Autorin: Mia Uebach
Lange mussten Fans darauf warten, doch es hat sich gelohnt. Age of Empires 4 ist da und überzeugt auf (fast) ganzer Linie.
Autorin: Mia Uebach
Lange mussten Fans darauf warten, doch es hat sich gelohnt. Age of Empires 4 ist da und überzeugt auf (fast) ganzer Linie.
Wenn das “Age of Empires”-Titelthema spielt, fühlt man sich sofort wohl. Man ist einfach “zu Hause”. Selbst wenn man ein komplett neues Spiel vor sich hat, weiß man doch, was man erwarten kann: Eine Reise durch die Geschichte, Massenschlachten und Städtebau, Ressourcen sammeln und das legendäre “Wololo”. Okay, das Wololo gibt es in Age of Empires 4 leider nicht, aber es gehört trotzdem dazu! In ein paar Tagen hat das Warten endlich ein Ende: Am 28. Oktober, fast genau 16 Jahre nach Teil 3, erscheint das neue Strategiespiel. Microsoft hat uns freundlicherweise eine Testversion zur Verfügung gestellt, sodass wir das Spiel schon vorab auf Herz und Nieren testen konnten. Für die Langfassung gerne weiterlesen, wenn ihr unser Fazit in kurz haben möchtet: Das Warten hat sich definitiv gelohnt, auch wenn das Spiel noch einige Schönheitsfehler hat.
Das Spielprinzip kennt man bereits aus den Vorgängern: Mit einer kleinen Siedlung starten, Rohstoffe sammeln, in den Zeitaltern voranschreiten und eure Gegner besiegen. In Age of Empires 4 gibt es aber eine ganze Menge Neuerungen, sodass man sich erstmal ein wenig zurechtfinden muss, vor allem, wenn man Teil 3 ausgelassen hat.
Bei der Auswahl der Völker stehen euch nämlich nicht Dutzende zur Auswahl, sondern acht, die sich aber teils grundverschieden spielen. Sind die Briten oder Franken noch recht nah an dem, was sie in AoE 2 gewesen sind, spielen sich beispielsweise die Mongolen komplett neu. Hier baut ihr keine riesige Stadt samt Befestigungsanlagen auf, sondern wandert nicht nur mit eurer Armee, sondern gleich mit eurem ganzen Lager auf der Karte umher. Ebenfalls neu: Manche Einheiten besitzen Fähigkeiten, die ihr einsetzen könnt. Als Briten können eure Langbogenschützen beispielsweise Lagerfeuer, die sie heilen, oder Speere aufstellen, die sie vor dem Ansturm feindlicher Kavallerie schützen.
Aber nicht nur die Völker unterscheiden sich von denen der Vorgänger, auch der Spielablauf. Klar, am Ende läuft alles auf das gleiche Ziel heraus (wobei es neue Siegbedingungen gibt), aber die Wege, um dorthin zu gelangen, sind ein wenig anders. In Age of Empires 4 könnt ihr nämlich zur Feudalzeit voranschreiten, ohne einen Baum auch nur angesehen zu haben, und das alles auch noch in knapp fünf Minuten. Außerdem erforscht ihr die nächste Zeit nicht, sondern baut ein Wahrzeichen, das euch besonders starke Boni bringt.
Das ist für alle, die Age of Empires 3 gespielt haben, nichts besonderes. Darin handhaben das fast alle Völker handhaben so. Da aber Teil 3 in der Community eher unbeliebt ist, dürften es viele gar nicht oder nur sehr wenig gespielt haben. Wenn ihr jetzt denkt: “Wenn sich Age of Empires 4 am ungeliebten Vorgänger orientiert, wieso sollte ich es spielen?”, lasst euch gesagt sein: Stellt euch einfach ein Age of Empires 2 vor, welches einige Aspekte von Teil 3 übernommen hat. Und diese Mischung fühlt sich wunderbar an, vertraut und doch neu. In unseren Testpartien und auch schon im Technical Stress Test gab es keinen Moment, wo wir dachten: “Das fühlt sich falsch an.”
