Hunt: Showdown ist ein Unikat unter den Multiplayer-Shootern. Ob es auch ein gutes Spiel ist, lest ihr in unserem Test.
Hunt – Showdown im Test: Jagen mal anders
Fünf Jahre. Fünf Jahre sind eine lange Zeit, in der sich viel verändern kann. Am Anfang ist man vielleicht Single, lebt in Stadt A, studiert noch und am Ende hat man eine feste Beziehung, wohnt in Stadt B und erfreut sich eines festen Jobs. Für Hunt: Showdown hat sich in den vergangenen fünf Jahre ähnlich viel verändert. 2014 als Hunt: Horrors of the Gilded Age angekündigt, wandelte es sich vom reinen Koop-Shooter mit Third-Person-Kamera zu einem PvEvP-Titel mit Ego-Perspektive, vom Free-to-Play- zum gewöhnlichen Buy-to-Play-Titel und noch dazu wanderte der Entwicklungsstandort von Austin, Texas nach Frankfurt am Main. Und nun ist es nach über anderthalb Jahren im Early Access offiziell erschienen – Grund genug, dem Spiel auf den Zahn zu fühlen und euch zu erläutern, warum ihr Hunt: Showdown auf jeden Fall eine Chance geben solltet.
Gruselige Pirsch
Es ist Nacht in Louisiana. Das Mondlicht scheint zwischen den Bäumen hindurch, spiegelt sich im trüben Nass des Sumpfes. In den kleinen Holzhütten am Wasser leben schon lange keine Menschen mehr – zumindest keine, die noch unter den Lebenden weilen. Zwei Personen schleichen umher, kriechen durch den Matsch. Das sind wir. Wir sind Jäger und haben den Auftrag, eine riesige Spinne zu erlegen – ein widerliches Wesen ist das, das können wir euch sagen. Allein das Geräusch, wenn sie mit ihren acht langen Beinen über den Holzboden der Scheune krabbelt, lässt es uns eiskalt den Rücken runterlaufen. Doch wir müssen uns konzentrieren. Erstens: Wir wollen unbedingt das Kopfgeld für Itsy Bitsy haben. Zweitens: Das wollen auch andere. Drittens: In den Sümpfen wimmelt es nur so vor Zombies.
Damit wäre die grundlegende Situation in Hunt: Showdown schon zusammengefasst. Das Spiel entlässt euch auf ein Quadratkilometer große Karten, auf denen ihr in jeder Partie ein oder zwei Bosse ausschalten sollt. Mit dem Beweis fürs Erlegen der monströsen Kreaturen verschwindet ihr dann wieder. Mal abgesehen davon, dass ihr Gegner wie eine XXL-Spinne oder einen untoten, großgewachsenen Metzger mit Schweinekopf und einem Fleischerhaken statt rechter Hand töten müsst, klingt das alles so relativ einfach, zumal es von Haus aus kein Zeitlimit gibt. Doch täuscht euch da mal nicht! In Hunt: Showdown zu triumphieren, ist in etwa so schwierig, wie das Chicken Dinner in PlayerUnknown's Battlegrounds zu gewinnen.
Schnitzeljagd im Horrorsumpf
Die Karten in Hunt: Showdown sind einerseits vollgestopft mit Zombies, andererseits gibt es immer Konkurrenz in Form von bis zu elf anderen Spielern. Die haben es genau wie ihr auf das Kopfgeld abgesehen. Jeder Jäger, mit dem ihr nicht in einem Team spielt, ist also ein Konkurrent, den es auszuschalten gilt, wenn ihr ihm begegnet.
Damit nicht alle Spieler zu Beginn einer Partie direkt in Richtung Boss laufen und es vor dessen "Haustür" zu einem chaotischen Massaker kommt, ist sein Aufenthaltsort zunächst unbekannt. Um ihn aufzuspüren, müsst ihr drei Hinweise einsammeln, die quer über die Map verteilt sind. Dabei handelt es sich aber nicht etwa um Zettel mit Worten wie: "Triff mich an der alten Mühe, bring ordentlich Schrotkugeln mit! Liebe Grüße, dein Fleischer mit dem Schweinekopf", sondern um Dimensionsrisse. Berührt ihr sie, nehmt ihr sozusagen Verbindung zum Bossgegner auf. Im praktischen Sinne heißt das: Auf der Karte wird der Bereich eingegrenzt, in dem sich das Monster aufhält. Die Rifts spürt ihr mit Hilfe eurer Schattensicht auf. Die taucht die Umgebung in Schwarz, nur nahe Objekte und Wesen sind sichtbar, während Hinweise in der Ferne durch blaues Licht markiert werden.
