Lange mussten wir auf Starfield warten, aber nun ist das bislang umfangreichste Rollenspiel von Bethesda da. Hält es, was im Vorfeld versprochen wurde?
Im Test: Mächtiges Rollenspiel im weiten Weltraum
Starfield ist ohne Frage eines der meisterwarteten Spiele des Jahres. Über 20 Jahre ist es her, dass Bethesda sich an eine neue Marke gewagt hat. Kann das Studio nach so langer Zeit überhaupt noch etwas anderes außer Fallout und The Elder Scrolls? Die Versprechungen im Vorfeld waren jedenfalls gewaltig. Man wolle den Spielern größtmögliche Freiheiten sowie einen nie dagewesenen Umfang bieten und dabei die wichtigsten Fragen der Menschheit beantworten. Eines können wir an dieser Stelle verraten: Unterm Strich ist das Unterfangen geglückt, auch wenn längst nicht alles perfekt läuft.
Auf der Suche nach Antworten
Worum geht es in Starfield eigentlich? So banal die Frage klingt, so interessant ist Antwort darauf. Wir begeben uns in diesem Action-Rollenspiel auf die Suche nach den Antworten auf die Fragen, die sich die Menschheit seit Generationen stellen. Gibt es anderes intelligentes Leben? Woher kommen wir? Was ist der Ursprung des Universums? Dazu schließen wir uns einer Gruppe namens Constellation an, die sich ziemlich genau diesen Themen gewidmet hat. In diesem Zusammenhang suchen wir nach mysteriösen Artefakten, die die Antworten darauf liefern könnten. Doch das ist eigentlich nur der Aufhänger, um in diesem Spiel die Sterne zu bereisen. Die Geschichte nimmt in Starfield nur einen Teil des Inhalts ein und dennoch bleibt sie nach auch Abschluss der Credits dank des „New Game+“- Modus‘ stets präsent. Es ist, als würde sich der Kreis Handlung schließen und gleichzeitig neu beginnen. Mehr wollen wir an dieser Stelle nicht verraten.
Wer sind wir eigentlich?
Wir beginnen in Starfield als Minenarbeiter auf einem entfernten Planeten. Von Sternen ist noch nichts zu sehen, aber da wir erst einmal sachte anfangen, scheint Bethesda uns nicht zu überfordern wollen. Wir lernen also die grundlegenden Befehle und wie wir uns in der Welt zurechtfinden sollen. Ob wir das Spiel dabei in der First- oder Third-Person-Perspektive spielen, ist komplett uns überlassen. Für die Gespräche macht es aber keinen Unterschied, die werden in jedem Fall in der Ego-Perspektive dargestellt. Dabei könnte man in den ersten Spielstunden den Eindruck gewinnen, dass es sich hierbei um ein Fallout oder The Elder Scrolls mit einem anderen Skin handelt. Zudem dürfen wir uns für eine kleine Hintergrundgeschichte unseres eigenen Charakters entscheiden. Auf die große Rahmenhandlung hat das keine Auswirkungen, wohl aber andere Dinge. Unter anderem können wir entscheiden, ob wir mit einer eigenen Wohnung anfangen oder wie unsere körperlichen Voraussetzungen sind. Dazu gibt es einen sehr umfangreichen Editor, in dem sich alleine Stunden verbringen lassen und auch danach gibt es im Spiel selbst noch Gelegenheit, das Aussehen zu verändern.
Wer braucht schon eine Erklärung?
