Mit Assassin’s Creed Mirage geht Ubisoft zurück zu den Anfängen der Reihe und das tut zur Abwechslung richtig gut.
Assassin’s Creed Mirage im Test: Eine Hommage an ältere Titel der Reihe
Seit 2007 hat sich die "Assassin’s Creed"-Reihe für Ubisoft zu einem respektablen Umsatzbringer entwickelt. Angefangen hat die Marke als Open-World-Action-Adventure mit Stealth-Elementen, doch im Verlauf der vergangenen 16 Jahre haben sich die Spiele natürlich verändert und wurden dem Geschmack der Spieler angepasst. Nachdem wir nun seit mehreren Jahren eine Transformation hin zu einem Open-World-Rollenspiel gesehen haben, geht es mit Assassin’s Creed Mirage wieder zurück zu den Anfängen der Marke. Dabei war das Spiel ursprünglich als Add-on für Assassin’s Creed Valhalla geplant. Nun ist daraus ein eigenes Spiel geworden und wir haben die Geschichte im Nahen Osten bereits durchlebt.
Basim, der Straßendieb
Assassin’s Creed Mirage erzählt die Geschichte des jungen Straßendiebs Basim in Bagdad des 9. Jahrhundert. Er und seine Freundin Nihal versuchen eigentlich nur über die Runden zu kommen. Doch als sie eines Tages ein mysteriöses Artefakt stehlen wollen, überschlagen sich die Ereignisse und ehe sich Basim versieht, ist er Teil einer großen Verschwörung, die sich durch Bagdads gesamte Elite zieht. Er wird von den Verborgenen, einem Vorläufer der Assassinenbruderschaft, ausgebildet, obwohl er selbst nicht so recht weiß, was das alles zu bedeuten hat. Dazu kommt, dass ihn seit früher Jugend Alpträume plagen, deren Bedeutung alles andere als ersichtlich ist. Viel mehr wollen wir von der Geschichte nicht verraten, aber macht euch auf einige Wendungen und interessante Entwicklungen gefasst.
Mehr Adventure als Rollenspiel
Im Gegensatz zu den Open-World-Rollenspielen Origins, Odyssey und Valhalla orientiert sich Assassin’s Creed Mirage wieder stärker an den ersten Teilen der Reihe. Es gibt zwar weiterhin eine große offene Spielwelt, aber diese ist deutlich kleiner und kompakter. Die meiste Zeit haben wir uns in Bagdad selbst oder einem kleinen Vorort, Basins Zuhause, aufgehalten. Die Festung der Verborgenen ist zwar auch Teil der Geschichte, aber nach Belieben selbst dorthin zu reisen, ist nicht möglich. Das passiert lediglich innerhalb bestimmter Missionen. Dementsprechend ist der gesamte Spielablauf viel linearer. Es geht stets von Quest zu Quest, um die Geschichte voranzutreiben. Etwaige Nebenaufgaben können wir jedoch fast immer dann erledigen, wann wir es wollen und auch die Reihenfolge der freigeschalteten Missionen ist uns zum Großteil freigestellt.
Endlich wieder Parkour
Auch wenn die Spielmechaniken in den vergangenen 16 Jahren weiterentwickelt und verfeinert wurden, finden sich Fans, die die ersten Spiele der Reihe gezockt haben, sofort zurecht. Gerade in den ersten Spielstunden entsteht dabei ein wohliges Gefühl der Nostalgie. Man hat das Gefühl, es schon erlebt zu haben, die Erinnerungen an die alten Games mögen vielleicht etwas verzerrt sein, aber ziemlich genau so hatten wir das Gameplay von damals in unserem Kopf abgespeichert. Wir rennen, springen und kämpfen uns mit Basim durch die verwinkelten Gassen von Bagdad, um der Verschwörung auf die Schliche zu kommen. Parkour spielt dabei wieder eine größere Rolle als in den Rollenspielen der letzten Jahre. Geschmeidig springen wir an Fenstersimse, halten uns an Geländern fest oder nutzen die neuen Holzstämme oder Seilrutschen, um größere Abstände zu überwinden. Geübte Spieler sind hier klar im Vorteil, denn wer mit den Mechaniken vertraut ist, kann die Umgebung besser lesen. Anfänger sollten daher stets nach weißen Lumpen und Stoff Ausschau halten, denn diese Dinge signalisieren, wo es sich lohnt zu klettern. Das funktioniert auch in den meisten Fällen tadellos, aber ein bisschen vermissen wir dennoch die Feinheiten, die ein Unity oder Syndicate in dieser Hinsicht geboten haben.
