Matrix feiert Geburtstag. Wir blicken zurück auf die Filme und die Spiele, die uns in die Matrix eintauchen ließen.
20 Jahre Matrix: Aufstieg und Fall einer Kinolegende
"Unwissenheit ist ein Segen". So lautet ein Zitat der Figur Cypher aus "Matrix". Dieser Satz passt ganz gut zu jener Marke. Denn stellt euch mal vor, ihr würdet nur den ersten Film kennen und gar nicht wissen, dass es noch zwei weitere Teile sowie drei Videospiele gibt. Dann würdet ihr mit dem Wort Matrix nur einen fantastischen, ja geradezu wegweisenden Science-Fiction-Film verbinden – gut, und so manches wissenschaftliche Thema wie etwa die Matrizen aus dem Matheunterricht.
Ein (nicht mehr ganz so) moderner Klassiker
Heute vor exakt 20 Jahren, am 17. Juni 1999, lief "Matrix" in den deutschen Kinos an. Die Amerikaner bekamen den Actionfilm zweieinhalb Monate vorher zu sehen, daher dürfte sich damals hierzulande unter Cineasten bereits herumgesprochen haben, wie sensationell der Streifen doch sei. Und er schlug ein wie eine Bombe. Am Startwochenende gingen über 1,3 Millionen Deutsche ins Kino (Quelle: Insidekino.de), um sich die Geschichte rund um den Hacker Neo (dargestellt von dem "breathtaking" Keanu Reeves) anzuschauen, der in einer Scheinwelt, der namensgebenden Matrix lebt, ohne es zu wissen.
Insgesamt hat "Matrix" hierzulande fast 4,8 Millionen Zuschauer in die Lichtspielhäuser gelockt. Damit ist er zwar "nur" auf Platz 7 der erfolgreichsten Kinofilme 1999 in Deutschland zu finden, international steht er jedoch auf Platz 4 (Quelle: Box Office Mojo). Und es ist nun wirklich keine Schande, gegen "Toy Story 2", "The Sixth Sense" und "Star Wars: Episode 1 – Die dunkle Bedrohung" den Kürzeren zu ziehen (auch wenn Letzterer ziemlich mies ist, wie wir heute alle wissen). "Matrix" war aber nicht nur ein phänomenaler Actionfilm, der mit bahnbrechenden Effekten, einer grandiosen Ästhetik und gut choreographierten Kampfszenen das menschliche Auge begeistert hat. Bis hier die Action so richtig losgeht, dauert es schon eine ganze Weile. Ein großer Teil der 136 Minuten Laufzeit ist reines Storytelling und nicht bloß Schauwertkino.
Die heutigen Schwestern und damaligen Brüder Lana (ehemals Larry) und Lilly (ehemals Andy) Wachowski waren äußerst ambitioniert und wollten nicht nur tolles Actionkino abliefern, sondern auch eine spannende und für einen Blockbuster vergleichsweise tiefgründige Geschichte erzählen. Sie verarbeiteten philosophische sowie religiöse Motive und vermischten das Ganze mit der klassischen Sci-Fi-Thematik, dass sich die Maschinen irgendwann gegen die Menschen wenden, wie zuvor etwa schon in den "Terminator"-Filmen von James Cameron zu sehen.
2003 – Das Matrix-Jahr
Alle Welt war sich bei "Matrix" einig: Dieser Film ist großartig. Kritiker und Fans feierten ihn und es war klar, dass auf dem Erfolg aufgebaut werden sollte. Nach dem einen Film im Jahr 1999 folgte vier Jahre später eine wahre Matrix-Flut. Zum einen liefen die direkten Fortsetzungen "Matrix Reloaded" und "Matrix Revolutions" in den Kinos, zum anderen erschien mit "Animatrix" eine Sammlung von neun animierten Kurzfilmen auf DVD und ein erstes Videospiel gab es auch noch. Enter the Matrix war als AAA-Titel seiner Zeit angelegt. Verantwortlich dafür zeichnete Shiny Entertainment, die Macher von Earthworm Jim und MDK.
