Ubisofts Spiele der vergangenen Jahre stießen auf viel Kritik. Dass der französische Publisher finanzielle Misserfolge zu verzeichnen hat, liegt aber nicht an fehlender Produktqualität.
Ubisoft in der Krise: Der Grund sind aber nicht "schlechte" Spiele
500 Millionen Euro Verlust – das ist das, was Ubisoft für das aktuelle Geschäftsjahr, das noch bis März andauert, voraussagt. Am Mittwoch hat das Unternehmen mit Hauptsitz in Paris offenbart, dass das Fiskaljahr 2022-23 bislang alles andere als gut verlaufen ist – und daran wird sich in den ausstehenden zweieinhalb Monaten wohl kaum noch etwas ändern. Es ist ja auch nicht so, als hätte Ubisoft für diesen Zeitraum noch eine größere Neuveröffentlichung geplant. Skull and Bones, das nach bereits diversen Verschiebungen am 9. März hätte erscheinen sollen, verzögert sich ein weiteres Mal und soll nun in der Frühphase des nächsten Geschäftsjahres erscheinen. Ein genaues Datum steht nicht fest.
Es steht wahrlich nicht gut um das Unternehmen. Der Aktienkurs hatte gestern einen neuen Tiefststand von 18,50 Euro erreicht. Im Abwärtstrend befindet sich die Ubisoft-Aktie jedoch schon seit zwei Jahren. Im Januar 2021 lag sie noch bei über 80 Euro. Der Börsenwert der Firma beträgt 2,65 Milliarden Euro. Laut FAZ waren es 2021 noch circa 12 Milliarden.
Wo bleiben die Blockbuster?
Überraschen wird dieser Werdegang vermutlich nicht viele. Der Ruf von Ubisoft hat in den vergangenen Jahren stark gelitten. Der Hersteller ist längst bekannt dafür, zwar große, aufwändige Spiele zu produzieren, die aber oftmals zu generisch wirken und gerade in Sachen Storytelling stark zu wünschen übrig lassen. Oder nennt ihr uns doch mal einen Ubisoft-Titel aus der jüngeren Vergangenheit, der eine gute Geschichte mit interessanten Charakteren zu bieten hat.
Der Grund für die aktuelle Krise des Konzerns sind aber nicht enttäuschende Spiele wie Watch Dogs: Legion und Assassin's Creed Valhalla. Gerade letzteres ist sogar enorm erfolgreich gewesen. Ja, es gab viel Kritik, dass es etwa zu groß sei und zu wenig mit dem zu tun habe, was die Serie einst ausgemacht hat. Aber finanziell hat sich das Wikingerabenteuer für Ubisoft voll ausgezahlt. Mit einem Umsatz von über 1 Milliarde US-Dollar hat es so viel eingespielt wie kein Assassin's Creed zuvor.
Nun ist der Ausflug ins mittelalterliche England aber schon über zwei Jahre her – und 2021 sowie 2022 hat Ubisoft nichts veröffentlicht, dass sich in ähnlichen Sphären bewegt. Ok, 2021 gab es immerhin noch Far Cry 6, das der Marke damals ihr bestes Jahr aller Zeiten beschert hat. Aber sonst hat es Ubisoft in den vergangenen zwei Jahren na großen Hits gemangelt. 2022 sah es ganz düster aus: Der Koop-Shooter Rainbow Six Extraction hat kaum jemanden interessiert, der Free-to-Play-Titel Roller Champions blieb ebenfalls der große Erfolg verwehrt. Die Herbst-Releases Mario + Rabbids Sparks of Hope und Just Dance 2023 Edition haben laut Ubisoft ebenfalls enttäuscht.
Dem Unternehmen fehlt ein großer Hit: ein Blockbuster vom Format eines Assassin's Creed Valhalla. Ob man sich selbst erhofft, dass Skull and Bones ein solcher werden kann, können wir nur schwer glauben. Außerdem befindet sich das Piratenspiel schon so lange in der Entwicklungshölle, dass es sowieso schwierig sein wird, damit Gewinn zu machen. Vielleicht hätte Avatar: Frontiers of Pandora ein richtiger Knaller im letzten Jahr werden können, hätte man es passend zum Kinostart von "Avatar: Way of the Water" veröffentlicht. Aber auch das hat sich aufs kommende Geschäftsjahr verschoben.
