Zum dritten Mal hat die Reise von Joel und Ellie durch die Postapokalypse begonnen. Die erste, lange Episode der „The Last of Us“-Serie ist so gut, dass man die beiden gerne nochmal begleitet.
The Last of Us: Die Pilotfolge ist ein vielversprechender Auftakt
Anfang Dezember habe ich euch davon berichtet, dass es mir schwer gefallen ist, bezüglich der "The Last of Us"-Serie in einen Hype zu verfallen, weil wir im vergangenen Herbst das Remake des Spiels serviert bekommen haben. Tja, nun sitze ich vor meinem Computer, nachdem ich mir ziemlich lange Auftaktfolge angeschaut habe, und schreibe nieder, wie begeistert ich doch davon bin. Falls ihr The Last of Us nie gespielt haben solltet (warum nicht?!) und nun Interesse an der TV-Adaption von HBO habt: Hört an dieser Stelle auf zu lesen, um euch nichts vorwegzunehmen, und guckt euch die erste Episode an! Die 77 Minuten vergehen wie im Flug, weil hier wirklich alles auf höchstem Niveau ist.
So, nur noch Leute da, die das Spiel gezockt haben? Sehr gut! Zu der Pilotfolge von "The Last of Us" lässt sich schwer eine Kritik schreiben, ohne ausführlich auf ein wichtiges Element der Geschichte einzugehen: den Prolog und damit den herben Verlust, den Hauptcharakter Joel erleiden muss und der ihn zu der Person macht, die er zehn Jahre später ist, wenn die eigentliche Handlung beginnt.
Der Prolog ist wieder stark, aber ...
Der tragische Tod seiner Tochter Sarah ist für mich und viele andere einer der emotionalsten Videospielmomente aller Zeiten. Obwohl wir nur wenige Minuten mit dem Mädchen verbringen, die normalerweise kaum ausreichen würden, um eine Bindung zu der jungen Dame zu entwickeln, nimmt uns ihr Ableben mit. Der Clou des Spiels: In diesen ersten 15 bis 20 Minuten von The Last of Us spielt man nicht Joel, sondern Sarah und erlebt den Ausbruch der Pandemie aus ihrer Perspektive.
Erzielt die Serie die gleiche Wirkung? Ich kann hier nur aus meiner Perspektive sprechen – und ich war emotional nicht so sehr ergriffen wie damals, als ich The Last of Us zum ersten Mal gespielt habe. Das hat mich jedoch nicht überrascht. Zum einen wusste ich ja schon, was passieren wird, zum anderen hat die Serie einen klaren Nachteil gegenüber der Vorlage: Sie ist kein interaktives Medium. Ich steuere Sarah nicht selbst, sondern schaue ihr nur zu. Es ist ganz logisch, dass ich da eine weniger enge Bindung zu ihr aufbaue.
Ich kann mir jedoch vorstellen, dass es Leuten anders ergeht, für die die HBO-Produktion der erste Berührungspunkt mit The Last of Us ist. Rein handwerklich haben die Verantwortlichen hier alles richtig gemacht. Das fängt schon damit an, dass die Geschichte nicht am Abend von Joels Geburtstag, sondern am frühen Morgen beginnt. Wir sehen Vater und Tochter beim Frühstück, Onkel Tommy kommt auch noch vorbei, um Joel abzuholen, und danach begleiten wir Sarah zur Schule sowie zum Uhrmacher. Außerdem besucht sie noch die Nachbarn, bevor es zu bekannten Auftaktszene des Spiels auf dem Sofa kommt.
Die fehlende Interaktivität gleichen die Macher also mit mehr Screentime für Sarah aus – ein sinnvoller Zug. Dass Darstellerin Nico Parker ihre Sache richtig gut macht und das Zusammenspiel mit Joel-Darsteller Pedro Pascal ("The Mandalorian") richtig gut funktioniert, sorgt ebenfalls dafür, dass einem das Mädchen zwar vielleicht nicht direkt ans Herz wächst, aber eben auch alles andere als egal ist. Und genau wie im Spiel steht Sarah auch im Prolog der Serie die ganze Zeit im Mittelpunkt. Für die ersten 30 Minuten ist sie die Hauptfigur.
Warum sind Tess und Joel jetzt ein Paar?