Stichwort Technical Stress Test: Gab es dort nur Online-Partien gegen die KI oder menschliche Mitstreiter, konnten wir nun auch erstmals die Kampagnen testen. Bereits im Vorfeld gab es einige Diskussionen wegen der “Mini-Dokumentationen”, die zwischen den Missionen abgespielt werden, weil sie nicht so wirklich zu einem Age of Empires passen würden. Nachdem wir die Kampagne der Normannen beendet haben, können wir sagen: Die kurzen Filme passen erstaunlich gut. Mal werden euch die Schauplätze aus Missionen der Kampagne gezeigt, ein anderes Mal das Burgenbau-Projekt “Guédelon” besucht und euch erklärt, wie eine mittelalterliche Burg gebaut wurde (und wird). Age of Empires hat schon immer gerne die Geschichte hinter den Völkern, Zeitaltern und Einheiten erzählt, meist aber nur in Textform. Die Dokumentationen sind eine schöne Neuerung, die allen Geschichtsfans sicher gefallen dürften.
Dadurch, dass es zum Release lediglich acht Völker gibt, fällt auch die Anzahl der Kampagnen eher übersichtlich aus. Insgesamt vier erwarten euch, die euch die Normannen, Mongolen, Rus’ sowie den Hundertjährigen Krieg näherbringen. Anders als in den Vorgängern, erlebt ihr in Age of Empires 4 nicht die Geschichte einer einzelnen historischen Persönlichkeit, sondern teilweise mehrere Jahrhunderte der Geschichte eines Landes oder Volkes. Die Kampagne der Normannen beginnt beispielsweise 1066 mit der Schlacht von Hastings (“Age of Empires 2”-Veteranen dürfte die bekannt vorkommen) und endet 1217 mit der Schlacht von Lincoln, der Entscheidungsschlacht des “ersten Krieges der Barone”.
Diese Herangehensweise ist Vor- und Nachteil zugleich: Einerseits erlebt ihr so wesentlich mehr Geschichte eines Volkes oder Landes. Andererseits fühlt ihr euch weniger stark eingebunden. Dadurch, dass die Kampagnen so viele Jahre umspannen, kann es gut sein, dass ihr in Mission 2 für oder mit Person X kämpft, Mission 3 dann aber zeitlich so viel später spielt, dass diese Person bereits gestorben ist und ihr unter einem anderen Banner in die Schlacht zieht.
Die Kampagnen bieten einen guten Mix aus Angriffs- und Verteidigungsmissionen. Mal müsst ihr eine Stadt gegen eine Übermacht an Feinden verteidigen, mal selbst eine Siedlung einnehmen. In einigen Missionen habt ihr sogar Zugriff auf Helden, beispielsweise John Marshall, die besonders stark sind und häufig eine oder mehrere Fähigkeiten zum Stärken eurer Einheiten mitbringen.
Historische Schlachten außerhalb der Kampagnen, wie es sie in Teil 2 und 3 gibt, feiern in Age of Empires 4 kein Comeback und wird es (nach momentanem Stand) auch zukünftig nicht geben. Ein Szenario-Editor fehlt bislang ebenso. Microsoft hat aber bereits angekündigt, dass ein großes Update im Frühling 2022 den sowie den gewerteten Multiplayer und von der Community gewünschte Verbesserungen liefern soll. Wer weiß, vielleicht gibt es dann auch neue Kampagnen oder die historischen Schlachten werden doch noch hinzugefügt. Mehr Einzelspielerinhalte können nie schaden und bislang gibt es neben den Kampagnen nur noch den “Skirmish”-Modus.
