Yager hatte mit The Cycle: Frontier mal ganz andere Pläne. Die gingen nicht auf und man änderte das Konzept – eine weise Entscheidung, die dem Studio hoffentlich großen Erfolg beschert.
The Cycle: Frontier hat sich gewandelt und das ist gut so
Nicht jedes Spiel sieht am Anfang der Entwicklung genauso aus wie am Ende. Vermutlich trifft das auf die allerwenigsten Titel zu. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Alan Wake ursprünglich mal ein Open-World-Spiel werden sollte? Am Ende kam es als lineares Action-Adventure auf den Markt, weil Entwickler Remedy zu der Meinung gekommen war, dass die offene Welt nicht gut zu der Geschichte gepasst hätte. Vermutlich ist diese Entscheidung richtig gewesen, ist doch die lineare, im Episodenformat verpackte Story das Highlight des Spiels. Manchmal braucht es einschlagende Veränderungen während der Entwicklung, damit ein Spiel ein Hit werden kann. Genauso ist es auch The Cycle: Frontier ergangen.
Tolle Spiele, mäßiger Erfolg
Yager Development gehört zu den größten Entwicklerstudios Deutschlands. Zwar muss man sich in Sachen Mitarbeiteranzahl Browser- und Mobile-Game-Herstellern wie Goodgame Studios und InnoGames geschlagen geben, das Ansehen Yagers in den Augen derjenigen, die nicht bloß Casual Games zocken, dürfte aber bedeutend größer sein. Dabei haben es die Berliner seit ihrer Gründung im Jahr 1999 nie geschafft, einen richtig großen Verkaufsschlager zu veröffentlichen. An ihr Debütwerk, das Sci-Fi-Actionspiel Yager von 2003, dürften sich nur noch wenige Leute erinnern. Am meisten Aufsehen erregte man sicherlich mit Spec Ops: The Line, dem vielleicht einzig wahren Shooter, der sich auf die Fahne schreiben darf, ein Anti-Kriegsspiel zu sein. Ein finanzieller Hit war er aber nicht.
Später sollte Yager eigentlich für Deep Silver Dead Island 2 entwickeln. Den fantastischen Trailer mit dem Jogger am Strand von Santa Monica habt ihr vielleicht noch in Erinnerung – er wurde auch erst kürzlich beim Summer Game Fest von Coffee Stain Studios parodiert, um den Goat Simulator 3 anzukündigen. Tja, leider ist das Zombiespiel in der Entwicklungshölle versunken. Ein Grund dafür: Differenzen zwischen Deep Silver und Yager, woraufhin der Publisher dem Studio bereits 2015 das Projekt wieder entzog.
Danach wechselte Yager ins Free-to-Play-Segment. Man arbeitete zunächst an dem Science-Fiction-Titel Dreadnought mit, in dem ihr gewaltige Raumschiffe steuert und an Multiplayer-Schlachten teilnehmt – quasi ein World of Tanks im Weltall. Das nächste Projekt wiederum entstand unabhängig von irgendeinem Publisher: Mit The Cycle wollte man eine neue Art von Mehrspieler-Shooter abliefern, einen "Competitive Quest Shooter". Das Prinzip: 20 Spieler landeten auf einer weitläufigen Karte. Entweder kämpfte jeder gegen jeden oder es wurde in Teams gespielt. Ziel war es aber nicht, wie in einem Battle-Royale-Spiel alle Gegner auszuschalten und der letzte Überlebende zu sein. Stattdessen galt es, Quest zu erfüllen, die sich als simple Aufträge à la "Töte Summe X an Monstern" gestalteten. Für abgeschlossene Missionen regnete es Punkte. Wer in einer Runde die meisten Punkte verdiente und es schaffte, per Evakuierungsschiff lebendig zu entkommen, trug den Sieg davon.
Neu ist nicht immer gut
Ich habe The Cycle vor Jahren mal in einer Closed Beta gespielt und … war nicht wirklich angetan. Das Konzept mutete zwar an, interessant zu sein, aber nach dem Ausprobieren stellte ich mir die Frage: "Ok, und was soll daran jetzt so toll sein?" Es fühlte sich wie ein Battle-Royale-Spiel an, das sich aber mit Händen und Füßen dagegen wehren wollte, eines zu sein. Tja, scheinbar war ich nicht der Einzige, der mit dem Spiel nicht warm wurde. Schließlich hat Yager mittlerweile nicht nur seinen Namen durch einen Untertitel erweitert, sondern auch das Konzept ausgetauscht.
Na gut, ein "Competitive Quest Shooter" ist The Cycle: Frontier eigentlich immer noch. Kämpfe gegen andere Spieler sind genauso noch ein wichtiger Spielbestandteil wie Quests. Yager hat sich aber von dem Prinzip der einzelnen kurzen Matches (eine Runde dauerte in der Ursprungsversion 20 Minuten) komplett verabschiedet. Man könnte The Cycle: Frontier nun als Open-World-Spiel bezeichnen. Ihr landet auf einer von zwei großen Maps und könnt sie nach Herzenslust und ohne Zeitdruck erkunden, während ihr verschiedene Aufgaben erfüllt. Allerdings gilt: Wenn ihr das Zeitliche segnet, ist alles, was ihr bei euch tragt, mehr oder weniger futsch und es gibt auch keinen Respawn.
