Die E3 ist vorbei und damit auch eine Welle an Render-Trailern, die nicht gerade Euphorie in uns ausgelöst haben.
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E3 2019: Viele Render-Trailer, wenig Hype
Die E3 war…nun ja, irgendwie ernüchternd. Dabei haben die Entwickler und Publisher doch so viele interessante Titel angekündigt. Bandai Namco bestätigte die Zusammenarbeit zwischen From Software und George R. R. Martin und enthüllte Elden Ring, Bethesda stellte mit Deathloop sowie GhostWire: Tokyo gleich zwei spannende Projekte vor und Ubisoft hatte ebenfalls mehrere Neuankündigungen im Gepäck. Die Existenz von Watch Dogs: Legion bestätigten die Franzosen zwar schon vor der Messe, aber Gods & Monsters, Rainbow Six: Quarantine sowie Roller Champions kündigte man frisch auf der eigenen Pressekonferenz an – wobei die beiden letzteren Titel zuvor schon geleakt wurde (wie so vieles).
Warum sind wir also von der E3 insgesamt eher enttäuscht, als dass wir sie total großartig fanden? Das liegt daran, dass es gerade zu einigen der oben genannten Neuankündigungen, aber auch einigen anderen Spielern viel zu wenig zu sehen gab. In vielen Fällen haben sich die Hersteller dazu entschlossen, uns lediglich Render- beziehungsweise Cinematic-Trailer zu zeigen und kein Gameplay.
Eine gültige Ausrede
Nun mag das bei Spielen, die noch kein Release-Datum haben, nicht so schlimm sein. Die beiden neuen Bethesda-Titel Deathloop (von Arkane Studios) und GhostWire: Tokyo (von Tango Gameworks) haben beide noch keinen Termin und es ist nicht mal bekannt, für welche Plattformen sie erscheinen werden. Daher ist davon auszugehen, dass es sich hier um Next-Gen-Spiele handelt, die für PS5 und Project Scarlett (so der Arbeitstitel der nächsten Xbox) auf den Markt kommen werden.
Vielleicht sind es nicht mal Launch-Titel, die, zumindest im Fall der nächsten Microsoft-Konsole, somit Ende 2020 erscheinen würden (wann die PS5 kommt, ist nicht bekannt). Beide könnten auch erst 2021 veröffentlicht werden. In dem Fall wäre es verständlich, dass die Entwickler noch keine Spielszenen zeigen wollen.
Ubi macht einen auf geheimnisvoll
Wenn die frisch angekündigten Spiele in einem halben bis Dreivierteljahr erscheinen sollen, sieht die Sache anders aus. Hier blicken wir vor allem auf Ubisoft. Im Fall von Watch Dogs: Legion, das für den 6. März 2020 angekündigt ist, hat der Publisher aus Paris eine umfangreiche Gameplay-Demo gezeigt – sehr gut! Wir haben dadurch einen guten ersten Eindruck von dem Open-World-Spiel erhalten. Gleiches verwehrte uns Ubisoft jedoch bei zwei anderen Titeln, die im selben Zeitraum erscheinen sollen. Im Fall von Rainbow Six: Quarantine steht zwar kein konkretes Datum fest, der Koop-Shooter ist aber für Anfang nächsten Jahres eingeplant. Warum wir trotzdem nur einen kurzen Render-Trailer zu sehen bekamen, ist uns schleierhaft.
Ähnlich geht es uns, wenn wir an Gods & Monsters denken. Das Action-Adventure hat im Gegensatz zu Rainbow Six: Quarantine einen festen Termin und erscheint sogar noch früher als Watch Dogs: Legion, nämlich am 25. Februar 2020. Obwohl die Entwicklung demnach sehr weit fortgeschritten sein muss, präsentierte Ubisoft der Öffentlichkeit nur einen Render-Trailer. Auf der Pressekonferenz gab es weder Gameplay noch ausführliche Infos zu dem Spiel.
