Performance auf höheren Detailstufen
- Kein freies Speichern
- Kein normaler Sprint möglich
- Ein Level des Originals fehlt