Ein angeblicher CD-Projekt-RED-Mitarbeiter schildert, wie schlecht die Stimmung beim "Cyberpunk 2077"-Studio ist.
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Crunch teilweise seit fast zwei Jahren: Entwickler berichtet von der Front
Vor einigen Wochen erlangte ein Artikel von Jason Schreier (ehemals Kotaku, nun Autor bei Bloomberg) Aufmerksamkeit, in dem es um den heftigen Crunch geht, den die Mitarbeiter bei CD Projekt RED nun mindestens bis zum Release von Cyberpunk 2077 durchmachen müssen – und das obwohl das polnische Unternehmen noch 2019 gesagt hat, dass man genau das habe vermeiden wolle. Schon in dem Bericht hieß es, dass manche der Entwickler seit über einem Jahr Nachtschichten und Wochenendarbeit leisten. Nun hat sich ein angeblicher Mitarbeiter von CD Projekt RED auf Reddit nochmal dazu geäußert – und der zeichnet ein noch weitaus schlimmeres Bild.
"Toxisches Verhalten des Managements"
Ein Nutzer der Plattform hat vor einigen Tagen einen Tweet von Jason Schreier geteilt, in dem der Journalist schreibt, dass er mehrere Mitarbeiter von CD Projekt RED gefragt habe, ob es wahr sei, dass der Großteil von ihnen Sechs-Tage-Wochen einer Verschiebung von Cyberpunk 2077 vorgezogen hätten. "Sie sagten, diese Konversation habe nie stattgefunden", so Schreier. Den Reddit-Beitrag hat der besagte anonyme Entwickler, der seinen Account mittlerweile gelöscht hat, mit einem langen Post kommentiert. Darin berichtet er von "toxischem Verhalten" seitens des Managements von CD Projekt RED gegenüber dem Entwicklerteam.
Im Mai 2019 sei der Führungsetage eingefallen, dass man ja mal das Spiel fertigmachen und sich deshalb beeilen sollte. Zu diesem Zeitpunkt sei Cyberpunk 2077 gerade so aus der Alphaphase raus gewesen. Es sei bei CD Projekt RED ganz normal, dass man für Jahre in der Vorproduktion stecke und dann das Team richtig hart arbeiten lasse, um die verlorengegangene Zeit wieder auszugleichen.
"Wir fragten: 'Was ist der Plan, falls wir nicht bis zur gesetzten Deadline liefern können?', und bis Dezember war die Antwort des Managements: 'Wir müssen, es gibt keinen Plan B'", schreibt der vermeintliche Entwickler. Er berichtet zudem davon, dass die Kommunikation zwischen der Führungsebene und dem Entwicklerteam sehr schlecht sei. Im Falle beider Verschiebungen habe man zuerst per Twitter und den anderen sozialen Medien davon erfahren und erst Stunden später eine Mail von Studioleiter Adam Badowski erhalten. Gleiches gelte für die Meldung zum Goldstatus und jede andere Ankündigung seit Juni 2019.
Die Mär vom Crunch aus Leidenschaft
Die anonyme Person schreibt auch noch einmal, dass bereits seit damals viele Mitarbeiter die Wochenenden im Büro verbringen und 16 Stunden am Tag arbeiten. Manche Abteilung mache das sogar schon fast ein Jahr länger durch. "Jedes Mal, wenn das angesprochen wurde, bekamst du das übliche Copy-Paste-Gequatsche: 'Wir werden von der Leidenschaft angetrieben, wir sind Rebellen, das gilt nicht für jeden'", heißt es in dem Post. Und weiter: "Das war ein lockerer Weg zu sagen: 'Wir haben keine Ahnung, was wir machen, haben aber unendlich viel Geld und wir lösen alles mit mehr Crunch.' Gespräche endeten meist so. Das Management sagt, dass alles großartig und cool ist und wir an das Projekt glauben müssen. Unsere Fragen und Zweifel wurden zur Seite gekehrt."
Der angebliche Mitarbeiter sagt ebenfalls, dass all das nur eine kurze Zusammenfassung der Probleme bezüglich des Themas Crunch sei. Zudem glaubt er, dass sie sich niemals lösen lassen werden und das aus einem einfachen Grund: Die Game Directors und anderen leitenden Entwickler sind die Leute, die das alles bei den Arbeiten an The Witcher 3: Wild Hunt durchgemacht, "diese Hölle überlebt" und das einfach so hingenommen haben. "Und dem Management ist das egal." Bei dem jährlichen Bonus für fast alle Entwickler handele es sich um Almosen, während die höherrangigen Mitarbeiter "Hunderte an Tausenden an Zloty als Boni" erhalten.
Zum Abschluss schreibt die besagte Person: "Niemand im Studio profitiert von einem früheren Release oder schert sich darum. Viele Leute wollen einfach ihren Job machen, bezahlt werden und möglichst nicht im Büro schlafen müssen (was passiert ist, und das nicht wenig, vor allem in Warschau). Die Leute [Anm. d. Red.: die Spieler] wollen das Produkt so früh wie möglich veröffentlicht haben, genau wie die Chefetage und Marketingleiter, und sie scheren sich überhaupt nicht um die Work-Life-Balance."
Jason Schreier bekräftigt auf Twitter, dass es sich bei der Person, die all das geschrieben hat, wirklich um einen Mitarbeiter von CD Projekt handele, zumal er mit ihr telefoniert habe. Wenn das alles also stimmt, sind die Arbeitsbedingungen beim "Cyberpunk 2077"-Entwickler noch schlimmer, als wir bislang gedacht haben.
Quelle: Reddit / Jason Schreier