Nicht nur die Kampagnen werden schick präsentiert, auch optisch macht Age of Empires 4 eine gute Figur: Die Grafik wurde anfangs noch bemängelt, ergibt aber ein stimmiges Gesamtbild. Einheiten und Gebäude sind sehr detailliert dargestellt und man merkt den Entwicklern ihre große Liebe zur Geschichte definitiv an. Auch die unterschiedlichen Karten sehen schick aus. Ihr könnt sogar das Klima einer Map auswählen und damit deren Aussehen ändern. Riesige Städte samt Stadtmauern und Wahrzeichen sehen beeindruckend aus und wenn ihr außerhalb der Stadtmauer steht und belagert, fühlt ihr euch, als wärt ihr mitten im Schlachtgeschehen.
Das liegt aber nicht nur an der Optik. Gerade die Soundkulisse macht wirklich viel her: Wenn Felsen in die Stadtmauern einschlagen, donnert es über das ganze Schlachtfeld, Schwerter klirren und euren Einheiten hört man die Anstrengungen eines Kampfes wirklich an. Eure Armee jubelt sogar zum Sieg, was sich nach einer langen Belagerung einfach gut anfühlt. Was uns sehr gut gefällt: Euer Volk verändert sogar teilweise seine Sprache, wenn ihr in den Zeitaltern voranschreitet, was zusätzlich zur Immersion beiträgt.
Einziger Kritikpunkt: Auch wenn die Einheiten sehr detailliert dargestellt sind, ist es schwer, ähnliche Soldaten auseinander zu halten. Versucht mal, aus der Ferne normale und Langbogenschützen auseinanderzuhalten! In den Vorgängern stachen die Einheiten mehr hervor und man konnte wesentlich leichter unterscheiden, um welchen Typ es sich handelt. Gleiches gilt für die verschiedenen Einheitenstufen: Während sich in Age of Empires 2 Milizsoldaten und die besseren Schwertkämpfer gut voneinander unterscheiden lassen, fehlen diese starken optischen Differenzen in Teil 4.
In früheren Ablegern der Serie hat das Terrain bereits eine Rolle gespielt: Stehen eure Einheiten auf einer erhöhten Position, verursachen sie an Feinden, die unter ihnen stehen, mehr Schaden und erhalten im Gegenzug auch weniger. Neu sind hingegen Wälder, in denen sich eure Soldaten verstecken können, um dann für fast alle gegnerischen Einheiten nicht sichtbar zu sein. Späher und Außenposten können Einheiten in solchen Wäldern aufdecken, aber ist euer Gegner mit einer einfachen Armee aus Bogenschützen auf dem Weg zu euch, könnt ihr ganz einfach einen Hinterhalt legen und die Ahnungslosen kinderleicht ausschalten. Ihr müsst aber keine Angst haben, dass Armeen plötzlich einfach in jedem Forst stehen. Das Versteckspiel ist nur in speziellen Wäldern möglich, die gut zu erkennen sind.
Bisher hat sich dieses Feature allerdings nur in der Kampagne als nützlich erwiesen, in unseren Online-Partien während des Tech Tests wurde es nie genutzt. Dadurch, dass es so etwas aber in keinem vorherigen Ableger der Serie gab, ist es gut möglich, dass es einfach noch zu ungewohnt für die Leute war. Ebenfalls neu ist, dass Steinmauern nicht mehr einfach nur ein Hindernis für argwöhnische Nachbarn sind, sondern von euren Einheiten auch erklommen werden können. Bogenschützen gewinnen so eine erhöhte Reichweite und können dann sogar einige Belagerungswaffen ausschalten, bevor sie euch gefährlich werden können. Vorsicht ist aber dennoch geboten: An Triboke und Bombarden kommen eure Schützen nicht heran. Fühlt euch daher nicht zu sicher hinter (oder auf) euren Mauern!
Wie schon beim Technical Stress Test lief das Spiel bei uns einwandfrei. Wir hatten keine Bildrateneinbrüche, Spielabstürze oder anderweitige Fehler, die eine Kaufwarnung nötig machen würden. Zu den Online-Servern können wir noch nichts sagen, da während der Testphase noch keine Multiplayer-Matches zustande kamen. Die Erfahrungen aus dem Tech-Test, bei dem die Server problemlos liefen, lassen uns aber zuversichtlich auf den Release blicken.
