Halo Infinite bietet ein grandioses Gameplay, aber die Progression könnte für manche ein Stolperstein sein.
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Multiplayer-Test: (Fast) der heilige Gral der Online-Shooter
Lange mussten wir auf Halo Infinite warten. Eigentlich sollte der Ego-Shooter ja schon Ende 2020, genauer gesagt als Launch-Titel für die Xbox Series X/S erscheinen. Weil aber das Feedback der Fans nach dem ersten Kampagnen-Gameplay so negativ war, verschob 343 Industries das Spiel auf 2021 – und letztendlich um ein ganzes Jahr. Zu unserer Überraschung veröffentlichte man dann den kostenlosen Multiplayer bereits Mitte November, obwohl der genau wie der Singleplayer für den 8. Dezember angekündigt war. Genaugenommen ist das auch der offizielle Release geblieben, denn die Entwickler sprachen zuvor noch von einer Beta. Mittlerweile ist Halo Infinite in seiner Gesamtheit offiziell erschienen, Zeit also für eine Wertung des Multiplayer-Parts, der in vielen Belangen die neue Speerspitze im Genre darstellt. Nur bei der Progression hapert es.
Zur Info: Wir haben diesen Artikel zunächst als Vorabtest veröffentlicht. Im Folgenden lest ihr den Originaltext, darunter findet ihr ein Update mit Infos dazu, was sich seit der Veröffentlichung der Beta getan hat, und das aktualisierte Fazit samt Wertungskasten.
Wenige Karten, aber ...
Da der Multiplayer von Halo Infinite grundsätzlich kostenlos spielbar ist, fällt es uns schwer, ihn für seinen verhältnismäßig mageren Umfang zu kritisieren. Ihr bekommt hier derzeit kein Riesenpaket serviert, dennoch ist genug da, um zig Stunden Ballerspaß zu haben. Obendrein dürfen wir nicht vergessen, was für eine Art Shooter das hier ist. Halo Infinite ist kein Call of Duty, bei dem Kartenkenntnis zwar durchaus wichtig, aber nicht zwingend kriegsentscheidend ist. Bei dem, was 343 hier geschaffen hat, ist die sogenannte „Map Control“ aber extrem relevant.
Zumindest in den Arena-Modi trägt Halo Infinite wie seine Vorgänger noch ein wenig von der DNS ganz alter Multiplayer-Shooter wie Quake und Unreal Tournament in sich. Soll heißen: Jeder Spieler startet mit der gleichen Ausrüstung (Sturmgewehr plus Pistole) und andere Waffen sammelt ihr an bestimmten Stellen auf der Karte ein. Zudem gibt es Items wie den Greifhaken, Schubdüsen oder auch so etwas Mächtiges wie das Tarnmodul, das euch unsichtbar macht (außer wenn ihr sprintet und Gegner angreift). Auch die liegen an vordefinierten Stellen im Level und spawnen nach einer gewissen Zeit erneut, nachdem sie jemand aufgehoben hat. Zu wissen, wo was zu finden ist, kann und ist oft siegentscheidend. Je mehr Maps Halo Infinite also zu Beginn hätte, desto schwieriger wäre der Einstieg. Bei Valorant hat es uns auch nicht gestört, dass es zum Launch nur drei Karten gab. Die ließen sich so wunderbar lernen und außerdem waren sie fantastisch designt – und das ist auch in Halo Infinite der Fall.
Die kleinen Arenen für 4-gegen-4-Gefechte bieten die perfekte Balance aus „sind schön verwinkelt“ und „lassen sich schnell einprägen“. Als kleines Schmankerl gibt es stellenweise noch „Geheimgänge“ (die sind nicht wirklich versteckt, aber sicherlich keine Hauptlaufwege). Sich die Layouts einzuprägen, um dann im Team Gegner richtig schön in die Mangel nehmen zu können, fühlt sich enorm befriedigend an. Taktik ist in Halo Infinite weitaus wichtiger als gute Reflexe.
Neben sieben Arena-Maps gibt es noch drei weitläufigere Schlachtfelder für die „Big Team Battles“. Die haben längst keine Battlefield-Ausmaße (und da beziehen wir uns nicht mal auf die riesigen 128-Spieler-Karten aus Battlefield 2042), bieten aber genug Platz für Action mit Boden- und Luftvehikeln. Auch hier ist es wichtig zu wissen, wo welche Waffen spawnen, wobei sich gerade die Fundorte von Power-Waffen nicht an den offensichtlichsten Stellen befinden. Es lohnt sich also, die Umgebung genauer zu erkunden.
