Story und Gameplay von Dying Light 2 überzeugen, aber die Open World schwächelt ganz gewaltig.
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Test: Unter den Erwartungen und trotzdem ein großer Spaß
Techland hat uns ganz schön lange warten lassen. Erinnert ihr euch noch daran, wie wir im Herbst 2019 schrieben, wie krass doch das Frühjahr 2020 werden würde? Damals dachten wir nicht nur, dass Cyberpunk 2077 in dem Zeitraum erscheinen würde, sondern auch Dying Light 2: Stay Human. Tja, Pustekuchen! CD Projekt ließ uns erst im Dezember desselben Jahres Night City betreten und hätte damit besser noch mindestens ein Jahr länger warten sollen. Techland wiederum war so klug, sein Zombiespiel nicht um Monate, sondern gleich auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Knapp zwei Jahre nach dem ursprünglich geplanten Release-Termin ist Dying Light 2 nun endlich da. Hat die Geschichte denn wenigstens ein besseres Ende genommen als die von Cyberpunk 2077? Nun, ein Bug-Desaster müsst ihr hier nicht befürchten, zumindest nicht auf dem PC. Aber erfüllt das Spiel die hohen Erwartungen, die Techland selbst mit seinen Versprechungen geschürt hat? Klare Antwort: Jein.
Dying Light 2 überzeugt spielerisch, wie wir es erwartet haben. Es hat uns mit seiner Story sogar positiv überrascht. Doch im Test hat sich auch gezeigt, dass Techland a) den Mund bezüglich der weltverändernden Entscheidungen zu voll genommen hat und b) eben doch kein CD Projekt ist. Letzteres mag nach dem Cyberpunk-Debakel wie etwas Gutes klingen, ist aber nicht so gemeint. Simpel ausgedrückt: Dying Light 2 ist kein AAA-Spiel und Techland kein AAA-Entwickler. Die Open World des Actiontitels zeigt das ganz deutlich, wenn man nicht nur oberflächlich auf deren Skyline schaut. Andererseits: Wenn man sich im Klaren ist, dass man es hier nicht mit einem der großen Big-Budget-Blockbuster der Branche zu tun hat, treten dessen Stärken umso mehr in den Vordergrund und lassen einen Dying Light 2 noch mehr wertschätzen.
Schönes Stadtleben? Na ja ...
Dying Light 2: Stay Human spielt lange Zeit nach dem hierzulande indizierten Vorgänger. Das Zombievirus, das einst nur in der türkischen Stadt Harran aus normalen Menschen blutrünstige Bestien gemacht hat, hat sich auf dem ganzen Erdball verbreitet. Es gibt nur noch ganz wenige Überlebende und vor allem so gut wie keine größeren Siedlungen mehr. Als eine der letzten Bastionen der Menschheit zählt die fiktive Stadt Villedor, die irgendwo in Europa ist (der genaue Standort ist nicht bekannt). Hier haben sich Fraktionen gebildet, die sich um die Vorherrschaft streiten und auch wenn das Leben dort alles andere als leicht und angenehm ist, kann man eben doch von einer Art Zivilisation sprechen.
Ihr spielt Aiden, einen Pilgerer, der auf der Suche nach seiner Schwester Mia ist. Die führt ihn nach Villedor, wo er sich im Konflikt zwischen den Parteien zurechtfinden muss. Wer hier Freund und wer Feind ist, lässt sich nicht so klar sagen, denn letztendlich kann man kaum jemandem wirklich zu 100 Prozent vertrauen.
Techland hat im Vorfeld oft genug betont, wie wichtig ihm doch Story und Charaktere in Dying Light 2 sind. Das Studio aus Polen galt bislang nicht als Team voller guter Geschichtenerzähler und das Spiel hat auf erzählerischer Ebene große Schwächen, keine Frage. Zum einen verliert der Plot schnell seinen Fokus. Der Prolog erweckt den Eindruck, als stehe die Suche nach Mia klar im Mittelpunkt. Dafür sorgen vor allem die Rückblenden in die Kindheit von Aiden und seiner Schwester, in der sie von Wissenschaftlern quasi gefangen gehalten werden, die an ihnen Experimente durchführen.
