Bravely Default 2 macht spielerisch einiges richtig, versagt aber beim fast gesamten Rest.
Bravely Default 2 im Test: Gutes Gameplay allein reicht nicht
Man nehme eine aus mehreren Königreichen und Klimazonen bestehende Fantasy-Welt, vier magische Kristalle, die für das Gleichgewicht sorgen und nicht in die falschen Hände geraten dürfen, einen Helden mit Gedächtnisverlust, eine Prinzessin und Schurken, denen man direkt anhand ihrer Kleidung ansieht, dass sie Böses im Schilde führen. Voilà, Bravely Default 2! Der offizielle zweite Teil der JRPG-Reihe von Square Enix (eigentlich ist es schon das dritte Spiel) könnte klassischer kaum sein. Daran haben wir auch gar nichts auszusetzen, allerdings hätte die Umsetzung deutlich besser sein können.
Neustart auf der Switch
Schon das erste Bravely Default, das hierzulande 2013 für den Nintendo 3DS erschienen ist, gab sich sehr altmodisch. Auch darin geht es um mehrere Kristalle, an die das Schicksal der Welt geknüpft ist. Dessen Entwicklung begann als Fortsetzung zu Final Fantasy 4 und auch Bravely Default 2 merkt man deutlich an, dass es stark von den ersten Teilen der großen Schwestermarke inspiriert ist. Vorwissen über die Vorgänger müsst ihr dabei nicht haben. Bravely Default 2 spielt in einer völlig neuen Welt mit ganz eigenen Figuren, so wie ihr das eben auch von Final Fantasy gewohnt seid.
Richtig komplex ist die Handlung sowieso nicht. Ihr schlüpft in die Haut von Seth, einem jungen Seefahrer, der eines Tages an die Küste des Königreichs Halcyonia angespült wird. Was passiert ist, daran kann er sich nicht mehr erinnern. Zum Glück finden ihn Gloria, die Prinzessin des gefallenen Reiches Musa, und ihr treuer Begleiter Sir Sloan und alsbald stoßen auch noch der Gelehrte Elvis und die Söldnerin Adele hinzu. Selten haben wir es in einem JRPG erlebt, dass wir innerhalb der ersten Spielstunde schon unsere komplette Heldentruppe beisammen haben. Ihr bestreitet nahezu das komplette Abenteuer mit Seth, Glora, Elvis und Adele. Ab und zu gesellt sich lediglich noch ein weiterer Charakter hinzu, etwa im Prolog der erwähnte Sir Sloan, diese Figuren dürft ihr aber nicht selbst in den Kämpfen steuern.
Eine Story, die nicht mitreißt
Wie eingangs angedeutet, geht es auch in Bravely Default 2 wieder um vier Kristalle. Der des Windes ist in Besitz von Gloria, aber die anderen drei wurden gestohlen, was bereits schlimme Folgen nach sich gezogen hat. Beispielsweise ist die Wüstenstadt Savalon zu einem Großteil überschwemmt worden. Es liegt nun an euch, die Kristalle zu finden, das Böse zu bekämpfen und de Welt zu retten. Bravely Default 2 erzählt zum Großteil eine Fantasy-Geschichte nach Schema F. Es gibt zwar durchaus im Verlauf der Handlung ein paar Wendungen, die man nicht unbedingt vorhersieht, dennoch ist die Story sicherlich nicht der Grund, warum irgendwer dieses JRPG anderen Genrevertretern vorziehen sollte, zumal sich die Erzählung zuweilen etwas zu sehr in die Länge zieht. Auch die Charaktere wirken allesamt recht uninspiriert. Elvis und Adele sind zwar solide, sympathische Figuren mit persönlichen Motiven, aber Gloria und allen voran Seth bleiben sehr blass.
Da hilft es auch nicht viel, dass die Inszenierung von Bravely Default 2 ziemlich schwach ist. Richtige Zwischensequenzen sind Mangelware und die wenigen, die es gibt, können längst nicht mit dem mithalten, was etwa ein Xenoblade Chronicles 2 oder Dragon Quest 11 abfeuern. Größtenteils schaut ihr aber eh einfach nur zu, wie die Charaktere sich spärlich animiert gegenüberstehen und miteinander reden. Immerhin: Diese Szenen sind stets vollvertont, wahlweise auf Englisch oder Japanisch. Die englische Vertonung ist leider nur mittelmäßig, was aber daran liegen könnte, dass die Dialoge allgemein nicht gerade höchste literarische Kunst sind. Und wer keine Lust auf einen wilden Mix aus diversen Dialekten und Akzenten hat, spielt eh am besten mit der japanischen Sprachausgabe. Eine deutsche Vertonung gibt es nicht, aber die Texte sind sehr gut übersetzt.