Spannung pur
Das Konzept von Hunt: Showdown ist verdammt großartig. Nicht nur, dass es sich angenehm vom Battle-Royale-Einheitsbrei abhebt, es entfaltet auch noch eine immense Spannung. Das gilt schon für die Phase, in der alle Spieler noch auf der Suche nach dem einen oder gleich mehreren Bossen sind. Doch wenn ihr so einen gefunden habt, geht es richtig ab: Der Kampf gegen einen Feind dieses Kalibers treibt euch bereits Schweißperlen auf die Stirn, weil er eigentlich immer auf beengtem Raum stattfindet, jeder Boss einiges an Kugeln frisst und mächtig austeilt. Aber wenn ihr dann noch bedenkt, dass euch theoretisch jeder Zeit andere Spieler in den Rücken fallen könnten, steigt die Spannung ins Unermessliche.
Und es geht noch weiter: Habt ihr den Boss besiegt, müsst ihr ihn verbannen, bevor ihr den Beweis für die Tötung an euch nehmen und euch aus dem Staub machen könnt. Dieser Vorgang dauert einige Minuten und alle anderen Spieler werden darüber informiert, wo die Leiche liegt. Ihr müsst also dort ausharren und darauf gefasst sein, dass jeder Zeit die Konkurrenz auf der Matte stehen kann. Ist der Verbannungsprozess abgeschlossen und ihr habt den Beweis, solltet ihr schnellstmöglich zum nächsten Levelausgang laufen. Denn auch dann können euch andere Spieler immer noch niederstrecken und die Beute an sich nehmen. Da bleibt der Puls garantiert nicht im Ruhebereich.
Das Leben eines Jägers ist viel wert
Warum ist das alles so verflucht spannend? Nun ja, zittert ihr in Fortnite oder PUBG um euer virtuelles Leben, weil jede Feindbegegnung den Tod und damit das Ausscheiden aus dem Match bedeuten kann? Ha! Wer Hunt: Showdown mal etwas intensiver gespielt hat, kann darüber nur lachen. Denn hier gilt nicht bloß: "Du bist tot, du bist ausgeschieden". Nein, wenn ihr hier ins Gras beißt, ist euer Jäger, mit dem ihr gespielt habt, für immer futsch – es sei denn, ihr habt gerade erst mit dem Spiel angefangen. Neueinsteiger genießen bis Level 11 Welpenschutz und verlieren ihren Charakter nicht, wenn sie draufgehen.
In Hunt: Showdown erstellt ihr keinen eigenen Jäger, sondern rekrutiert mit erspielter In-Game-Währung zufallsgenerierte Charaktere. Die sehen nicht nur unterschiedlich aus, sondern verfügen auch über jeweils andere Waffen, Hilfs-Items und eine Eigenschaft. Letzteres ist ein passiver Bonus, der euch zum Beispiel länger sprinten oder mehr Items tragen lässt. Die Ausrüstung könnt ihr komplett austauschen, wenn ihr wollt, ihr seid nicht an die Vorauswahl gebunden.
Zweigeteilte Progression
Der Clou von Hunt: Showdown ist nun, dass ihr mit eurem rekrutierten Jäger im Level aufsteigt, wenn ihr denn die Ausflüge in die Jagdgebiete überlebt. Je weiter ihr im Rang aufsteigt, desto mehr Skill-Punkte erhaltet ihr, die ihr wiederum in weitere Eigenschaften investiert. Stirbt euer Jäger nach mehreren Partien, ist all jener Fortschritt verloren. Dieser Rogue-like-Ansatz in einem Multiplayer-Shooter gefällt uns ungemein gut.
Ihr müsst jedoch keine Angst haben, dass ihr nach jedem Bildschirmtod wieder komplett bei Null anfangt. Mit der sogenannten Blutlinie gibt es in Hunt: Showdown eine übergeordnete Progression. Sie ist euer Account-Level. Jedes Match liefert euch Erfahrungspunkte, sodass ihr in der Stufe aufsteigt, was wiederum neue Waffen, Gadgets und Eigenschaften freischaltet. Von jedem Item, das ihr euch so erspielt, erhaltet ihr ein Exemplar gratis. Geht eine Waffe jedoch verloren, weil euer Charakter das Zeitliche segnet, müsst ihr sie euch im Shop erneut kaufen.
"Das ballert!"
Apropos Waffen: In Hunt: Showdown gibt es ein breites Arsenal an Schießprügeln und Nahkampfgegenständen aus dem 19. Jahrhundert. Mit dabei sind Repetiergewehre, Schrotflinten, Revolver und Armbrüste. Jedes Tötungswerkzeug gibt es zudem in unterschiedlichen Varianten, zum Beispiel mit Zielfernrohr oder ohne. Und das Beste ist: Jede einzelne Knarre fühlt sich ungemein gut an.