Doch sobald ihr nach Villedor kommt, rückt das alles in den Hintergrund und es geht vornehmlich um den Konflikt zwischen den Fraktionen der Stadt: den Survivors, die einfach nur überleben wollen, den Peacekeepers, die zwar für Sicherheit sorgen, zugleich aber sehr autoritär sind sowie gerne mal Todesstrafen verhängen, und die Renegades, die sich aus dem Abschaum der Menschheit zusammensetzen und die anderen Bewohner Villedors terrorisieren.
Schwache Hauptfigur, gute Nebenrollen
Die zweite große Schwäche ist Aiden, der keinen guten Protagonist abgibt. Dafür bleibt er viel zu blass. Er ist ein Pilger, hatte eine schwere Kindheit und sucht seine Schwester, doch mehr erfahrt ihr nicht über ihn. Vielleicht ist es Absicht, dass er mehr oder weniger ein unbeschriebenes Blatt Papier ist, weil ihr im Spielverlauf immer wieder entscheidet, wem Aiden die Treue schwört und wie er in bestimmten Situationen agiert. Doch zu sagen, dass ihr mit euren Entscheidungen seinen Charakter formt, wäre a) zu viel gesagt und b) großer Quatsch. Unser Held ist schließlich längst erwachsen und sollte daher schon eine ausgeprägte Persönlichkeit haben.
Trotz dieser Macken hat uns die Story von Dying Light 2 gut gefallen. Die Suche nach Mia war uns so schnell egal wie dem Spiel selbst, dafür haben wir Gefallen am Ränkespiel in Villedor und vor allem den Nebenfiguren gefunden. Da mögen keine Charaktere dabei sein, die sonderlich tiefgründig oder auch nur auf irgendeine Art und Weise besonders sind. Die Dialoge sind aber gut genug geschrieben, dass wir trotzdem Sympathien zu einigen Personen entwickelt haben.
Am meisten sticht hierbei Lawan positiv hervor, die von Rosario Dawson (bekannt aus "Sin City" und mehreren Marvel-Serien) verkörpert wird. Sie wurde schon im Vorfeld als wichtiger Charakter beworben. Angesichts dessen taucht sie zwar ziemlich spät in der Geschichte auf (circa gen Ende der ersten Hälfte), aber sie bekommt dann mehr als genug Screentime. Das Spiel nimmt sich hier und da auch die Zeit, um zur Ruhe zu kommen und uns Charaktermomente mit Lawan erleben zu lassen, durch die wir eine emotionale Bindung zu ihr aufbauen. Dying Light 2 erreicht hier nicht das Niveau eines Red Dead Redemption 2 oder Cyberpunk 2077, aber man merkt, wie viel Mühe Techland sich gegeben hat, damit diesmal die Erzählung nicht der große Schwachpunkt ist. Eine deutliche Steigerung ist in jedem Fall anzuerkennen.
"So Aiden, jetzt musst du dich entscheiden"
Die Entscheidungsfreiheit trägt ihren Teil dazu bei. Hierzu sei jedoch gesagt: So große Auswirkungen, wie Techland es versprochen hat, haben eure Taten nicht. Ja, es gibt den Moment aus der E3-Demo von 2019, in dem ihr dafür sorgen könnt, dass sich die Spielwelt um ein Gebiet erweitert. Aber das ist auch die einzige Entscheidung mit einer solchen Tragweite. Der Rest fokussiert sich darauf, wie einzelne Charaktere zu Aiden stehen. Es gibt Momente in der Hauptgeschichte, an denen ihr einen von zwei Pfaden wählt und beide münden in einer jeweils komplett anderen Quest. Die Story verzweigt sich an diesen Stellen jedoch nur für kurze Zeit, um dann wieder zum festen Strang zurückzukehren.