Ein großes Finale sieht anders aus
Gods & Monsters war, wohlbemerkt, der Abschluss der Veranstaltung, das "One More Thing"-Spiel. Erinnern wir uns zurück: 2012 wurde an der Stelle Watch Dogs enthüllt – mit Gameplay. 2013 war es The Division – mit Gameplay. 2014 kündigte Ubisoft zum Abschluss seiner E3-Pressekonferenz Rainbow Six: Siege an – mit Gameplay. 2015 zeigte man erstmals Ghost Recon: Wildlands – mit, ihr habt es erfasst, Gameplay. Und all diese Spiele waren zum Zeitpunkt ihrer Ankündigung noch mindestens über ein Jahr davon entfernt, veröffentlicht zu werden. Die Spielszenen haben vor allem eine Sache bewirkt: Sie haben Interesse geweckt. Wir haben uns auf all diese Titel gefreut, nachdem Ubisoft sie uns zum ersten Mal gezeigt hat. Watch Dogs und The Division haben sogar Hypes ausgelöst, zählten in ihrem jeweiligen Ankündigungsjahr zu den Messe-Highlights. Gilt das auch für Gods & Monsters? Mitnichten!
Ehrlich gesagt, war uns am Ende der Ubisoft-Pressekonferenz nicht mal ganz klar, was für eine Art Spiel es eigentlich ist. Klar, die Optik erinnerte direkt an The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Und wie sich nun dank zahlreicher Presseberichte herausgestellt hat, geht Gods & Monsters auch spielerisch in jene Richtung. Denn die Kollegen, die in Los Angeles waren, haben Gameplay zu sehen bekommen – hinter verschlossenen Türen, versteht sich. Warum macht Ubisoft das bei einem Spiel, das schon so bald erscheinen soll? Läuft die Demo vielleicht nicht rund genug, als dass man sie der Öffentlichkeit präsentieren könnte? Wenn ja, wie viel Aussagekraft hat das dann über die Qualität des fertigen Spiels?
Potenzial zum Vergessenwerden
Wenn nur Ubisoft in dieses Fettnäpfchen getreten wäre, wäre die E3 sicherlich deutlich interessanter gewesen. Aber leider ist dem nicht so. Auch andere große Hersteller kamen nicht umhin, statt Gameplay-Demos mit vielen Infos relativ nichts aussagende Trailer zu zeigen, die lediglich die Stimmung eines Spiels transportieren sollen. Nehmen wir als Beispiel Outriders, den neuen Koop-Shooter von Square Enix und Entwickler People Can Fly (Bulletstorm). Der Titel ist für Sommer 2020 angekündigt und soll für PC, PS4 sowie Xbox One erscheinen. Es ist also kein vermeintlicher Next-Gen-Titel wie Deathloop und GhostWire: Tokyo.
Warum verraten die Verantwortlichen also so wenig zu ihrem neuen Projekt? Warum gibt es nicht mal einen Trailer mit ein paar kurzen In-Game-Szenen zu sehen? Wir erwarten ja von einem Spiel, dessen Release noch mindestens ein Jahr entfernt ist, keine zehn Minuten lange Gameplay-Demo. Aber bis darauf, dass Outriders Koop-Action für bis zu drei Spieler in einer düsteren Sci-Fi-Welt bietet, wissen wir noch nichts und können demnach auch gar keine richtige Vorfreude dafür empfinden. Und soll die Präsentation eines Spiels auf der E3 nicht dazu gut sein, genau das zu erzeugen? Vorfreude?
Gerade so ein Spiel wie Outriders wird es nicht leichthaben, nach dieser Ankündigung in den Köpfen der Leute zu bleiben. Science-Fiction-Koop-Shooter gibt es eben schon wie Sand am Meer. Was das herausstechende Merkmal des neuen Spiels von People Can Fly sein soll, haben die Polen schlichtweg nicht verraten. Bis zum nächsten Trailer, zur nächsten Infowelle werden viele Outriders wieder vergessen haben – gutes Marketing ist was anderes.