Wie wir bereits in unserer Preview bemängelt haben, kann man einige Hotkeys immer noch nicht ändern. Auch ist es fraglich, wieso beispielsweise alle Militärgebäude per Hotkey-Auswahl möglich sind, nicht aber nur die Kasernen oder Schießanlagen. Ihr könnt jeder Aktion zwei Hotkeys zuweisen, was praktisch ist, aber die Frage aufkommen lässt: Wieso geht das, obwohl man es in vielen Fällen gar nicht benötigt, während manche Funktionen aus den Vorgängern gar nicht erst in Age of Empires 4 enthalten sind? Mit der Definitive Edition von Teil 2 hat man doch ein gutes Vorbild, wieso bedient man sich daran nicht?
Ein weiterer Störfaktor: Es gibt eine Einstellung, um festzulegen, welche Einheiten ihr beim Selektieren auswählen möchtet: “Smart”, “Militär” oder “Zivil”. Mit ersterem wählt ihr alle Einheiten aus, mit den anderen zwei Optionen nur die Einheiten des jeweiligen Typs. Habt ihr also “Militär” eingestellt und zieht eine Box nur um Dorfbewohner, werden sie komplett ignoriert. Wieso kann es nicht, wie zum Beispiel bei Age of Empires 2, eine Option geben, die Militäreinheiten priorisiert, aber die Auswahl von Dorfbewohnern alleine trotzdem möglich macht? Und warum ist es “Smart”, einfach alle Einheiten auszuwählen, und dabei versehentlich Dorfbewohner in den Tod zu schicken?
Das Interface und die Grid-Hotkeys, an die wir uns im Tech-Test erst einmal gewöhnen mussten, stellen für uns tatsächlich gar kein großes Problem mehr da. Zu Anfang war es ungewohnt, aber mittlerweile fühlt es sich “normal” an. Trotzdem könnten einige verwirrt sein, wenn sie viel Age of Empires 2 gespielt haben.
Weitere Kritikpunkte sind, dass es keine Haltungen für Einheiten gibt. Ihr könnt “Stand Ground” auswählen, was aber nach einem Bewegungsbefehl nicht mehr gilt, und das war’s. Wo sind die defensive Haltung oder die Patrouillen-Funktion? Immerhin gibt es den “Attack Move”.
Die Wegfindung der Einheiten ist bis auf gelegentliche Staus gut, etwa vor Toren oder Lücken in Mauern gut. Eher stört uns, dass unsere Einheiten nicht immer tun, was sie sollen, allen voran Belagerungswaffen. Wir haben unseren Triboken befohlen, auf eine gegnerische Burg zu schießen, aber nur vier von ihnen haben den Befehl ausgeführt, die anderen beiden standen einfach nur untätig daneben. Anderen Einheiten passiert das auch ab und an, alles in allem kommt es aber glücklicherweise nicht allzu oft vor.
Die KI hat sich in unseren Partien gut geschlagen und immer wieder versucht, mit kleineren Angriffen unsere Dorfbewohner auszuschalten. Allerdings ist die einfache KI, nun ja, etwas zu einfach. Sie hat sich in einer Partie nicht mal daran gemacht, ein Wahrzeichen zu errichten und war nach 40 Minuten immer noch in der dunklen Zeit, während wir schon im Imperialzeitalter angekommen waren.
Age of Empires 4 ist das Comeback, das wir uns von dieser prestigeträchtigen Serie erhofft haben. Der Mix aus Neuerungen und Altbewährtem spielt sich gut. Das Spiel ist zwar nicht ganz fehlerfrei, aber einerseits steht uns vielleicht ein Day-One-Patch bevor und andererseits wird bereits mit den Definitive Editions von Teil 2 und 3 bewiesen, wie man sich richtig um Spiele kümmert. Wir können euch Age of Empires 4 mit gutem Gewissen empfehlen, egal, ob ihr ein Veteran der AoE-Serie seid oder erst neu ins Genre der Echtzeitstrategiespiele einsteigt.