Wir wollen das Feature allerdings nicht zu sehr kleinreden: In den ersten Stunden mag es noch nicht so wirken, aber insgesamt trefft ihr im Handlungsverlauf ziemlich viele Entscheidungen und die haben auch zumeist spürbare Auswirkungen, nur eben in kleinem, persönlichem Rahmen. Dem Wiederspielwert kommt das trotzdem sehr zu Gute und es gibt auch mehrere Enden. Wer die alle sehen möchte, ist sicherlich mehrere 100 Stunden mit Dying Light 2 beschäftigt, wenn vielleicht auch keine 500.
Das liegt aber auch zu großen Teilen daran, dass es keine freie Speicheroption gibt. Deswegen könnt ihr eine Quest nicht mehrfach hintereinander spielen, um alle Optionen auszuprobieren. Dying Light 2: Stay Human zwingt euch sozusagen einen Ironman-Modus auf. Wenn ihr wissen wollt, was passiert, wenn ihr eine Entscheidung anders trefft als beim ersten Mal, müsst ihr ein komplett neues Spiel anfangen. Wir verstehen zwar, dass Techland damit erreichen möchte, dass ihr gut über eure Taten nachdenkt und lernt, mit den Konsequenzen zu leben, doch sind wir am Ende immer dafür, dem Spieler die Wahlfreiheit zu lassen – eben genau wie in der Story.
Na, wem gebt ihr die Macht?
Einen Aspekt in Sachen Entscheidungsfreiheit haben wir bis hierhin ausgelassen: das sogenannte "City Alignment"-System. In der Spielwelt gibt es sieben Bezirke, in denen entweder ein Stromkraftwerk oder ein Wassersturm steht. Wenn ihr deren Betrieb wiederherstellt, liegt es an euch, ob ihr den Survivors oder Peacekeepers die Kontrolle überlasst. Auswirkungen auf die Geschichte hat das nicht, auf die Spielwelt hingegen schon, wenn auch nur auf Gameplay-Ebene. Unterstützt ihr die Survivors, profitiert ihr von Dingen wie Seilrutschen, die euch die Fortbewegung erleichtern. Die Peacekeepers belohnen euch wiederum mit Verteidigungsmaßnahmen wie Autofallen, die ihr auf Knopfdruck auslöst, wenn ihr ihnen Gebiete zuweist. Die Krux dabei: In beiden Fällen schaltet ihr die Belohnungen in linearer Reihenfolge frei. Wollt also die UV-Lichtfallen haben, die die Peacekeepers als letztes in den von ihnen kontrollierten Gebieten installieren, müsst ihr ihnen alle sieben Stadtteile überlassen. Das sorgt dafür, dass ihr euch eben genau überlegen müsst, was ihr nun haben wollt. Solche Entscheidungen auf Gameplay-Ebene sind immer gut.
Ansonsten gibt es noch lauter Windmühlen, die ihr reaktivieren könnt, was immer mit einem netten Kletterrätsel verbunden ist. Daraufhin bilden sich im jeweiligen Bezirk weitere Strukturen, wodurch ihr Sicherheitszonen, Händler und auch die eine oder andere Nebenquest freischaltet. Ja, das erinnert sehr an die Ubisoft-Formel mit ihren Türmen und im Kern ist Dying Light 2 auch eine Open World, die nach genau dieser Formel funktioniert. Wer gehofft hat, dass es kein Spiel mit einer Karte voller Icons und generischer Nebenaktivitäten wird, den müssen wir leider enttäuschen.
"Huch, war ich schon mal in diesem Schlafzimmer?"
In Dying Light 2: Stay Human gibt es extrem viel zu tun, aber vieles davon ist nur Füllwerk. Hier ein Banditenlager ausräuchern, dort eine Art Miniboss besiegen oder eine Parkour-Herausforderung meistern. Nichts davon fühlt sich wie etwas an, dass die Spielerfahrung wirklich bereichert. Hinzu kommt, dass das Erkunden der Spielwelt wahnsinnig schnell seinen Reiz verliert. Hat man im Prolog noch das Gefühl, Techland mache starken Gebrauch von Environmental Storytelling, wenn man in einem Haus das Ergebnis einer Weltuntergangsparty mit abschließendem kollektivem Selbstmord der Feiernden betrachtet, bestätigt die Open World diesen Eindruck nicht. Dabei bietet sich das postapokalyptische Setting doch geradezu dafür an.