Die Vorzeichen standen eigentlich ganz gut: Shiny hatte bewiesen, dass man gute Third-Person-Actionspiele entwickeln kann, und dem Studio stand viel Budget zur Verfügung, um zum Beispiel das Motion-Capture-Verfahren nutzen zu können. Was heute ganz normal für Videospiele größerer Hersteller ist, war Anfang der 2000er was Besonderes. Dazu gab es sogar Live-Action-Zwischensequenzen mit den Darstellern aus den Filmen, die von den Wachoswkis geschrieben und inszeniert wurden. Und die Bullet-Time-Action aus der Kinovorlage eignete sich perfekt, um als Third-Person-Shooter á la Max Payne umgesetzt zu werden.
Besser wieder schnell raus aus der Matrix
Doch Enter the Matrix hatte leider sehr viele Probleme. Dass die Fans enttäuscht darüber waren, nicht Neo zu spielen, sondern Niobe und Ghost, die in den Filmen nur kleine Nebenrollen sind, war da noch das geringste Problem. Die Grafik schwankte sehr in ihrer Qualität, die Kamera war furchtbar und dann waren da noch die vielen, vielen Bugs. Enter the Matrix erschien in einem sehr rohen Zustand, dementsprechend niedrig fielen die Wertungen der Presse aus.
Was eigentlich einer der Top-Titel 2003 hätte werden können, entpuppte sich am Ende als typisches Lizenzspiel, das voreilig auf den Markt gebracht wurde, nur um pünktlich zum Kinostart von "Matrix Reloaded" in den Läden stehen zu können. Da der Film auch nicht gerade den Erwartungen der Fans gerecht wurde und sein Nachfolger sogar noch schlechter ankam, wurde 2003 nicht zu dem Jahr, in dem Matrix endgültig die Popkulturwelt eroberte. Stattdessen wurde es gefühlt zum Todesjahr der Marke.
Der Matrix fehlt es an Einwohnern
Na gut, ein wenig ging es danach doch noch weiter mit Matrix, zumindest auf den Konsolen und dem PC. 2005 erschienen gleich zwei Spiele. Im Frühjahr starteten die Server von The Matrix Online und ja, das war genau das, was ihr euch gerade denkt: der Versuch, auf dem Rücken der Filmserie ein MMORPG zu etablieren. Aber hey, das Genre war ja dank World of WarCraft kurz zuvor auf dem Massenmarkt angekommen und Matrix schien immer noch eine starke Marke zu sein. "Matrix Reloaded" und vor allem "Matrix Revolution" kamen zwar bei den Kritikern nicht so gut an, waren aber an den Kinokassen erfolgreich. Der zweite Teil spielte sogar fast 750 Millionen US-Dollar ein und war damit der dritterfolgreichste Film 2003 hinter "Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs" und "Findet Nemo" (Teil 3 landete auf Platz 8 mit 427 Millionen).
All das half The Matrix Online überhaupt nicht. Zwar hatte Publisher Warner Bros. Interactive Entertainment mit Monolith Productions einen fähigen Entwickler für das Projekt (das Studio brachte im selben Jahr den Ego-Shooter F.E.A.R. auf den Markt), und die Aussicht darauf, in einer persistenten Online-Welt gemeinsam mit anderen Spielern zu erleben, wie die Geschichte nach "Matrix Revolution" weitergeht, klang vielversprechend. Aber so richtig gut kam das MMO nicht an. Schon nach wenigen Monaten verkaufte Warner Bros. das Spiel an Sony Online Entertainment (heute bekannt als Daybreak Game Company). Von ursprünglich neun Servern blieben gerade mal drei übrig, wie Giant Bomb schreibt. Immerhin: Von da an sollte The Matrix Online noch wenigstens vier Jahre am Leben bleiben, 2009 stellte Sony Online Entertainment den Betrieb aber letztendlich ein.
