Neun Jahre sind seit der Ankündigung vergangen, jetzt ist Dead Island 2 tatsächlich erschienen – und könnte eine echt nette Zombieschlachtplatte sein, wenn denn da nicht der RPG-Unterbau wäre.
Dead Island 2 im Test: Das Spiel, das sich selbst im Weg steht
Eigentlich sollte Dead Island 2 ein Spiel aus deutschen Landen werden. Das Berliner Studio Yager Development saß einst an der Fortsetzung zum damals noch hierzulande indizierten Dead Island von Techland, nachdem sich letzterer Entwickler dazu entschieden hatte, ein anderes Zombiespiel (das immer noch auf dem Index steht) zu machen. Doch Publisher Deep Silver und Yager wurden sich offensichtlich nicht einig, was die kreative Vision betraf, und so entzog man den Hauptstädtern das Projekt. Dann sollte Sumo Digital aus Sheffield (Crackdown 3, Sackboy: A Big Adventure) Dead Island 2 umsetzen … und wurde ebenfalls nach einiger Zeit abserviert. So landete der Titel letztendlich bei Dambuster Studios (ehemals Crytek UK und davor Free Radical Design). Das Team aus Nottingham hat es endlich geschafft, Dead Island 2 fertigzustellen. Hat sich das lange Warten gelohnt? Die Antwort: Es ist kompliziert.
Willkommen in Hell-A!
Der erste Teil spielt auf einer Urlaubsinsel mit schicken Hotels und Dschungel, Dead Island 2 entführt euch … nach Los Angeles. "Moment, die Stadt liegt doch gar nicht auf einer Insel!" Richtig, aber das hat die Macher trotzdem nicht davon abgehalten, entweder ein anderes Setting oder einen anderen Namen zu wählen. Doch was soll's!? In Zeiten, in denen es zwei Spiele gibt, die einfach nur Doom heißen, ohne dass das eine ein Remake des anderen ist, kann es uns doch vollkommen egal sein, wenn es keinen inhaltlichen Bezug für das "Island" in Dead Island 2 gibt. Die Hauptsache ist doch, dass der Titel ein ähnliches Spielerlebnis verspricht, wie es der Vorgänger geboten hat: also ein blutiges Action-RPG in der Zombieapokalypse mit Koop-Modus.
Die Story ist eh so irrelevant für den Spielspaß wie im ersten Teil. Ihr seid ein Überlebender und kämpft in Los Angeles oder Hell-A, wie es hier genannt wird, darum, weiterhin am Leben zu bleiben. Zwar beißt euch direkt zu Beginn ein Zombie, doch ihr verwandelt euch nicht. Also beschließt ihr, die Regierungskräfte aufzusuchen, denn euer Blut könnte ja der Schlüssel zur Rettung der Menschheit sein. Na ja, zumindest dem, was davon noch übrig ist. Dabei trefft ihr verschiedene Charaktere, etwa eine Schauspielerin und deren Assistenten, mit denen ihr euch verbündet, weil man ja im Team sicher größere Überlebenschancen hat. Die Dialoge sind ok geschrieben, die Figuren sehr gut auf Englisch vertont (deutsche Sprachausgabe gibt es nicht), aber Spannung kommt nicht auf. Die Handlung plätschert einfach so vor sich hin und schickt euch von einem Teil L.A.s zum nächsten.
Wo die Reichen und Schönen … gestorben sind
Das bringt uns jedoch zu einer großen Stärke von Dead Island 2: der Spielwelt. Es handelt sich nicht um eine Open World und die Gebiete sind weit weniger weitläufig als im Vorgänger. Ihr dürft auch nicht mehr mit dem Auto durch die Gegend cruisen. Beverly Hills, Santa Monica, Bel Air und Co sind alles einzelne, relativ kleine Levels. Teilweise werdet ihr recht linear durch sie hindurchgeführt, aber es gibt oft genug ausreichend Freiraum zum Erkunden. Und das lohnt sich!
Die Gebiete sind mit enorm viel Liebe zum Detail gestaltet. Ob ihr nun die Villen reicher Leute durchkämmt oder in Filmstudios unterwegs seid, überall gibt es nicht nur Crafting-Ressourcen zu finden, sondern auch kleine Details in der Umgebung, die in Verbund mit Textdokumenten oder Tonaufnahmen kleine Geschichten erzählen. Wer bei Dying Light 2 über den mangelnden Einsatz von Environmental Storytelling geklagt hat (so wie wir), den wird die Welt von Dead Island 2 viel mehr zufriedenstellen. Hut ab vor den Leveldesignern!
Spielerische Vielfalt sieht anders aus
Reden wir nicht um den heißen Brei herum: In Dead Island 2 macht ihr 20 bis 30 Stunden lang (je nachdem, wie viele Nebenquests ihr mitnehmt) genau das, was ihr erwartet, nämlich Zombies abschlachten. Es gibt im Grunde kein anderes Gameplay-Element. Ja, mal müsst ihr eine Batterie finden, um sie in einen Generator zu stecken, damit sich beispielsweise eine Tür öffnet, aber richtige Rätsel gibt es nicht. Geschicklichkeitspassagen fehlen ebenso. Ihr könnt nicht wie in Dying Light 2 coole Parkour-Manöver ausführen, sondern maximal auf irgendwelche Kisten klettern, um höher gelegene Stellen zu erreichen.
Klingt, als wäre Dead Island 2 sehr repetitiv? Ja, ist es auch irgendwie. Klar, die Vielfalt an Schauplätzen und deren detailverliebtes Design sorgen dafür, dass euch nicht langweilig wird, sofern ihr denn an den Kämpfen genug Freude habt. Aber das Missionsdesign gewinnt echt keinen Kreativitätspreis. Entweder lauft ihr von A nach B oder wehrt an einem Ort Gegnerwellen ab. Viel mehr Abwechslung bieten Haupt- und Nebenmissionen nicht.