Starke Kämpfe
Der Star von Bravely Default 2 ist nicht die Erzählung, sondern die Spielmechanik. Was uns sehr gut gefällt: Der Titel ist nicht zum Bersten vollgestopft mit Systemen, sondern fokussiert sich auf das Wichtigste: seine spannenden, taktisch anspruchsvollen Kämpfe und das Jobystem. Bleiben wir aber erst mal bei den Gefechten, denn die sind letztendlich das, was euch die meiste Zeit über beschäftigt, wenn ihr euch nicht gerade durch die vielen Dialoge drückt. An sich sind die Kämpfe sehr genretypisch. In rundenbasierter Form verhaut ihr diverse Monster sowie menschliche Schurken. Die Figuren sind jedoch nicht in fester Reihenfolge am Zug. Stattdessen gibt es quasi ein ATB-System. Wer einen besonders hohen Tempowert hat, ist auch schneller dran als andere. Zudem gibt es Fähigkeiten, mit denen ihr die Züge eurer Gegner verzögert.
Die eigentliche Besonderheit ist aber das namensgebende Brave-und-Defaul-System. Ihr habt mit jedem Charakter die Möglichkeit, mehrere Aktionen in einem Zug ausführen, also etwa erst einen Schwächungszauber auf einen Gegner zu wirken, damit der darauffolgende Angriff mehr Schaden verursacht. Oder ihr setzt eine Phönixfeder ein, um einen gefallenen Mitstreiter wiederzubeleben und flößt ihm direkt im Anschluss noch einen Heiltrank ein. Bis zu vier Aktionen pro Zug sind möglich, doch das hat seinen Preis in Form von Brave-Punkten, kurz BP. Für gewöhnlich habt ihr zu Beginn eines Kampfes keine Punkte – es sei denn, ihr "schleicht" euch in der Oberwelt oder den Dungeons von hinten an Feinde an und schlagt dann einmal flott zu, ähnlich wie es in Dragon Quest 11 möglich ist. Ja, die Zeit der Zufallskämpfe ist nun auch in der "Bravely Default"-Reihe vorbei – sehr angenehm.
Anders als in Dragon Quest sichert ihr euch durch ein solches Manöver aber nicht bloß den Vorteil, als erstes angreifen zu dürfen. Eure Heldentruppe geht dadurch so mutig in den Kampf, dass jeder Charakter mit einem BP startet. Doch Vorsicht! Wenn Monster euch erspähen und angreifen und ihr nicht vor ihnen weglaufen könnt, haben sie den gleichen Vorteil. Denn ja, auch eure Feinde machen vom Brave-and-Default-System Gebrauch. Habt ihr keine BP, könnt ihr nicht bloß einmal angreifen oder ein Item verwenden. Wenn ihr mutig seid, führt ihr einfach so bis zu vier Aktionen hintereinander aus. Dann rutscht euer BP-Konto jedoch ins Negative und der Charakter muss anschließend drei Runden lang aussetzen. Alternativ wählt ihr "Default". Dann geht die Figur in einen Verteidigungsmodus, ist also vor feindlichen Angriffen etwas besser geschützt und generiert einen BP. Dieses System verleiht den Kämpfen eine große taktische Tiefe und sorgt zudem dafür, dass sich Bravely Default 2 angenehm von sonstigen JRPGs mit rundenbasierten Kämpfen absetzt.
