Eine Neuausrichtung im Gameplay, eine Rückbesinnung auf alte Tugenden in Sachen Setting: Mit dieser Mischung sollte Final Fantasy 16 die Reihe zurück in den JRPG-Olymp führen, doch das Vorhaben ist leider misslungen.
Final Fantasy 16 im Test: Spektakulär, aber auch leider mittelmäßig
Es gab Zeiten, da stand der Name Final Fantasy für besonders hohe Qualität. Da reden wir aber von der PS1-Ära und die ist schon einige Jähren her. Seit der Generation von PlayStation 3 und Xbox 360 ist es nicht mehr so gut um die JRPG-Reihe bestellt. Teil 13 ist ein großer Haufen Mist gewesen und Teil 15 auch von vielen Problemen geplagt. Wenn ihr uns fragt, dann hat sich auch Final Fantasy 7 Remake nicht als der Hit erwiesen, den wir uns erhofft hatten. Die Hoffnung, dass die Marke mit Final Fantasy 16 wieder an alte Hochzeiten anknüpfen kann, waren groß.
Die Vorzeichen sahen gut aus: Kein anderes Wort hat die Trailer zum Spiel besser beschreiben können als "episch", das neue Kampfsystem sah spaßig aus, dazu das sehr klassische Fantasy-Szenario und die Tatsache, dass mit Naoki Yoshida der Game Director des gefeierten MMOs Final Fantasy XIV die Entwicklung als Producer überwacht hat. Tja, nur was sollen wir sagen? Final Fantasy 16 hat sich leider als riesige Enttäuschung entpuppt. Sowohl spielerisch als auch erzählerisch gelingt es dem Titel nicht, uns irgendeine Form von Begeisterung zu entlocken. Es ist so, als ob Square Enix komplett verlernt hätte, was ein gutes JRPG auszeichnet – und das hat wenig damit zu tun, dass hier kaum noch Rollenspiel drinsteckt.
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Klassischer "Final Fantasy"-Stoff trifft "Game of Thrones"
Ihr habt euch daran gestört, dass die Protagonisten in Final Fantasy 15 wie eine Emo-Boyband aussehen, die mit einem Auto durch die Gegend cruisen? Dann freut euch darüber, dass der Nachfolger so klassisch in Bezug auf seine Charaktere und sein Setting ist wie schon lange kein Final Fantasy mehr. Die Handlung entführt euch in die Fantasy-Welt Valisthea, in der mehrere Reiche um die Vorherrschaft kämpfen. Zwei klassische "Final Fantasy"-Elemente spielen hier wichtige Rollen: Kristalle und Esper. Erstere sind die Quelle aller Magie und über die Welt verteilt sind große Mutterkristalle. Sie erwählen jeweils eine Person zu einem Dominus: einem Menschen, dem die Macht einer Esper innewohnt. Er kann nicht nur besonders mächtige Magie wirken, sondern sich auch in die jeweilige Esper verwandeln, was vor allem in den Kriegen zwischen den Nationen von Bedeutung ist.
Ihr schlüpft in die Haut von Clive Rosfield. Er ist der ältere Sohn des Herzogs von Rosaria. Sein kleiner Bruder Joshua ist der Dominus des Feuers. Als der eines Tages mit den Vorbereitungen auf seine Rolle in der Gesellschaft vorbereiten soll, kommt es zu einer Tragödie, die Clives Leben für immer verändert. Schuld daran ist eine zweiter Feuer-Esper in Form von Ifrit. Clive wird vom Kaiserreich gefangen genommen, versklavt und für Jahre zum Dienst als Soldat gezwungen. Im Zuge einer gewaltigen Schlacht kommt er jedoch frei und begibt sich daraufhin auf die Suche nach dem zweiten Dominus des Feuers.