Die Kämpfe könnten so launig sein
Das Gute ist: Zombies den endgültigen Tod zu bescheren, macht an sich dank ordentlichem Trefferfeedback richtig Laune. Gerade mit schwereren Waffen wie einem dicken Hammer fühlen sich eure Attacken enorm wuchtig an. Die Untoten fliegen dann gerne mal durch die Gegend und kollidieren mit Umgebungsobjekten, die teilweise physikalisch darauf reagieren. Dadurch wirken die Levels nicht so statisch wie in anderen Spielen. Obendrein könnt ihr die Umgebung zu eurem Vorteil nutzen. Am Boden findet sich eine Pfütze? Dann werft einfach eine Waffe mit Schockschaden da rein, was den Boden unter Strom setzt. Jeder Zombie, den ihr dann ins Wasser lockt, wird frittiert. Natürlich gibt es auch explosive Items und ebenso könnt ihr Benzinkanister auskippen und den Brennstoff anschließend anzünden.
Jetzt das große Aber: So gut sich einzelne Schläge mit Nahkampf- oder Schüsse mit Fernkampfwaffen (das erste Gewehr gibt es nach einigen Stunden Spielzeit) auch anfühlen, der Rollenspielunterbau von Dead Island 2 vermiest einem den Spaß an der Action schon recht früh im Spielverlauf. Ihr MÜSST euch um ein breitgefächertes Waffenarsenal bemühen, um alle möglichen Schadensarten austeilen zu können, weil verschiedene Zombietypen anfällig beziehungsweise resistent gegenüber einigen von ihnen sind.
"Ja cool, also ist es doch nicht einfach nur hirnloses Geschnetzel." Ja, aber will man in einem Spiel wie Dead Island 2 nicht genau das? Das Problem ist ja auch, dass ihr die ganze Zeit nur gegen Untote kämpft. In einem Fantasy-Spiel ist es leicht, sich zu merken, dass ein Eiswesen eine Schwäche gegenüber Feuer hat. Aber das ein Zombie anfälliger für Blutungsschaden ist als ein anderer, wird nicht so schnell im Hirn abgespeichert. Und dann kommt noch hinzu, dass der allererste Bossgegner im Spiel anschließend zum Standardfeind wird, auf den ihr alle naselang trefft, gerne auch mal im Doppelpack. Dabei handelt es sich um einen großen, sehr muskulösen Zombie, der viel einstecken kann und deshalb wahnsinnig nervig ist. Apropos nervig. Habt ihr einen Bereich komplett gesäubert, geht ein paar Meter weiter und kehrt dann nochmal um, sind direkt wieder neue Zombies da. Manchmal spawnen sie sogar direkt vor eurer Nase. Unschön!
All diese Faktoren haben dazu geführt, dass wir irgendwann einfach an den Zombies vorbei gerannt sind, sofern es möglich war. Und das sollte in einem Spiel, das zu 90 Prozent daraus besteht, Untote niederzumetzeln, nicht passieren. Hätte Dambuster Studios auf die RPG-Mechaniken verzichtet, wäre Dead Island 2 viel hirnloser, aber auch spaßiger. Wenn wir ein Spiel zocken wollen, wo wir taktisch kämpfen müssen, dann spielen wir Dark Souls oder so, keinen interaktiven Zombie-B-Movie.
Schönes Gemetzel … und die Wohnungen sind auch schick
Optisch ist Dead Island 2 auf durchgehend hohem Niveau. Die Stars sind die detaillierten (und wirklich harten) Splatter-Effekte sowie die liebevollen Umgebungen mit ihrer herrlichen Lichtstimmung und durchgehend hoher Texturqualität. Selten sah eine virtuelle Abbildung von Los Angeles so hübsch aus und selten war ein Spiel so blutig wie Dead Island 2. Letzteres gilt auch für die deutsche Version. Das einzige, was in der nicht geht: Ihr könnt mit einmal getöteten Zombies nicht mehr weiter interagieren und sie somit noch mehr auseinandernehmen, aber das hat uns überhaupt nicht gestört.
Auch die Charaktermodelle können sich sehen lassen und sind zumindest in den richtigen Zwischensequenzen sehr gut animiert. In Sachen Performance gibt es bei der PC-Version nichts zu beanstanden und obwohl wir eine Vorabfassung gespielt haben, blieben Bugs fast in Gänze aus. Ihr müsst also nicht befürchten, die nächste schlechte PC-Fassung eines Spiels serviert zu bekommen.
Fazit
Dead Island 2 war es definitiv nicht vorbestimmt, ein Meilenstein zu werden. Es hätte aber ein echt gutes Zombie-Actionspiel sein können, in dem es eine simple, aber helle Freude ist, Untote zu zerhäckseln. Mit den RPG-Anleihen stellt es sich aber selbst ein Beinchen. Die Gegner werden dadurch leider teilweise zu einem Störfaktor. Dead Island 2 ist zwar trotzdem unterhaltsam, weil die Nutzung der vielen Waffen eigentlich Laune macht und die Spielwelt sehr schön gestaltet ist, doch es bleibt hinter seinen Möglichkeiten.
- Sehr liebevoll designte Spielwelt
- Große Auswahl an Waffen
- Gutes Trefferfeedback
- Schicke Grafik
- Tolle Vertonung
- RPG-Mechaniken machen Kämpfe zäh und unnötig "taktisch"
- Sehr repetitiv
- Story nicht der Rede wert