Das Gameplay in Hunt: Showdown ist famos. In Sachen Trefferfeedback gibt es kaum einen Shooter, der Cryteks jüngstem Baby irgendwas vormacht. Egal ob ihr einem Zombie mit dem Gewehr in den Kopf schießt oder einem Gegenspieler Schrotkugeln in die Magengegend jagt, jeder Abschuss fühlt sich wuchtig und dadurch enorm befriedigend an. Dass Feinde einfach nur zu Boden fallen, ist hier eine Rarität. Nein, in der Regel werden sie stets zurückgeschleudert und rutschen vielleicht sogar noch über den Boden, wenn der nicht ganz eben ist.
Stille ist Trumpf
So viel Spaß es aber auch macht zu ballern, so selten solltet ihr den Abzug drücken, wenn es nicht wirklich notwendig ist. Klar, in den Auseinandersetzungen mit anderen Spielern darf und sollte reichlich geschossen werden. Und die machen definitiv am meisten Spaß. Aber es ist ja auch befriedigend, die normalen Zombies einfach mal über den Haufen zu ballern, gibt schließlich Erfahrungspunkte. Doch zum einen habt ihr in Hunt: Showdown nur begrenzt Munition (vor allem für die Bosskämpfe brauch ihr eine Menge davon), zum anderen ist jeder Schuss, den ihr abgebt, ein Signal für andere Spieler, dass ihr in der Nähe seid. Hunt: Showdown ist nicht einfach nur ein Online-Shooter mit großen Karten und KI-Gegnern (womit es bereits vom Genreeinheitsbrei deutlich abweicht), es ist zugleich auch ein Schleichspiel.
Die Karten sind nicht nur beeindruckend detailliert gestaltet, sondern machen euch immer wieder bewusst, dass ihr vorsichtig vorgehen solltet. Es gibt diverse Elemente, die dazu führen, dass unbedacht agierende Spieler schnell von ihren Kontrahenten entdeckt werden. Zum Beispiel liegen an vielen Stellen Glasscherben auf dem Boden. Lauft ihr nicht in geduckter Haltung darüber, erzeugt das Geräusche, die Spieler in nächster Nähe hören. Gleiches gilt, wenn ihr Fleischerhaken oder Dosen, die an Seilen aufgehängt sind, berührt. Seht ihr irgendwo Krähen am Boden oder Enten auf dem Wasser, haltet ihr besser Abstand. Sonst fliegen die Vögel weg und begleiten ihre Flucht mit lautem Krähen beziehungsweise Schnattern.
Darüber hinaus gibt es Hunde und Hühner in Käfigen oder halbtote Pferde auf dem Boden, die auf euch reagieren, wenn ihr ihnen zu nah kommt. Und auch die Zombies könnten euch verraten. Sieht ein anderer Spieler, wie die Untoten in den Angriff übergehen, sich aber gar nicht auf ihn stürzen, dürfte ihm sofort klar sein, dass noch jemand anderes in der Nähe ist. Ihr könnt die Soundkulisse von Hunt: Showdown aber auch zu eurem Vorteil nutzen. Hier findet ihr mal einen Generator, den ihr aktivieren könnt, dort ein Klavier oder einen Phonographen. Clever eingesetzt, lockt ihr damit Gegenspieler in die Falle.
Genuss für Augen und Ohren
Wenn wir schon beim Thema Sound sind: Die Akustik in Hunt: Showdown ist schlichtweg brillant. Das liegt nicht nur an den Waffensounds, die genauso wuchtig sind wie in den Battlefield-Spielen und somit zusammen mit denen die Königsklasse im Shooter-Genre bilden. Auch sämtliche Umgebungsgeräusche und die Laute der Zombies sind hervorragend. Gerade bei einem Spiel, bei dem der Ton eben eine große spielerische Bewandtnis hat, ist es umso wichtiger, dass Crytek Wert auf eine so hohe Qualität gelegt hat. Musik ist zwar spärlich vorhanden (nur in den Menüs und Ladebildschirmen), doch die vorhandenen Stücke sind sehr schön komponiert. Und der Titelsong, der im Grunde aus nichts anderem als einem summenden Männerchor mit tiefen Stimmen besteht, geht uns eh nicht mehr aus dem Kopf.
Im Zusammenspiel mit der Optik erzeugt Hunt: Showdown eine richtig dichte Atmosphäre – so dicht, wie sie aktuell in keinem anderen Multiplayer-Shooter zu finden ist. Sowohl technisch als auch künstlerisch ist das, was der Titel auf den Bildschirm zaubert, grandios. Die Umgebungen sind mit so vielen Details vollgestopft, dass man dem Spiel abkauft, das dort mal Menschen gelebt haben sollen. Auch das Design der normalen Zombies sowie der Spezial- und Bossgegner ist hervorragend und kann sich locker mit dem messen, was From Software bei Bloodborne abgeliefert hat. Man denke nur an die Schwarmmutter, aus deren Brustkorb ein Insektenstock gewachsen ist, weshalb der Oberkörper komplett aufgerissen ist und der Kopf zur Seite hängt.