Kein Spiel für einsame Wölfe
Mehr Maps könnte Halo Infinite definitiv vertragen. In Sachen Spielmodi macht es aber schon jetzt eine sehr gute Figur. Neben „Showdown“, was klassisches „Team Deathmatch“ ist, gibt es mehrere zielbasierte Varianten. In „Festungen“ gilt es, die Mehrheit der Kontrollpunkte zu halten, um zu punkten. „Oddball“ dreht sich um den namensgebenden Ball. Solange ein Spieler aus eurem Team ihn ihn seinen Händen hält, sammelt ihr Punkte. Der Haken daran: Der Ballträger kann nur im Nahkampf zuschlagen und nicht sprinten, muss also unbedingt von seinen Kameraden geschützt werden. „Capture the Flag“ ist selbstverständlich auch am Start und das sogar in zwei Varianten: ganz klassisch mit zwei Flaggen und mit einer einzigen, sodass eine klare Unterteilung in Angreifer und Verteidiger besteht. Bei den „Big Team Battles“ kommt noch der „Hamstern“-Modus hinzu. Hier gilt es, fünf Energiekerne zur eigenen Basis zu bringen, die auf der Karte verstreut sind, und den Feind davon abzuhalten, das Gleiche zu tun.
Die Modi in Halo Infinite machen durch die Bank weg eine Menge Spaß, sofern man mit den richtigen Leuten zusammenspielt. Teamplay ist das höchste Gebot. Nur bei „Showdown“ können Einzelleistungen wirklich siegentscheidend sein. Gerade in „Capture the Flag“ und „Oddball“ steht ihr ganz schnell doof da, wenn es keinerlei Absprachen gibt und alle einfach ihr Ding durchziehen.
Lasst uns spielen, worauf wir Lust haben!
Deshalb ist es derzeit ein Problem, dass es keine eigenen Spiellisten für die verschiedenen Modi gibt. Zwar existiert ein Menü dafür, dass den Eindruck erweckt, ihr könntet beim Matchmaking in Halo Infinite nach Spielvarianten filtern, aber darüber lassen sich nur benutzerdefinierte Spiele für private Matches mit Freunden erstellen. Ist ja schön, dass das so einfach möglich ist, aber wenn keiner unserer Kumpels online ist und wir ums Matchmaking nicht herumkommen, ist es ziemlich doof, dass wir uns dem Zufall unterwerfen müssen. Welcher Modus gespielt wird, darauf habt ihr keinen Einfluss und ihr seht das auch erst, wenn bereits alles fertig geladen ist und die Partie beginnt.
Das hat schon dazu geführt, dass einzelne Spieler teilweise die Matches direkt zu Beginn wieder verlassen haben und durch Bots ersetzt wurden, sodass unsere Siegchancen automatisch deutlich geringer waren. 343 Industries muss unbedingt die Option einbauen, nach Spielmodi zu filtern. Denn wenn wir eben einfach mal nur „Showdown“ spielen wollen, aber ständig in „Oddball“-Partien geschmissen werden, nervt das schon.
Gottgleiches Gameplay
Die Wut über dieses fehlende Feature ist aber jedes Mal schnell vergessen, wenn wir dann in einer Partie sind und uns an dem fantastischen Gameplay von Halo Infinite laben. Nicht nur das Map-Design ist herausragend, sondern auch das Gunplay. Jede Knarre fühlt sich toll an, das Trefferfeedback könnte kaum besser sein und dann gibt es auch noch so viele unterschiedliche Schießprügel. Neben den Waffen der Menschen bietet Halo Infinite eine Vielzahl an Alien-Tötungswerkzeug, etwa eine Energiepistole, die Gegner schockt, sowie einen Plasmagranatwerfer und natürlich die gute alte Nadelpistole, deren Projektile zielsuchend sind.
Die „Time to kill“ ist in Halo Infinite, wie man es von der Reihe kennt, vergleichsweise hoch. Ihr müsst eben immer erst den Schild eures Gegners zerstören, bis ihr ihm selbst Schaden zufügen könnt. Letzteres geht dann aber sehr schnell und die Power-Waffen, etwa das Energieschwert und der Raketenwerfer, sind nach wie vor so mächtig, dass ihr nur einen Treffer benötigt, um einen Feind zu eliminieren. Die Steuerung mit Maus und Tastatur auf dem PC geht wunderbar von der Hand. Halo Infinite ist in Sachen Spielbarkeit so gut wie kaum ein anderer Shooter, hier hakt einfach nichts.