Helden müssen flexibel sein
Ebenfalls sehr gut gefällt uns das erwähnte Jobsystem, das wie die Story stark an alte Final Fantasys erinnert. Allerdings sind eure Charaktere hier nicht auf einen Beruf limitiert. Ihr könnt jedem von ihnen einen Haupt- und Nebenjob zuweisen. Für ersteren sammelt ihr in den Kämpfen Jobpunkte, damit er im Level aufsteigt und neue aktive sowie passive Fähigkeiten freigeschaltet werden. Für Nebenjobs gibt es keinen Fortschritt, aber ihr könnt deren Skills im Kampf einsetzen. Die Berufe lassen sich zudem abseits von Gefechten jederzeit austauschen. Neue Jobs schaltet ihr frei, indem ihr Bosse besiegt, die über sogenannte Asteriske verfügen. Das sind magische Steinchen, die euch die entsprechenden Kräfte verleihen. Es gibt mehr als 20 Berufe in Bravely Default 2, die ihr beliebig miteinander kombiniert.
Für zusätzlichen Tiefgang sorgt die Freiheit, eure Charaktere mit passiven Fähigkeiten von Jobs, die sie gerade nicht aktiv bekleiden, auszustatten. Allerdings habt ihr dafür pro Held nur fünf Slots zur Verfügung. Obwohl sämtliche Fähigkeiten in linearer Abfolge freigeschaltet werden, es also keine Talentbäume oder ähnliches gibt, erlaubt Bravely Default 2 somit eine Vielzahl an unterschiedlichen Builds, was zum Experimentieren einlädt. Da ist die Freude, wenn man einen Bossgegner besiegt hat und dadurch eine neue Klasse freischaltet, gleich umso größer.
Grind ist eine Jobvoraussetzung
Stichwort Bossgegner: Bravel Default 2 mag zwar auf den ersten Blick wie ein Spiel wirken, dass auch Gelegenheitsrollenspieler anspricht, aber in Wahrheit ist es knüppelhart. Und das macht sich eben gerade bei den Bossen bemerkbar, die immer wieder andere Taktiken von euch verlangen. Es ist wichtig, die richtige Gruppenkonstellation für jeden schwierigen Kampf zu finden. Das ist einerseits cool, weil die Scharmützel mit den Endgegnern von Dungeons beziehungsweise Story-Kapiteln ja herausfordernd sein sollen. Andererseits erfordert es aber auch einiges an Grind. Denn wie gesagt: Pro Charakter könnt ihr immer nur einen Job leveln. Es gibt zwar Items, die euch mal eben Hunderte oder gar Tausende Jobpunkte verschaffen, aber die müsst ihr auch erst mal finden beziehungsweise euch verdienen, indem ihr Nebenquests erledigt. Stur von einem Hauptstory-Event zum nächsten zu laufen, ist in Bravely Default 2 nicht ratsam.
Das ist ein großes Problem, denn die restlichen Inhalte sind nicht gerade ein Hochgenuss. Es gibt unzählige Nebenquests, aber nur die wenigsten davon sind auch nur im Ansatz interessant, weil sie euch ein bisschen Hintegrundinfos zu den Charakteren liefern. Die meisten optionalen Aufgaben sind Standard-MMO-Fetch-Quests der Sorte "Bring mir dies, töte das". Manche Missionen sind wirklich reine Botengänge, bei denen ihr mehrfach zwischen zwei NPCs hin- und herlaufen müsst. Das mag man mal eben schnell erledigen können, wenn sich die Figuren in ein und derselben Stadt aufhalten. Wenn aber eine von ihnen in einem Dungeon hockt, wird das Ganze nur noch zur Geduldsprobe.
Noch dazu erhaltet ihr für abgeschlossene Nebenquests keine Erfahrungspunkte. Ja, richtig gelesen: null XP für absolvierte Quests. Immerhin verrät euch Bravely Default 2 direkt bei der Missionsannahme, mit was für einem Item ihr belohnt werdet. Trotzdem: Gerade weil der Grind-Faktor so hoch und die Nebenaufgaben so langweilig sind, schmerzt es umso mehr, dass sie keine Erfahrungspunkte abwerfen – von den Kämpfen, die ihr in deren Rahmen bestreiten müsst, einmal abgesehen.