Tarnung und Täuschen
Stealth spielt ebenfalls wieder eine größere Rolle, denn eines hat sich auch in Assassin’s Creed Mirage nicht geändert und das sind die Attentate. Um erfolgreich aus der Geschichte hervorzugehen, müssen zahlreiche finstere Gestalten aus dem Weg geräumt werden. Nun können wir aber nicht einfach blindlings mordend durch die islamisch geprägte Stadt laufen. Das zieht nicht nur den Unmut der Leute auf sich. Wenn wir bekannt wie ein bunter Hund sind, können wir keine verborgenen Eliminierungen durchführen. Dementsprechend müssen wir uns unauffällig verhalten oder, wenn es drauf ankommt, schnell verschwinden. Entweder tauchen wir dank Social Stealth in Menschenansammlungen unter, wir verstecken uns in einem Strohhaufen oder suchen Schutz in nicht einsehbaren Unterschlupfen. Das funktioniert aber natürlich nur, wenn uns vorher niemand beobachtet hat. Je nach Bekanntheitsgrad erkennen uns die Einwohner von Bagdad nicht nur, sie rufen auch lautstark nach der Obrigkeit, die uns dann gnadenlos jagt. Allerdings können wir Marktschreier, Musiker und andere bestechen, die uns helfen, aus der Wahrnehmung der Gesellschaft wieder zu verschwinden. Das Abreißen von Fahndungsplakaten hat den gleichen Effekt.
Neue Methoden für Assassinen
Für die Attentate hat sich Ubisoft von der "Black Box"-Struktur von Assassin’s Creed Unity inspirieren lassen. Wir bekommen zwar das Ziel vorgegeben, aber wie wir die Mission erfüllen, ist komplett uns überlassen. Es besteht die Möglichkeit, Personen zu belauschen oder zu bestehlen, um Details zu erfahren, wir können mit unserem Adler die Umgebung auskundschaften oder suchen uns einfach selbst einen Weg. Eines dürfen wir an dieser Stelle nicht vergessen und das ist ein Fluchtplan. Es empfiehlt sich daher sämtliche Türen aufzuschließen oder zu entsperren, so dass wir bei unserer Flucht nach einem erfolgreichen Einsatz nicht schnell in einer Sackgasse landen. Das gibt uns ein gewisses Gefühl der Freiheit. Schade ist nur, dass genau diese Freiheit aber eher selten zum Tragen kommt, denn in vielen Fällen funktioniert auch die Rambo-Methode. Rein, alles niedermetzeln und wieder raus. Das entspricht allerdings nicht dem Kredo der Assassinen. Insbesondere ein Feature gibt uns dabei ein Maß an Überlegenheit, das wir so nicht erwartet hätten. Mit dem Assassinenfokus können wir bis zu fünf Gegner markieren, die dann in einem Rutsch ausgeschaltet werden. Das erinnert etwas an das "Mark & Execute"-Feature aus Splinter Cell Conviction und ist die ultimative Möglichkeit, aus einer brenzligen Situation zu entfliehen, wenn zu viele Gegner um einen herumwuseln.
Kampf mit Hilfsmitteln
Kämpfen steht natürlich auch auf der Tagesordnung für Basim. Irgendwann werden wir trotz aller Planungen im Vorfeld oder vorbildlicher Schleichtaktiken entdeckt und dann hilft nur noch eine direkte Konfrontation. Basim verfügt über eine schwache und eine starke Attacke. Zusätzlich kann er gegnerische Angriffe blocken oder ausweichen. Im Kampf mit mehreren Gegnern reicht das aber nicht immer aus. Doch dank Wurfmessern, Blasrohr, Rauchbomben und Fallen können wir reichlich Verwirrung stiften, um entweder zu fliehen oder zu kämpfen. Hier zeigt sich dann mehr als deutlich, dass Assassin’s Creed Mirage nur sehr wenig mit einem klassischen Rollenspiel gemein hat. Statt unsere eigenen Werte aufzuleveln und Fähigkeiten zu verbessern, gibt es einige aufwertbare Ausrüstungsgegenstände und Fertigkeiten. Da davon aber nicht allzu viele existieren, fühlt sich jedes Upgrade wertig und wichtig an. Das Schöne ist, dass wir jederzeit die erspielten Fertigkeitenpunkte neu einsetzen und verwalten dürfen. Kommen wir mit der einen Konfiguration nicht weiter, suchen wir uns kurz ein stilles Örtchen, ordnen alles um und schon geht es weiter in der Schlacht.