Verpasste Chance bei Microsoft
Halo Infinite wird sicherlich nicht in Vergessenheit geraten. Das liegt aber vor allem daran, dass es nun mal der sechste Teil (Spin-offs nicht mitgerechnet) einer langlebigen und erfolgreichen Serie ist, dem die Fans seit seiner Ankündigung vor einem Jahr entgegenfiebern. Doch wirklich glorreich fiel dessen Präsentation auf der diesjährigen E3 auch nicht aus.
Dabei hätte alles so gut laufen können: Microsoft kündigte Project Scarlett, seine neue Konsole, offiziell an. Phil Spencer, Head of Xbox, stand auf der Bühne und verkündete, dass die Hardware Ende 2020 erscheinen wird – gemeinsam mit Halo Infinite als Launch-Titel. Das Publikum verfiel in Jubel, weil es a) nun wusste, wann es das nächste Halo spielen können wird, und b) sich sicher sein konnte, dass wenige Augenblicke später neues Bildmaterial von dem Shooter gezeigt werden würde. Nun ist der Trailer, der auf der Pressekonferenz zu sehen war, beileibe nicht schlecht. Technik und Inszenierung ergeben ein gutes Gesamtbild. Und der Auftritt des Master Chiefs ist für die Halo-Fans natürlich ein Grund zum Jubeln. Aber unserer Meinung nach ist das Video dem Moment, in dem Microsoft es präsentiert hat, nicht gerecht geworden.
Als Technikdemo für die Power der neuen Xbox funktioniert es nicht. Klar, das Gezeigte sieht grafisch toll aus, ist aber auch nur eine Zwischensequenz. Und so was ist optisch eben immer besser aus als das eigentliche Spiel. Auf der anderen Seite sind wir nicht wirklich schlauer bezüglich dessen, was uns bei Halo Infinite erwartet. Angeblich ist es ja eines der ambitioniertesten und teuersten Spiele aller Zeiten und es ist davon auszugehen, dass die Reihe den Pfad der linearen Kampagne verlassen wird. Aber haben Microsoft und Entwickler 343 Industries irgendwas dazu verraten? Nö! Wir sind nun nicht viel schlauer, als wir es vor der E3 waren. Und irgendwie hatten wir uns vom Abschluss der Microsoft-Pressekonferenz und dem ersten vollwertigen Trailer zu Halo Infinite (der 2018er-Teaser zählt nicht) mehr erhofft.
Gründe für den Verzicht auf Gameplay-Demos
Es gibt noch weitere Beispiele, etwa Elden Ring, das neue Rollenspiel von From Software, von dem wir gerne mehr gesehen hätten. Immerhin soll es im Gegensatz zu den "Dark Souls"-Spielen sowie Bloodborne und Sekiro: Shadows Die Twice ein richtiges Open-World-Spiel werden. Der From-Software-typische Render-Trailer ist nett, keine Frage, aber heiß sind wir auch nur deshalb auf das Spiel, weil wir eben wissen, wer es macht und nicht, weil wir irgendwas gesehen hätten, das unsere Vorfreude geweckt hat.
Letztendlich stellt sich die Frage, warum so viele Hersteller lieber Render- beziehungsweise Cinematic-Trailer für die E3 produzieren, statt dort Gameplay zu zeigen? Nun, zum einen ist so ein Trailer weniger aufwändig in der Erstellung. Nicht, dass so ein vorgerendertes Video günstig oder leicht zu machen wäre, ganz im Gegenteil. Aber zumindest muss nicht aus jeder Abteilung eines Entwicklerstudios jemand abgezogen werden, um an der Entwicklung einer E3-Demo mitzuwirken. Denn so was wird immer extra produziert und zieht Ressourcen von der Produktion des eigentlichen Spiels ab. Für einen Render-Trailer kann man im Zweifelsfall ein externes Studio anwerben. Vielleicht ist das alles aber auch keine Frage des Geldes, sondern eher eine Sicherheitsmaßnahme. Denn lange Zeit vor dem Release eines Spiels Gameplay zu zeigen, ist immer mit einem Risiko verbunden. Schließlich wird so eine Demo auf Hochglanz poliert und grafisch auf das bestmögliche Niveau gehoben, um richtig zu beeindrucken, während das eigentliche Spiel noch in einem sehr rohen Zustand ist. Es kann daher passieren, dass eine Messedemo am Ende besser aussieht als die Vollversion, die Monate oder gar Jahre später im Laden steht.