Viel mehr können wir euch an dieser Stelle zur Handlung nicht erzählen, um nichts zu spoilern. Nur so viel: Was wir hier skizziert haben, ist wahrlich nur der Anfang der Geschichte von Final Fantasy 16, die noch viel weiter ausholt. Es dreht sich nicht alles nur um das Schicksal von Clive und seinem Bruder, sondern eben auch um die Konflikte zwischen den einzelnen Reichen. "Game of Thrones"-Einflüsse sind klar zu spüren, wenn schon früh im Spiel eine Intrige thematisiert wird, die schwere Folgen für Clive und seine Familie hat. Die Story von Final Fantasy 16 bietet auch viele interessante Aspekte, trotzdem hat sie uns nicht überzeugt. Das liegt zum einen daran, dass das Spiel euch recht unvermittelt in seine Welt wirft. In den ersten Stunden schon wird mit diversen Charakteren und Reichsnamen um sich geworfen, da hat man als Spieler noch gar keinen Bezug zu irgendwem oder irgendwas davon. Tatsächlich fällt es auch schwer, ein genaues Bild von der Welt zu erhalten, ohne das In-Game-Kompendium zurate zu ziehen. Ein solches ist nicht per se etwas Schlechtes, jedoch sollte es stets nur zusätzliche Hintergrundinfos vermitteln und nicht elementar wichtig sein, um zu begreifen, wer genau die einzelnen Personen und Fraktionen eigentlich sind, mit denen oder gegen die ihr da kämpft. Da ist es dann noch extra unglücklich, dass ihr das Kompendium nicht jederzeit aufrufen könnt. Auf die vollständige Version habt ihr nur in einem Hub-Level Zugriff. Ansonsten könnt ihr lediglich während Zwischensequenzen pausieren, um ausgewählte Kodexeinträge zu lesen, die etwas mit dem zu tun haben, was ihr gerade seht.
Ein weiteres Problem ist ausgerechnet Clive. Er ist der typische JRPG-Protagonist mit wilder Frisur und langem Schwert, wie wir ihn schon oft genug erlebt haben – und ihm fehlt leider jegliches Charisma. Seine Geschichte ist alles andere als uninteressant. Er muss so einiges durchmachen und eigentlich sollte uns das alles auch nahegehen, aber das passiert nicht. Final Fantasy 16 gelingt es nicht, uns seine Hauptfigur ans Herz wachsen zu lassen. Clive ist ein langweiliger Charakter und es können ihm noch so tragische Dinge widerfahren, uns hat das alles kaltgelassen. Die Autoren haben hier viel Potenzial verschenkt. Wie gesagt, die Geschichte ist an sich nicht schlecht und das World Building hat ein paar spannende Ansätze, etwa die Art und Weise, wie die Domini in den unterschiedlichen Reichen behandelt werden. Doch die schlechte Einführung in diese Welt und Clive machen es schwer, jedwede Art von Bindung aufzubauen.
Wo bleibt der Flow?
Nun wäre das alles nur halb so schlimm, wenn Final Fantasy 16 in Sachen Gameplay Begeisterung schüren würde – zumal das Spiel in wichtigen Story-Sequenzen wahrlich epische, fantastisch inszenierte Momente kreiert, weshalb man sich wenigstens aus visuellen Gründen auf jede davon freut. Leider hinterlässt das Kampfsystem (mehr Gameplay-Elemente abseits des einfachen Herumlaufens oder dem Reiten auf Chocobos gibt es nicht) einen mäßigen Eindruck. Das liegt nicht am Konzept: In Final Fantasy 16 steuert ihr ausschließlich Clive und keine anderen Gruppenmitglieder. Die einzige Ausnahme ist, dass ihr eurem treuen Hund Torgal einfache Kommandos geben könnt, damit er Gegner angreift, in die Luft schleudert oder euch heilt. Ansonsten seid ihr damit beschäftigt, als Clive aktiv das Schwert zu schwingen, simple Magieattacken zu wirken, mächtige Spezialfähigkeiten einzusetzen und gegnerischen Angriffen im richtigen Moment auszuweichen oder sie zu parieren, um dann zum starken Konter auszuholen.
Das Tempo ist hoch, die Effekte spektakulär und das Gegnerdesign bietet viel Abwechslung. Es ist auch eine nette Idee, dass stärkere Feinde wie in Sekiro: Shadows Die Twice eine zweite Leiste haben, die ihre Willenskraft darstellt. Brecht ihr diese, ist euer Gegenüber für kurze Zeit wehrlos und ihr könnt ihm Extraschaden verpassen. Doch das Kampfsystem könnte noch so tolle Features bieten, es wäre am Ende des Tages immer noch nicht gut, weil ihm eine grundlegende Sache fehlt: ein Flow. Wenn gerade die Abklingzeiten all eurer Spezialangriffe laufen, seid ihr die viel zu sehr damit beschäftigt, entweder die immer gleiche Schwerthiebkombo auszuführen oder hier und da mal einen Magieangriff einzustreuen. Es gibt nicht wie in anderen Spielen leichte und schwere Angriffe, die ihr zu verschiedenen Kombos aneinanderketten könnt. Zwar lässt sich eine Fähigkeit freischalten, mit der ihr euer Schwert in Flammen hüllt, um dann einen einzelnen heftigen Hieb auszuführen, dafür müsst ihr aber die Angriffstaste gedrückt halten – was im Umkehrschluss bedeutet, dass ihr in der Zeit keine leichten Schwertstreiche verrichten könnt.