Technisch begeistert Hunt: Showdown auf dem PC vor allem mit einem fantastischen Spiel von Licht und Schatten, das erst recht dann zur Geltung kommt, wenn ihr in der Nacht unterwegs seid. Auch die Animationen der Charaktere sowie Waffen sind richtig gut gelungen. Bloß die etwas detailarmen Modelle der Spielfiguren und so manche Darstellungsfehler beim Wasser trüben den ansonsten hervorragenden Gesamteindruck.
Nachschlag erwünscht
Nach so viel Lob müssen wir am Ende aber doch noch ein wenig Kritik üben. Das größte Manko von Hunt: Showdown ist bislang der Umfang. Ja, ihr könnt etliche Stunden mit dem Titel Spaß haben, keine Frage. Bis ihr mal alle Waffen, Verbrauchsgegenstände und Eigenschaften freigeschaltet habt, vergeht eine lange Zeit. Außerdem gibt es neben dem normalen Spielmodus noch das Schnellspiel, in dem nur Einzelspieler unterwegs sind, es keine Bossmonster gibt, ihr nicht mit einem eurer eigenen Jäger antretet und mit zufälliger Ausrüstung startet. Ihr geht kein Risiko ein, einen hochstufigen Jäger zu verlieren, und gewinnt ihr, dürft ihr sogar den Charakter mitsamt den gesammelten Items behalten.
Aber mit gerade mal drei Bossmonstern und zwei Karten bietet die 1.0-Version von Hunt: Showdown weniger, als wir es uns gewünscht hätten. Das mag jedoch schlimmer klingen, als es ist. Die beiden Karten sind großartig gestaltet und bieten so viele abwechslungsreiche Orte, dass ihr selbst nach einer Handvoll Partien auf beiden Maps noch nicht alles gesehen habt. Ein dritter Schauplatz und ein bis zwei weitere Bosse hätten es in der Release-Version aber gerne sein dürfen. Hoffentlich hat Hunt: Showdown wirklich nachhaltigen Erfolg, sodass Crytek hier alsbald Nachschub liefert.
Woran die Frankfurter jedoch ganz dringend arbeiten müssen: die Lobby. Nehmen wir an, ihr wollt in einem Dreierteam spielen, was seit der Version 1.0 möglich ist. Dann müsst ihr folgendes tun: Ihr ladet erst einen Mitspieler über den Button "Freund 1 einladen" ein, wartet, bis derjenige beigetreten ist, und klickt dann auf "Freund 2 einladen", um den dritten Mann dazu zu holen. Es ist zwar möglich, auf erstgenannten Knopf zu klicken und zwei Einladungen abzusenden, aber die gelten dann beide für denselben Slot. Und "Freund 2 einladen" bleibt solange ausgegraut, bis ihr zu zweit in der Lobby seid. Die Krönung: Nach dem Ende jeder Partie wird die Gruppe aufgelöst und ihr müsst eure Freunde erneut einladen. Crytek, was soll das?! Das mag eine Kleinigkeit sein, aber eben eine, mit der wir jedes Mal konfrontiert sind, wenn wir Hunt: Shodown mit Freunden spielen wollen. Das nervt!
Fazit
Als Hunt: Showdown noch Hunt: Horrors of the Gilded Age hieß und man Ewigkeiten nichts mehr von dem Spiel gehört hatte, während Crytek mit finanziellen Problemen Schlagzeilen machte, glaubten wir gar nicht mehr an einen Release. Nun gut, heute hat es nicht nur einen anderen Namen, sondern ist auch ein völlig anderes Spiel, aber es ist tatsächlich erschienen und noch dazu der wohl beste Multiplayer-Shooter der jüngeren Vergangenheit.
Es überzeugt nicht nur mit tadellosem Spieldesign und sehr spaßigem Gameplay, sondern auch einer Atmosphäre, wie wir sie noch nie in einem vergleichbaren Titel erlebt haben. All das sorgt dafür, dass jede Partie Hochspannung pur ist und wir nicht genug bekommen können. Diesem virtuellen Adrenalinkick sollte sich jeder Shooter-Fan aussetzen. Am Ende ist es nur der etwas magere Umfang, der Hunt: Showdown die Höchstwertung verwehrt. Aber daran kann Crytek ja noch arbeiten. Und wie sehr können wir es nicht erwarten, noch mehr von Hunt: Showdown serviert zu bekommen!
- Großartiges, einzigartiges Konzept
- Fantastisches Gunplay
- Fokus auf Stealth gefällt
- Atmosphärisch stark
- Großartige Soundkulisse
- Schicke Optik
- Etwas magerer Umfang
- Schlechtes Lobbysystem