Nachdem wir das anfängliche Tutorial sowie die Charaktererstellung hinter uns gelassen haben, sind wir im Prinzip frei, was wir tun möchten. Wir können der Handlung folgen oder selbst auf Entdeckertour gehen. Es empfiehlt sich aber, zumindest ein paar Missionen zu absolvieren, um sich mit allem vertraut zu machen, denn Bethesda erklärt viele Spielmechaniken nur unzureichend und das Hilfe-Menü ist dabei nur eine begrenzte Hilfe, da längst nicht alle Themen aufgeführt sind. Veteranen von Bethesda-Games sind da klar im Vorteil, denn so gemächlich wie das Spiel begonnen hat, so unaufhörlich prasseln danach Details zu einer Vielzahl von Spielmechaniken auf einen ein, sodass vielleicht nicht alles sofort erfasst wird. So erging es uns zumindest, als wir das zweite Mal den Grav-Antrieb manuell benutzen mussten. Nach dem ersten Mal sind mehrere Stunden vergangen und da haperte es ein bisschen mit unserer Erinnerung.
Überall gibt es etwas zu entdecken!
Kein Wunder, wir haben uns zunächst anderen Dingen in Starfield gewidmet. Nachdem wir die ersten paar Hauptmissionen erledigt hatten, wollten wir wissen, welche Möglichkeiten es zu Betätigung noch gibt. Kleiner Spoiler: Es sind unglaublich viele. Starfield wirkt so mächtig, dass man sich teilweise etwas erschlagen fühlt. Als wir zum ersten Mal New Atlantis erreicht haben und nur ein bisschen im Geschäftsviertel spazieren waren, hat sich unser Quest-Log mit derart vielen Nebenmissionen und Aktivitäten gefüllt, dass wir allein in dieser Stadt zig Stunden verbringen könnten.
Da bittet uns jemand Schulden einzutreiben, an anderer Stelle gibt es eine Beziehungskrise zu klären und wieder an anderer Stelle verpflichtet man uns für die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Untersuchung. Das alles hat zwar in den seltensten Fällen etwas mit der Rahmenhandlung zu tun, aber es zeichnet eine unglaublich dichte Atmosphäre. Viele von diesen Nebenaktivitäten sind derart interessant und glaubwürdig designt, dass wir uns tatsächlich als Teil dieser Welt gefühlt haben. Und dann kann man immer noch auf unvorhergesehene Dinge treffen.
Die Realität kann spannend sein, muss sie aber nicht
Erkundungen auf fremden Planeten laufen hingegen etwas anders an. Das Spiel verfügt über mehr als 1000 Planeten und davon sind natürlich nicht alle besiedelt. Ganz im Gegenteil, der Großteil der Planeten bietet bis auf Rohstoffe und niederes außerirdisches Leben nicht viel. Dennoch konnten wir uns in den ersten Stunden an den prozedural generierten Planeten kaum sattsehen. Bethesda ist es in dieser Hinsicht gelungen, fast ausnahmslos für einen glaubwürdigen Realismus zu sorgen. Der ist nicht immer spannend, aber trägt zu einer unglaublich konsistenten Welt bei.
Allerdings gibt es keine Bodenfahrzeuge in Starfield, so dass längerfristige Erkundungen sehr ermüdend werden können. Zumal das Laufen, Sprinten und Springen längst nicht so geschmeidig abläuft wie in anderen Games. An Kanten und anderen Objekten hängenzubleiben, ist keine Seltenheit. Leider ist auch kein nahtloser Übergang zwischen Raumfahrt und Planet möglich, wie es beispielsweise bei No Man’s Sky und Starlink: Battle for Atlas der Fall ist. Das kratzt etwas an der Immersion, aber dank flotter Ladezeiten und geschickt eingesetzter Sequenzen gewöhnt man sich schnell daran.
Sprünge statt Reisen
Apropos Raumfahrt. So wirklich durch den Weltraum fliegen wir nicht. Die Abschnitte, in denen wir im Raumschiff unterwegs sind und wirklich fliegen, spielen sich meist in Orbitnähe von Planeten ab. Wirklich durchs All geht’s nicht. Sprünge zu weit entfernten Planeten werden mit dem Grav-Antrieb durchgeführt. Der wird jedoch, sofern wir den Planeten noch nicht kennen, manuell gestartet, indem wir Energie von anderen Systemen umleiten. Später, wenn wir schon einige Orte besucht haben, können wir sämtliche Reisen per Schnellreise durchführen, sowohl im Weltall als auch auf Planeten. Was durchaus komfortabel ist, führt aber leider dazu, dass sich die Ladebildschirme mit der Zeit häufen, besonders wenn wir keine Zeit verlieren wollen und direkt nach der Erfüllung einer Aufgabe weiterziehen. Dafür machen die Weltraumkämpfe eine Menge Spaß. Wir sind sogar in der Lage, einzelne Systeme gegnerischer Schiffe zu zerstören und sie dann zu entern.