Statt einzigartiger Orte, die ohne jegliche Quests Geschichten erzählen und damit mehr bieten als nur Loot, durchquert ihr in Dying Light 2 immer wieder die exakt gleichen Wohnungen, Büroräume und Geschäfte. Techland recycelt nicht nur einzelne Assets, sondern ganze Innenareale. In der gesamten Spielwelt gibt es auch nur ein einziges Busmodell, in dem Taschen mit Beute und Leichen immer an den exakt gleichen Stellen liegen. Hier wird deutlich, dass Dying Light 2 eben kein AAA-Spiel ist und Techland nicht die finanziellen Ressourcen wie ein CD Projekt hat. Man kann Cyberpunk 2077 ja vieles vorwerfen, aber exzessives Asset Recycling nun ganz und gar nicht.
Techland hätte entweder ein kleineres Spiel bauen oder an anderen Stellen sparen müssen. So toll Villedor aussieht, wenn man einfach nur von einem hohen Punkt aus seinen Blick über die Stadt schweifen lässt, die vielen Wiederholungen haben uns arg gestört und sind der größte Schwachpunkt von Dying Light 2.
Überraschend gute Nebenquests
In Sachen Open World und optionalen Inhalten gibt es aber auch Positives zu vermelden. Die Nebenquests etwa sind echt ordentlich. Zwar hat sich hier so manche Fetch Quest eingeschlichen, aber selbst die bieten immer einen netten erzählerischen Kontext. So sollt ihr etwa einer wenig begabten Opernsängerin ihren Pelzschal besorgen, weil sie ja angeblich nur nicht so gut singt, da sie den nicht trägt. Wer will, darf sich nach getaner Arbeiter zur Belohnung ein "gaaanz tolles" Ständchen anhören.
Obendrein gibt es auch Quests, die mehr als nur Bringdienste sind, etwa wenn ihr auf die Jagd nach einem Mehldieb geht oder eine vermeintliche "Schwarze Witwe" davon abhalten sollt, ihren aktuellen Verehrer umzubringen. Auch in den Nebenaufgaben trefft ihr immer wieder mal Entscheidungen. Die haben zwar keine relevanten Auswirkungen, tragen aber dazu bei, eine Bindung zur Welt und ihren Bewohnern aufzubauen.
In der Zombieapokalypse geht man besser nachts shoppen
Ein Feature, das ohne die offene Spielwelt gar nicht so funktionieren würde, wie Techland es beabsichtigt hat, ist der Tag-/Nachtwechsel. Anders als im Vorgänger ist es diesmal sinnvoll, in der Nacht unterwegs zu sein. Auf den Straßen sind dann zwar enorm viele Zombies und vor allem auch die stärkeren Varianten anzutreffen, aber dafür sind Wohnhäuser, Büros und Geschäfte leerer, sodass ihr dort ohne große Probleme nach Loot suchen könnt. Am Tag solltet ihr das besser lassen, da die Innenareale dann komplett überfüllt sind, weil einige der Infizierten auf Sonnenlicht sehr allergisch reagieren.
Die Nacht birgt aber auch ein Risiko für euch: Aiden ist selbst infiziert. Wenn er sich zu lange in der Dunkelheit auffällt, war es das mit seiner Menschlichkeit. UV-Licht und Aufputschmittel stärken eure Immunität, doch wenn ihr mal letzteres nicht parat habt (und auch nicht fix herstellen könnt) und die nächste Lichtquelle zig Meter entfernt ist, während ihr inmitten von Zombies steht, kann einem schon mal der Schweiß auf der Stirn stehen. Dieser Zeitdruck hat uns dabei nie genervt. Entweder war er uns egal, weil wir eben genug Aufputschmittel im Inventar hatten oder er hat für Spannung gesorgt. Soll heißen: Es ist kein Feature, das uns besonders positiv in Erinnerung bleiben wird, aber eben auch nichts, was den Spielspaß mindert.
