Squanch Games hätte sich keinen unpassenderen Zeitpunkt aussuchen können, High on Life zu veröffentlichen. Oder passt der derbe Shooter gerade deshalb so gut in die Weihnachtszeit?
High on Life im Test: Das Anti-Weihnachtsspiel
High on Life zählt zu den vielen, wirklich sehr vielen Spielen, die in diesem Jahr verschoben wurden. Während sich Bethesda für Starfield, Avalanche Software für Hogwarts Legacy und Nintendo für The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom aber Zeit bis 2023 genommen haben, verzögerte sich der Ego-Shooter des Indie-Entwicklers Squanch Games nur um zwei Monate. Eigentlich hätte er im Oktober auf den Markt kommen sollen, nun fiel der Release eben auf den 13. Dezember und damit mitten in die Adventszeit.
Das allein ist schon irgendwie witzig, weil High on Life kaum weniger weihnachtlich sein könnte. Hier geht es um Körperflüssigkeiten beziehungsweise -ausscheidungen aller Art, es wird am laufenden Band geflucht und (wie das Shooter nun mal so an sich haben) gemordet. Besinnlichkeit sucht ihr auf diesem wilden Ritt durch außerirdische Welten vergeblich. Aber selbst dann, wenn ihr auf Humor der derberen Art steht, muss das noch nicht heißen, dass euch High on Life oftmals zum Lachen bringt. Für gewisse Leute ist der Titel aber eine Empfehlung wert – und das trotz gerade mal mittelmäßigem Gunplay.
Der Mensch als Genussmittel
Eigentlich wolltet ihr einfach nur einen gemütlichen Nachmittag an eurem Rechner verbringen, als ihr von eurer Schwester unterbrochen werdet. Mum und Dad sind nicht daheim, das muss ja schließlich ausgenutzt werden. Doch statt einer Party gibt es ein Quasi-Weltuntergangsszenario: Aliens landen auf der Erde und entführen Menschen, um sie als Drogen zu konsumieren beziehungsweise zu handeln. Ihr könnt euch dank eures neuen besten Freundes Kenny retten. Nein, nicht der kleine Junge mit der zu eng zugezogenen Kapuze, sondern eine sprechende Pistole – mit der Stimme von Justin Roiland.
Der Synchronsprecher und Schöpfer der Animationsserie „Rick and Morty“ hat 2016 Squanch Games gegründet. High on Life ist bereits das vierte Spiel des Studios und das grundlegende Konzept stammt von Roiland selbst, der zudem nicht nur Kenny, sondern auch noch vielen weiteren Figuren seine Stimme leiht. Die Vertonung ist somit auf dem allerhöchsten Niveau. Deutsche Sprachausgabe gibt es jedoch nicht und das ist problematisch für all diejenigen, die nicht die besten Englischkenntnisse haben. Hey, einer der Hauptaspekte des Spiels ist, dass eure Waffen mit euch reden! Und das tun sie ständig, auch während der Kämpfe. Mitten im Gefecht Untertitel zu lesen, ist wahrlich eine hohe Kunst.
Plötzlich Kopfgeldjäger
Nun ist die Geschichte selbst nichts, von dem ihr deshalb sonderlich viel verpassen würdet. Der Plot ist sowieso recht dünn: Ihr werdet mir nichts, dir nichts zum intergalaktischen Kopfgeldjäger und macht Jagd auf die Strippenzieher des G3-Kartells, das den Angriff auf die Erde geleitet hat. In teilweise beliebiger Reihenfolge besucht ihr verschiedene Planeten, ballert, hüpft sowie knobelt euch dort durch halboffene Welten und erledigt am Ende einen der Obermotze in einem coolen Bosskampf. So lässt sich der Spielablauf von High on Life kurz zusammenfassen. Wirklich mitreißend ist der Plot nicht, aber Squanch Games ging es auch nicht darum, Spannung zu erzeugen, sondern euch zum Lachen zu bringen.
Nun ja, das mit dem Humor ist so eine Sache. Ich muss hierzu gleich sagen: Ich habe „Rick and Morty“ noch nie gesehen. Ja, ich weiß, als Nerd ist das eine Schande, ich muss es noch nachholen. Allerdings verkauft mir High on Life den Humor von Roiland nicht durchgehend gut. Es gibt einige Momente, die mich zum Schmunzeln gebracht haben. Dabei handelt es sich vor allem um Meta-Gags, die Videospiel-Tropes auf die Schippe nehmen. High on Life hat aber eben auch sehr viel Fäkalhumor zu bieten und da bin ich nicht zwingend ein Fan von. Ich kann über so etwas lachen, wenn es nicht zu stupide und flach ist. Aber wenn ich zum Beispiel einem NPC begegne, der Ole' Wet Grundy heißt, weil er sich selbst jeden Tag – entschuldigt die Ausdrucksweise, ich zitiere hier nur das Spiel - „einpisst“, dann lockt das nicht mal ein müdes Lächeln von mir hervor. Und von Witzen auf diesem Level gibt es noch viele mehr in High on Life. Es ist ein Spiel, dass definitiv polarisiert. Die einen werden es für seinen Humor lieben, die anderen diesbezüglich nur mit dem Kopf schütteln. Zu welcher Fraktion ihr gehört, wisst nur ihr selbst.
Etwas mehr Präzision, bitte!