Wenig Motivation zum Erforschen
Leider ist es auch nicht so, dass die Welt zum Erkunden einlädt. Ja, ihr findet immer wieder Schatztruhen oder besondere Gegner und ihr könnt sogar wie in The Legend of Zelda Gras schneiden und findet dabei hin und wieder mal zufällig ein Item. Aber es gibt keine coolen Geheimnisse zu entdecken und eben auch keine wirklich coolen Nebenmissionen oder optionale Dungeons. Also ja, letztere sind vorhanden, aber das Dungeondesign in Bravely Default 2 ist durch die Bank weg total uninspiriert. Rätsel sucht ihr vergeblich. Es handelt sich immer um Quasi-Labyrinthe, in denen euch nichts außer Monster und ein paar Schatzkisten erwarten. Und dass es keine Kartenfunktion für die Höhlen, Ruinen und Co gibt, ist auch eher lästig, als dass es unseren Entdeckerdrang geweckt hätte.
Bravely Default 2 hat aber doch noch zwei Elemente abseits der Haupt- und Nebenmissionen zu bieten, die uns gefallen. Da wären zum einen die Erkundungsfahrten. Die laufen automatisch im Hintergrund ab und eignen sich wunderbar dazu, ein paar Items zu verdienen, während ihr gar nicht spielt. Ihr müsst dazu das Spiel nur laufen lassen, auch wenn ihr mit der Switch in den Standby-Modus geht. Die so gesammelten Gegenstände, die euch Erfahrungs- und Jobpunkte einbringen, mildern den Grind zumindest ein wenig.
Richtiges Gameplay bietet hingegen B&D. Das ist ein Kartenspiel, das ihr gegen diverse NPCs in der Spielwelt spielen könnt. Genau wie im Fall von Gwint in The Witcher 3: Wild Hunt verdient ihr euch so zahlreiche Karten und wertet euer Deck immer weiter auf. B&D kommt vielleicht nicht an dessen Spielspaßfaktor heran, ist aber trotzdem eine nette Abwechslung. Wer sich hier reinfuchst, kann nochmal einige Stunden zur eh schon langen Spielzeit von Bravely Default 2 (40+ Stunden) hinzurechnen.
"Wie sieht das denn aus?!"
Bevor wir zum Fazit kommen, müsse wir aber noch auf die Grafik zu sprechen kommen, die leider keine Stärke von Bravely Default 2 ist. Die Städte sehen ohne jeden Zweifel toll aus. Hier haben sich die Entwickler für schön gezeichnete 2D-Hintergründe entschieden – eine sehr gute Wahl. Der Rest des Spiels fällt dagegen stark ab. Die Oberwelt ist detailarm, die Dungeons sind optisch sehr einfach gehalten und die Charaktere ... Oh je, was haben die Designer sich nur dabei gedacht? Die Figuren sehen nicht realistisch aus, aber einen richtigen Chibi-Look haben sie nun auch nicht. Es ist irgendwas dazwischen und das sieht nicht gut aus.
Alles in allem merkt man Bravely Default 2 die Handheld-Wurzeln der Reihe stark an. Blöd, dass das Spiel trotz der schwachen Grafik nicht flüssig läuft. Maximal sind eh nur 30 FPS möglich und die werden nicht mal gehalten. Immerhin: Das Spiel hat einen fantastischen Soundtrack, der über die optischen und Performance-Mängel hinwegtröstet. Diverse Melodien laden mit zum Mitsummen ein und auch nach dem 500. Gefecht hing uns das Kampfthema nicht zum Halse raus.
Fazit
Bravely Default 2 könnte ein richtig gutes Retro-JRPG sein. Mechanisch ist es dank der anspruchsvollen Kämpfe und des vielfältigen Jobsystems richtig stark. Diesbezüglich ist nur der hohe Grind-Faktor ein Problem. Doch dann kommt eben hinzu, dass Story und Charaktere nicht über Mittelmaß hinauskommen, Grafik und Inszenierung auf niedrigem Niveau sind und weder die Nebenquests noch die Erkundung der Oberwelt und Dungeons richtig Spaß machen. Wenn ihr die Schwachpunkte ausblenden oder euch damit arrangieren könnt und euch folglich das spaßige Gameplay ausreicht, könnt ihr viele unterhaltsame Stunden mit Bravely Default 2 haben – aber nur dann.
- Enorm spaßiges Kampfsystem
- Jobsystem mit vielen Freiheiten
- B&D als nette Nebenbeschäftigung
- Tolle Musik
- Mäßige Story und Charaktere
- Hoher Grind-Faktor
- Größtenteils lahme Nebenquests
- Schwache Grafik und Performance
- Wenig Erkundungsanreize