So muss sich The Elder Scrolls 6 anfühlen!
Kommen wir aber mal nach so viel Text endlich zu den beiden Kernspielmechaniken von Dying Light 2: den Kämpfen und dem Parkour. Hier zeigt sich der Titel von seiner besten Seite. Zombies zu schnetzeln und gegen feindliche Menschen anzutreten, macht eine Menge Spaß. Der Schwerpunkt liegt dabei ganz klar auf dem Nahkampf. Techland verfolgt schließlich ein "Modern Dark Ages"-Konzept. Das bedeutet, es gibt so gut wie keine Schusswaffen mehr auf der Welt. Außer Bögen und einer Armbrust gibt es nur stationäre Sägeblattgeschütze, die aber kaum eine Rolle spielen, und eine Art Pistole, die ihr selbst basteln könnt. Letztere ist aber ein Verbrauchsgegenstand: Nach zwei Schuss geht sie kaputt und ihr braucht ein neues Exemplar.
Unseren ersten Bogen haben wir auch erst nach knapp 20 Spielstunden erhalten. Selbst ab dann griffen wir jedoch meistens zu Klingen, Hämmern und anderen Nahkampfwaffen. Umso wichtiger ist es also, dass deren Benutzung Spaß macht und das ist absolut der Fall. Das Trefferfeedback ist hervorragend. Ein Schlag mit einer schweren Zweihandwaffe fühlt sich enorm wuchtig an, weil Gegner davon durch die Gegend geschleudert werden und auch glaubwürdig von Umgebungsobjekten abprallen. Es ist eine große Freude, Zombies gegen Wände zu klatschen. Die übertriebene Gewaltdarstellung tut ihr Übriges, in der deutschen Version allerdings nur im Kampf gegen Untote. Menschen könnt ihr hier keine Körperteile abtrennen, das gute Trefferfeedback bleibt trotzdem erhalten.
Der Parkour ist ein Genuss
Auch wenn die Kämpfe auf Dauer spielerische Abwechslung trotz mehrerer Gegnertypen vermissen lassen (ihr macht halt eigentlich immer das Gleiche, also draufhauen, ausweichen, draufhauen, blocken, draufhauen), haben sie uns bis zum Ende hin Laune gemacht. Es ist einfach enorm befriedigend, in Dying Light 2 Gegnergruppen auseinanderzunehmen. Obendrein funktioniert der Gameplay-Loop richtig gut. Kämpfe dauern nie zu lange. Bevor ihr also genug von der Schnetzelei habt, seid ihr auch schon damit beschäftigt, über die Dächer Villedors zu rennen, klettern und und springen.
Das Parkour-System ist ein Genuss und die absolute Referenz. Noch nie hat es in einem Videospiel so viel Spaß gemacht, auf akrobatische Art und Weise durch die Spielwelt zu hechten. Dank der Ego-Perspektive ist die Immersion groß und obendrein hat Techland es geschafft, dass man ein gutes Gefühl dafür hat, wie groß die Abstände zwischen zwei Objekten sind – etwas, was in First-Person-Spielen mit Plattform-Passagen nicht immer der Fall ist. Wir empfehlen euch übrigens, Dying Light 2 mit einem Gamepad zu spielen. PC-Zocker können auch ruhig auf Maus und Tastatur zurückgreifen, die Bedienung ist mit einem handlichen Controller aber deutlich komfortabler, auch in den Kämpfen.
Übrigens: Ihr könnt Dying Light 2 mit bis zu zwei Mitspielern im Koop zocken. Dabei wird aber nur für den Host der Story-Fortschritt gespeichert und nur er darf auch Entscheidungen treffen. Die anderen behalten aber ihren Loot und Charakterfortschritt. Die Action macht im Multiplayer definitiv noch mal mehr Spaß, ob man aber die Story erleben möchte, während theoretisch immer jemand dazwischenreden kann, muss jeder für sich entscheiden.