Da können die Gegner noch so unterschiedlich agieren, ihr macht in jedem Kampf das Gleiche. Das mag sich im späteren Spielverlauf etwas abschwächen, wenn ihr mehr als nur zwei Spezialfähigkeiten zur Verfügung habt, doch bis dahin vergeht zu viel Zeit, in der die Gefechte die Dynamik vermissen lassen, die man aus Character Action Games wie Devil May Cry gewohnt ist. Genau von solchen Spielen haben sich die Macher auch klar inspirieren lassen (Ryota Suzuki, der als Designer an Devil May Cry 5 mitgearbeitet hat, ist hauptverantwortlich für das Kampfsystem von Final Fantasy 16). Scheinbar wollte man die Action aber auch ja nicht zu komplex gestalten – ein nachvollziehbarer Gedanke, der aber nichts entschuldigt. Ein God of War bietet auch kein überaus tiefgründiges Kampfsystem, in das man sich erst mal über Stunden einarbeiten muss, und spielt sich trotzdem sehr viel dynamischer. Und selbst ein The Witcher 3, das man nun wirklich nicht aufgrund seiner Kämpfe spielt, hat hier die Nase vorn, weil jedes Monster anfällig für ein bestimmtes Zeichen (die magischen Fähigkeiten, die Geralt beherrscht) ist und man sich so auf jeden Gegner neu einstellen muss.
Gott sei Dank gibt es keine offene Welt!
Final Fantasy 16 ist ein großes Spiel. Wer wirklich alles sehen möchte, ist locker 70, 80 Stunden beschäftigt. Neben der umfangreichen Hauptgeschichte gibt es schließlich noch eine Vielzahl an Nebenquests. Die haben mehr erzählerischen Kontext als in Final Fantasy 15 und fallen auch nicht ganz so stupide aus, einen Preis für gutes Nebenmissionsdesign wird Square Enix aber nicht erhalten. Dafür fallen die Aufträge dann doch zu sehr in die "Töte dies, besorge das"-Kategorie.
Ein Open-World-Spiel ist Final Fantasy 16 aber nicht – ganz und gar nicht! Gerade in den ersten Stunden fällt es sogar extrem linear aus, was an die engen Levelschläuche von Final Fantasy 13 erinnert. Erst nach etlichen Stunden öffnet sich das Spiel ein wenig und lässt euch etwas weitläufigere Areale erkunden. Wirklich etwas zu bieten haben die aber nicht. Hier und da mal ein stärkerer Gegner, ein einzelnes Item oder eine Schatztruhe, das war's! Ansonsten gibt es nichts zu entdecken. Nebenquests sind nicht versteckt. Sobald ein Auftrag freigeschaltet ist, ist der jeweilige Questgeber auf der Karte markiert.
Da kann man nur froh sein, dass die Entwickler nicht erneut eine riesige Open World gebaut haben, wenn sie doch schon diese "Open-Schlauch"-Gebiete nicht mit interessanten Inhalten gefüllt bekommen – zumal die Items, die ihr finden könnt, allesamt langweilig sind. Handelt es sich nicht um Gil oder Heiltränke, sind es Crafting-Ressourcen. Damit könnt ihr beim Schmied neue Schwerter und andere Ausrüstung herstellen sowie upgraden. Spannend ist das System aber nicht. Letztendlich erhöht ihr einfach nur immer weiter eure Angriffskraft, Verteidigung und Lebensenergie. Accessoires bieten zwar teilweise passive Boni für einzelne Fähigkeiten, so dass ihr euch in der Theorie auf bestimmte Skills spezialisieren könnt, doch dabei handelt es sich nur um niedrige Prozentwerte, die kaum der Rede wert sind. Zudem ist Final Fantasy 16 selbst im Action-Modus, der anspruchsvoller als der Story-Modus ist, alles andere als schwierig, weshalb ihr gar nicht in der Not seid, euch wirklich Gedanken über eure Ausrüstung machen zu müssen. Den härteren Final-Fantasy-Modus schaltet ihr derweil erst mit Abschluss des Spiels frei, was Profis sauer aufstoßen wird.
RPG Ultra-Lite
Das Crafting- und Ausrüstungssystem ist aber auch stellvertretend dafür, wie simpel die Progression allgemein ausfällt. Ihr habt mit Clive nur einen Charakter, der Erfahrungspunkte sammelt und im Level aufsteigt. Das geschieht vollkommen automatisch, soll heißen: Wenn der Held eine neue Stufe erreicht, erhöhen sich alle seine Werte. Ihr dürft nicht selbst Attributspunkte verteilen. Immerhin könnt ihr aber mit Fertigkeitspunkten, die ihr für jeden bestrittenen Kampf erhaltet, neue Skills freischalten oder vorhandene aufwerten. Das System ist ebenfalls sehr simpel, aber effektiv. Eine neue, mächtige Fähigkeit zu erlernen, ist eben befriedigender, als in einem komplexen Talentbaum Boni wie fünf Prozent mehr Schaden freizuschalten.