Fortschritt im Schneckentempo
Das Gleiche können wir leider nicht über die Progression sagen. Die ist momentan der große Knackpunkt des Spiels. Klar, als Free-to-Play- und Life-Service-Titel hat es einen Battle Pass. Die meisten von dessen Belohnungen sind Käufern der Premiumvariante vorbehalten. Das mag Fans der alten Teile stören, bei denen alle kosmetischen Anpassungsoptionen (spielerisch relevante Dinge zum Freischalten gibt es nicht) kostenlos gewesen sind, aber dafür zahlt ihr eben für das Spiel an sich nichts.
Das Problem: Der Fortschritt ist viel zu schleppend. Erfahrungspunkte sammelt ihr nur, indem ihr Herausforderungen meistert: „Gewinne Summe X an Spielen“, „Töte Summe X an Gegnern mit Waffe Y“ und so weiter. Für Siege, Kills oder erfüllte Ziele an sich bekommt ihr gar nichts. Somit dauert es sehr lange, bis ihr mal eine Stufe aufsteigt. Zwar wird ein Battle Pass in Halo Infinite nie auslaufen, sodass ihr auch in späteren Saisons noch dessen Belohnungen freischalten könnt, aber das macht die Zähigkeit des Ganzen nicht wett.
343 hat die Kritik bereits zur Kenntnis genommen und auch schon erste Verbesserungen umgesetzt. So bekommt ihr mittlerweile für jede gespielte Partie 50 Erfahrungspunkte. Da ihr für jeden Levelaufstieg aber 1000 Stück benötigt, ist das eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Weitere Änderungen seien bereits geplant, sagt der Entwickler, brauchen aber noch einiges an Zeit. Ob sich die Situation also zum offiziellen Release ändern wird oder erst später, ist ungewiss.
Wenn 343 dabei ist, den „Halo Infinite“-Multiplayer zu verbessern, dürfen sich die Jungs und Mädels auch gerne noch um die Menüführung kümmern. Die ist ebenfalls noch verbesserungswürdig, gerade in Bezug auf den Bereich „Anpassung“. Hier klickt ihr euch durch horizontal verlaufende Menüs, um jedes Einzelteil einer Rüstung zu verändern, was viel zu umständlich und auch nicht gerade übersichtlich ist – zumal es keine Markierungen dafür gibt, wo ihr etwas Neues freigeschaltet habt und somit verwenden könnt. Ein Menüaufbau mit mehreren Zeilen wäre deutlich komfortabler.
Eine solide Technik reicht auch manchmal aus
Grafisch könnte man Halo Infinite vorwerfen, dass es alles andere als wie ein Next-Gen-Titel wirkt (na gut, mittlerweile ja eher Current-Gen). Ja, Texturqualität und Umgebungsbeleuchtung sind schon ordentlich, aber nichts haut uns hier optisch aus den Socken. Man merkt dem Spiel an, dass es eben auch noch auf der alten Xbox One gut laufen soll. Wir wollen ihm daraus aber keinen Strick drehen, denn die Grafik ist stimmig und die Performance schon in der Beta auf höchstem Level. Sowieso sind hohe Bildraten in einem so arg kompetitiven Spiel wichtiger als ein krasses Äußeres.
Außerdem macht Halo Infinite die eher mittelprächtige Optik mit seiner hochklassigen Akustik wieder wett. Die Waffensounds sind allesamt meisterlich und so vielfältig, dass wir allein anhand der Geräusche identifizieren können, mit welchem Schießprügel jemand auf uns feuert. Der Effekt, der erklingt, wenn wir einem Kontrahenten den tödlichen Treffer versetzt haben, macht den ganzen Moment noch befriedigender. Und auch wenn die Musik in einem Multiplayer-Shooter nicht sonderlich wichtig ist, wollen wir sie dennoch lobend erwähnen. Wären in den Menüs nicht so tolle Klänge zu hören, wären die Wartezeiten vor den Partien (vor allem, wenn man mit Leuten spielt, die nicht so flotte Hardware haben) längst nicht so erträglich. Da sind wir umso gespannter auf den Soundtrack der Kampagne.