Die Progression ist ein zweischneidiges Schwert
Neue Fähigkeiten schaltet ihr in Dying Light 2 frei, indem ihr Skill-Punkte für die beiden Talentbäume sammelt. Einer ist für den Kampf, der andere fürs Parkour. In beiden Fällen sammelt ihr unabhängig voneinander Erfahrung und das nach dem Learning-by-Doing-Prinzip. Wenn ihr also viele Kämpfe erfolgreich bestreitet beziehungsweise viel sprintet, springt und klettert, kommt ihr schneller an die entsprechenden Punkte. Einige der Skills sind jedoch an bestimmte Mindestwerte für eure Lebensenergie respektive Ausdauer gekoppelt. Beides könnt ihr nur erhöhen, wenn ihr Hemmstoffe findet, die großzügig in der Spielwelt verteilt, gerne aber an schwer zu erreichenden Stellen platziert sind. Habt ihr drei Ladungen beisammen, dürft ihr einmal eure Lebensenergie oder Ausdauer um eine Stufe erhöhen. Damit stärkt ihr auch automatisch eure Immunität gegen das Virus, wodurch ihr es länger in der Dunkelheit aushaltet.
Bis hierhin können wir von einer sehr motivierenden Progression sprechen. Die Ausdauer zu erhöhen, ist immer gut, weil ihr dann länger am Stück klettern und im Kampf zuschlagen könnt. Auch dass sich euer Fähigkeitenrepertoire immer weiter vergrößert, ist eine tolle Sache, vor allem in Bezug auf den Parkour. Wer jedoch auch auf eine motivierende Loot-Spirale gehofft hat, wird enttäuscht. Über bessere Waffen freut man sich noch halbwegs, auch wenn die Nahkampfgeräte immer irgendwann zwangsweise kaputt gehen (was aber nicht so schnell passiert wie in Breath of the Wild, keine Bange).
Die Klamotten jedoch waren uns komplett egal. Es gibt hier keine besonderen Sets mit einzigartigen Boni. Zwar sind die Kleidungsstücke verschiedenen "Klassen" wie Tank und Ranger zugeordnet, aber die generischen Attributsboni wie erhöhter Schaden mit Zweihandwaffen oder mehr Resistenz gegen Angriffe von Zombies waren uns stets egal. Techland gibt zwar die Möglichkeit, sich zu spezialisieren, wir haben aber einfach immer nur irgendwelche Teile getragen, die besser zu sein schienen als die vorherigen, und kamen damit gut durch. Und so ein Ausrüstungssystem hätten sich die Entwickler dann auch genauso gut sparen können.
Schönheit hat ihren Preis
Grafisch gefällt uns Dying Light 2: Stay Human richtig gut. Ok, nicht in jeder Dialogsequenz (speziell nicht in Nebenquests) sind die NPCs gut animiert, aber dafür glänzt der Titel mit einer fantastischen Weitsicht, scharfen Texturen und generell einer großen Detailfülle. Dreht man alle Raytracing-Optionen voll auf, bekommt man auch eine fantastische Beleuchtung zu sehen - mit einem Haken: Eure Taschenlampe wirft keine Schatten. Sobald ihr sie in dunklen Orten aktiviert (was ihr häufig machen werdet), verlieren die Räumlichkeiten deutlich an Plastizität, weil aufgrund der fehlenden Schatten alles recht "flach" wirkt.
Raytracing wird in Dying Light 2 aber auch schnell zum Performance-Killer. Selbst in 1080p kam es auf unserem Testrechner immer wieder mal zu Einbrüchen der Bildrate – und das mit einem i7 11700 und einer RTX 3080 Ti. Ohne die aufwendige Technik zur Berechnung von Licht hingegen lief das Spiel stets flüssig und das dann auch in 1440p.