Trotzdem muss gesagt sein, dass Final Fantasy 16 nur noch schwerlich als richtiges Rollenspiel durchgeht. Ja, Charakterwerte spielen eine bedeutende Rolle und es kommt nicht nur auf euer Geschick an, aber es mangelt dem Titel eben an jeglicher Tiefe. Das wird nicht jedem Fan gefallen. Final Fantasy 15 hatte da noch wesentlich mehr zu bieten.
Visuell und akustisch top
"Final Fantasy"-Spiele waren schon immer Vorzeigetitel, was Grafik anbelangt. Final Fantasy 16 bildet da keine Ausnahme. Die verschiedenen Umgebungen, die Charaktere und vor allem die Zaubereffekte sehen fantastisch aus, nicht nur in den sehr schicken Zwischensequenzen. In den Kämpfen kann zwar bei dem Effektgewitter manchmal die Übersicht etwas flöten gehen, aber dafür ist die Action sehr spektakulär. Die Sache hat jedoch einen Haken: Im Performance-Modus schafft es Final Fantasy 16 nicht, die 60 FPS zu halten. Daran hat auch der Day-One-Patch nichts geändert (den es ursprünglich gar nicht erst geben sollte). Die Bildrate bricht immer noch regelmäßig ein und das auch außerhalb von besonders epischen Kämpfen.
Aus diesem Grund haben wir irgendwann auf den Grafikmodus gewechselt. Dank höherer Auflösung, besseren Schatten und mehr Post-Processing-Effekten sieht das Spiel hier nochmal etwas besser aus und die stabilen 30 FPS sind uns dann doch lieber als eine schwankende Performance. Da können wir dann doch einen Todd Howard verstehen, wenn er sagt, dass man Starfield aus diesem Grund auf den Konsolen auf 30 FPS limitiert.
Was aus den Lautsprechern respektive Kopfhörern schallt, ist zweifelsohne fantastisch – zumindest dann, wenn ihr mit englischer Sprachausgabe spielt. Vor allem Ralph Ineson, den wir zuletzt schon als Lorath in Diablo 4 gehört haben, begeistert uns hier als Clives Verbündeter Cod erneut mit seiner tiefen, rauen Stimme. Die deutsche Fassung hinkt dem wie zuletzt bei Final Fantasy 7 Remake stark hinterher. Wer will, kann aber auch mit der originalen japanischen Vertonung spielen. Ohne jeden Zweifel ein Meisterstück ist der Soundtrack, der von ruhigen, harmonischen Melodien bis hin zu epischen Orchesterklängen mitsamt Chorgesang alles bietet, was man von einem "Final Fantasy"-Soundtrack eben erwartet.
Fazit
Ganz ehrlich: Wir hatten nicht erwartet, dass Final Fantasy 16 so ein mittelmäßiges Spiel ist. Von der exquisiten Präsentation einmal abgesehen, kann keine Komponente wirklich überzeugen. Die Story krankt an ihrem wenig charismatischen Protagonisten und der schlechten Einführung in die Welt, die Kämpfe spielen sich nicht so geschmeidig und dynamisch, wie wir uns das wünschen würden, und die offeneren Gebiete dienen nur als schicke Kulissen und spornen gar nicht zum Erkunden an. Dann mangelt es dem Titel auch noch an jeglicher RPG-Tiefe und die Performance könnte bedeutend besser sein. Es ist echt schade, denn die Neuausrichtung hin zu mehr Action ist eigentlich ein spannender neuer Pfad für die Reihe und das klassische Fantasy-Szenario weiß zu gefallen. Es ist zum Haareraufen, wie durchwachsen Final Fantasy 16 in fast all seinen Aspekten ist. Gut, so bleibt mehr Zeit für Diablo und Zelda, aber wir hatten uns doch echt gewünscht, dass die Marke wieder an alte Glanzzeiten anknüpfen kann.
- Sieht fantastisch aus
- Epischer Soundtrack
- Einige wirklich spektakuläre Momente
- Spezialfähigkeiten fühlen sich schön mächtig an
- Rückkehr zum klassischen Fantasy-Szenario begrüßenswert
- Kampfsystem hat keinen guten Flow
- Hauptcharakter ohne Charisma
- Schlechte Einführung in die Welt
- Mangelnder Tiefgang
- Nichts Interessantes in offeneren Gebieten zu entdecken
- Keine stabile Bildrate im Performance-Modus