Mit Neo wird alles…na, doch nicht besser
Moment, hatten wir nicht noch was von einem zweiten Spiel im Jahr 2005 erwähnt? Ja, richtig, es gab da noch The Matrix: Path of Neo. Der Name war hierbei Programm. Nachdem die Fans sich darüber beschwert hatten, dass der Hauptcharakter der Filme in Enter the Matrix keine Rolle spielte, rückte ihn Shiny Entertainment diesmal in den Mittelpunkt. Dementsprechend erlebte der Spieler keine Parallelhandlung, sondern spielte bekannte Szenen aus den Kinostreifen nach. War jetzt also alles gut? "Leider nein, leider gar nicht", wie ein zeitgenössischer Philosoph aus Hürth sagen würde. Sicherlich war Path of Neo kein kompletter Reinfall, es hatte zum Beispiel nicht so schwerwiegende technische Probleme wie Enter the Matrix. Aber in Sachen Kamera hatte Shiny nicht wirklich dazugelernt und die spielerische Abwechslung hielt sich in Grenzen.
Und dann war da noch die Sache mit dem Finale. Der letzte Kampf zwischen Neo und Agent Smith wird plötzlich von einer Szene unterbrochen, in der zwei simple Pixelfiguren, die die Wachowskis darstellen sollen, vor weißem Hintergrund auf Sesseln sitzen. Der Zweck des Ganzen: Sie sollen erklären, warum die nachfolgende Szene nicht dem entspricht, was in "Matrix Revolutions" zu sehen ist. Im Film opfert sich Neo am Ende, um Agent Smith zu besiegen und die Menschheit zu retten. Da es aber in einem Videospiel ziemlich blöd wäre, wenn der Hauptcharakter und somit der Spieler verlieren, gibt es stattdessen einen Kampf gegen einen XXL-Agent-Smith, bestehend aus lauter Schrottteilen und den vielen kleinen Abbildern des Schurken. Und natürlich setzt sich dieses riesige Ungetüm eine große Sonnenbrille auf, denn Agent Smith ist ohne Gläser vor den Augen ja nicht er selbst. Hätte es 2005 die Bezeichnung Trash für solche Szenen noch nicht gegeben, dieser Moment hätte sie wohl geprägt.
Hat Matrix eine Zukunft?
Heute, 20 Jahre nach dem Kinostart von "Matrix", wünschen wir uns wirklich, wir hätten vieles einfach vergessen – würden gar nichts davon wissen, dass es mehr als einen Film und auch nur irgendein Matrix-Spiel gibt. In diesem Sinne sind wir also ganz bei Cypher: "Unwissenheit ist ein Segen." Doch wir müssen der Wahrheit ins Gesicht blicken: Es gibt mehr als einen Matrix-Film, die Fortsetzungen sind längst nicht so gut wie Teil 1 und alle Matrix-Spiele sind bestenfalls Durchschnittsware gewesen. "Na gut, schließt doch einfach damit ab!", könntet ihr nun sagen. Aber zum einen hat Hollywood wohl was dagegen, denn Warner Bros. plant einen neuen Film (Quelle: Screenrant.com), zum anderen würden wir ein gutes Matrix-Videospiel nach wie vor begrüßen.
Ja, gefühlt ist die Marke eigentlich tot. Warner Bros. und die Wachowskis haben sie selbst zu Grabe getragen und Tote soll man ja bekanntlich ruhen lassen. Aber die Vorstellung, ein modernes Actionspiel im Matrix-Universum zu haben (von uns aus auch mit Open World, einer guten natürlich), ist schon reizvoll. Die Ästhetik der Filme weiß uns nach wie vor zu gefallen. Und wenn wir schon kein viertes Max Payne mehr bekommen, dann wollen wir wenigstens einen anderen Shooter mit schöner Bullet-Time-Action.
Hey, Warner! Ihr habt doch einige talentierte Entwicklerstudios. Lasst doch eines von denen mal was Gutes zusammenschustern! Vielleicht ja Rocksteady, die Schöpfer der "Batman: Arkham"-Spiele? Wir wissen ja nicht, woran die seit vier Jahren (ja, so alt ist Arkham Knight schon) arbeiten. Gerüchte gab es schon einige, aber vielleicht stimmen die allesamt nicht und die Londoner werkeln an einem Matrix-Open-World-Abenteuer? Wir fänden das super! In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Matrix, zum zwanzigsten Geburtstag! Du hast uns zwar nicht nur Freude bereitet, aber deinen ersten Teil zum ersten Mal geschaut zu haben, werden wir nie vergessen. Und wenn du irgendwann wiederkommen solltest, dann hoffentlich in der Qualität, die du bei deiner Geburt hattest.