Etwas einfacher zu bewerten, ist das Gameplay. High on Life präsentiert sich als Ego-Shooter, aber es geht hier nicht nur ums Ballern. Und das ist auch gut so, denn das Gunplay ist kein Highlight. Das liegt nicht an den Waffen. Das Arsenal ist zwar klein, aber dafür hat jeder Schießprügel einen coolen sekundären Feuermodus, der auch beim Erkunden der Levels und dem Eröffnen neuer Wege relevant ist – und dank der Vertonung hat jede Knarre wortwörtlich ihren eigenen Charakter. Gleiches gilt für das Messer Knifey. Das hat sichtlich großen Spaß daran, Leute aufzuschlitzen und motiviert euch regelmäßig dazu. Es dient aber nicht nur als Stichwaffe, sondern auch als Greifhaken, dank dem ihr euch mithilfe auf der Stelle schwebender Käfer über Abgründe schwingen könnt.
Das Problem ist eher, dass das Gunplay recht ungenau ist, selbst mit Maus und Tastatur. Von Kopftreffern einmal abgesehen, die sehr befriedigende Trefferanimationen auslösen, habe ich nie wirklich ein gutes Gefühl dafür, ob ich nun einen Feind mit meinen Schüssen erwischt habe oder nicht. High on Life spielt sich in dieser Hinsicht regelrecht schwammig und nicht so präzise, wie ich das etwa von Call of Duty kenne. Hinzu kommt das abwechslungsarme Gegner-Repertoire und die sehr bescheiden agierende KI. Eure Widersacher stellen nur dann annähernd eine Herausforderung dar, wenn sie in großen Massen auftreten. Ansonsten ist High on Life auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad ein wahrhaftiger Spaziergang für Leute, die schon mal irgendwann in ihrem Leben einen Ego-Shooter gespielt haben.
Mehr als nur Geballer
Seid ihr nicht damit beschäftigt, bunte Aliens über den Haufen zu schießen, erkundet ihr die halbwegs weitläufigen Areale und sucht nach versteckten Kisten, um zusätzliches Geld zu verdienen. Mit dem könnt ihr euch bei Händlern mit Upgrades für euren Anzug sowie die Waffen eindecken. Hauptsächlich handelt es sich dabei um passive Boni wie kürzere Nachladezeiten oder mehr Schildenergie – praktisch, aber eben auch keine riesigen Motivationsfaktoren.
Dass es keine Karte gibt, sondern nur die Möglichkeit, auf Tastendruck eine Markierung anzeigen zu lassen, wo ihr für eure aktuelle Mission als nächstes hin müsst, ist kein Riesenproblem. Dafür sind die Welten dann doch nicht groß beziehungsweise offen genug. Verlaufen werdet ihr euch niemals in High on Life. Allerdings wäre es hinsichtlich der Erkundung trotzdem nett gewesen, eine Map zu haben, um besser identifizieren zu können, wo ihr schon gewesen seid und wo noch nicht – vor allem deshalb, weil Backtracking eine nicht unwesentliche Rolle spielt, wollt ihr nicht nur stur der Handlung folgen. Das Spiel hat eben einen gewissen Metroidvania-Charakter: Ihr bekommt im Verlauf der Story immer mehr Optionen, euch fortzubewegen oder neue Wege zu eröffnen und das soll euch motivieren, bereits bekannte Orte nochmal aufzusuchen, um dort wirklich jede Kiste und jedes Geheimnis zu finden.
Für zusätzliche Abwechslung sorgen die eine oder andere Geschicklichkeitspassage und kleine Puzzles. Für sich genommen, sind diese Elemente nichts Besonderes, aber sie lockern das Spielgeschehen auf und tragen zum guten Pacing von High on Life bei. Für die reine Hauptgeschichte braucht ihr nicht mehr als zehn Stunden, wollt ihr alles sehen, könnt ihr nochmal rund fünf Stunden dazurechnen. Das mag angesichts dessen, dass der Titel nahezu den Vollpreis kostet, etwas mager erscheinen, zumal sich der Wiederspielwert in Grenzen hält und es keinen Multiplayer oder irgendeine Form von Zusatzmodi gibt. Allerdings würde ich euch eh empfehlen, High on Life per Game Pass zu beziehen. Als Teil des Abo-Angebots macht es eine ganz gute Figur.
Fazit
Wer „Rick and Morty“-Fan ist und von Roilands Stimme nicht genug kriegen kann, könnte mit High on Life eine gute Zeit haben. Ob euch das Spiel gefällt, hängt sehr stark davon ab, ob die Art des Humors eurem Geschmack entspricht. Spielerisch ist es solide, auch wenn das Gunplay seine Schwächen hat. Die abwechslungsreichen Welten und der gute Mix aus Action und Erkundung sorgen dafür, dass High on Life allemal mehr als nur ein Durchschnittstitel ist. Im Idealfall seid ihr Game-Pass-Abonnent, dann könnt ihr es ja einfach mal ausprobieren. Und vielleicht gehört ihr ja zu den Menschen, denen zu viel Besinnlichkeit in der Weihnachtszeit nicht zusagt. Dann stellt High on Life definitiv einen guten Ausgleich dar.
- Kleines, aber cooles Waffenarsenal
- Erstklassige Vertonung
- Stimmiger Look
- Abwechslungsreich designte Welten
- Gunplay mangelt es an Präzision
- Wenig Gegnertypen
- Teils sehr stumpfer Fäkalhumor