Einige Nebenaktivitäten
Ubisoft hat dieses Mal offensichtlich auch eine gute Balance zwischen Haupt- und Nebenaufgaben gefunden. Abseits der Geschichte können wir immer wieder kleine Anekdoten aus dem Leben von Bagdads Bevölkerung erleben. Mal haben die Verborgenen zusätzliche Aufträge für uns oder es sind die Bewohner selbst, die uns um Hilfe bitten. Wie zum Beispiel der kleine Junge, der genau wie wir einen Todessprung machen will, sich aber nicht traut. Doch mit unserer Hilfe gelingt das Unterfangen schlussendlich dennoch. Zudem erfahren wir durch diese Nebenaufgaben weitere Details zu den Charakteren und ihren Motiven. Es sind genau diese Geschichten, die die Welt des Spiels lebendig wirken lassen. Apropos Spielwelt, natürlich gibt es auch wieder einige Sammelgegenstände, die in Bagdad und Umgebung versteckt sind und uns für weitere Stunden an das Spiel binden. Kleines Detail am Rande: Wir dürfen in Assassin’s Creed Mirage sogar Katzen streicheln.
Technisch gibt es von Ubisoft gewohnt gelungene Kost. Bagdad sieht extrem schick aus und strotzt nur so vor kleinen Details. Überall gibt es in der Stadt etwas für uns zu entdecken. Seien es nun die Marktstände mit ihrem opulenten Angebot oder der malerische Schattenwurf der Sonne in den kleinen Gassen. Egal, wo wir hinsehen, die Welt wirkt unglaublich stimmig und liebevoll gestaltet. Die vielen verschiedenen Bewohner und ihr Tagesablauf tragen natürlich auch dazu bei. Die Animationen der Charaktere sind flüssig und sofern eine Figur eine größere Rolle hat, sehen auch die Gesichter sehr realitätsnah aus. Großartige Fehler oder Performance-Probleme sind uns beim Spielen nicht aufgefallen. Richtig gelungen finden wir auch die deutsche Synchronisation. Es wurden Sprecher ausgewählt, die ihrem englischen Pendant mehr als nur gerecht werden. Insbesondere die kratzige und rauchige Stimme von Roshan hat es uns angetan. Selten war ein Charakter so nah am Original.
Fazit:
Assassin’s Creed Mirage ist eine willkommene Abwechslung zur sonstigen Rollenspielausrichtung der Reihe. Es werden die Stärken der alten Spiele genutzt, etwas verfeinert und in ein aktuelles Gewand gehüllt. Wem die letzten Games zu groß, zu komplex und zu überfordernd waren, der ist bei Mirage genau richtig. Das Spiel ist kleiner, kompakter und eine Liebeserklärung an die Anfänge der Serie. Zudem steht endlich wieder das im Fokus, wofür die Spiele einmal bekannt waren: Täuschung und Tarnung. Es macht einfach unglaublich viel Spaß, erst zu planen, dann den Auftrag durchzuführen und dann so schnell wie möglich wieder zu verschwinden. Auch die knapp 20-stündige Geschichte weiß zu überzeugen, denn sie kommt fast gänzlich ohne ausufernde Fantasy-Elemente aus. Assassin’s Creed Mirage ist der perfekte Gegenentwurf zum „Höher, schneller, weiter“-Trend und dabei äußerst gelungen.
- endlich wieder Parkour
- wunderschönes Bagdad
- kaum Fantasy-Elemente
- tolle Synchronisation
- spannende Geschichte
- Black Box Potenzial kaum genutzt
- Parkour könnte mehr Freiheiten bieten