Schaffe schaffe Häusle bauen
Aber wir können in unserem Raumschiff nicht nur ein bisschen umherfliegen, ab einem bestimmten Punkt im Spiel dürfen wir unser Raumschiff modifizieren und, sofern das Geld ausreicht, neue Vehikel kaufen. Wie wir unser neues Schiff zusammensetzen, hängt von unserem Geld und unserer Kreativität ab. Lediglich die physikalischen Grenzen sind hier das Limit. Ähnlich wie beim Charaktereditor kann man hier Stunden verbringen, um sein Traumraumschiff zu erstellen. Es ist zwar mit dem Controller auf der Xbox etwas frickelig, aber insgesamt gut machbar. Um die Geschichte abzuschließen, ist es jedoch nicht notwendig unter die Mechaniker zu gehen.
Wenn wir schon beim Bauen sind, können wir direkt auf der Planetenoberfläche weitermachen. Bis zu acht Außenposten können wir auf Planeten unserer Wahl bauen. Auch hier gilt: Sind Materialien in ausreichender Menge vorhanden, sind unserer Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Wir können einen Außenposten bauen, der nur zum Abbau von Rohstoffen dient oder auch Quartiere für unsere Crew umfasst. Sogar der Bau einer eigenen kleinen Behausung ist möglich. Und genau wie beim Schiffsbau ist das fast komplett optional, allerdings erleichtert es Vieles, wenn wir nicht immer nach bestimmten Rohstoffen suchen müssen, sondern diese einfach abbauen lassen.
Begleitetes Spielen mit klassischen Elementen
Spätestens wenn wir uns dem Basen- und Schiffsbau widmen, wird es Zeit darüber nachzudenken, eine Crew aufzubauen. Im Verlauf des Abenteuers treffen wir auf immer neue Charaktere mit unterschiedlichen Eigenschaften, die wir auf Raumschiff und Außenposten verteilen können. Je nach Fähigkeiten eignen sie sich für die eine oder andere Aufgabe besser. Werden die richtigen Personen an die entsprechenden Positionen gesetzt, verbessern sich auch die Werte für Außenposten und Raumschiff. Unsere eigenen Fähigkeiten können wir natürlich auch verbessern. Allerdings hat sich Bethesda hier eine etwas komplexere Mechanik überlegt, als nur Fähigkeitspunkte zu nutzen. Um die jeweilige Fertigkeit freizuschalten, müssen kleinere Herausforderungen abgeschlossen werden. Auf diese Weise können wir unsere Werte in Sachen Forschung, Soziales, Physis und mehr verbessern. Nur eine Fähigkeit namens Orientierung gibt es nicht, was besonders auf Planeten auffällt. Es gibt keine Minimap, sondern lediglich ein für einige Sekunden eingeblendetes Wegefinder-System. Sämtliche Hinweise, wo etwas zu finden ist, abgesehen von Questzielen, müssen auf Schildern in der Welt abgelesen werden. Das geht auch komfortabler.