UPDATE: Was sich seit dem Betastart verändert hat
Die gute Nachricht gleich vorweg: 343 Industries hat den Multiplayer von Halo Infinite in der Tat verbessert. Nein, die Menüführung hat immer noch die gleichen Macken wie am Anfang und richtig gut ist das Progressionssystem nach wie vor nicht. Aber es geht nicht mehr ganz so schleppend voran. Es gilt zwar immer noch, dass ihr nur Erfahrungspunkte erhaltet, wenn ihr bestimmte Herausforderungen meistert, die Entwickler haben aber zusätzliche Challenges eingebaut, um das Aufleveln des Battle Pass zu beschleunigen. So erhaltet ihr mittlerweile für die ersten sechs Partien am Tag feste XP-Beträge, insgesamt 800. Das reicht zwar nicht für einen Rangaufstieg, aber immerhin bringt euch jedes weitere Match garantierte 50 XP ein, sodass ihr also immer spätestens nach den ersten zehn Partien am Tag im Level aufsteigt. Nichtsdestotrotz muss 343 das System noch unbedingt erweitern, wenn man nicht die Spieler, die eine Form von extrinsischer Motivation brauchen, verlieren will. Umfangreichere Änderungen seien auch geplant, heißt es, aber die werden erst irgendwann im neuen Jahr kommen. Fürs Erste gibt es also wegen dem schwachen Fortschrittssystem Punktabzug für den Multiplayer von Halo Infinite.
Dass 343 aber auf die Stimmen aus der Community hört, hat das Team schon mehrfach bewiesen und stimmt uns positiv für die Zukunft. Das beweisen nicht nur die Änderungen an der Progression, sondern auch die Einführung neuer Spiellisten beziehungsweise Modi. So gibt es nun ein eine Liste für Leute, die nur "Showdown" spielen wollen. Hinzu kommen noch "Jeder gegen jeden", "Fiesta" als dauerhaft spielbarer Modus (gab es bereits als Teil des Tenrai-Events im November) und die unserer Meinung nach beste Ergänzung: "Taktischer Showdown". In diesem Modus ist jeder Spieler mit dem Kampfgewehr ausgerüstet, es gibt keine anderen Waffen, keine Items und auch keine Granaten und niemand hat einen Schild. Dafür ist die Munition unbegrenzt. Hier kommt es also viel mehr gute Reflexe und Zielvermögen an, denn der Schlüssel zum Sieg sind Kopfschüsse. Das Spieltempo ist dadurch deutlich geringer als in den anderen Modi. Halo Infinite spielt sich hier fast wie Counter-Strike, nur eben ohne Bomben oder Geiseln und auf eine Waffenart limitiert, was eine schöne Abwechslung zum Rest des Spiels ist. Apropos: Auch für jenen Rest sollte es noch eigene Spiellisten geben, sodass jeder, der zum Beispiel "Oddball" spielen möchte, auch nur das auswählen kann.
Fazit
Schon als wir nur Gameplay-Videos vom Multiplayer von Halo Infinite gesehen haben, war uns klar: Das wird was ganz Fantastisches. Unsere Erwartungen wurden fast vollends erfüllt. 343 Industries hat beste Arbeit geleistet, wenn es ums Gameplay geht. Das Waffenverhalten, die Steuerung, das Map-Design – all das ist auf höchstem Level. Ja, ein paar mehr Karten wären toll, aber die werden ganz sicher kommen und wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Spiel kostenlos ist.
Was 343 aber unbedingt noch verbessern muss, ist die Progression. Klar, die reine Spielmechanik ist wesentlich wichtiger und wir sehen uns aufgrund deren Qualität auch so hunderte Stunden im Multiplayer von Halo Infinite verbringen. Aber wenn man nicht diverse Spieler verlieren möchte, die einen motivierenden Fortschritt benötigen, dürfen die Entwickler das Battle-Pass-System nicht im aktuellen Zustand belassen. Daran ändern auch die Veränderungen, die seit Betastart bislang vorgenommen wurden, nicht viel. Davon abgesehen ist jede weitere Kritik Jammern auf hohem Niveau (Stichwort: Menüführung). Das Wichtigste, der spielerische Kern, ist herausragend und wir hoffen, dass 343 Halo Infinite über einen langen Zeitraum mit neuen Inhalten versorgt. Dann sehen wir uns wirklich Hunderte Stunden darin verbringen. Schließlich ist dieser Multiplayer einer der besten Vertreter seiner Art und kann mit kommenden Updates noch zu einem wahren Meisterwerk werden. Aufgrund der Progression müssen wir ihm aber diesen Stempel vorerst verwehren.
- Geniale Shooter-Mechanik
- Fantastisch designte Karten
- Gute Bandbreite an Modi
- Klasse Waffenarsenal
- Spitzensound
- Community-nahe Weiterentwicklung
- Schleppende Progression
- Schwache Menüführung
- Keine eigenen Spiellisten für jeden Modus