Nach dem Zeitsprung von zehn Jahren zeigt "The Last of Us", wie das Leben in der Quarantänezone von Boston aussieht. Wir sehen, wie Joel gemeinsam mit anderen Leichen verbrennt, um sich Lebensmittelmarken zu verdienen, kriegen aber auch schnell mit, dass er sich nicht nur mit solchen Tagelöhnerjobs seinen Lebensunterhalt verdient, sondern eben auch mit Schmuggel. Wir lernen seine Partnerin Tess kennen, die genauso taff wie im Spiel ist, in der Serie jedoch mehr als nur eine Freundschaft mit Joel pflegt.
Warum die beiden nun ein Paar sein müssen, weiß ich nicht. Gebraucht hätte ich diese Änderung sicherlich nicht. Die Liebesbeziehung wird aber auch nicht stark in den Vordergrund gerückt, sondern nur leicht angedeutet, indem sich Tess in einer Szene zu Joel ins Bett legt. Dadurch kann sie gar nicht stören, zumal die Dialoge zwischen den beiden ansonsten sehr dem entsprechen, was wir aus der Vorlage kennen.
Ich will mehr Joel und Ellie!
Worauf ich mich am meisten gefreut habe, ist natürlich das Aufeinandertreffen von Joel und Ellie. Allzu viele Interaktionen zwischen den beiden hat die erste Episode noch nicht zu bieten, aber die erste Szene, in der die zwei alleine sind, hat mir bereits sehr viel Lust auf die acht weiteren Folgen gemacht. Die Chemie zwischen Pedro Pascal und Bella Ramsey (beide haben in "Game of Thrones" mitgespielt, standen dafür aber nie gemeinsam vor der Kamera) funktioniert von der ersten Sekunde an.
Die 19-jährige spielt ihre Rolle richtig gut und wirkt auch nicht schon zu alt. Ellie ist zwar erst 14, aber eben auch ein Mädchen, das viel zu früh "erwachsen" werden musste, weil es in der Postapokalypse aufgewachsen ist. Genau das verkörpert Ramsey sehr gekonnt, was jedoch keine Überraschung ist. Schließlich hat ihre "Game of Thrones"-Figur Lyanna Mormont die gleiche Charaktereigenschaft, auch wenn hier die Gründe dafür ganz andere sind.
HBO hat wieder abgeliefert
Ok, die Darsteller sind klasse, die Dialoge gut geschrieben, aber auch sonst beweist "The Last of Us", dass HBO-Serien zur Königsklasse gehören. Die Inszenierung ist großartig und das nicht nur dann, wenn eine Szene aus der Vorlage nahezu eins zu eins adaptiert wird (die Fahrt im Auto durch das nächtliche Austin, Texas, in dem das Chaos ausgebrochen ist, im Prolog). Kamera, Schnitt, Set-Design, Musik (das bekannte Titelthema des Spiels darf hier nicht fehlen) – besser könnte all das kaum sein.
Sonderlich viel Action, insbesondere mit den Infizierten, hat Folge 1 von "The Last of Us" allerdings noch nicht zu bieten. Abseits des Prologs spielen die "Zombies" (es sind ja nicht wirklich welche) noch keine Rolle. Der erste Clicker-Auftritt dürfte in Episode 2 anstehen. Es gibt aber auch keine Schießerei mit menschlichen Antagonisten wie im Spiel, wo Joel und Tess eine Angelegenheit mit einem gewissen Robert zu klären haben. Den gibt es in der Serie zwar auch, die Geschichte rund um ihn verläuft aber etwas anders als in der Vorlage, auch wenn die Grundform (er betrügt Joel und Tess, was die Kette an Ereignissen auslöst, die dazu führt, dass die zwei den Job annehmen, Ellie aus der Quarantänezone zu bringen) gleich bleibt.
Alles in allem hat mich die erste Folge "The Last of Us" vollends überzeugt. Trotz der langen Laufzeit ist sie kurzweilig, sie ist hochwertig produziert und die Besetzung durch die Bank weg großartig. Dementsprechend zähle ich jetzt schon die Tage runter, bis es kommende Woche weitergeht, und hoffe sehr, dass ich am Ende der Staffel ein genauso positives Fazit ziehen kann.