Von abgebrochenen Projekten und Entwicklungshöllen
Klar, die Corona-Pandemie spielt bei all dem sicherlich eine Rolle. Schwer zu sagen, ob der Output an hochkarätigen Titeln 2021 und 2022 größer gewesen wäre, hätte COVID-19 nicht die Mitarbeiter ins Home Office gezwungen. Allgemein waren die beiden vergangenen Jahre nicht die allerstärksten, wenn es um gute AAA-Neuerscheinungen geht. Trotzdem kommt man nicht drum herum, den Eindruck zu haben, dass bei Ubisoft einiges im Argen liegt.
Innerhalb eines halben Jahres hat man die Entwicklung von sieben Spielen eingestellt: Im Juli 2022 gab man bekannt, dass Splinter Cell VR; der Free-to-Play-Shooter Ghost Recon Frontline und zwei unangekündigte Titel niemals das Licht der Welt erblicken werden. Nun sind drei weitere Projekte hinzugekommen, die nie der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Wie weit die Arbeiten an diesen Spielen waren, ist unbekannt, aber so oder so hat Ubisoft hier Geld investiert, dass man nie wieder zurückbekommen wird.
Hinzu kommen Projekte wie Beyond Good and Evil 2 und das Remake von Prince of Persia: The Sands of Time, die in der Entwicklungshölle stecken, was ebenfalls viel Geld kostet. Und wo bleibt eigentlich The Division Heartland, das Free-to-Play-Spin-off dieser Tom-Clancy-Marke, dessen Ankündigung auch schon über anderthalb Jahre her ist? Apropos Free-to-Play und Tom Clancy: Erinnert ihr euch noch an XDefiant? Das soll auch noch irgendwann mal tatsächlich erscheinen.
Kommt es zu einer Übernahme?
Nun denken sicherlich viele von euch, dass Ubisoft doch bestimmt bald aufgekauft wird. Glauben wir Branchenexperte Jeff Grubb, habe man durchaus schon versucht, einen Käufer oder zumindest jemanden zu finden, der für eine Fusion bereit ist. Jedoch sei Ubisoft von den meisten Kandidaten ausgelacht worden. Es stellt sich sowieso die Frage, wer überhaupt in der Lage wäre und ein Interesse daran hätte, den Publisher zu übernehmen. Microsoft etwa? Ganz bestimmt nicht, solange die Akquise von Activision Blizzard immer noch nicht abgeschlossen ist – und danach wird der Redmonder Konzern erst mal wieder einiges an Geld einkassieren müssen, bis man den nächsten fetten Deal landen kann. Ansonsten kämen vielleicht noch Sony, Amazon oder Tencent in Frage. Letzteres hat erst 2022 300 Millionen Euro in Ubisoft investiert und dürfte somit der heißeste Kandidat sein.
Nun wird Ubisoft sicherlich nicht so schnell Konkurs anmelden, dass ein Aufkauf die letzte Chance für die Familie Guillemot ist, heil aus der Sache herauszukommen. Wie bereits gesagt: Man muss endlich wieder ein paar Blockbuster raushauen. Die haben zuletzt gefehlt und deswegen schreibt man nun keine guten Zahlen. Das kommende Geschäftsjahr kann schon wieder viel besser für Ubisoft aussehen, sofern man die aktuellen Zeitpläne für Assassin's Creed Mirage und Avatar: Frontiers of Pandora einhält. Außerdem ist noch von weiteren "Premiumspielen", darunter "ein riesiges", die Rede, die bis März 2024 erscheinen sollen. Wir sind gespannt, ob Ubisoft es schaffen wird, sich aus der Krise heraus zu manövrieren – und dabei für uns endlich mal wieder ein paar richtige Spielspaßkracher abfallen.