Wollt ihr mehr darüber wissen, wie das Spiel funktioniert und was ich davon halte, lege ich euch meinen Artikel ans Herz, in dem ich erkläre, wieso The Cycle: Frontier Escape from Tarkov in zugänglich ist.
Um das aber auch an dieser Stelle nochmal gesagt zu haben: Ja, Yager ahmt hier den Hardcore-Survival-Shooter Escape from Tarkov nach. Es geht primär darum, die Spielwelt nach Loot abzusuchen, vornehmlich Crafting-Ressourcen. Entweder braucht ihr den Kram, um eure Quests zu erfüllen, oder ihr bastelt euch daraus Ausrüstung, verbessert damit euer eigenes Quartier oder verkauft ihn. Dadurch, dass ihr immer wieder auf andere Spieler trefft und es für gewöhnlich zu Schusswechseln mit ihnen kommt, hat The Cycle: Frontier noch einen kompetitiven Charakter, aber es geht im Kern nicht mehr darum, der Beste zu sein und zu gewinnen.
Innovationen für Qualität geopfert
Nun könnte man sagen: "Ja, ist doch schon schade, oder? Da hat Yager zuerst eine neuartige Idee und dann eifert man doch nur dem Erfolg von anderen nach und gibt dabei jegliche Innovationen auf." Diese Aussage mag nicht falsch sein. In der Tat wäre es schöner gewesen, wenn das ursprüngliche Konzept von The Cycle richtig überzeugt hätte. Wir Spieler schreien doch immer nach neuen, frischen Ideen. Auf der anderen Seite kaufen wir aber auch stets die x-te Fortsetzung von Franchise XY, weil sie Kost bietet, die wir zwar schon kennen, aber auch mögen. Der Mensch ist nun mal in seinem Innersten ein Gewohnheitstier, zumindest gilt das für viele von uns.
The Cycle hat in seiner anfänglichen Form nicht gut genug funktioniert. Yager hat das erkannt, ist zurück ans Reißbrett gegangen und kam auf die Idee, eine zugänglichere Alternative zu Escape from Tarkov zu kreieren – mit der Sci-Fi-Welt als Setting, die man schon designt hatte. Und siehe da: Die Rechnung ist aufgegangen. The Cycle: Frontier bereitet mir große Freude. Es ist in keiner Weise mehr innovativ, aber im Unterschied zur vorherigen Version macht es richtig viel Spaß. Das spiegeln die Steam-Reviews bisher zwar nicht wieder, die Spielerzahlen sind aber seit dem Release am 8. Juni recht stabil und können sich sehen lassen. Über 30.000, teilweise sogar fast 40.000 Leute, die zeitgleich per Steam auf dem Planeten Fortuna III unterwegs sind, sind für ein Spiel ohne großen Namen und Publisher sehr gut (und dann kommen noch die Zahlen vom Epic Games Store hinzu, die jedoch nicht vorliegen). Wenn das so bleiben sollte, würde The Cycle: Frontier zwar nicht in die höchste Riege der Multiplayer-Shooter vorstoßen, hätte aber eine ausreichend große Community, mit der sich so ein Free-to-Play-Titel gut finanzieren ließe.
Wenn es ein Alleinstellungsmerkmal ist, ein guter Nachahmer zu sein
Warum ich glaube, dass The Cycle: Frontier eine Chance hat, sich langfristig zu etablieren, hat damit zu tun, in welche Nische sich Yager damit gesetzt hat und welche Rolle das Spiel innerhalb dieser einnimmt. Es ist, wie schon erwähnt, eine einsteigerfreundlichere und auch deutlich simplere Alternative zum überkomplexen, extrem anspruchsvollen Escape from Tarkov. Damit steht es derzeit recht allein dar. DICE hat zwar mit "Hazard Zone" in Battlefield 2042 etwas Ähnliches versucht, ist aber gnadenlos gescheitert. Sicherlich werden sich in den nächsten Jahren noch andere Entwickler an dem Konzept versuchen, aber für den Moment gibt es keine Alternative zur Tarkov-Alternative The Cycle: Frontier, wenn euch das "Original" zu hart ist.
An diesen Punkt wäre Yager nie gekommen, hätte man am alten Spielprinzip festgehalten. Und so sehr jedes Entwicklerteam bestimmt lieber neue Ideen verwirklichen möchte, als nur von anderen abzugucken: An Ende braucht es eben finanziellen Erfolg, damit man weitermachen kann. Danach besteht immer noch die Chance, Innovationen zu schaffen – dann aber hoffentlich auch welche, die wirklich zünden.