Starfield ist ein Inhaltsmonster
Starfield ist ein derart mächtiges und vielschichtiges Rollenspiel, dass es nahezu unmöglich ist, alle Aspekte in einem Spieldurchgang geschweige denn in einer Review zu beleuchten. So können wir zum Beispiel auch Forschungen betreiben, unsere Ausrüstung verbessern, kochen, Taschendiebstähle begehen oder uns den verschiedenen Fraktionen im Spiel anschließen und Aufträge für sie erledigen. Und selbst das ist längst nicht alles. Für einige Aktivitäten müssen jedoch erst einmal die entsprechenden Fähigkeiten erlernt werden. Aber selten war ein Versprechen treffender als das von Todd Howard. Das Spiel fängt erst nach der Haupthandlung so richtig an. Bis man einen Großteil des Spiels gesehen hat, können hunderte Spielstunden vergehen. Wir sind nach über 40 Stunden für diesen Test vermutlich ebenfalls nur einem Bruchteil aller Inhalte begegnet.
Ein wahrer Augenöffner, aber kein deutscher Ohrgasmus
Technisch setzt Starfield keine neuen Standards, aber ein ums andere Mal blieb uns ob der Schönheit der einzelnen Planeten der Mund offenstehen. Die optische Vielfalt, seien es nun die unbewohnten Planeten, der Weltraum mit seinen Anomalien oder die verschiedenen Städte, Bethesda ist es gelungen, ein sehr überzeugendes Universum zu erschaffen und mit einer fast schon pervers hohen Detailverliebtheit zu punkten. Jedes noch so kleine Element wurde mit größter Sorgfalt designt. Die Ästhetik des Spiels, der sogenannte NASA-Punk, trägt sein Übriges zu einer absolut stimmigen Atmosphäre bei. Da nimmt man auch einige nicht so detaillierte Gesichter gern in Kauf.
Gleiches würde auch uneingeschränkt für die Akustik gelten. Die Musik hat geradezu epische Ausmaße und verdeutlicht immer wieder, dass wir etwas Großen, etwas sehr Großem auf der Spur sind. Effekte, Umgebungsgeräusche und mehr reihen sich da nahtlos ein. Selbst die deutsche Synchronisation ist auf einem ähnlich hohen Niveau, wenn da nur nicht die fehlende Lippensynchronität wäre. Da können die Stimmen noch so emotional und glaubwürdig sein, wenn sich die Lippen gar nicht oder zum falschen Zeitpunkt bewegen, ist es ganz schnell vorbei mit der Immersion. Bethesda sollte generell die Präsentation von Gesprächen in den eigenen Rollenspielen überdenken. Eine frontale Sicht aus der Ego-Perspektive ohne jegliche Kamerafahrten oder andere cineastische Elemente ist heutzutage einfach nicht mehr zeitgemäß.
Fazit:
Starfield ist mächtig, vielschichtig, komplex und audiovisuelles Erlebnis. Das riesige Weltraum-Rollenspiel weiß durch eine Menge Freiheiten zu überzeugen, die sowohl Neulinge als auch alte Hasen ansprechen. Leider hat es Bethesda verschlafen, verschiedene Mechaniken im Spiel ausreichend zu erklären. Wenn nämlich eine Spielmechanik so reibungslos in die nächste greift wie bei diesem Titel, dann ist es umso ärgerlicher, wenn der Spielspaß getrübt wird, wenn es an so einer Banalität wie einer Erklärung scheitert. Ärgerlich ist auch, dass es keinen nahtlosen Übergang zwischen Weltraum und Planeten gibt. Das hätte dem Spiel noch einem einen richtigen Schub in Sachen Immersion geben können. Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen, denn in Starfield stecken extrem viele Freiheiten und so viele tolle Geschichten. Einen Großteil davon schreiben wir selbst. Es bleibt auch nach zig Spielstunden ein großartiges Gefühl, einen neuen Planeten zu entdecken und seine Fußspuren dort zu hinterlassen. Kurzum: Starfield ist grandios umgesetztes Rollenspielepos, aber nicht frei von Fehlern.
- viele Freiheiten
- Basenbau
- Raumschiffbau
- interessante Handlung
- optisch und akustisch eine Augenweide
- massig Inhalte
- cleveres New Game+
- deutsche Synchronisation nicht lippensynchron
- Gespräche wirken altbacken
- unzureichende Erklärungen
- keine Minimap