Die Angst, zu hohe Erwartungen zu wecken
Nun könnte man argumentieren, dass sich die Entwickler in Sachen Technik ja bei der Demo auch etwas zurückhaltender geben könnten. Aber einerseits ist gute Grafik eben ein starkes Werbeinstrument und andererseits weiß man eben erst in der Spätphase der Entwicklung, wie weit man technisch wirklich gehen kann. Die häufig diskutierten Downgrades sind daher etwas ganz Normales. Im besten Fall kommt am Ende so etwas wie The Witcher 3 heraus. Zwar regten sich einige Leute darüber auf, dass die Grafik des fertigen Spiels schlechter war als die der zuvor präsentierten Demos, aber es war ja trotzdem das wohl schönste Rollenspiel seiner Zeit. Kritischer war die Situation beim ersten Watch Dogs, dessen E3-Demo einfach zehnmal besser aussah als das, was wir 2014 auf unseren Konsolen und dem PC gespielt haben.
Besonders hart ist es dann, wenn die Demo eines Spiels ein Bild vermittelt, dem der Titel bei Release so gar nicht gerecht wird. Dabei beziehen wir uns nicht nur auf die Grafik. Anthem ist das perfekte Beispiel hierfür: Vergleicht man die ersten öffentlichen Gameplay-Szenen mit dem, was Anfang dieses Jahres erschienen ist, könnte man meinen, das seien zwei komplett unterschiedliche Spiele. Na ja, wer die Entwicklungsgeschichte von Anthem kennt, der wird wissen, dass diese Aussage gar nicht mal so weit von der (vermeintlichen) Wahrheit entfernt ist. Immerhin dachten viele BioWare-Mitarbeiter bis zur Enthüllung auf der E3 2017 noch, das Spiel würde nicht Anthem, sondern Beyond heißen. Wer mehr dazu erfahren will, sollte den entsprechenden Artikel von Kotaku lesen.
Nun ist Anthem sicherlich ein Sonderfall. Würde jede Entwicklung so chaotisch verlaufen wie die des Loot-Shooters von BioWare, würden sich wesentlich mehr Blockbuster als Reinfälle erweisen. Aber vielleicht herrscht ja bei Entwicklern und Publishern die Angst davor, dass ihnen etwas Ähnliches passieren wird, wenn sie zu früh Gameplay zeigen. Bei einem Spiel wie Gods & Monsters ist das aber schwer vorstellbar. Und wenn doch, dann solltet ihr nicht damit rechnen, dass der Titel am 25. Februar 2020 erscheint. Denn wenn jetzt nicht feststehen würde, wie das Spielkonzept aussehen soll, wie sollte das Team es dann schaffen, das Action-Adventure bis in sieben Monaten fertigzustellen?
Was auch immer die Gründe dafür sind, uns Render-Trailer statt Gameplay zu zeigen: Am Ende ist das nichts, was den Herstellern wirklich viel bringt. Klar, ein Elden Ring und ein Halo Infinite bleiben auch ohne ausführliches Gameplay und Massen an Infos in den Köpfen der Leute. In Fan-Foren wird hierüber die nächsten Wochen und Monate sicherlich viel diskutiert. Aber wird nun nach der E3 noch eine große Masse im Netz über Gods & Monsters oder Outriders sprechen, ohne dass Entwickler und Publisher mehr Material dazu veröffentlichen? Wir haben da unsere Zweifel. Mit beeindruckenden Gameplay-Demos im Netz wäre unsere Einstellung definitiv eine andere.