Englischkenntnisse von Vorteil
Akustisch ist Dying Light 2 ein Hochgenuss – zumindest in der englischen Fassung. Ja, wir wissen, ihr könnt das auch nicht mehr hören, aber wir kommen nicht drumherum: Die deutsche Sprachausgabe ist wie in so vielen Spielen nicht gut. Schon in den ersten Minuten ging uns der deutsche Aiden total auf die Nerven, weil er Sätze total unnatürlich betont – Stichwort Dialogregie. Ganz anders im Englischen: Jonah Scott gelingt es, allein mit seiner Stimme Aiden sympathisch wirken zu lassen, obwohl er da so ein blasser Charakter ist. Der Schauspieler macht hier einen großartigen Job und das gilt auch für viele weitere Teile der Besetzung, insbesondere Rosario Dawson als Lawan. Blöd nur, dass es derzeit noch nicht die Möglichkeit gibt, die Sprache von Texten und Ton separat einzustellen. Ihr wollt die englische Sprachausgabe? Dann müsst ihr Dying Light 2 komplett auf Englisch umstellen. Warum Techland hier nicht den modernen Standard erfüllt, ist uns unerklärlich.
Unabhängig davon, welche Sprachfassung ihr nun spielt: Musik und Soundeffekte sind in allen großartig. Zombies die Rübe zu zermatschen, klingt schön saftig und der Soundtrack bietet einen guten Mix aus epischen und ruhigen Klängen. Besonders cool ist die Dynamik: Legt ihr richtig gute Parkour-Action hin, wird die Musik währenddessen immer lauter und treibender.
Zum Thema Bugs: Ja, die gibt es. Vor dem Day-One-Patch sind wir immer wieder auf Glitches gestoßen, etwa wenn ein Zombie durch eine Wand guckte. Einmal ist uns Dying Light 2 abgestürzt, bei einer Nebenquest fehlte die Sprachausgabe. Auch nach dem Update treten immer noch hier und da kleine Fehlerchen auf. Das Spiel ist nicht frei von technischen Problemen, aber es ist kein Cyberpunk (und diesmal ist das wirklich positiv gemeint). Techland muss noch ein wenig patchen, doch die Fehlerdichte ist nicht in einem Rahmen, für den wir Punkte abziehen würden.
Fazit
An seinen großen Ambitionen ist Dying Light 2: Stay Human am Ende zwar nicht zerbrochen, aber es wird ihnen auch nicht gerecht. Das Versprechen, dass wir mit unseren Entscheidungen die Spielwelt wer weiß wie stark beeinflussen, hat sich als typisches Marketing-Blabla entpuppt. Das bedeutet aber nicht, dass ihr keine schweren Wahlen treffen müsst und die keine bedeutenden Konsequenzen haben. Es findet nur eben fast alles eher auf persönlicher Ebene statt. Einen hohen Wiederspielwert hat Dying Light 2 dadurch aber allemal.
Wir werden definitiv noch weitere Durchgänge wagen, denn auch wenn die Open World zu formelhaft und leider auch zu repetitiv ist, haben uns unsere 50 Stunden (in denen wir längst nicht alle Nebenquests absolviert haben) sehr viel Spaß gemacht. Das Gameplay rockt und die Story hat uns stellenweise richtig gefesselt, sodass wir unbedingt wissen wollten, wie es weitergeht. Dying Light 2 lässt viel Potenzial liegen, aber es ist ein sehr gutes Videospiel – und dafür, dass es eben nicht von einem der ganz großen Hersteller stammt, in seinem Umfang und technischen Aufwand doch recht beeindruckend.
- Großartiges Parkour-Gameplay
- Spaßige, wuchtige Kämpfe
- Gute Story, ordentliche Nebenfiguren
- Viele gute Nebenquests
- Motivierende Charakterprogression
- Tolle englische Sprecher
- Starke Musik und Soundeffekte
- Grafisch richtig stark
- Komplett im Koop spielbar
- Entscheidungen mit Konsequenzen, ...
- ... aber nicht so großen wie angepriesen
- Open World mit viel Fleißarbeit
- Sich oft wiederholende Innenräume
- Schwache deutsche Vertonung
- Kleidung spielt kaum eine Rolle
- Sprache nur global einstellbar
- Kein freies Speichern
- Nicht ganz fehlerfrei